Über Google sind schon mehr Bücher geschrieben worden als über die meisten andern Firmen unserer Branche. Gegründet wurde die Firma im Jahre 1998 von Larry Page und Sergey Brin, zwei Graduate Students der Stanford University. Sie hatten ein Rankingverfahren entwickelt und patentieren lassen, das alle im Markt bereits vorhandenen Suchmaschinen alt aussehen ließ. Da sie nicht irgendwo auf der Welt, sondern im Herzen des Silicon Valley lebten, fanden sie Industrie-Veteranen, die das Potential erkannten und bereit waren, privates Wagniskapital zu investieren. Einer der ersten Investoren war Andreas von Bechtolsheim, ein bayrischer Auswanderer, der 1982 die Firma Sun Microsystems mitgegründet hatte. Die Firma Google ging im August 2004 an die Börse. Sie hat seitdem eine rasante Entwicklung genommen. Der Marktanteil bei Suchmaschinen beträgt fast 80%. Der Börsenwert von Google war zeitweilig größer als der von General Motors. Einige Daten für die letzten drei Jahre sind internen Investor-Informationen entnommen.
Für Berufsanfänger wie Wechselwillige mit soliden Informatikkenntnissen wurde Google zum Traumland Arkadien. Zum diesem Mythos trugen nicht nur die Jugend und die Persönlichkeiten der beiden Firmengründer bei. Im Hauptsitz in Mountain View, CA, schufen sie eine sehr zwanglose, campusartige Arbeitsatmosphäre, in der Kreativität einen hohen Stellenwert genießt. Als Folge davon konnten sie − und können immer noch − unter Tausenden von Bewerbern die besten aussuchen. Neue Maßstäbe wurden gesetzt mit vorzüglichen Sozialleistungen (z. B. kostenlosem Firmenessen), der Nutzung regenerativer Energie sowie der Möglichkeit, während der bezahlten Arbeitszeit eigene Ideen zu verfolgen. Damit die geschäftlichen Anforderungen nicht zu kurz kamen, übertrugen Page und Brin das operative Management im Jahre 2001 an Eric Schmidt, einen Routinier. Er wird im Laufe dieses Jahres ausscheiden. Larry Page wird dann die Führung der Geschäfte übernehmen.
Der phänomenale Erfolg der Suchmaschine bewirkte, dass Google innerhalb kurzer Zeit über 65% des Online-Werbegeschäfts an sich zog. Das betraf nicht nur die USA, wo der Werbemarkt riesig ist und neben Außenwerbung, Postwurfsendungen und Zeitungen auch das ganze Radio- und Fernsehwesen finanziert. Gegenüber diesen Medien, die ihre Botschaften so zu sagen in den Wald schreien, kann Google gezielt Interessenten ausfindig machen, und nur diesen Personen die für sie relevante Information anbieten. Nur ein Beispiel: Die Firma der Nichte eines Freundes in Oregon, die medizinische Spezialwerkzeuge herstellt, stellte die Werbung in Fachzeitschriften und Ärztebesuche ein. Stattdessen zahlt man Google pro Click drei Dollar und fährt besser dabei. Wie sehr Google innerhalb kürzester Zeit auch den deutschen Werbemarkt umkrempelte, konnte ich bei einem Vortrag an der Universität Jena im Dezember 2006 illustrieren. Ich zeigte ein Luftbild des Stadtkerns, auf dem sechs Firmen im Umkreis der Universität markiert waren, die über Google warben.
Von Googles Erfolg beeindruckt hat auch Microsoft versucht, im Werbegeschäft stärker Fuß zu fassen, scheiterte jedoch. Da Suchmaschinen das ideale Werkzeug sind, um einen Massenmarkt in Massen von Nischenmärkten zu zerlegen, investierte Microsoft zunächst in eine eigene Suchmaschine (Bing), später wollte man den Marktzweiten (Yahoo) übernehmen, was aber nicht gelang. Google besitzt längst andere Technologien, die es von der Konkurrenz absetzt. So verfügt Google über ein äußerst effizientes Abrechnungssystem, mit dem Riesenmengen kleinster Transaktionen verlässlich abgerechnet werden können. Darüber hinaus bietet Google die Möglichkeit, die Werbepositionen für einzelne Stichworte zu ersteigern. Ferner kann jeder private Besitzer einer Homepage Werbeanzeigen von Google platzieren lassen. Schließlich ist Google, was den Umfang seiner Indizes und die Zahl seiner Server betrifft, kaum noch einzuholen. Es wird geschätzt, dass Google heute über eine Billion Webseiten indiziert und über eine Million Server betreibt, die über die ganze Welt verteilt sind. Einen großen Server-Komplex betreibt Google direkt neben einem Elektrizitätswerk im Staat Washington, um billigen Nachtstrom verwenden zu können.
Da das Stammgeschäft in ungewöhnlichem Maße Gewinne einbrachte, versucht Google dieses Geld zu reinvestieren. Es gibt daher kaum ein Gebiet der Informatik, auf dem Google sich nicht betätigt. Einige der Aktivitäten haben einen Bezug zu Suchmaschinen, andere nicht. Zur ersten Kategorie gehört das geographische Suchen. Ausgehend von Satellitenbildern der NASA (Google Earth), auf denen sich sehr leicht einzelne Häuser erkennen lassen, werden ortsbezogene Dienste angeboten. Der Versuch, diese Dienste auf horizontale Straßenaufnahmen (Street View) zu erweitern, rief in Deutschland sogar eine Bundesministerin aus der Reserve. Seither darf man beantragen, dass sein Haus unsichtbar gemacht wird, also verpixelt wird.
