Mittwoch, 24. Juni 2015

Andreas Reuter über ein Informatikerleben zwischen Bad Hersfeld, San Jose, Stuttgart und Heidelberg

Andreas Reuter ist Lehrstuhlinhaber für „Verteilte Systeme“ an der Universität Heidelberg, Geschäftsführer des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien (HITS gGmbH), Vorstand der HITS-Stiftung sowie Wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer der EML European Media Laboratory GmbH. Reuter hat Informatik an der TH (heute TU) Darmstadt studiert und wurde dort 1981 mit einer grundlegenden Arbeit aus dem Datenbankbereich zum Dr.-Ing. promoviert. Er folgte dann seinem akademischen Lehrer Theo Härder an die Universität Kaiserslautern und war dort bis 1983 als Hochschulassistent tätig. Dann ging er für ein Jahr ans IBM San Jose Research Lab (heute IBM Almaden Research Center) nach San Jose, Kalifornien.

Nach Rückkehr nahm er einen Ruf auf den Datenbanklehrstuhl an der Universität Stuttgart an und gründete dort später auch das Institut für Parallele und Verteilte Höchstleistungsrechner (IPVR). Im Jahre 1997 verließ Reuter die Universität Stuttgart und war einer der beiden Gründer der International University (I.U.) in Germany GmbH in Bruchsal, wo er auch mehrere Jahre Vizepräsident war; 1998  wurde er zudem Wissenschaftlicher Direktor der EML GmbH. Im Jahr 2004 verließ er die I.U. Bruchsal. 2006 übernahm er einen Stiftungslehrstuhl für „Verlässliche Systeme“ an der TU Kaiserslautern an. Im Jahr 2011 wechselte er nach Heidelberg. Dort ist auch seine Tätigkeit am HITS angesiedelt.



Klaus Küspert (KK): Andreas, du hast schon früh erste Berührungen zur Informatik gehabt, Stichwort Zuse KG. Und früh ja in mehrerer Hinsicht: zu Zeiten, als es den Informatikstudiengang noch gar nicht oder gerade erst gab und auch früh vom Lebensalter her. Könntest du das bitte für die Leser im Blog etwas darlegen und auch kommentieren, wie weit es deinen weiteren Lebensweg und die Berufsentscheidung wesentlich mit geprägt hat?

Andreas Reuter (AR): Wie so oft sind die Eltern schuld. Mein Vater trat 1964 eine Stelle als Programmierer bei der Fa. Zuse KG in Bad Hersfeld an. Mich interessierte schon damals alles, was elektrisch funktioniert, also habe ich mich begeistert auf diese neuartigen Computer gestürzt. Hätte es diesen Berufswechsel meines Vaters nicht gegeben, wäre ich wahrscheinlich Amateurfunker geworden und hätte Elektrotechnik studiert. Bei Zuse kam ich mit allen möglichen Maschinen in Berührung: Z23, Z25, Z31 – und mit dem elektromechanischen Zeichentisch Z64. Für eine dieser Maschinen, die Z25, gab es sogar einen Algol-Compiler; der Rest war Maschinensprache. Ich habe meine letzten drei Schuljahre zu guten Teilen bei Zuse verbracht, ohne Vertrag. Nachdem ich meine gänzliche Harmlosigkeit unter Beweis gestellt hatte, konnte ich öfter auch den Maschinenraum in der freien dritten Schicht (22h bis 6h) allein für mich nutzen. Da habe ich u.a. ein Programm zur Stundenplanerstellung für meine Schule geschrieben (die waren so begeistert davon, dass mir das mündliche Abitur erlassen wurde) sowie – mein größter Erfolg – ein Musikprogramm für den Lochstreifenleser, das u.a. „Yellow Submarine“ und die Internationale spielen konnte. Das war extrem populär bei den Mitarbeitern, allerdings nicht bei den Wartungstechnikern.

Zum Schluss, 1968,  konnte ich noch ein bisschen an der Entwicklung der Z43 mitarbeiten. Die sollte tatsächlich ein Betriebssystem haben, einen Plattenspeicher und noch andere aufregende Dinge, aber daraus wurde ja dann wegen der wirtschaftlichen Probleme der Fa. Zuse nichts mehr. Nebenher habe ich meinen eigenen 6-Bit-Rechner gebaut, mit selbstgefädeltem Kernspeicher und mit Fernschreiber zur Ein- und Ausgabe. Reste davon verwende ich heute als Deko-Artikel fürs Büro. Auf jeden Fall war für mich völlig klar, dass ich etwas mit Datenverarbeitung („Informatik“ sagte damals kein Mensch) machen wollte, auch wenn es ein entsprechendes Studium noch nirgends gab.

KK: Um noch kurz bei früh zu bleiben: Du bist damals nicht unmittelbar nach der Schule ins Studium eingestiegen, sondern hattest nach meiner Erinnerung und Berichten substantiell Praxisjahre zunächst. Wie hatte es sich ergeben bzw. auch wieder, wie bedeutend (und wahrscheinlich auch hilfreich) war’s für die weitere Entwicklung?

AR: Ich bin direkt nach dem Abitur als Werkstudent zu IBM gegangen, ohne (jedenfalls anfangs) tatsächlich Student zu sein. Dort habe ich viele Maschinentypen kennengelernt, alle möglichen Ausprägungen der System/360-Serie, aber auch einige längst vergessene (1130, 1800). Ich habe diverse Assembler, Programmiersprachen, Reportgeneratoren und sonst noch einiges nicht nur kennen gelernt, sondern in Kundenprojekten ganz konkret eingesetzt. Auf diese Weise bin ich recht schnell in die Karriere eines freiberuflichen Programmierers gerutscht, die ich etwa 10 Jahre lang erfolgreich ausgefüllt habe. Ich habe das nie bereut, im Gegenteil: Viele Kollegen haben Jim Gray’s Diktum „First write the code, then write the paper“ immer vage amüsiert zur Kenntnis genommen; ich konnte mir ohne weiteres vorstellen, was er meinte.

Studiert habe ich während dieser Zeit auch nebenbei – aber schon so nebenbei, dass meine Leistungen eigentlich mit keiner Prüfungsordnung in Einklang zu bringen waren. Zum Glück waren diese Ordnungen damals für Informatik noch nicht so starr ausformuliert wie heute. Aber ich bin dem Kollegen Wedekind noch heute zu großem Dank verpflichtet, dass er einen akademischen „oddball“ wie mich überhaupt zur Diplomprüfung zugelassen hat. Und Theo Härder hatte die Verwegenheit, einen mit einer so buntscheckigen Vita als Doktoranden anzunehmen; ich kann nur hoffen, dass er das nicht unter seinen Jugendsünden abgeheftet hat.

KK: Gehen wir mit einem gewissen zeitlichen Sprung auf die San-Jose-Zeit als Post-Doc ein, wieder Praxis bzw. Forschung für die Praxis. Das System R Projekt war ja damals erst recht kurze Zeit vorbei und die unmittelbaren Nachfolgeprojekte bzw. aufbauenden Projekte liefen, in einem solchen warst du tätig. Kannst du bitte die Highlights daraus kurz ansprechen, gerne fachlich und nicht fachlich? Es war ja damals noch die Zeit, als nicht „alle“ (oder sehr viele) deutschen Nachwuchsdatenbankwissenschaftler nach San Jose pilgerten, aber durchaus schon einige (inkl. Theo Härder einige Jahre davor).

