Montag, 6. Januar 2020

Bertolt Brecht und die Dreigroschenoper – mal etwas kritisch nachgespürt

Bertolt Brecht und seine Dreigroschenoper sind weltberühmt, Weniger bekannt ist, dass er dabei recht großzügig von andern Autoren kopierte, und das, ohne immer die Quellen zu benennen. Das war kein Zufall, sondern Absicht.

John Gay’s Bettleroper von 1724

Der größte Teil des Stoffes stammt aus einer recht bekannten englischen Quelle des 18. Jahrhunderts. Als The Beggars‘ Opera war das Werk von John Gay (1685-1732) mit der Musik von Johann Christoph Pepusch seit 1728 bereits ein großer Erfolg auf Londoner Bühnen. Es erfuhr in den 1920er Jahren eine Neuentdeckung und Wiederbelebung.

Darin kommen alle wichtigen Personen und Handlungselemente vor, so der Hehler Peachum und seine zwar unbedarfte aber romantisch veranlagte Tochter Polly, die sich zu dem Wegelagerer und Frauenhelden Macheath hingezogen fühlt. Mr. und Mrs. Peachum sind darüber so entsetzt, dass sie planen Macheath zu töten. Polly will ihn warnen und ihm zur Flucht verhelfen. Zwei Huren verraten Macheath an Mr. Peachum, der ihn verhaften lässt. Lucy, die Tochter des Gefängniswärters, besucht ihn. Ebenso wie Polly wird sie von Macheath betört, der die höfische Ausdrucksweise beherrscht und sich auf Schmeicheleien versteht, Auch Polly besucht Macheath und streitet sich mit ihrer Rivalin Lucy. Peachum bringt Polly nach Hause. Lucy stiehlt den Zellenschlüssel und verhilft Macheath zur Flucht. Lucy will Polly vergiften, aber Polly weigert sich, das Gift zu trinken. In der Zwischenzeit wird Macheath wieder eingesperrt. Die beiden Frauen bitten ihre Väter inständig darum, den Verhafteten vor der Todesstrafe zu retten. Am Galgen stehend, will er nun endlich gehängt werden. Ein Bettler tritt auf und fordert die Hinrichtung. Aus Rücksicht vor dem Publikum, das ein Happy End verlangt, wird Macheath freigesprochen.

Als Vorlage diente Brecht eine deutsche Übersetzung dieser Oper. Die Dreigroschenoper ist – trotz des Namens, der an die Vorlage angelehnt ist – keine Oper im engeren Sinn, sondern ein politisch engagiertes Theaterstück mit 22 abgeschlossenen Gesangsnummern, für die keine Opernsänger benötigt werden, sondern singende Schauspieler.

Aufführung in Berlin ab 1928

Die Uraufführung von Brechts Version fand im August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin statt. Das „Stück mit Musik in einem Vorspiel und acht Bildern“ wurde die erfolgreichste deutsche Theateraufführung bis 1933, einige Musiknummern wie die Moritat von Mackie Messer (engl. 'Mack the Knife') wurden Welthits. Kurt Weill vermischte in seiner Musik zur Dreigroschenoper Elemente aus Jazz und Tango, Blues und Jahrmarkts-Musik, und garnierte sie mit ironischen Seitenhieben auf Oper und Operette. Eine Musiknummer, der Morgenchoral des Peachum, wurde aus der Vorlage übernommen. Eingelegt sind Balladen nach François Villon (u. a. Ballade, in der Macheath jedermann Abbitte leistet, Ruf aus der Gruft oder Die Zuhälter-Ballade) und Rudyard Kipling (Der Kanonensong).

Die Dreigroschenoper wurde erst geschrieben, als Brechts Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann 1926 Presseberichte über den anhaltenden Theatererfolg der wiederentdeckten Beggar’s Opera von John Gay gelesen hatte. Zunächst erarbeiteten Brecht und Hauptmann gemeinsam eine erste Textfassung, einen großen Teil des Theaterstücks schrieb Hauptmann dann selbständig, wurde aber später im Zuge der weltweiten Erfolgsgeschichte nie entsprechend genannt oder gewürdigt (das Programmheft der Uraufführung nennt sie noch).

