Dienstag, 31. Juli 2018

Sind Wenn-Dann-Fragen nutzlos und daher zu vermeiden? (Ein Essay von Peter Hiemann)

Informatik-Laien lassen sich schon mal dazu hinreißen zu sagen, dass sie Wenn-Dann-Fragen (engl. if-then-else questions) nicht berühren. Das ist eine große Selbsttäuschung. Die Natur, alle lebenden Systeme, aber auch unsere geistigen Modelle kommen ohne sie nicht aus. Mein Freund Peter Hiemann aus Grasse bedrängen die folgenden Fragen, die er für das Überleben von uns Menschen als wichtig ansieht:

  • Wie können Wirtschaftsunternehmen daran gehindert werden, weltweite Umweltzerstörungen und Klimaveränderungen zu verursachen?
  • Wie können Phasen wirtschaftlichen Wachstums gestaltet werden, damit Überproduktion und Finanzkrisen vermieden werden?
  • Wie können international agierende Finanzinstitutionen daran gehindert werden, mittels großer Kapitaleinsätze Rohstoff- und Agrarressourcen in Entwicklungsstaaten unter ihre Kontrolle zu bringen?
  • Wie können internationale Handelsbeziehungen geregelt werden, damit in allen Staatswesen Phasen wirtschaftlichen Wachstums ermöglicht werden?
  • Wie können Individuen dafür motiviert werden, damit sie internationale Verhältnisse bedenken?
  • Wie können Individuen gewonnen werden, sich an begründeten, notwendigen, glaubwürdigen staatlichen Programmen zu beteiligen?

Hiemann meint, dass wir Wenn-Dann-Fragen nicht aus dem Wege gehen können und sollen, selbst dann, wenn dies unserer Grundstimmung abträglich ist. Manche Leute sagen, man lebe besser nach dem Motto 'don't worry, be happy'. Er hält dies für eine leichtfertige Aussage. Seine Überlegungen hat er in einem Essay zusammengefasst.


Um den Essay zu lesen, klicken Sie bitte hier.

Donnerstag, 12. Juli 2018

Das liebe Geld − was ist das eigentlich?

Manchmal sind es die trivialsten Dinge, die am schwersten zu erklären sind. Das was wir als Geld bezeichnen und mit dem wir täglich umgehen, gehört zu diesen Dingen. Früher war alles einmal ganz einfach, heute ist dies nicht mehr der Fall. Ein Versuch die Dinge zu erklären, sei dennoch gewagt. Ich gebe zu, Einiges war dabei auch für mich neu.

Vergangenes und Exotisches

Ganz früher hatte Geld etwas mit Gold zu tun. Staatsoberhäupter entlohnten oder beschenkten ihre Untertanen mit Gold und Silber. Sie ließen Münzen prägen, damit der Handel und der Warenaustausch florierten. Jede Generation hatte ihre Münzen. Sie stellen heute Grabfunde dar, die uns bei der Datierung helfen.

In Gegenden, die kein Gold hatten, dienten andere rare Gegenstände demselben Zweck. Auf Pazifikinseln sind es Kauri-Muscheln. Das sind die Muscheln einer seltenen Schneckenart. Im Nachkriegs-Deutschland waren es Zigaretten. Auch sie waren wertvoll, nicht leicht zu besorgen oder zu fälschen.

Rolle des Geldes

Wie bereits an den historischen Beispielen erkennbar, so hat Geld mehrere Aufgaben. Es vertritt andere Handelsgüter dadurch, dass es einen klar zu bestimmenden Wert darstellt. Es ist leichter transportierbar als andere Güter und wird begehrt. Es ist haltbar.