AR: Ich habe in einem Projekt namens AMOEBA mitgearbeitet. Davon hat niemand je was gehört, denn wegen der großen Nähe zur Entwicklungsabteilung gab es keine Veröffentlichungen. Es hatte auch nichts mit System R zu tun; im Kern ging es um eine Parallelrechnerarchitektur nach dem „shared disk“-Prinzip. Meine Aufgabe bestand darin, Performance-Modelle zu entwickeln und auszuwerten. Ich bin dabei mit den IMS-Entwicklern in Kontakt gekommen und auch mit einigen großen Anwendern wie der Bank of America. Die waren bereit, auf einigen ihrer Produktionssysteme Traces mitlaufen zu lassen, mit denen ich dann Performance-Simulationen – hypothetischer – Mehrprozessor-Konfigurationen von IMS durchführen konnte – eine wirklich hochinteressante Sache, aber eben nichts für die Publikationsliste. Viel wichtiger als all das war aber die Tatsache, dass ich in dieser Zeit die Zusammenarbeit mit Jim Gray, der damals schon bei Tandem Computers war, vertiefen konnte, woraus sich dann eine lebenslange Freundschaft entwickelt hat.

KK: Kurze Zeit nach San Jose erfolgte ja schon der Wechsel auf den Stuttgarter Datenbanklehrstuhl und ein paar Jahre darauf dort die IPVR-Gründung. Der Institutsname Institut für Parallele und Verteilte Höchstleistungsrechner ist ja über viele Jahre so erhalten geblieben. Was war der Auslöser für jene Namensgebung und natürlich damit verbunden auch inhaltliche Ausrichtung? Wenn ich mich recht entsinne, war es ja noch etwa die große Zeit der Tandem-Rechner und andere bedeutender Rechnerhersteller, die dann so nicht mehr erhalten geblieben sind (etwa durch Übernahmen usw.).

AR: Das war zumindest zum Teil die logische Fortsetzung meiner Arbeiten aus San Jose. Ich wollte weiter am Thema „Parallelität“ (mit Schwerpunkt auf Datenbank-Architekturen) arbeiten. Stuttgart war damals ein Zentrum des High-Performance Computing (ist es immer noch), aber Ende der 1980er Jahre dominierten in dem Bereich noch die Vektor-Architekturen, und die Stuttgarter Kollegen huldigten ganz unverblümt dem Motto „Parallelität ist die Methode der Zukunft und wird es immer sein“. Ich fand dagegen die lose gekoppelten (shared nothing)-Systeme interessanter, vor allem in Hinblick auf die Skalierbarkeit, und musste daher sehen, wie ich eine passende Arbeitsumgebung aufbauen konnte. Ich hatte damals einige Industrie-Angebote aus den USA, die ich als „Hebel“ einsetzen konnte, um von der Universität und vom Land Baden-Württemberg die Zusage zur Einrichtung des Instituts zu erhalten. Entscheidend war dabei auch, dass Firmen wie Tandem Computers, IBM, DEC und andere bei der Ausstattung des Instituts ganz erhebliche Beiträge leisteten.

Ein Nebeneffekt des Ganzen war das Bestreben, die Informatik in Stuttgart als eigenständige Fakultät zu etablieren. Ein Hindernis auf diesem Weg war die Tatsache, dass es bis zu dem Zeitpunkt nur ein Institut für Informatik gab – und eine Fakultät mit nur einem Institut, das ging nicht. Insofern war die Gründung des neuen Instituts ein wichtiger Beitrag zu dieser Agenda. Und was den Namen betrifft: Damit wollte ich mich programmatisch klar von den Vektor-Jüngern absetzen – mit denen wir dann aber, kaum war das Institut gegründet, sehr gut und erfolgreich zusammengearbeitet haben. Angesichts heutiger MPP-Systeme mit Vektorregistern, GPU-Beschleunigern und was sonst noch sind das natürlich alles Debatten aus einem anderen Jahrtausend.

KK: Mitte der 1990er Jahre engagiertest du dich sehr stark auch im privatuniversitären Bereich und dies über recht viele Jahre, waren es fast 10? Wahrscheinlich ließe sich über Gründe/Erfahrungen/.. dazu ein Buch schreiben oder auch zwei. Versuchen wir’s mal kürzer: Was war der oder waren die Auslöser für das Engagement und wie verlief schließlich die Gründungsphase der International University (I.U.) in Bruchsal? Was war das Besondere an der I.U.? Ich kann mich an einen interessanten Kolloquiumsvortrag von dir dazu in Jena aus den späten 1990ern erinnern.

AR: Ich war von 1992 bis 1996 in Stuttgart Prorektor im Rektorat von Prof. Heide Ziegler. In dieser Zeit habe ich viele Dinge gelernt und verstanden, warum das ganze Hochschulsystem so schwerfällig, änderungsresistent und unflexibel war – ich rede in der Vergangenheitsform, denn heute ist das ja vielleicht alles anders. Jedenfalls gab es damals in den Hochschulen, in der Politik, in der Wirtschaft und in der breiten Öffentlichkeit eine große Unzufriedenheit mit dem Status quo und demzufolge eine spürbare Bereitschaft, neue Ansätze auszuprobieren, neue Wege zu suchen.

Frau Ziegler und ich haben auf der Basis unserer Erfahrungen ein Konzept zur Einrichtung einer (kleinen) Privatuniversität vorgelegt, das dann nach einigen Querelen, bei denen auch die alte Animosität zwischen dem schwäbischen und dem badischen Landesteil erstaunliche Blüten trieb, von der Politik akzeptiert wurde. Der damals zuständige Wissenschaftsminister sagte in einem Interview, die I.U. solle der Stachel im Fleische der staatlichen Universitäten sein. Das hat uns in diesen Kreisen keine Freunde beschert, und wir selber haben unseren Versuch auch nie so verstanden. Wir sahen in der I.U. eher so etwas wie die Modellwerkstatt eines Autoherstellers, eine Umgebung zur Erprobung neuer Konzepte im realen Maßstab. Einige der wesentlichen Punkte waren:
  • Erhöhung der Attraktivität eines Studiums in Deutschland für ausländische Studierende; daher Orientierung am angelsächsischen Universitätssystem (Unterricht durchweg in Englisch, wobei alle ausländischen Studierenden Deutschkurse belegen mussten und die Deutschen Kurse in einer Fremdsprache außer Englisch; Bachelor-/Master-Abschlüsse; einheitliches Creditpoint-System usw.)
  •  Kleine Gruppengrößen (ca. 10:1 dort im Betreuungsverhältnis)
  • Wissenschaftliche Ausbildung mit hohem Praxisbezug (obligatorisches Industriepraktikum im Team, obligatorisches Auslandstrimester, hoher Anteil von Projektarbeiten)
  • Trimester-System zur besseren Nutzung der Zeit (39 Unterrichtswochen im Jahr statt 26)
  • Obligatorische Einbindung von „Cultural Studies“ ins Curriculum
  • Beschränkung auf wenige „attraktive“ Fächer, die keine allzu hohen Anfangsinvestitionen erfordern; im Fall der I.U. waren das Wirtschaftswissenschaften und Informatik.
  • Auswahl der Studienanfänger

Wie gesagt, das war 1997. Seither sind etliche dieser Aspekte von (vielen) anderen Universitäten übernommen worden – und das war ja letztlich auch Sinn der Sache. Aus akademischer Sicht waren das Konzept und die Absolventen ausgesprochen erfolgreich. Ein Beispiel: Ein M.Sc. des ersten Jahrgangs ist nach Oxford gegangen um zu promovieren und arbeitet heute im IBM Forschungslabor Yorktown Heights.