In einem Vertrag mit dem Verlag Felix Bloch Erben legte Brecht die Gewinnbeteiligung fest. Brecht bestand auf 62,5 Prozent. Weill erhielt 25, Elisabeth Hauptmann 12,5 Prozent. Im Juni und Juli 1928 arbeiten Brecht und Elisabeth Hauptmann dann an der französischen Riviera gemeinsam mit Weill und dessen Frau Lotte Lenya an der Endfassung. Brecht hatte für die Oper ursprünglich den Titel Gesindel vorgesehen. Erst Lion Feuchtwanger machte den Vorschlag, das Stück Dreigroschenoper zu nennen.

Lieder von Villon und Kipling

Brecht benutzte für die Dreigroschenoper einige Lieder von François Villon, die in der Übersetzung von K. L. Ammer (Karl Anton Klammer) erschienen waren. François Villon (1431-1463) war ein bekannter französischer Autor des Spätmittelalters, dessen Werke gerade neu ins Deutsche übertragen worden waren. In zahlreichen Balladen verarbeitete er die Erlebnisse seines abenteuerlichen Lebens als Scholar, Vagant und Krimineller. Es war der Kritiker Alfred Kerr, der im Mai 1929 entsprechende Vorwürfe gegen Brecht erhob. Brecht räumte daraufhin seine „Laxheit in Fragen geistigen Eigentums“ ein (betroffen waren rund fünf Prozent der Verse).“

Ähnlich leichtsinnig verfuhr Brecht mit dem Kanonenlied, das er bei dem englischen Dichter Rudyard Kipling (1865-1936) gefunden hatte.

Soldaten wohnen auf den Kanonen von Cap bis Couch Behar.
Wenn es mal regnete und es begegnete
ihnen? ne neue Rasse,? ne braune oder blasse,
dann machen sie vielleicht daraus ihr Beefsteak Tartar.

Kiplings Gedicht heißt "Screw Guns". Es kommt zur Aufführung, weil Macheath und der Polizeichef sich daran erinnern, in Indien gedient zu haben – ein geografischer und inhaltlicher Sprung aus dem Milieu der Handlung in Soho.

Verfilmungen des Stoffes

Es glbt inzwischen sieben Verfilmungen des Stoffes.


Im Jahre 1930 hatte die Nero-Film AG Rechte für die Verfilmung vom Verlag Felix Bloch Erben erworben, als Regisseur war Georg Wilhelm Pabst vorgesehen. Finanziers waren die Warner Bros. und die Tobis-Film. Brecht sollte die „Grundlage für das Drehbuch“ liefern. So entstand im September 1930 das Filmexposé „Die Beule – Ein Dreigroschenfilm“. Mitte September 1930 begannen die Dreharbeiten zu zwei Filmfassungen, einer deutschen und einer französischen. Die Filmfirma beteiligte Brecht nicht mehr (der Vertrag war bereits am 23. August 1930 gekündigt worden), woraufhin dieser gemeinsam mit Kurt Weill gegen den Produzenten klagte, um ein Aufführungsverbot zu erreichen. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen und endete schließlich mit einem Vergleich, wonach der Film fertiggestellt und 1931 in Berlin uraufgeführt werden konnte. Die Vorstellungen Brechts in seinem Exposé waren weitgehend unberücksichtigt geblieben. Im Zuge der Auseinandersetzung hatte die Filmgesellschaft gegen Brecht den Vorwurf erhoben, dem Film eine „ausgesprochen politische Tendenz“ geben zu wollen, was man als „politisch neutrale Firma“ nicht zulassen könne. Die Verfilmung und der Prozess sind Thema des Spielfilms Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm (2018). Es ist ein Film über einen Film, der nie gedreht wurde. Joachim Langs Film ist für einen Monat in der Arte Mediathek verfügbar.

Brecht als Lichtgestalt des Widerstands und der Linken

Bertolt BrechtBertolt Brecht (1898-1956) wuchs in gesicherten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen auf. Sein Vater Berthold Friedrich Brecht (1869–1939) war seit 1893 bei der Augsburger Haindl’schen Papierfabrik tätig. Er wurde 1901 zum Prokuristen und 1917 zum Direktor der kaufmännischen Abteilung ernannt.

