Meine Enkeltochter, die in Stuttgart
Elektrotechnik studiert, verbrachte das WS 2015/16 an der Universitat
Polytécnica de Cataluña (UPC) in Barcelona. In einem ersten Bericht im Oktober
2015 hatte sie ihre anfänglichen Eindrücke geschildert. Hier ist der
angekündigte Rückblick.
Studium und Prüfungen
Wie bereits im ersten Bericht dargelegt,
habe ich an drei Vorlesungen teilgenommen. Alle diese Vorlesungen habe ich
erfolgreich absolviert. Die Anmeldung zu den Vorlesungen konnten in den ersten
beiden Wochen noch geändert werden, danach war es verpflichtend und gab es
keinen Schwund an Studenten mehr. Ganz anders als an der Uni Stuttgart, an der
bei den Vorlesungen keine Anwesenheitspflicht herrscht und die Prüfung am Ende
des Semesters der einzige Leistungsnachweis ist. Die Prüfungen werden erst in
der Mitte des Semesters angemeldet und können eine Woche vorher noch abgemeldet
werden. Entsprechend würde ich den Schwund an Studenten dort höher einschätzen.
Die Prüfungen an der UPC waren auf
eine Bearbeitungsdauer von drei Stunden angesetzt. Verlangt waren alle
Aufgaben. In der Prüfung durften wir ̶ wie
auch aus Stuttgart gewohnt ̶ alle
Hilfsmittel außer Kommunikationsgeräte benutzen. Am meisten halfen hierbei die
Notizen, die eigenhändig während der Vorlesung angefertigt wurden. Ein klassisches
Skript gab es nicht und die PowerPoint-Folien der Professoren dienten lediglich
als Gedächtnisstütze. Wer während der Vorlesung kaum aufgepasst hat, hatte bei
der Prüfung schlechte Karten. Die meisten Prüfungen wurden sehr
schnell korrigiert, bereits nach zwei Wochen bekamen wir die Ergebnisse. Dies
ist mit Sicherheit auch auf die geringe Anzahl an Studenten pro Vorlesung
zurückzuführen. In Stuttgart darf man je nach Beliebtheit und Art der Vorlesung
an die zwei Monate auf die Ergebnisse warten. Die Benotung in Spanien erfolgt auf
einer Skala von 0 bis 10 Punkten. Zusätzlich erhält jeder Student eine
Rückmeldung, wie er im Vergleich zu den anderen Studenten abgeschnitten hat.
Die Noten der anderen Studenten waren nicht in jeder Vorlesung einsehbar. Die
Umrechnung in das Süddeutsche Notensystem wird mit der sogenannten Bayerischen
Formel durchgeführt.
Bayerische Formel: Anerkennung von Prüfungsleistungen an der
Uni Stuttgart (Rechnung von der Seite des Internationalen Zentrums (IZ) der Uni
Stuttgart: http://www.ia.uni-stuttgart.de/asb/faq/docs/Bayerische_Formel.pdf)
Die Anerkennung erfolgt anschließend
durch den Prüfungsausschuss des Studienganges. Ich gehe davon aus, dass ich
zwei der Vorlesungen sicher anrechnen lassen kann. Die Anrechnung der dritten
Vorlesung (IBSM) ist noch unklar und bedarf einer ausführlichen Rücksprache mit
dem Prüfungsausschuss.
Ergänzende Vorlesungen in Stuttgart
Parallel zu den Vorlesungen an der
UPC in Barcelona habe ich drei Vorlesungen an der Uni Stuttgart belegt, um dort
den Anschluss zu behalten. Ich habe mir dabei bewusst Vorlesungen ausgesucht,
zu denen Aufzeichnungen oder Live-Streams angeboten werden, sodass ich an
diesen bequem aus Spanien teilnehmen konnte. Ich habe an den Vorlesungen
Automatisierungstechnik 2 (IAS), an Softwaretechnik 2 (IAS) und an Stochastische
Signale (ISS) teilgenommen. Bei der Vorlesung
Stochastische Signale des Institutes für Signale und Systeme (ISS)
handelt es sich um eine Grundlage für viele weitere Vorlesungen des ISS, die
ich im kommenden Sommersemester belegen möchte. Deshalb waren mir das erfolgreiche
Absolvieren und die Teilnahme an dieser Vorlesung besonders wichtig. Dass die Prüfungszeit an der Uni
Stuttgart einen Monat nach der an der UPC begann, kam mir dabei sehr gelegen.
Die Prüfungstermine wurden gut entzerrt und dadurch die Lernzeit deutlich
entspannter als für gewöhnlich, wenn man für dieselbe Anzahl an Prüfungen einen
kleineren Zeitraum hat.