KK: Die I.U. hatte gute Jahre und dann nicht mehr so gute Jahre. Ich glaube, es hing auch mit einer wirtschaftlich schwächeren Periode zusammen, als die wirtschaftlichen Unterstützer der I.U. (Unternehmen also) kürzer treten wollten und traten. Was geschah dort näher?

AR: Dazu gäbe es viel zu sagen, aber das müssten vor allem Leute tun, die auch die letzten Phasen der I.U. miterlebt haben. Ich selbst bin 2004 ausgeschieden, nachdem mir klar wurde, dass die Gesellschafter nicht mehr hinter dem Management der Einrichtung standen – und im Prinzip auch nicht mehr hinter dem Konzept. Ich habe das bei meinem Ausscheiden deutlich artikuliert und mich danach nicht mehr weiter darum gekümmert. Ich habe mitbekommen, dass die I.U. von den Gesellschaftern zwei Jahre später an einen Investor verkauft wurde, der – nach allem, was im Nachhinein berichtet wurde – die Einrichtung finanziell systematisch an die Wand gefahren hat.

KK: Letzte Frage hierzu: Wie wären bitte die Lessons Learned im Sinne von Hinweisen für andere solche Privathochschulen?

AR: Ich fürchte, dazu kann ich nicht viel sagen – nicht etwa aus Mangel an Lernfähigkeit, sondern weil die Gründe für das Scheitern von Privatuni-Projekten sehr verschieden sind, und für eine solide Statistik sind die Fallzahlen nicht groß genug. Kritisch sind auf jeden Fall die Träger-Struktur, das Finanzierungsmodell, die Erwartungen der Gesellschafter (das habe ich gerade schon erwähnt) und die Angebotsstruktur der Einrichtung. Wenn diese vier Aspekte nicht zusammen passen, wird das Projekt früher oder später scheitern. Eine private Universität in Deutschland muss ja immer mit der Tatsache leben, dass sie für (relativ) viel Geld etwas anbietet, was es nebenan, bei den staatlichen, vermeintlich umsonst gibt. Die besten Chancen haben auf Dauer diejenigen, die sich auf ein Segment spezialisieren, an dem die staatliche Konkurrenz ganz klar nicht interessiert ist, und das ist nach meinem Eindruck derzeit der Bereich der berufsbegleitenden Studienangebote. Hier kommt es sogar zunehmend zu Joint Ventures zwischen privaten und staatlichen Hochschulen.

KK: Nähern wir uns nun der Gegenwart: Wann und wie kam es zum Engagement bei der Klaus-Tschira-Stiftung und was war das besonders Verlockende daran? Es war ja ein Einstieg in die Wissenschaftliche Leitung des European Media Lab, dessen einer, größerer Teil dann 2010 zum Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) wurde.

AR: Ich kannte Klaus Tschira seit Mitte der 1990er Jahre aus dem GI-Präsidium, und er war auch der Ansprechpartner im SAP-Vorstand für die Förderung der I.U. durch SAP. Da wir in dieser Zeit relativ häufig Kontakt hatten, wusste ich auch von seinen Plänen, durch die Klaus Tschira Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Media Lab des MIT ein Informatik-Forschungslabor in Heidelberg einzurichten. Das Joint Venture mit dem MIT ging allerdings sehr schnell auseinander, und so fragte er mich, ob ich mir nicht vorstellen könnte, das European Media Lab (der Name war zu dem Zeitpunkt schon festgelegt) aufzubauen. Damals stand die I.U. kurz vor dem Start, aber Klaus Tschira meinte, dass man angesichts der räumlichen Nähe einige Synergien zwischen beiden Einrichtungen realisieren könnte – ein durchaus stichhaltiges Argument. Außerdem hatte ich ein Angebot als Direktor am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken, was man ja nicht leichten Herzens ablehnt.

Letztlich hat den Ausschlag gegeben, dass mich Klaus Tschiras Engagement für eine Forschungsförderung ohne „strings attached“ überzeugt hat, und ich habe mir gesagt, dass die Möglichkeit, ein von einem wissenschaftsbegeisterten Sponsor privat finanziertes, unabhängiges Forschungslabor aufzubauen, zumindest im deutschen Kontext ziemlich einmalig ist und mich deshalb auf das „Abenteuer“ EML eingelassen. Vom EML wurde dann 2003 eine gemeinnützige Gesellschaft namens EML Research abgespalten, die sich ausschließlich auf Grundlagenforschung konzentrieren sollte, und aus dieser wurde dann 2010 durch Umbenennung (nebst einigen anderen Maßnahmen) die HITS gGmbH.

KK: Welche Themen prägen das HITS heute vor allem? Mit welchen davon fühlst du dich besonders verbunden, sofern man unter seinen „Kindern“ Unterschiede machen darf oder möchte?

AR: Das HITS ist – gemäß dem Auftrag des Gründers Klaus Tschira – ein multidisziplinäres Institut auf dem Gebiete der Naturwissenschaften, der Mathematik und der Informatik. Die derzeit 12 Forschungsgruppen befassen sich  u.a.  mit Molekularbiologie, Astrophysik, Hochleistungsrechnen, Computerlinguistik, Differentialgeometrie, Statistik, maschinellem Lernen – um nur einige zu nennen. Der gemeinsame Kern ist das, was man oft als „computational science“ bezeichnet, d.h. die Nutzung von rechnergestützter Simulation und „data mining“ in vielen verschiedenen Ausprägungen. Und es ist in der Tat erstaunlich, dass Fächer, die so unterschiedlich sind wie Astrophysik und Molekularbiologie, voneinander profitieren können, wenn es um Methoden der Lösung von n-Körper-Problemen (mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung) und deren Parallelisierung geht. Ähnliches kann man bezüglich der Suche auf großen Graphen feststellen oder im Hinblick auf Methoden des maschinellen Lernens, der Analyse der Fehlerfortpflanzung bei großen Simulationen usw. Das bedeutet, dass das HITS kein bloßes Sammelsurium heterogener Arbeitsgruppen ist, sondern dass aus der Multidisziplinarität tatsächlich ein interdisziplinärer Mehrwert entsteht. Und das ist es auch, was ich besonders hervorhebenswert finde; Favoriten unter den Arbeitsgruppen habe ich naturgemäß nicht – ich arbeite auch in keiner aktiv mit, sondern bin nur der Administrator des Ganzen.

KK: Letzte Frage, zum Heidelberg Laureate Forum (HLF), dessen Initiator oder Ideengeber du meines Wissens warst. Kannst du bitte auch hier dem Leser des Blog die Intention kurz darlegen und etwas zu den bisherigen Erfahrungen (und Plänen?) sagen.

AR: Es gibt seit über 60 Jahren das jährliche Lindauer Nobelpreisträger-Treffen, bei dem sich Nobelpreisträger für eine Woche mit ausgewählten Nachwuchswissenschaftlern zum zwanglosen Austausch treffen. Da die Klaus Tschira Stiftung (KTS) die Veranstaltung schon seit vielen Jahren als Sponsor unterstützt, konnten wir regelmäßig erleben, wie motivierend und anregend diese Treffen sowohl für die Preisträger als auch für die jungen Leute sind. In vielen Gesprächen darüber haben wir bedauert, dass einige Disziplinen, die für das HITS wichtig sind, nämlich die Mathematik und die Informatik, dort nicht vorkommen. Ich habe Klaus Tschira irgendwann mal vorgeschlagen, etwas nach dem Lindauer Muster für die Turing-Preisträger zu organisieren. Er hat die Idee sofort aufgegriffen und gleich auch noch die angesehensten Mathematik-Preise dazu genommen.