Umgekehrt wird es dank Geld erst möglich, konkret über den Wert von Sachen zu reden. Wert ist hierbei als wirtschaftlicher Wert zu verstehen. Es gibt für alles stets auch einen ideellen Wert oder gar einen emotionalen Wert. Das ist nicht gemeint. Allerdings kann der individuell einem Artikel beigemessene Wert seinen Preis bestimmen. Das erlebt man bei allen Auktionen, egal ob es um Schoßhündchen oder um Gemälde geht. Es gibt allerdings Leute, die stört es, dass Wert fast immer mit Preis gleichgesetzt wird.

Papiergeld

Es waren wohl organisierte und fortschrittliche Staaten, die früh Papiergeld einführten. Im Altertum waren dies die chinesischen Kaiser. Das Papiergeld wurde akzeptiert, weil man dem emittierenden Staat glaubte, dass er seine Macht dazu einsetzen würde, um seinen Wert zu sichern. Die amerikanische Zentralbank druckte früher auf jeden Dollarschein das Versprechen, ihn in Gold umzutauschen, sofern gewünscht. Die Amerikaner trennten sich 1933 von der Golddeckung, weil sie nur so ihre Währung retten konnten.

Da Papiergeld meist von einem Bankinstitut herausgegeben wird, spricht man auch von Banknoten. Anstatt Gold oder Münzen horten viele Menschen auf der ganzen Welt jetzt Banknoten.

Vom Bargeld zum Buchgeld

Aus Sicht von Laien unterscheidet man Bargeld und Buchgeld. Als Bargeld wird angesehen, was in Form von Münzen oder von Banknoten vorliegt. Beides sind gesetzliche Zahlungsmittel, d.h. man muss sie annehmen, wenn jemand eine Schuld tilgen will. Abgesehen vom Gewicht besteht der wesentliche Unterschied darin, dass man Papiergeld in unbegrenzter Menge annehmen muss, bei Münzen kann man dies auf 50 Stück begrenzen. Bargeld in großen Mengen kommt im normalen Geschäftsverkehr nur beim Kauf eines Gebrauchtwagens vor. Das hängt mit seiner Nähe zur illegalen Wirtschaft (Rauschgift, Terror) zusammen. Deutschland gehört zu den Ländern, die bargeldaffin sind. ‚Nur Bares ist Wahres‘ ist ein Leitspruch, den man öfters hört. Auch die Islamische Republik Iran gehört zu dieser Ländergruppe. Daher räumt sie gerade ihre Bankkonten in Europa ab und lässt sich eine Flugzeugladung voll mit Euroscheinen (350 Mio.) nach Teheran bringen, sofern dies die Amerikaner nicht in letzter Minute verhindern können.

Buchgeld ist das Geld, das nur als Zahl auf einem Konto existiert. Buchgeld ist gerade dabei Bargeld zu verdrängen. Zu den Ländern, die wesentlich weiter sind als Deutschland gehören Schweden, Norwegen, England und die USA. Auch bei uns flammt hin und wieder eine Diskussion darüber auf, ob wir überhaupt noch Bargeld brauchen. Noch verstummt diese Diskussion so schnell, wie sie startet. In Deutschland sind rund 500 Milliarden Euro als Bargeld im Umlauf. Das sind 12% des BIP. Für Bargeld wird seine Anonymität ins Feld geführt sowie die Möglichkeit der Inklusion Minderjähriger. Es ist technikfrei und verursacht keine Zusatzkosten. Gegen Bargeld sprechen der hohe Zeitaufwand und große Kosten, die sich für Erstellung, Verteilung, Lagerung, Nutzung und Entsorgung ergeben. [Hier drängt sich der Vergleich mit Papier- und eBüchern auf]

Jede Bank, die Kredite vergibt, schafft neues Geld, sofern sie mehr Geld ausleiht als sie besitzt. Kontrolliert wird dies über die Eigenkapitalrate. Indem Banken gezwungen werden, ihre Eigenkapitalrate zu erhöhen, steuert die Politik das Geld, das in die Wirtschaft fließt. Banken haben sich weitgehend von einer Service-Funktion der Realwirtschaft emanzipiert, und betreiben längst enorme Finanzgeschäfte auf eigene Rechnung.