Brecht schrieb außer der Dreigroschenoper eine Vielzahl von Bühnenstücken. Viele sind heute noch im Repertoire vieler Theater. Fast alle vermitteln eine sozialpolitische Botschaft. Ab 1930 begannen die Nationalsozialisten, Brechts Aufführungen vehement zu stören. Nach dem Reichstagsbrand verließ Brecht mit seiner Familie und Freunden Berlin und flüchtete ins Ausland. Seine ersten Exilstationen waren Prag, Wien, Zürich, danach Paris. Im April 1933 wurden seine Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt und die Aufführung seiner Werke verboten. Ihm wurde 1935 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Er erwarb ein Haus in Dänemark (Svendborg) und verbrachte dort die nächsten fünf Jahre. Im Jahre 1939 verließ er Dänemark, lebte ein Jahr in einem Bauernhaus in Lidingö bei Stockholm und im April 1940 in Helsinki.

Gegen Ende des Krieges hielt er sich in der Schweiz auf. Die Einreise nach Westdeutschland, speziell in die amerikanische Besatzungszone, wurde ihm jedoch untersagt. Als er von Freunden gedrängt wurde, nach Deutschland zurückzukommen und seine Stücke selbst zu inszenieren, entschied er sich 1948 dafür in das 'bessere‘ Deutschland, die DDR, zu gehen. In Ost-Berlin fand er Kontakt zu maßgeblichen Künstlern und Funktionären.

Noch während Brecht sich in der Schweiz aufhielt, hatte Helene Weigel alles Notwendige in die Wege geleitet, um für Brecht ein eigenes Ensemble gründen zu können. Genehmigt wurde schließlich ein Helene-Weigel-Ensemble, was Brecht insoweit entgegenkam, dass er sich auf die künstlerische Seite konzentrieren konnte.

Im Oktober 1951 erhielt Brecht den Nationalpreis der DDR. Brecht habe mit seinen Werken geholfen, „den Kampf für Frieden und Fortschritt und für eine glückliche Zukunft der Menschheit zu führen“, hieß es in der Laudatio. Als es am 17. Juni 1953 in Berlin zu Massenprotesten der DDR-Arbeiter kam, drückte Brecht noch am selben Tag in einem Brief an Walter Ulbricht seine „Verbundenheit mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ aus. Des Weiteren schrieb er: ‚Es war offensichtlich, daß das Eingreifen der sowjetischen Truppen sich keineswegs gegen die Demonstrationen der Arbeiter richtete. Es richtete sich augenscheinlich ausschließlich gegen die Versuche, einen neuen Weltbrand zu entfachen. Es liegt jetzt an jedem einzelnen, der Regierung beim Ausmerzen der Fehler zu helfen, welche die Unzufriedenheit hervorgerufen haben und unsere unzweifelhaft großen sozialen Errungenschaften gefährden‘. Obwohl Brecht erste Skrupel bekam – die er allerdings nur im kleinen Kreise äußerte − begannen westdeutsche Bühnen seine Stücke von den Spielplänen abzusetzen. Heute sieht man Brecht seine DDR-Voreingenommenheit etwas nach.


Bert Brechts Vermächtnis 

von Peter Hiemann, Grasse
  
Bert  Brechts Weltanschauung war geprägt durch Karl Marx' ökonomische Studien und anderer Analysen kapitalorientierter gesellschaftlicher Verhältnisse. Brecht wusste aber auch die Vorteile ökonomischer Annehmlichkeiten zu schätzen. Joachim A. Langs Film “Mackie Messer: Brechts Dreigroschenfilm“ von 2018 ist ein Beitrag,  Brechts Gedankenwelt im Rahmen der gesellschaftlichen Wirklichkeit der 1920er Jahre darzustellen.

Am Beginn des 21. Jahrhunderts muss Homo sapiens feststellen, dass sich seine Wirklichkeit grundlegend ändert. Sein Planet zeigt Homo sapiens die Grenzen des Wachstums. Homo sapiens kommt nicht umhin, gewohnte Denk- und Verhaltensweisen zu überdenken. Homo sapiens muss versuchen, eine Welt zu konstruieren, die allen Menschen das Überleben ermöglicht. Seine Natur wird nicht verhindern können, dass er wohl immer auch 'Moritaten' begeht.

Im Rahmen der gesellschaftlichen Wirklichkeit am Beginn des 21. Jahrhunderts drängt sich ein Vergleich auf.  