Und dann hat er, ausgehend von der KTS, die Heidelberg Laureate Forum Foundation ins Leben gerufen und eine Organisation auf die Beine gestellt, die jetzt solche Treffen für die Träger der Fields-Medaille, des Abel-Preises, des Nevanlinna-Preises und des A.M. Turing Award in absolut professioneller Weise organisiert. Das erste Forum fand 2013 statt, und die Vorbereitungen für das dritte im August 2015 nähern sich gerade dem Abschluss. Es nehmen jeweils 200 ausgewählte Nachwuchswissenschaftler aus etwa 50 Ländern teil sowie zwischen 25 und 35 der Laureaten. Im Jahr 2015 gibt es erstmals auch eine Art Austausch mit dem Lindauer Treffen: Beim HLF 2015 wird der Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell einen Vortrag halten; im Gegenzug spricht der Turing-Preisträger Vint Cerf in Lindau. Das Feedback der Teilnehmer zu den ersten beiden Treffen war extrem positiv, und wir hoffen natürlich, dass das so weiter geht.

KK: Andreas, herzlichen Dank für das sehr interessante Interview. Wir kennen uns ja seit über 35 Jahren. Der eine von uns ist eben „rein Datenbänkler“ geblieben, der andere hat weit darüber hinaus national und international gewirkt ;-)

Donnerstag, 18. Juni 2015

Deutsche Geschichte nach Heinrich August Winkler

Wer Geschichte nicht nur als Ansammlung von Daten, Namen und Schlachten sieht, sollte nach Heinrich August Winklers zweibändigem Werk greifen, das bereits 2002 erschien. Es hat den Titel Der lange Weg nach Westen und umfasst zweimal je etwa 700 Seiten. Der erste Band beginnt mit dem nicht untergegangenen römischen Reich, das im Jahre 800  ̶  nur was seinen westlichen Teil betrifft  ̶  von den Griechen in Konstantinopel zu den Deutschen im Frankenreich übergegangen ist. Er endet mit der Errichtung des Dritten Reiches im Jahre 1933. Der zweite Band behandelt die Zeit danach. Winkler zeichnet  ̶  wie er sagt  ̶  keine Gesamtgeschichte, sondern nur eine Problemgeschichte. Es ist ein Diskurs über eine doppelte Verspätung, die Deutschland zu beklagen hatte  ̶  die der Einheit und die der Freiheit. Winkler beschränkt sich auf Gründe und Zusammenhänge. Er vertritt weder die Auffassung, dass Geschichte ein rein zufälliges Geschehen ist, noch dass sie logischen oder deterministischen Gesetzen unterliegt. Sie liegt irgendwo dazwischen. Der Länge der Bücher wegen werde ich mich auf wenige Hauptthemen beschränken (wie Nationalbewusstsein und Bürgerrechte).

Verspäteter Weg zu Einheit und Freiheit

England hat durch die Bill of Rights bereits im 17. Jahrhundert einen Grad an bürgerlicher Freiheit erreicht, der einmalig in der Welt war. Frankreich verdankt seine staatliche Einheit der absoluten Monarchie, vor allem unter Ludwig XIV. In Deutschland wurde die nationale Einheit in partieller Form 1871 erreicht, die so genannte kleindeutsche Lösung, und zwar auf Bismarcks Betreiben. Sie wurde 1990 ein zweites Mal erreicht. Dass der Weg zur Einheit so schwer war und so lange dauerte, führt Winkler auf die das ganze Mittelalter beherrschende Idee des Heiligen Römischen Reiches zurück. Der Begriff eines Reichs (lat. imperium; engl./frz. empire) überstieg den einer Nation. Das galt nicht nur politisch, sondern auch emotional. Durch Luthers Bruch mit Rom ging die Vielvölkeridee des christlichen Kaiserreiches über in partikulares Denken einzelner deutscher Fürstenhäuser, ohne zuerst einen deutschen Nationalstaat zu bilden.

Durch die Französische Revolution von 1789 entstand zwar ein Sog, was die Idee der Freiheit anbetraf, der das Volk und vor allem seine geistigen Führer (wie Wieland, Herder, Görres und Forster) erfasste. Innerhalb von vier Jahren war die Begeisterung jedoch weitgehend verflogen. Das Volk zog jetzt Reformen einer Revolution vor. Die Fürsten waren ohnehin gegen Veränderungen. Anstelle einer breiten Bewegung, die sich für Bürgerrechte und Freiheit einsetzte, kam es im Verlauf des 19. Jahrhunderts in Deutschland zur Flucht aus der Öffentlichkeit. Die deutsche Romantik brachte künstlerische und geistige Spitzenleistungen hervor, aber kein Reifen des politischen Bewusstseins. Im Zweifelsfall konnte man auswandern. Eine freiheitliche Demokratie gab es das erste Mal 1919 in den Nachwehen des Ersten Weltkriegs. Auch sie bekam eine zweite Chance in Jahre 1949, allerdings nur in Westdeutschland. Ostdeutschland  ̶  oder genauer gesagt, Mitteldeutschland  ̶  folgte erst 1989, also 40 Jahre später.

Nationalbewusstsein und Einheitsgedanke

Der Begriff der deutschen Nation entstand zu einer Zeit, als das Staatsgebilde des Römischen Reiches am Boden lag, Es war die Zeit, in der Napoléon den Weltgeist verkörperte und die deutsche Landkarte nach Belieben veränderte. Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) trat 1808 mit seinen Reden an die deutsche Nation als einer der Ersten mit einer Nationalidee hervor. Er sah in Deutsch die Ursprache der Menschheit und in den Deutschen das Urvolk. Martin Luther habe dem deutschen Mann die Augen geöffnet. Preußen sei der eigentlich deutsche Staat. Noch seltsamer mutet uns Heutigen an, was Ernst Moritz Arndt (1769-1860) zu Papier brachte. Der Nationalismus sei die höchste Religion. Das Vaterland sollte man mehr lieben als Väter und Mütter, als Weiber und Kinder. Die Franzosen müsse man hassen. und zwar für lange Zeit, ja für immer. Preußen solle für Deutschland stehen, denn Österreich habe sich mit fremden Völkern beladen. Nach Arndts Meinung ist deutsch, wer deutsch spricht. Zu bemerken ist, dass Einheit nicht auch Einigkeit bedeuten muss, also eine Homogenität der Meinungen. [Diese Unterscheidung fällt sogar heutigen Deutschen nicht immer leicht].

Die Paulskirche strebte 1848 zuerst eine großdeutsche Lösung an. Diese scheiterte nicht an Preußen  ̶  wie meist angenommen wird  ̶  sondern an Österreich. Da dies die Auflösung des Habsburger Vielvölkerstaates zur Folge gehabt hätte, war Kaiser Franz Josef (1830-1916) vehement dagegen, Oberhaupt eines Nationalstaates zu werden. Das Haus Habsburg sah es unter anderem als seine Mission an, deutsche Kultur bis an die Donaumündung zu verbreiten. Es blieb nur die kleindeutsche Lösung übrig. Es erfolgte das Kaiserangebot an den preußischen König Friedrich Wilhelm IV (1795-1861). Dieser wollte statt eines Königs von Gottes Gnaden nicht ein Kaiser von Volkes Gnaden werden  ̶  und lehnte ab. Seine Sorge soll es gewesen sein, dass er nicht mehr mit dem russischen Zar auf gleicher Ebene stehen würde.