Euro als Währung mit Gewicht

Politiker wie Helmut Kohl, Theo Waigel und François Mitterand glaubten, dass man die Vereinheitlichung der Währungen dazu benutzen könnte, um die Einigung Europas zu beflügeln. Zwanzig Jahre später wissen wir, dass dies auch zu Problemen führen kann. Die politische Einigung lässt sich nicht erzwingen. Einige der Probleme, die als Euro-Probleme diskutiert werden, haben nur indirekt mit der gemeinsamen Währung zu tun. Oft sind es Probleme der Länder, die den Euro benutzen. Ein Beispiel hierfür ist Griechenland.

Auf jeden Fall verleiht die einheitliche Währung Europa ein währungspolitisches Gewicht, das es vorher nicht hatte und das es in die Nähe der USA und Chinas bringt. Eine Tabelle zeigt die relevanten Zahlen. Es handelt sich immer um Billionen (also 1012) von US-Dollars. Gezeigt sind Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Maß für die Wirtschaftsleistung sowie zwei Geldmengen-Aggregate M1 und M2, die weiter unten vorgestellt werden.


Bruttoinlandsprodukt und Geldmengen, Stand 2017 (Quelle Wikipedia)

Zu erkennen sind mehrere Zusammenhänge. Je größer das BIP, umso mehr Geld ist im Umlauf. Bezüglich des BIP liegt das Euroland, also die Gesamtheit der den Euro benutzenden Länder, hinter den USA, aber vor China. Was die Geldmengen betrifft, ist China einsamer Spitzenreiter.

Der Euro wird nicht nur im Euroland als Zahlungsmittel akzeptiert. Er wird weltweit benutzt für die Anlage von Vermögen und die Aufnahme von Krediten. Er folgt als Reservewährung dem Dollar. Dieser hat einen Marktanteil von 64%. Es folgt der Euro mit 26%. Das englische Pfund hat 4%. Die folgenden Zahlen überraschten mich. Nur 10% der von der Bundesbank emittierten Banknoten gehen in Deutschland in Umlauf; 20% werden in Deutschland gehortet; weitere 20% innerhalb des Euro-Währungsraums und 50% außerhalb. Die Erklärung für die letzte Zahl lautet: So schützt man sich gegen die Inflation der Heimatwährung.

Geldmengen-Aggregate

Will man erfassen, wieviel Geld (Bar- und Buchgeld) irgendwo im Umlauf ist, muss man genau sagen, was man als Geld ansieht. Da sind sich die Experten alles andere als einig. Einig ist man sich nur in der Benutzung des Buchstabensymbols M (wie money) als Messgröße. Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) verwendete Definition lautet:

M0 = Bargeld (Banknoten und Münzen), das sich im Umlauf außerhalb des Bankensystems befindet plus dem Zentralbankgeldbestand der Kreditinstitute;

M1 = M0 plus Sichteinlagen der Nichtbanken;

M2 = M1 plus Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bis zu zwei Jahren und Einlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist bis zu drei Monaten;

M3 = M2 plus Anteile an Geldmarktfonds, Repoverbindlichkeiten, Geldmarktpapieren und Bankschuldverschreibungen mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren.

Vereinfacht gesagt, Geld sind alle die Finanzmittel, die sich innerhalb von zwei Jahren verflüssigen lassen. Edelmetalle wie Gold oder Silber sind nur Geld, wenn sie als Münzen geprägt und von einer Bank emittiert wurden. Auch Unternehmensbeteiligungen (Aktien) und Privatschulden sind kein Geld. Ihr Wert kann natürlich in einer Währung ausgedrückt sein.