Einen weltweiten Sturm der Entrüstung rief das Buchprojekt von Google hervor. Google hatte mit mehreren Bibliotheken, so auch der Bayrischen Staatsbibliothek, vereinbart, Bücher aus ihrem Besitz kostenlos zu digitalisieren. Da nicht immer klar ist, ob die Bibliotheken in allen Fällen über die entsprechenden Rechte verfügen, kam es zu Verhandlungen mit Vertretern amerikanischer Autoren und Buchhändler. Ein Kompromiss, der eine pauschale Abgeltung vorsah, wurde später angefochten. Inzwischen hat ein Gericht in New York entschieden, dass Google keine Pauschalverträge mit der ganzen Branche abschließen darf, weil die Gefahr besteht, dass Google dadurch eine monopolartige Marktposition erhalten würde. Es stehen inzwischen einige Millionen, vor allem historische Bücher im Netz, die für das normale Suchen erschlossen sind. Bei den meisten neueren Büchern wird nur ein Teil der Seiten wiedergegeben.
Der Journalist Jeff Jarvis wies in einem vielbeachteten Buch darauf hin, wie sehr die von Google befolgte technische Strategie sowohl Wirkungen auf unsere Branche zeigt, als auch auf andere Zweige der Wirtschaft. Jarvis sieht eine Reihe von Lehren, die unsere Branche ziehen muss: Je einfacher eine Anwendung ist, umso erfolgreicher ist sie. Fehler von Nutzern soll man diesen nie entgegen halten. Der Nutzer will so schnell wie möglich zu den Daten, die er braucht. Kein System darf ihm im Wege stehen. Der Hunger nach Information ist unersättlich. Für die Wirtschaft allgemein gilt: Vermittler sind unerwünscht, egal ob es sich um Immobilien, Autos oder Reisen handelt. Was man nicht suchen kann, kann man auch nicht finden. Google ist das Musterbeispiel eines Unternehmens, das einen Markt geschaffen hat, den es vorher in dieser Form nicht gab.
Dass der Weg, den Google verfolgt, manchen Menschen Angst macht, ist verständlich. Ein Beispiel ist die Idee des Autonomen Suchens, die Eric Schmidt bei einem Dinner Talk zum Besten gab. Sein Bild: Bin ich zwei Stunden gewandert, könnte die Suchmaschine fragen, ob ich nicht eine Pause machen will. Der Zeitpunkt wäre gerade günstig, da sich in der Nähe ein Lokal befindet, dass meine Lieblingsspeise vorrätig hat. Generell hat man das Gefühl, dass Google es immer wieder bis hart an den Rand des Erlaubten treibt. Einige Leute meinen, dass Google den Leitsatz ‚Don‘t be evil‘ der beiden Gründer über Bord geworfen habe. Andere Kollegen sehen es so, dass Google sich in Neuland bewegt, wo man nur durch Versuch und Irrtum herausbekommt, was einen weiter bringt. So gibt es mehrere Projekte, die nicht zum Erfolg führten, etwa ein Lexikon (Knol), das Wikipedia nachahmen sollte.
Der Vollständigkeit halber sei kurz erwähnt, an welchen anderen Fronten Google noch tätig ist. Der Kauf des Video-Portals Youtube füllt zwar die Rechner von Google mit Daten, viel Geld wurde aber noch nicht damit verdient. Die Grundstruktur des Software-Markts könnte verändert werden, wenn es Google gelingen sollte, sich mit kostenlosen Versionen von mehreren Produkten durchzusetzen, mit denen Microsoft und andere viel Geld verdienen. Beispiele sind Textverarbeitung, E-Mail-Dienste und Bildverarbeitung. Außerdem gibt es einen Blogger, den ich für diesen Blog verwende, und einen Web Browser (Chrome). Eines der besten Sprachübersetzungsprogramme (Translator) stammt von Google. Schließlich betätigt sich Google auch im Markt der Smartphones. Das dafür entwickelte Betriebssystem (Android) macht Apple, Microsoft und Nokia zu schaffen. Ist die Marke Google als Anbieter privater Dienstleistungen längst die Nummer Eins geworden, so hat man den kommerziellen Unternehmensmarkt nicht ganz aus dem Auge gelassen. Google bietet dort ein reiches Spektrum von Lösungen an, einschließlich einer Cloud-Kapazität.
Google hat sich innerhalb von nur 12 Jahren nicht nur zu einem finanziellen, sondern auch technischen Schwergewicht unserer Branche entwickelt. Mit nur 6% der Mitarbeiter wurde ein Drittel des Umsatzes von IBM erzielt. Zu Mitarbeitern von Google zählen heute so bekannte Informatiker wie Vinton Cerf, einer der Väter des Internet, Stuart Feldman, der ACM-Präsident der Jahre 2006 bis 2008, John Gosling, der Erfinder von Java, und Nelson Mattos, früher bei IBM Research. Offensichtlich nehmen junge Informatikerinnen und Informatiker diejenigen Kassandrarufe nicht ganz ernst, die Google als böse Datenkrake beschimpfen, die hilflosen Zeitgenossen die Privatsphäre raubt und nach der Weltherrschaft trachtet. Vielleicht macht das aber nur neugierig. Sonst würden sie Google bestimmt nicht als das attraktivste Unternehmen der Branche bezeichnen, und das mit deutlichem Abstand. In Deutschland hat Google Niederlassungen in Berlin, Hamburg und München.
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