Otto von Bismarck (1815-1898) setzte die Einheit eindeutig über die Freiheit und setzte damit die preußische Staatsräson über die öffentliche Meinung. Er tat nur das, was historisch möglich war, und hatte Erfolg. Da Preußen wirtschaftlich dynamischer war als Österreich (und die süddeutschen Staaten Baden, Bayern und Württemberg),  kam es im Norden und Westen zum industriellen Aufschwung trotz politischer Stagnation und Restauration. [Hier drängt sich ein Vergleich mit der heutigen Rolle Chinas auf]. Da die Einheit immer dann als besonders wichtig angesehen wird, wenn Bedrohungen durch externe Feinde bestehen oder empfunden werden, war der Krieg 1870/71 mit Frankreich ein geschickter Schachzug Bismarcks. Drei Zitate Bismarcks beleuchten dessen pragmatische wie undemokratische Denkweise:
  •  Soll Revolution sein, so wollen wir sie lieber machen als erleiden
  •   Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden große Fragen der Zeit beantwortet, sondern durch Eisen und Blut
  •   Wir müssen mit Realitäten wirtschaften, nicht mit Fiktionen
Der französische Schriftsteller und Historiker Ernest Renan (1823-1892) vertrat eine Meinung, die den Begriff Nation weder als biologischen Begriff noch als sprachliche Gemeinschaft deutete. Er nahm schon 1882 auch die Idee der Europäischen Gemeinschaft vorweg:

Die Nation ist eine große Solidargemeinschaft, die durch das Gefühl für die Opfer gebildet wird, die erbracht wurden und die man noch zu erbringen bereit ist. …Die Existenz einer Nation ist ein tägliches Plebiszit, wie die Existenz des Individuums eine ständige Bekräftigung des Lebens ist. … Die Nationen sind nichts Ewiges. Sie haben einmal angefangen, sie werden enden. Die europäische Konföderation wird sie wahrscheinlich ablösen.

Recht und Freiheit für alle Bürger

Die beiden Revolutionen von 1830 und 1848 in Paris lösten bekanntlich deutliche Schockwellen im ganzen deutschen Sprachraum aus. Sie wurden allerdings eingedämmt bzw. abgewehrt durch eine Gegenreaktion des Establishments, zuerst unter der Führung des österreichischen Kanzlers Clemens von Metternich, später durch den preußischen Kanzler Bismarck. Nur eine Entwicklung von der absolutistischen zu einer konstitutionellen Herrschaft fand statt. Dabei gingen die süddeutschen Länder Baden, Bayern und Württemberg als erste den Weg zu Verfassungsstaaten, während Preußen und Österreich noch lange schwankten. Zwischenzeitlich eingeführte Verfassungen wurden später wieder außer Kraft gesetzt.

Winkler fasst das politische Denken Deutschlands vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, also die Ideen von 1914, wie folgt zusammen: Klare Absage an Liberalismus, Individualismus, Demokratie und Menschenrechte; also der Werte des Westens, d.h. Frankreichs, Englands und der USA. Für Deutschlands Gesellschaft wurden Pflicht, Ordnung und Gerechtigkeit als bestimmend angesehen. Die Volksgemeinschaft hatte Vorrang vor Klassen und Parteien. Er belegt dies mit einer Vielzahl von Zitaten, Auch Kaiser Wilhelm II. verkündete im Grunde nichts Neues, als er im August 1914 sagte: Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche.

Wurde Frankreich als der Erbfeind angesehen, der unter Ludwig XIV. und Napoléon Deutschland großen Schaden zugefügt hatte, so wurde der Krieg gegen England als Krieg gegen den Kapitalismus herausgestellt, einer Wirtschafts- und Gesellschaftsform, die dem deutschen Wesen zuwider sei. Selbst Thomas Mann (1875-1955) sah es damals lieber, dass wir gegen Händler und Bourgois zu Felde zogen als gegen das uns seelenverwandte Volk Dostojewskis. Dass deutsche Expansionsgelüste sich primär gegen Osten richteten, wurde 1918 beim Frieden von Brest-Litowsk deutlich. Deutschland verlangte vom inzwischen kommunistischen Russland Gebietsabtretungen (Finnland, Litauen, Kurland und Ukraine), die fast einer Verdopplung der deutschen Landfläche entsprachen. Die Auflagen des Versailler Friedensvertrags von 1919 erschienen, was die Flächenverluste Deutschlands anbetrifft, geradezu bescheiden.

Sozialisten und Ultramontane

Karl Marx (1818-1883) führte im Prinzip Luthers Revolution fort. So sieht es Winkler. Für seine proletarische Revolution war jedoch nicht Frankreich vorgesehen, sondern Deutschland. Bismarck gelang es durch seine Sozialistengesetze das Aufblühen des Sozialismus in Deutschland weitgehend zu verhindern. Er hatte damit nicht nur die Konservativen auf seiner Seite, sondern auch die Religiösen und die Intelligenz, d.h. alle, die etwas besaßen, das es zu beschützen galt. Sein Realitätssinn sagte ihm: Der Staatssozialismus paukt sich durch. Anders ausgedrückt; Dass der Staat sich sozial engagieren muss, ist nicht aufzuhalten. Bismarck reagierte daher mit der Schaffung einer Sozialversicherung, die einmalig in der Welt war. Schließlich widmete er sich der Förderung der Kolonien als Teil der Sozialpolitik.

Da der vor allem in Norddeutschland verbreitete Protestantismus sich von Natur aus national gab, hatten die im Westen überwiegenden Katholiken eine andere Staatsauffassung. Ihr Internationalismus war Bismarck ein Dorn im Auge. Deshalb wurden sie als Römlinge oder Ultramontane diffamiert. Ihre Einrichtungen und Vertreter wurden im so genannten Kulturkampf 1871-1878 mit Staatsgewalt verfolgt. Erst nach der Wahl Leo XIII. zum Papst suchte Bismarck den Ausgleich, da beide gegen Sozialisten und Liberale eingestellt waren. Übrig blieb eine starke Politisierung der katholischen Bevölkerung in Form einer stabilen Zentrumspartei.

Weimarer Demokratie

Dass 1919 zum ersten Mal eine Demokratie Fuß fassen konnte, hat Deutschland vor allem dem SPD-Politiker Friedrich Ebert (1871-1925) zu verdanken. Entgegen dem Drängen linker Parteimitglieder und der Kommunisten setzte er sich für eine Koalition mit bürgerlichen Parteien ein (Zentrum und Liberale). Woodrow Wilsons Plädoyer für Demokratie (engl. make world safe for democracy) hatte ihn überzeugt. Die Regierungsform war zwar sehr instabil, hielt jedoch 14 Jahre lang. Als parlamentarische Demokratie war die Regierung von wechselnden Mehrheiten im Reichstag abhängig. Die nicht-demokratischen Parteien an den Rändern wurden immer stärker. Dazu gehörten Deutsch-Nationale, Nationalsozialisten und Kommunisten. Extreme Linke wie extreme Rechte trugen ihre Kämpfe immer mehr auf der Straße aus. Da die Reparationslasten und die Weltwirtschaftskrise die Lage in Deutschland zunehmend verschlechterten, suchte man den Ausweg in einer präsidialen Regierungsform. Paul von Hindenburg, der 1925 Eberts Nachfolge als Reichspräsident antrat, griff zum Mittel der Notverordnungen, um das zu regeln, wozu das Parlament nicht fähig war. Die parlamentarische Demokratie geriet derart in Misskredit, dass ihre Gegner bald ein leichtes Spiel hatten, sie abzuschaffen. Wer dies am lautstärksten forderte, und schließlich auch schaffte, waren Hitler und die NSDAP.