Interessant ist es zu sehen, dass die im Umlauf befindlichen Geldmengen stetig wachsen. Das hat nichts mit Inflation zu tun, sondern drückt das Wachsen der Wirtschaft aus sowie die zunehmende Monetarisierung. Die beigefügte Grafik zeigt das Anwachsen der Geldmengen im Euroland. Für den US-Dollar ist der Verlauf eher etwas steiler.


Wachstum der Geldmengen im Euroraum (Quelle: Wikipedia)

Politik der EZB

Für alles, was mit unserem Geld passiert, trägt inzwischen die EZB die Verantwortung, also die Schuld. Die nationalen Notenbanken, existieren weiter, sind aber zu Erfüllungshilfen degradiert. Sie lassen Geld drucken und versorgen die Banken in ihrem Land. Auch ziehen sie unbrauchbar gewordene Münzen und Scheine aus dem Verkehr. Allein der Metallwert der von der Deutschen Bundesbank im Jahre 2016 verschrotteten Münzen betrug 285 Millionen Euro.

Die Hauptaufgabe der EZB ist laut Satzung die Erhaltung des Geldwerts. Das entsprang der Erfahrung und dem Wunsch Deutschlands. Politiker anderer Länder möchten der EZB auch andere Aufgaben zuweisen, etwa die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder die Ankurbelung der Wirtschaft. Die Geldwertstabilität wird als Stabilität der Verbraucherpreise verstanden. Zur Messung dienen gesammelte Felddaten. Die EZB hat sich entschlossen, den Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) als Messlatte zu verwenden. Da eine Deflation als unerwünscht gilt, wird eine leichte Inflation von maximal 2% akzeptiert. Die im Umlauf befindliche Geldmenge ist ein Werkzeug, um dieses Ziel zu erreichen.

Ein weiteres Werkzeug ist der Zinssatz (Leitzins), mit dem die Notenbank Geld an andere Banken verleiht. Es ist ein schwaches Mittel. Einerseits sind Banken nicht dazu verpflichtet, dieses Geld zu nehmen, andererseits schwimmen sie in Geld. Selbst bei einem extrem niedrigen Zinssatz, kommt nicht viel mehr Geld bei den Verbrauchern an. Auch Buchgeld wird gehortet.

Vollgeld – eine Schweizer Initiative

Dass Schweizer Bürger sich Gedanken darüber machen, was mit ihrem Geld passiert, überrascht niemanden. Eine Initiative wollte verhindern, dass jede Bank selbst Geld schaffen kann. Sie wollten erreichen, dass nur die Nationalbank, also die Notenbank, Geld schöpfen kann. In einer Abstimmung Anfang Juni erlitt man eine krachende Niederlage: Denn 70% aller abstimmenden Bürger folgten der Argumentation der Groß-, Genossenschafts-, Regional- und Privatbanken, die sich bedroht fühlten.

Alternativen zum Geld

Kurz erwähnen möchte ich, dass es auch Alternativen zum Geld gibt. Das bekannteste Beispiel sind Krypto-Währungen von Typ Bitcoin. Diese möchten nicht nur Banken aus dem Währungsgeschäft herausdrängen, sondern auch Staaten. Heute ist eine Banklizenz daran gebunden, dem Staat behilflich zu sein bei der Aufdeckung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung.

Literatur

Dieses Mal will ich die Bücher, aus denen ich Material entnommen habe, am Schluss erwähnen. Sehr vielversprechend ist ein Buch von Dieter Verbeck mit dem Titel Einführung in die Bargeldökonomie der Bundesrepublik Deutschland (2017, 284 S.). Es enthält alles, was Leute über Bargeld wissen. Es sagt recht wenig zu meiner Titelfrage. Etwas älter, aber trotzdem sehr lesenswert ist das Buch von Otmar Issing. Es heißt Der Euro. Geburt – Erfolg – Zukunft (2008, 220 S.). Issing weiß alles, was die ersten acht Jahre des Euro betrifft. Die Geschichte des Euro ist inzwischen doppelt so lang. Auch im zweiten Teil ist einiges passiert.