     Ein Lied der Moritaten am Beginn             Ein Lied der Moritaten am Beginn
             des 20. Jahrhunderts                              des 21. Jahrhunderts
                   (Brecht)                                                     (unbekannt)
      

     Und der Haifisch, der hat Zähne                Und Gaia, die hat Zähne                  
     Und die trägt er im Gesicht                        Und die trägt sie im Gesicht

     Und Macheath, der hat ein Messer            Und Poli, die hat ein Lächeln
     Doch das Messer sieht man nicht              Damit man ihre Mitschuld nicht erkennt.
     An 'nem schönen blauen Sonntag             In dem schönen, weißen Sand
     Liegt ein toter Mann am Strand                  Liegt ein totes Tier am Strand
     Und ein Mensch geht um die Ecke             Und ein Mensch geht um die Ecke
     Den man Mackie Messer nennt.                 Die man Poli Unschuld nennt.
    
     Und Schmul Meier bleibt verschwunden    Biene Maja bleibt verschwunden
     Wie so mancher reiche Mann                     Wie so manche Kreatur
     Und sein Geld hat Mackie Messer              Und Schuld ist Poli Unschuld
     Dem man nichts beweisen kann.                Der man nichts beweisen kann.
     Jenny Towler ward gefunden                      Jenny Towler ward gefunden
     Mit 'nem Messer in der Brust                       Vergiftet in der Brust.
     Und am Kai geht Mackie Messer                 Und am Feld steht Poli Unschuld
     Der von allem nichts gewusst.                     Die von allem nichts gewusst.
    
    Und das große Feuer in Soho                       Und das große Feuer im Wald:
    Sieben Kinder und ein Greis -                       Menschen mittendrin und
    In der Menge Mackie Messer, den                In der Menge Poli Unschuld, die
    Man nicht fragt, und der nichts weiss            Davon nichts wissen will.
    Und die minderjährige Witwe,                       Und die alleinstehenden Frauen
 
   Deren Namen jeder weiss,                            Deren Namen jeder kennt
    Wachte auf und war geschändet -                 Wachten auf und riefen:    
    Mackie, welches war dein Preis?                   Poli Unschuld, welches war dein Preis?


    Bill Lawgen und Mary Syer                            Bill Lawgen und Mary Syer      
    Wurden letzten Mittwoch Mann und Frau.     Wurden letzten Mittwoch Mann und Frau.
    Hoch sollen sie leben, hoch!                          Hoch sollen sie leben, hoch!
    Wenn die Liebe anhebt                                  Liebe ist mächtig und
    und der Mond noch wächst.                           Kann Berge versetzen.
    ›Wenn du wohin gehst,                                  Sie kann aber nicht
    geh ich auch wohin!‹                                      Wege weisen.
    Als sie drin standen vor dem Standesamt,     Als sie vor dem Priester standen, 
    Wusste er nicht,                                              Wussten sie nicht,
    woher ihr Brautkleid stammt.                          Woher das Brautkleid stammt.                  


    Das ist der Mond über Soho,                          Da scheint der Mond über das Meer        
    Das ist der verdammte                                    Und Poli Unschuld denkt den Text
   ›Fühlst-du-mein-Herz-Schlagen‹-Text,            ›Fühlst-du-mein-Herz-Schlagen‹.
    Anstatt dass sie was täten,                             Anstatt dass sie was denkt,
    was 'nen Sinn hat und 'nen Zweck,                 Was Sinn ergibt und 'nen Zweck hat,
    Machen sie Spaß.                                           Denkt sie vor allem an Spaß.                
                                      
   Grad als ob man ihnen eine                            Grad als ob man ihr eine
   Extrawurst gebraten hätt.                                Extrawurst gebraten hätt.
   Wach auf, du verrotteter Christ!                      Wacht auf ihr Unschuldigen
   Mach dich an dein sündiges Leben!                Gesteht eure Schuld,
   Zeig, was für ein Schurke du bist                    Zeigt euer Entsetzen!
   John war darunter und Jim war dabei,            John war darunter und Jim war dabei,           
   Und George ist Sergeant geworden,               Und George ist Sergeant geworden,
   Doch die Armee, sie fragt keinen, wer er sei   Doch Soldaten fragen nicht, wer sie sind
   Und marschierte hinauf nach dem Norden.     Und marschieren auf Befehl.
   