Der Philosoph Martin Heidegger (1889-1976) bezeichnete die Weimarer Republik als eine Diktatur des Man, also eine Herrschaft anonymer Mächte. Oswald Spengler (1880-1936) meinte, wir bräuchten weder eine französische noch eine englische Demokratie. Wir hätten eine eigene, nämlich den preußischen Sozialismus, der uns gegen Marxismus, Kapitalismus und Liberalismus schütze. Die Unsicherheit, die das Rechtssystem damals beherrschte, drückt sich in zwei Gerichtsurteilen an prominenten Zeitgenossen aus. So verurteilte das Volksgericht München Adolf Hitler wegen seiner Teilnahme an dem Münchner Aufstand von 1922 zu einer relativ kurzen Haftstrafe, da er ‚nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt‘ habe. [Als Angela Merkel neulich diese Entschuldigungsformel im Zusammenhang mit der NSA-Affäre benutzte, dachte sie bestimmt nicht an 1922]. Ein Magdeburger Urteil von 1925 gegen Friedrich Ebert, also kurz vor seinem Tode, lautete auf Landesverrat, weil er sich 1918 an einem Streik der Munitionsarbeiter beteiligt habe.

Drittes Reich

Nachdem als Folge des verlorenen Ersten Weltkriegs die k.u.k. Monarchie aufgelöst und Österreich auf sein deutschsprachiges Kernland reduziert wurde, war an sich der Weg frei für eine Vereinigung im großdeutschen Rahmen. Dem schoben die Siegermächte zunächst einen Riegel vor, indem sie Österreich zur Unabhängigkeit verpflichteten. Das hinderte den österreichischen Kriegsheimkehrer und späteren Postkartenmaler Adolf Hitler nicht daran, entsprechende Visionen zu entwickeln und zu veröffentlichen. Er verlegte seinen Lebensmittelpunkt in das politisch aktive München. Sein 1922 in der Landsberger Haft verfasstes Werk mit dem Titel ‚Mein Kampf‘ enthält bereits alle wesentlichen Teile seiner Vision. Ihm schwebte ein germanisches Großreich vor, welches das Römische Reich Karls des Großen bei Weitem übertraf. Es sah die germanische Rasse (ein damals wissenschaftlich fundierter Begriff) in einer Führungs-, ja Herrenrolle. Der dazwischen lebenden Einsprengsel wie Juden und Zigeuner sollte sich das Leitvolk entledigen, wenn nötig mit Gewalt.

Im Gegensatz zum Zweiten Reich, dem Bismarck-Reich von 1871, sollte das Dritte Reich ein großdeutsches Reich sein. Mit dieser Bezeichnung stellten sich Hitler und seine Gesinnungsgenossen in einen historischen Rahmen. Die Idee eines Reichs diente immer der Abwehr von Gefahren aus dem Osten. Sobald er an der Macht war, begann Hitler damit, seine Vision zielstrebig umzusetzen. Seine Anfangserfolge von 1933 bis 1938 waren derart offensichtlich, dass jeder Widerstand an Gewicht verlor. Die ‚Heimholung‘ Österreichs und des Sudetenlandes wurden von der betroffenen Bevölkerung mit Begeisterung aufgenommen und (daher) von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs toleriert. Erst die Annexion von Restböhmen löste erste Alarmsirenen aus. Die mit Stalin vereinbarte und erzwungene (dritte) Aufteilung Polens führte dann zur Kriegserklärung Englands und Frankreichs.

Noch ehe es im Westen zu Kampfhandlungen kam, überrannte Hitler die germanischen Bruderländer Dänemark und Norwegen. Hier erlitt Hitler seine erste Enttäuschung. Anders als in Österreich und im Sudetenland wurden deutsche Truppen nicht mit Begeisterung empfangen. Einzelne Personen, die sich für den Anschluss aussprachen, wurden von der Mehrheit der Bevölkerung geächtet, wie z. B. der Norweger Quisling. Frankreich wurde im Sommer 1940 innerhalb weniger Wochen niedergerungen, worauf das Wort Blitzkrieg zur internationalen Vokabel wurde.

Manchmal passte Hitler seine Strategie flexibel an die aktuelle Situation an. So bekämpfte er nicht die faschistische Bewegung Italiens, die ähnliche Ziele verfolgte wie er, sondern verband sich mit ihr. Um Italien zu unterstützen, ließ sich Hitler zum Eingreifen in Griechenland und Libyen verleiten. Seine erste militärische Enttäuschung erlitt Hitler, als der Luftkrieg um England nicht den erwarteten Erfolg hatte. Es war Winston Churchill (1875-1965), der das britische Volk zum Durchhalten aufrief und die USA zum Eingreifen bewegte. Der Angriff Japans auf den Flottenstützpunkt Pearl Harbor (auf Hawaii) im Dezember 1943 brachte den Meinungsumschwung der Amerikaner herbei. Der Gegenschlag der Westmächte begann in Afrika und endete in Berlin. Dass Hitler seinen Vertragspartner Russland 1941 direkt angriff, sah schon fast nach einer Verzweiflungstat aus. Wie einst Napoléon vor Moskau, so endete sein Feldzug 1943 in Stalingrad, dem heutigen Wolgograd.

Hitler sah sich nicht nur als der Retter an, der Deutschland dem Liberalismus und Parlamentarismus entreißen musste, sondern auch dem (jüdischen) Marxismus. Sein Ziel war ein nationaler Sozialismus und die Überwindung des Klassenkampfs durch eine arische Volksgemeinschaft. Das erforderte die Eroberung von Lebensraum im Osten und eine rücksichtslose Germanisierung. Erst der Feldzug gegen die Sowjetunion sollte die Endlösung der Judenfrage bringen. Ihre Tötung erwies sich als einfacher als ihre Deportation. Ihm schwebte sogar vor, das Christentum zu überwinden. Es war ihm zu sehr von Juden und jüdischer Denkweise durchsetzt (vom Apostel Paulus bis zu Karl Marx). Er wusste jedoch, dass er dem Volke diesen Bruch mit der abendländischen Tradition erst nach dem Endsieg zumuten konnte.

Zusammenbruch und Neuanfang

Erst seit dem totalen Zusammenbruch von 1945 gewann die Orientierung an westlichen Werten die Oberhand. Der Widerstand gegen Hitler, der zum Attentat im Juli 1944 führte, hatte noch traditionelle Ziele. Man dachte christlich, humanistisch, kantisch oder preußisch, aber nicht demokratisch und liberal. Es waren die Überlebenden von Weimar (wie Adenauer und Heuss), auf deren Erfahrungen das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik basiert. Es brachte eine Kompetenzverschiebung weg von der Zentrale hin zu den Ländern, eine repräsentative statt einer plebiszitären Verwirklichung des Wählerwillens, keine Exekutivgewalt für den Präsidenten, nur konstruktives Misstrauen, usw.

Waren in Weimar die rechten Parteien national und die linken international ausgerichtet, so verkehrten sich jetzt die Seiten. Die CDU und FDP betrieben die Westorientierung. Sie führten den konservativen Teil Deutschlands in die Demokratie. Die SPD versöhnte die Arbeiter mit einem sozial gebändigten Kapitalismus, blieb aber eher national. Als Adenauer 1949 dem Ruhrstatut zustimmte, das den Weg zur Montanunion vorbereitete, beschimpfte Kurt Schumacher (1895-1952) ihn mit dem Ausdruck ‚Kanzler der Alliierten‘. Martin Niemöller (1892-1984) verstieg sich sogar zu der Aussage, der jetzige Staat sei in Rom und Washington geboren. Erst mit Willy Brandt, dessen politischer Reifeprozess in der Emigration und im Nachkriegs Berlin abgelaufen war, kam ein prowestlicher Sozialist an die Macht.

