Dienstag, 29. September 2015

Bericht aus dem Maschinenraum

Seit dem Wochenende bin ich stolzer Besitzer eines iPhone 6s. Das Hauptargument für den Kauf neuer Hardware war: Statt 4% (von 16 GB) auf dem iPhone 4 habe ich jetzt 82% (von 64 GB) freien Speicherplatz. Diese Situation hatte ich in meinem Leben im Schnitt alle 5-10 Jahre. Sie kommt sicher auch anderen Leuten bekannt vor.

Von außen ist das Gerät dem alten sehr ähnlich. Es ist etwas flacher. Dafür ist es statt 11 cm allerdings 13 cm lang. Es passt also nicht mehr in meinen Halfter (engl. holster). Im Moment dient ein weiches Brillenetui als Schutzhülle. Die Portierung meines Betriebssystems (IOS 9) und meiner Anwendungen übernahm dankeswerterweise ein jüngeres Familienmitglied. Meine 120 Apps wurden auf meinem Desktop zwischengespeichert (engl. backup) mit allen Daten, d.h. Fotos und Musik. Das System iTunes bot sich als Zwischenspeicher an. Die iCloud, die das normalerweise schneller macht, war gerade nicht verfügbar.

Innerhalb weniger Stunden wurden anschließend alle Apps voll automatisch auf das neue Gerät portiert. Ein Eingreifen war nicht erforderlich. Man konnte zusehen, wie eine App nach der anderen wieder Farbe annahm. Nur zwei Anwendungen wollten nicht mehr laufen. Das Navi-System Navigon, das von der Telekom als kostenloses Angebot zur Verfügung stand, erinnerte daran, dass die zwei Jahre des kostenlosen Betriebs abgelaufen seien. Ich musste eine Zusatzfunktion kaufen, um es wieder zu aktivieren. Ich entschied mich für den Fußgängerzusatz für 4,99 Euro (engl. urban guidance feature). Die App, die ich benutze, um mich an Geburtstage meiner Kontakte zu erinnern (engl. birthday reminder) gab es nicht mehr. Ich musste eine neue kostenlose App finden und installieren. Übrigens hätte ich mir diese Installation sparen können, da die neueste Kalenderversion von Apple diese Information auch liefert.

Eine technische Neuerung sticht hervor. Ich habe jetzt die Wahl, mich entweder per Code oder per Fingerabdruck als Besitzer des Smartphones zu identifizieren. Sowohl Daumen wie Zeigefinger der rechten Hand öffnen jetzt das System für mich. Hier wird also dem zunehmenden Alter Tribut gezollt. Es soll ja Senioren geben, denen es schwer fällt, einen vierstelligen Schlüssel zu behalten.

Wie weit ich die hoch gepriesene 3D-Funktion (engl. 3D touch) der Benutzerschnittstelle verwenden werde, wird sich erst in den nächsten Wochen herausstellen. Auch die erhöhte Leistungsfähigkeit des Rechners wird sich erst im Dauerbetrieb zeigen. Die Auflösung des Bildschirms ist deutlich besser. Auch das kommt älteren Nutzern entgegen. Da ich außerdem über ein iPad verfüge, habe ich jetzt die Wahl, wo ich lange Texte lese oder Fotos ansehe. Ob sich meine Arbeitsverteilung verschieben wird, muss sich herausstellen. Ich werde jedenfalls den SPIEGEL weiterhin auf dem iPad Air lesen. Auch die Fernsehfilme und Fußballübertragungen bleiben auf Tablets. Die Spielkarten bei Solitaire sehen auf dem iPhone 6s echt schöner aus als auf dem iPhone 4. Das ist nur ein Beispiel, allerdings ein nicht ganz unwichtiges.

Über Nachteile kann ich noch wenig sagen. Sie wird es auch geben. Es ist jetzt schon nicht zu übersehen, dass die Batterie mehr beansprucht wird. Alle Testberichte, die ich las, hoben diesen Punkt hervor. Nicht nur die Nutzer von Smartphones hoffen hier sehnlichst auf den technischen Fortschritt. Auch der gerade verunsicherten Automobilindustrie könnten bessere Batterien helfen.

Nachtrag 

Nachdem ich mich in diesem Bericht leicht positiv über ein Produkt der Firma Apple geäußert hatte, bekam ich anschließend gleich ein schlechtes Gewissen. Würde ich Jonathan Franzen, dem US-Erfolgsautor, folgen, würde ich meine Zeit nicht darauf verschwenden, seine Texte auf meinem iPad zu lesen, sondern stattdessen würde ich nur noch eigene Geschichten erzählen. Im SPIEGEL 40/2015 ist Franzens Festrede aus dem Jahre 2012 an der UC in Santa Cruz wiedergeben. Darin heißt es:

Die ikonischen Helden der Gegenwart sind Tech-Unternehmer Steve Jobs, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos. Das hat etwas Deprimierendes, oder? Eine Handvoll nachweislich nicht sehr netter weißer Männer darf sagenhaft reich und berühmt werden, während wir anderen 99,99 Prozent weiter nach den Regeln spielen, fair miteinander umzugehen versuchen und unterdessen nicht aufhören können, diese skrupellosen weißen Männer noch reicher zu machen, indem wir ihre Produkte benutzen.

Dass er es (wie dem weiteren Verlauf der Rede zu entnehmen) erlaubt, für eigene schriftstellerische Arbeiten einen iMac zu verwenden, ist schon sehr gnädig. Mein Dell PC kommt für Literaten anscheinend nicht in Frage. Wie gut, dass wir Techniker eigene Gedanken und Präferenzen haben dürfen. Dass Literaten und Künstler sich in Fragen von Wirtschaft und Technik äußern, kann und soll niemand ihnen verbieten. Schlecht wäre es nur, wenn man auf ihren Rat angewiesen wäre, oder sich von ihnen belehren ließe.

6 Kommentare:

  1. Heute schrieb Otto Buchegger aus Tübingen:

    Spiegelt es (wie bisher alle Produkte) oder ist auch im Freien bei Sonnenlicht gut lesbar?

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    1. Da scheint sich etwas getan zu haben. Ich kann E-Mails besser lesen. Der Bildhintergrund ist nicht weiß, sondern grau und die Schrift ist größer.

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  2. Ich schließe aus der vorsichtig formulierten Antwort, dass es immer noch spiegelt!

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  3. Der objektive Test ist einfach: Im Freien das Display mit einer Kamera fotografieren. Sieht man auf dem Bild die Kamera, dann spiegelt es!

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    1. Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich lasse Ihre Frage dennoch offen.

      NB: Was mich etwas amüsierte (aber nicht beunruhigte), war die Beobachtung, dass im Abstand mehrerer Stunden immer wieder Apps sich meldeten, und fragten, ob sie dieses oder jenes dürften. Die Migration von einer Gerätegeneration zu einer anderen war wohl doch ein Schock, von dem sie sich erst langsam erholten.

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