   Soldaten wohnen Auf den Kanonen                Soldaten wohnen auf Kanonen
   Vom Cap bis Couch Behar.                              Wo auch immer sie sind.
   Wenn es mal regnete                                       Dass Menschen flüchten,
   Und es begegnete                                            betrifft geht sie nichts an.
   Ihnen 'ne neue Rasse,                                      Poli Unschuld wird’s schon schaffen
   'ne braune oder blasse,                                    Mit Flüchtlingen zurechtzukommen
   Dann machen sie vielleicht daraus                   Auch wenn sie im Meer ersaufen        
   ihr Beefsteak Tartar.                                          Und alle zuschauen können.
  John ist gestorben und Jimmy ist tot,                John ist gestorben und Jimmy ist tot,
  Und George ist vermisst und verdorben,           Und George will nichts wissen,
  Aber Blut ist immer noch rot.                             Aber Blut ist immer noch rot.  

Nach anfänglichen wissenschaftlichen Studien entschied sich Bertolt Brecht unter Einfluss des Schriftstellers Lion Feuchtwanger zu einem Künstlerleben. Feuchtwanger äußerte sich sehr positiv über Brecht und wurde zu einem der wichtigsten und dauerhaftesten Förderer des jungen Brecht. Lion Feuchtwanger zählte in der Weimarer Republik zu den einflussreichsten Persönlichkeiten im Literaturbetrieb und gilt auch heute als einer der meistgelesenen deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts.

Wie viele Schriftsteller wollte auch Brecht gesellschaftliche Deutungshoheit nicht denjenigen überlassen, die über Machtbefugnisse verfügen. Brecht kritisierte gesellschaftliche Verhältnisse, indem er Geschichten verfasste, die seine Gedankenwelt repräsentierten.

In der Geschichte “Die Dreigroschenoper“ geht es Brecht um Ursachen der Armut und kriminelles Verhalten sowohl durch gesellschaftliche Eliten als auch durch organisierte Proleten. Einleitender Text von Brecht: „Sie werden jetzt eine Oper hören. Weil diese Oper so prunkvoll gedacht war, wie nur Bettler sie erträumen, und weil sie so billig sein sollte, dass Bettler sie bezahlen können, heißt sie “Die Dreigroschenoper‘“.

In der Geschichte “Das Leben des Galilei“ ging es Brecht in der ursprünglichen Fassung  um die Darstellung der Macht der katholischen Kirche gegenüber wissenschaftlicher Erkenntnis.  In einer späteren Version (nach den Atombomben in Japan) ging es ihm auch um die  Verwertbarkeit von Wissen sowie die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen von Wissenschaft und Technik.

In der Geschichte “Der kaukasische Kreidekreis“ erweist sich die Magd, die in Liebe und täglicher Pflichterfüllung das Kind ihrer Herrin lange betreut hat, als die wahrhaft Mütterliche und nicht die Herrin. Brecht am Ende der Geschichte: „dass da gehören soll, was da ist, denen, die für es gut sind“.

Brechts Wunsch für die Gestaltung seines Grabsteins mit der von ihm vorgeschlagenen Aufschrift lautete: 

                Ich benötige keinen Grabstein, aber 
                Wenn ihr einen für mich benötigt, 
                Wünschte ich, es stünde darauf: 
                Er hat Vorschläge gemacht. 
                Wir haben sie angenommen. 
                Durch eine solche Inschrift wären
                Wir alle geehrt.

               
Dem wurde nicht entsprochen. Man darf annehmen, dass Brecht sich auch über menschliche Irrtümer Gedanken machte. Vielleicht revidierte Brecht seinen ursprünglichen Wunsch und entschied sich, sein Werk für sich sprechen zu lassen. Sein Grab ziert ein Stein mit seinem Namen. 

6 Kommentare:

  1. Bekanntlich schrieb Brecht später in einem Gedicht zum 17. Juni: 'Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes'. (Buckower Elegien vom Sommer 1953)

    AntwortenLöschen
  2. Großartig! Ausgesprochen gut geschrieben.