Gespaltene Nation

Durch den 1961 erfolgten Mauerbau in Berlin wurde die Trennung der beiden Landesteile anschaulich demonstriert. Nach der 68er Phase wurde die Bundesrepublik noch ein Stück westlicher. In dem Maße, wie sich der Ostblock absonderte, sank die Hoffnung auf die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Für viele Linke, so den späteren SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine (* 1943), war die Wiederherstellung des Nationalstaates kein Ziel der Politik mehr. Man kümmerte sich eventuell noch um eine Verbesserung der Lebensverhältnisse im Osten. Auch Willy Brandts vielgerühmte Ostpolitik widmete sich primär humanitären Zielen. Seinem Wirken wurde durch eine von Ostberlin verursache Spionage-Affäre ein jähes Ende bereitet. Obwohl es offensichtlich war, dass unsere ostdeutschen Mitbürger nie die Gelegenheit hatten, sich frei für ihren Staat auszusprechen, verlangten Lafontaines Anhänger, dass man aufhören sollte von einer Nation zu reden. Wir sollten die deutsche Zweistaatlichkeit als Strafe für Auschwitz ansehen und akzeptieren.

Während die DDR ihre Handelsbilanz durch Menschenhandel (genauer gesagt Freilassung von Häftlingen) aufbesserte, förderte sie im Westen die so genannte Friedensbewegung, die gegen den NATO-Doppelbeschluss (Aufstellung von Pershings II bei gleichzeitigen Verhandlungen) zu Felde zog.

Wiedervereinigung als Geschenk

Für die deutsche Wiedervereinigung haben zwei ausländische Politiker entscheidend beigetragen. Michail Gorbatschow (* 1931) lockerte Russlands Druck auf die Randstaaten, was in Ungarn und Polen zum Strukturwandel und in Ungarn zur Öffnung der Grenze führte. Ostberlin widersetzte sich, bis der Druck aus dem Volk das Regime in Schwierigkeiten brachte. Russland verhinderte die Gewaltanwendung, selbst als es zum Mauerfall kam. US-Präsident George Bush (* 1924) gab Helmut Kohl Rückendeckung, bis dass im Rahmen der Zwei-Plus-Vier-Gespräche diplomatisch ein Rahmenvertrag ausgehandelt war.

Mit seinem 10-Punkte-Plan brachte Helmut Kohl im Dezember 1989 die Konföderation der beiden deutschen Staaten ins Gespräch, ohne sich mit England und Frankreich abzustimmen. Lafontaine verlor seine Zustimmung im Osten gänzlich, als er forderte, dass man Ostdeutschen den Zugriff auf unsere Sozialsysteme verwehren müsse. Brandt äußerte sich versöhnlicher, als er sagte, es solle zusammenwachsen, was zusammengehört. Erst im Dezember 1989 rückte die staatliche Vereinigung in Kohls Visier, als Dresdener Demonstranten vom ‚Einig Vaterland' sprachen. Kohl schlug den Anschluss nach Artikel 23 GG vor, weil er Angst hatte, dass für ein komplizierteres Verfahren möglicherweise die Zeit fehlte. Die Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen wurden im Mai 1990 abgeschlossen. Es folgte die Anerkennung der Ostgrenzen im Vertrag mit Polen im November 1990. Im Vergleich zum Bismarck-Reich verzichtete die Bundesrepublik auf die ehemals deutschen Gebiete in Schlesien und Preußen.
                                                         
Resümee und Ausblick

Die deutsche Geschichte als eine Geschichte der versäumten Revolutionen darzustellen, ist zu einseitig. Jede ersparte Revolution, die wir einem aufgeklärten Absolutismus zu verdanken hatten, hat vielen Menschen das Leben gerettet und wirtschaftlichen Schaden verhindert. Revolutionen sind  ̶  das sei vor allem der Jugend gesagt   ̶   nicht die einzige Methode, wie sich Meinungen von Minderheiten Gehör verschaffen können. Andere Wege können ein paar Jahre länger dauern.

Deutschland benötigt sowohl eine starke Westbindung als auch ein gutes Verhältnis zu unsern östlichen und anderen Nachbarn. Deutschlands antiwestlicher Sonderweg endete 1945. Ob wir uns seit 1990 in einer postnationalen Entwicklung befinden, die sich in einem europäischen Superstaat vollendet, darf bezweifelt werden. Aus Katastrophen wie Auschwitz sollte keine Rechtfertigung für einen neuen deutschen Sonderweg abgeleitet werden. Die deutsche Politik der letzten Jahrzehnte musste sich dieser Frage stellen, sei es im Kosovo, in Afghanistan oder in Libyen.

Die Begriffe Nation und Nationalität sind in der Diskussion und werden sich weiterentwickeln. Ob sie soweit aufgelockert werden, wie dies Ernest Renan schon im 19. Jahrhundert vorschwebte, wird sich zeigen. Es ist keine Frage, dass Menschen ein Zusammengehörigkeitsgefühl benötigen und entwickeln. Das erfordert meist mehrere Generationen, setzt aber (ein gewisses Maß) an Freiwilligkeit voraus. Elsass-Lothringen, Österreich und Luxemburg haben diese Schwelle überschritten. Das Saarland entschied sich zweimal für Deutschland. Angesichts der Beweglichkeit moderner Menschen stoßen jetzt schon häufig Rechtsprinzipien, wie das der Abstammung (des Blutes) und das des Geburtsortes (des Bodens) aufeinander, so dass eine gewisse Wahlfreiheit entsteht. Das Ergebnis ist [wie im Falle eines unserer Kinder] die mehrfache Nationalität.

Dienstag, 16. Juni 2015

Griechenland, das Dauer- und Trauerthema

Ein Autor bei SPIEGEL Online versuchte heute alle Politiker als schlechte Kaufleute zu diskreditieren. Besitzt ein Gläubiger einen Schuldner, der in Schieflage geraten ist, sei es besser durch ein Konkursverfahren einen Teil des Kredits zu retten, als auf den Totalausfall hinzuwirken. Wer sich so wie unsere Politiker verhält, mache sich der Konkursverschleppung mitschuldig. Man kann dafür verklagt werden.

Ich hatte den Link mit der Bemerkung ‚So sehe ich es auch. Die Frage ist nur, wie sage ich es dem Wähler‘ an den Kollegen Hartmut Wedekind weitergeleitet. Hier seine Reaktion.

Aber Schulden, die nicht drücken durch Zins und Tilgung kann man stehen lassen oder schneiden. Das ist zweitrangig. Ein Staat ist aber primär eine Sozial – und in zweiter Linie erst eine Finanzveranstaltung. Er muss Renten und Gehälter zahlen, die bei einer Pleite nicht mehr bezahlt werden.  So einfach ist das. Über Wertberichtigungen in unseren Büchern kann man immer sprechen, auch noch in 2 Jahren.

Griechenland wird wie Schwarzafrika eine Sozialfall mit vielen Flüchtlingen. Bloß als EU-Mitglieder sind das keine Flüchtlinge. Sie müssen sich selbständig hier einen Job suchen. Die Bedürftigen, Arme und Kranke, bleiben zu Hause. Ob Herr Tsipras und die, die ihn stützen, das sehen? Wenn sie das sehen würden, müssten sie [d.h. Tsipras und Co] die Hose voll haben und nicht seelenruhig da herumsitzen. Sie haben nämlich als Schwätzer ihr schon ruiniertes Land vollends ruiniert.

