Jedes Jahr gibt es Umfragen unter Studierenden darüber, bei welchem Unternehmen sie am liebsten anheuern würden. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich, je nachdem ob die Fragen von Informatikern, Ingenieuren, Naturwissenschaftlern oder Wirtschaftswissenschaftlern beantwortet werden. Als Beispiel sind hier die Umfrage-Ergebnisse der Wirtschaftswoche (WiWo) vom Mai 2010 gelistet. Ich gebe nur die Reihenfolge der ersten zehn Unternehmen an, und nur für Informatiker, Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler. Ähnliche Umfragen führen das Handelsblatt und der Spiegel durch. Da sie für meine Zwecke nicht wesentlich sind, habe ich die Prozentzahlen für die einzelnen Unternehmen weggelassen. Nur so viel: Bei den Informatikern ist die Spitze ausgeprägter und das Gefälle stärker als bei den anderen Fachgebieten. Gegenüber früheren Jahren gab es nur geringfügige Verschiebungen um einzelne Tabellenplätze.
Beliebte Arbeitgeber 2010 (nach WiWo)
Die fünf Unternehmen, die bei Informatikerinnen und Informatikern an der Spitze stehen, will ich in späteren Beiträgen einzeln besprechen. Eindeutig zu erkennen ist, dass Informatik-Hersteller, also die Firmen der Primärbranche, im Vordergrund stehen. Sie belegen sieben der ersten zehn Plätze, wenn man Siemens (noch) als Informatik-Unternehmen ansieht. Zwei Plätze werden von außeruniversitären Forschungseinrichtungen (Fraunhofer, MPG) eingenommen, was auf deren ausgezeichneten Ruf hindeutet. Als einziger Anwender erscheint Audi, das derzeitige Spitzenunternehmen der deutschen Automobilbranche. Wie in meinem Interview mit Manfred Broy erläutert, hat sich die Automobilindustrie schon seit einiger Zeit zu einem der bedeutendsten Informatikanwender in Deutschland entwickelt.
Bei Ingenieuren und Wirtschaftswissenschaftlern dagegen spielen die Informatik-Unternehmen keine große Rolle, mit der Ausnahme von Google. Der Mythos dieser Firma strahlt über unser Fachgebiet hinaus. Sehr gut im Rennen liegen vier der sechs deutschen Automobilhersteller. Sie gelten nicht nur als Aushängeschilder deutscher Ingenieurskunst, sondern haben sich auch im wirtschaftlichen Wettbewerb hervorragend positioniert. Die Lufthansa ist nicht nur attraktiv für Leute, die in ihrer Jugend statt Lokführer lieber Flugkapitän werden wollten. Zum EADS-Konzern gehört mit Airbus der größte europäische Flugzeugbauer. Robert Bosch ist zwar hauptsächlich als Zulieferer zur Automobilindustrie bekannt, gilt aber als eines der technisch kompetentesten deutschen Unternehmen.
Im öffentlichen Dienst hat kein Bereich eine bessere Reputation als der diplomatische Dienst. Eine Tätigkeit bei einem Unternehmensberater wie McKinsey gilt als ideales Sprungbrett, um nach harten Lehrjahren eine verantwortliche Position in der Wirtschaft zu übernehmen. Bekannte Beispiele von Ex-McKinsey-Beratern sind Frank Appel (Deutsche Post), Utz Claassen (früher bei EnBW), Carl-Peter Forster (früher bei Opel) und Axel Wieandt (Deutsche Bank und Hypo Real Estate). Die Deutsche Bank wird zwar oft als zu mächtig und zu arrogant kritisiert. Sie ist aber besser als alle andern deutschen Finanzinstitute durch die weltweite Finanzkrise gekommen. Vielleicht denkt man auch: Wenn ich schon Banker werde – und mich von meinen Altersgenossen dafür beschimpfen lasse −, warum nicht gleich beim Branchenprimus.
Zu beachten ist auch, dass fünf der zehn von Informatikern bevorzugten Unternehmen ihren Firmenhauptsitz in den USA haben. Dies reflektiert die Situation im Markt. Von diesen fünf Unternehmen hat nur IBM eine längere Tradition, was Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Deutschland betrifft. Dass Informatiker sich auch für Beratungs- und Vertriebsaufgaben interessieren, ist an sich sehr erfreulich. Bei Ingenieuren scheinen nur die deutschen Unternehmen auf Interesse zu stoßen, mit der einzigen Ausnahme von EADS, das eine europäische Basis hat. Bei den Wirtschaftswissenschaftlern überwiegen klar die deutschen Firmen. Nur McKinsey und Google fallen aus dem Rahmen.
Übrigens: Werden heute junge Leute gefragt, was an der angestrebten Stelle für sie wichtig ist, ergibt sich folgende Reihenfolge: Work-Life-Balance vor Personalverantwortung, intellektueller Herausforderung und Jobsicherheit. Mit Work-Life-Balance ist der Wunsch gemeint, Familie, Privatleben und Beruf möglichst gut miteinander vereinbaren zu können. Diese Reihenfolge gilt für Umfragen quer durch alle Fachrichtungen. Bei Informatikern und Ingenieuren muss man wohl Personalverantwortung durch technische Verantwortung ersetzen. Vielleicht verdient dieses Thema später einen eigenen Beitrag.
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