    Lieben Dank!
    Sugarista.de

    AntwortenLöschen
  3. Peter Hiemann aus Grasse schrieb: Thomas Hobbes gab der Kunst einen beachtlichen Stellenwert: „Die Kunst geht noch weiter, indem sie auch jenes vernünftige, hervorragendste Werk der Natur nachahmt, den Menschen. Denn durch Kunst wird jener große Leviathan geschaffen, genannt Gemeinwesen oder Staat, auf lateinisch civitas, der nichts anderes ist als ein künstlicher Mensch, wenn auch von größerer Gestalt und Stärke als der natürliche, zu dessen Schutz und Verteidigung er ersonnen wurde. Die Souveränität stellt darin eine künstliche Seele dar, die dem ganzen Körper Leben und Bewegung gibt, die Beamten und anderen Bediensteten der Jurisdiktion und Exekutive künstliche Gelenke, Belohnung und Strafe, die mit dem Sitz der Souveränität verknüpft sind und durch die jedes Gelenk und Glied zur Verrichtung seines Dienstes veranlaßt wird, sind die Nerven, die in dem natürlichen Körper die gleiche Aufgabe erfüllen. Wohlstand und Reichtum aller einzelnen Glieder stellen die Stärke dar, salus populi (die Sicherheit des Volkes) seine Aufgabe; die Ratgeber, die ihm alle Dinge vortragen, die er unbedingt wissen muß, sind das Gedächtnis, Billigkeit und Gesetze, künstliche Vernunft und künstlicher Wille.“

    In Hobbes Sinn macht es Sinn zu wünschen, dass organisierte Proleten und Chaoten zum Teufel gehen sollen. Wer denkt da nicht an die Proleten der nationalsozialistischen SA in Berlin, der NPD-Aufzüge, der Pegida-Aufzüge in Dresden oder den mitlaufenden Proleten bei den Gelbwesten in Paris. Sinnvolle Manifestationen gegen Willkür existierender Regierungen werden meist von Chaoten 'genutzt', um sich zu 'profilieren'.

    AntwortenLöschen
  4. Der Kanonensong der Dreigroschenoper ist eine freie Interpretation Brechts von Kiplings Ballade „Screw-Guns“ (von 1890). Hier die ersten zwei Strophen:

    Smokin' my pipe on the mountings, sniffin' the mornin' cool,
    I walks in my old brown gaiters along o' my old brown mule,
    With seventy gunners be'ind me, an' never a beggar forgets
    It's only the pick of the Army that handles the dear little pets.

    For you all love the screw-guns -- the screw-guns they all love you!
    So when we call round with a few guns, o' course you will know what to do
    Jest send in your Chief an' surrender -- it's worse if you fights or you runs:
    You can go where you please, you can skid up the trees, but you don't get
    away from the guns.

    Die Screw Gun war eine kleine Kanone für Gebirgstruppen. Sie konnte für den Transport auseinandergeschraubt werden und auf zwei Maultiere verteilt werden. Konstruiert hatte sie 1877 der Colonel Frederick Le Mesurier der Royal Artillery. Ihre ersten Tests erfuhr sie 1879 in Afghanistan. Im 1. Weltkrieg kam sie noch vereinzelt zum Einsatz, und zwar in Ostafrika.

    AntwortenLöschen

  5. Englische Version des Eingangslieds
    (Fassung von Louis Arstrong 1965):

    Oh, the shark has pretty teeth, dear
    And he shows them, pearly white
    Just a jackknife has MacHeath, dear
    And he keeps it out of sight

    When the shark bites with his teeth, dear
    Scarlet billows start to spread
    Fancy gloves though wears MacHeath, dear
    So there's not a trace of red

    On the sidewalk, Sunday mornin', baby
    Lies a body, oozin' life
    Someone sneakin' around the corner
    Is the someone, Mack the Knife?

    From a tugboat, by the river
    A cement bag's drooppin' down
    Yeah, the cement's just for the weight, dear
    Bet you Mack, he's back in town

    Looky here Louie Miller, disappeared, dear
    After drawing out his cash
    And MacHeath spends like a sailor
    Did our boy do somethin' rash?

    Sukey Tawdry, Jenny Diver
    Lotte Lenya, Sweet Lucy Brown
    Oh, the line forms on the right, dears
    Now that Mack, he's back in town

    Take it, Satch

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.