Ich gebe Hartmut Wedekind Recht. Der Schuldenschnitt ist nicht das Hauptproblem. Die Diskussion lenkt davon ab, dass Griechenland bald ein gescheiterter Staat (engl. failed state) sein wird. Einen Blog-Beitrag, dessen Überschrift dieselbe Sorge ausdrückte, gab es schon im Mai 2012. Darin standen folgende Sätze: 

Der zu erwartende Sieger der bevorstehenden Wahl, Alexis Tsipras, will weder sparen noch Schulden tilgen, erwartet aber, dass die reichen Europäer sein Land weiter aushalten. Obwohl alle ausländischen Politiker den Griechen raten, diesen Mann nicht zu wählen, werden sie es trotzdem tun. 

Manchmal wünsche ich mir, dass meine Vorhersagen nicht zutreffen. Wer möchte schon Kassandra nachahmen.

Nachtrag vom 5.7.2015:

Die Situation Griechenlands wirft weniger Rätsel auf, wenn man das Land aus der Perspektive eines Entwicklungslands sieht. Ich las gerade wieder, was der Peruaner Hernando De Soto in seinem Buch Freiheit des Kapitals darüber sagte. Ich zitiere aus meinem Blogbeitrag vom September 2011:

Für uns im Westen ist das Vorhandensein eines verlässlichen Rechtssystems so selbstverständlich, dass wir dazu neigen, seine Bedeutung zu vergessen. Es hat sich bei uns über Jahrhunderte entwickelt. … Anzunehmen, dass Regionen, die eine völlig andere Rechtstradition haben, die notwendigen Anpassungen innerhalb weniger Jahre schaffen, ist daher eine Illusion. …Das Wirtschaften außerhalb der Legalität hat seine spezifischen Kosten, … (z. B. Bestechungs- und Schutzgelder). Die Kosten für ein legales System können sogar noch höher sein. Sie drücken sich meist in Steuern aus. …. Selten ist es ein ideologisches Vorurteil, welches Leute dazu bringt, von der einen auf die andere Seite zu wechseln, sondern reine Arithmetik.

Da sowohl Tsipras wie Varoufakis Neo-Trotzkisten sind, ist Wirtschaft gleich Staatswirtschaft und Einkommen gleich staatliche Zuteilung. Andere Formen von Wirtschaft und Einkommen sind irrelevant.


Ebenfalls am 5.7.2015 schrieb Hartmut Wedekind aus Darmstadt:

Für alles, was jetzt in Griechenland herrscht und getan wird, gibt es schöne, uralte griechische Wörter, z.B.:

1) Aporie = Ausweglosigkeit 
2) Parasit = Mitesser, dem der „gutmütige“ Symbiont  als  Mitlebender gegenübersteht.
3) Chaos = totale Unordnung 
4) Katastrophe =  Umwendung, Verheerung   
5) Katharsis = Reinigung 
6) Drama = tragische Handlung 
7) Exodus = Auszug
8) Krise = Scheidung, Entscheidung 
9) Kynismus = Hundigkeit 
10) Apraxie = Untätigkeit 
11) Demagogie = Volksverführung

Und so fort, und so fort.  Man sieht, wie stark die Griechen mit uns Europäern verbunden sind. Ihre schönen Wörter haben wir alle geerbt.

Sonntag, 7. Juni 2015

Menschen machen Informatik ̶ ein neues Buch als Destillat dieses Blogs

Das Buch enthält - neben Nachrufen auf 15 bereits verstorbene Vertreter der Informatik - insgesamt 27 fachliche Interviews mit bekannten Informatikern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Die meisten dieser Interviews wurden von Bertal Dresen (dem Hauptautor dieses Blogs) geführt und seit Mitte 2011 publiziert. Ende 2014 konnte Professor Rul Gunzenhäuser den Autor dafür gewinnen, gemeinsam eine Auswahl dieser Interviews als (papierne) Nachdrucke zu publizieren. Die Übertragung in das traditionelle Druckformat eines Buches gelang dann mit der bewährten Unterstützung durch die Akademische Verlagsgesellschaft (AKA) Berlin.

Auf mehr als 200 Druckseiten werden so Menschen und Themen vorgestellt, welche die Informatik und Informationstechnik während ihrer Aufbauzeit prägten, aber auch heute noch stark bestimmen. Beispiele dafür sind Rudolf Bayer, Manfred Broy, Ernst Denert und Eike Jessen (alle München), José Encarnacao und Hartmut Wedekind (beide Darmstadt), Gerhard Goos und Walter Tichy (beide Karlsruhe), Otthein Herzog (Bremen), Jochen Ludewig (Stuttgart), Peter Mertens (Nürnberg) und Hasso Plattner (Walldorf). Zu den in Nachrufen gedachten Persönlichkeiten aus der Informatik gehören F. L. Bauer und Heinz Gumin (beide München), Gerhard Krüger (Karlsruhe) sowie Karl Ganzhorn (Böblingen) und Heinz Zemanek (Wien).

Das Buch erschien als Band 14 in der Broschürenreihe des Informatik-Forums Stuttgart (infos). In dieser Reihe erschien bereits das Buch 'Schuld sind die Computer' der selben Autoren.

Dass das Projekt so lange dauerte und der Weg so mühsam war, hat alle Beteiligten überrascht. Wir gingen bekanntlich von vorhandenen Internet-Veröffentlichungen aus. Diese waren inhaltlich und formal erheblich stärker in ihr modernes Publikationsumfeld eingebunden, als dies Gutenbergs altbewährte Kunst zulässt. Wer nicht selbst bei der Gestaltung des Umschlags beteiligt war, dem könnte dieser etwas mutig vorkommen. Er soll den Buchtitel interpretieren. Eines unserer Anliegen war es, die Brücke zwischen den Generationen zu verstärken. Wir sind überzeugt, dass diejenigen Informatik-Absolventen in Jena und in Stuttgart, die das Buch als Geschenk erhalten werden, dies schätzen.

Auszugsweises Online-Material (so genannte Leseproben) zum gedruckten Buch sowie Bestellinformationen hält der Verlag vor. Bitte hier anklicken!

Erste Reaktionen

Gratuliere! Ich weiß nur zu gut, wie viel Knochenarbeit das ist! Manfred Broy, München

Herzlichen Dank für die viele Mühe, die Sie auf sich genommen haben, um den Blog zu führen und dieses Buch heraus zu destillieren! Ich bin sicher, dass ich es  ̶  wie auch schon den Blog  ̶  mit großem Vergnügen lesen werde! Otthein Herzog, Bremen

Ihnen und Herrn Gunzenhäuser gebührt der herzliche Dank aller an der Informatik interessierten Leser. Ich durfte im Laufe meines Berufslebens bei IBM und danach als Hochschullehrer in Heidelberg die meisten der Kollegen aus Ihrem Buch persönlich kennen und schätzen lernen. Wolf-Dietmar Oberhoff, Düsseldorf

Toll, was die beiden Autoren und ihre Helfer zusammengetragen haben. Kann man sagen,
"berufliche Lebensrückblicke" von Leuten, die die Informatik in Forschung, Lehre, Organisation und Anwendung über Jahrzehnte vorangetrieben haben?  Authentische Geschichte!  Hans-Jürgen Hoffmann, Darmstadt

Ihr Buch ist wirklich eine faszinierende Sammlung geworden. Kristof Klöckner, Ridgefield, CT

Mit großem Interesse und natürlich begleitet von Schmerz wegen der toten Zeitgenossen habe ich die Interviews mit Frau Heilmann und den Herren gelesen, die ich persönlich kennenlernen durfte - es sind viele, und alle waren sie letztlich angenehme Persönlichkeiten, auch wenn es "unterwegs" das ein oder andere Problemchen  aus dem Wege zu räumen galt. Peter Mertens, Nürnberg