Stadt, Kultur und Leute
Die größten Umstellungen von Spanien
auf Deutschland waren selbstverständlich die Sprache und die Umgebung. Ich
musste mich erst wieder daran gewöhnen, dass alle Menschen um mich herum
deutsch sprechen. Gerade in den ersten Wochen war das sehr ungewohnt. Weniger
Gewöhnungszeit bedarf die Umstellung, nicht mehr in einer Großstadt zu leben.
Ich habe mich schon auf die Ruhe auf dem Land gefreut, doch ich vermisse auch
die tollen Möglichkeiten, die Barcelona als Stadt geboten hat. Direkt um die
Ecke konnte ich alles kaufen, was ich brauchte und ich war nur eine Straße vom
Platz des Geschehens, der Rambla entfernt. Nach nur wenigen Gehminuten war man
mitten im Geschehen und irgendetwas hatten die Katalanen immer zu feiern.
Natürlich war auch die Temperatur eine Umstellung. Zwar ist es ein milder
Winter in Deutschland, doch Barcelona konnte das mit fast 20°C im Januar noch
toppen. Wer kann schon von sich behaupten, im Januar im Mittelmeer gebadet zu
haben? Mein Eindruck bezüglich den
Katalanen hat sich im Vergleich zu meinem ersten Erfahrungsbericht nicht
verändert. Sie sind deutlich kontaktfreudiger als die Deutschen, aber
vielleicht nicht ganz so sehr wie die Spanier. In Barcelona muss man auf jeden
Fall bei den vielen Taschendieben und Trickbetrügern aufpassen. Besonders, wenn
man mit dicken Koffern gerade vom Flughafen kommt und wie ein typischer Tourist
aussieht.
Ausflüge und Reisen
Wenn man die Möglichkeit hat, für
ein halbes Jahr in einer fremden Stadt in einem fremden Land zu leben, dann ist
dies die perfekte Gelegenheit, möglichst viel von der Stadt und der Umgebung
mitnehmen. Auf diese Weise kann man ebenfalls viele neue Leute kennenlernen
oder die Beziehung zu den Kommilitonen stärken. Während meines Aufenthaltes in Barcelona
habe ich viele Ausflüge unternommen. Von einigen davon, habe ich bereits im ersten
Erfahrungsbericht erzählt. Montserrat, Girona, Sitges und Tarragona würde ich
jedem, der sich in der Region aufhält und etwas Zeit mitbringt, dringend
empfehlen. Am Ende des Semesters nach den
Prüfungen bot sich mir durch die freie Zeit die Gelegenheit, zusammen mit zwei
Kommilitonen eine zweitägige Rundreise durch Nordkatalonien zu unternehmen.
Für die Reise haben wir uns ein Auto
am Flughafen gemietet und früh morgens ging die Reise los. Auf der Karte 1 ist
unsere Fahrtstrecke vom ersten Tag zu sehen.
Karte 1: Erster Tag
Von Barcelona aus sind wir direkt nach
Vic gefahren. Vic ist bekannt für seine Kathedrale mit den Wandmalereien und
seinen Marktplatz, der von Gebäuden aus der Barockzeit eingeschlossen ist. Es
war sehr schön, die Stadt im Sonnenaufgang zu besichtigen und zu sehen, wie das
Leben dort langsam erwacht.
Bild 1: Der Marktplatz von Vic
Nach dem morgendlichen Aufenthalt in
Vic, sind wir zum Frühstücken zu dem Stausee Pantà de Sau gefahren. Als wir
dort ankamen, hing ein dicker Nebel über dem Wasser, sodass man leider kaum
etwas sehen konnte. Anschließend ging es hinauf in die Berge. Rupit i Pruit und
Tavertet waren unsere Ziele.
Bild 2: Rupit
Nach einem Mittagessen direkt am Abgrund von Tavertet, fuhren wir zu dem „Dorf über dem Abgrund“ Castellfollit de la Roca. Es begann bereits zu dämmern.
Bild 3: Castellfollit de la Roca
Es war schon dunkel, als wir in
Besalú und Banyoles ankamen. Von Kataloniens größtem See konnten wir daher
leider nicht viel sehen. Umso schöner war es in Besalú. Auf einem Platz hat ein
kleines Streichorchester gespielt und die Katalanen haben dazu ihren Volkstanz
getanzt. Die dadurch erzeugte Stimmung war unglaublich.
Bild 4: Der katalanische Volkstanz
Am Ende des Tages kamen wir
erschöpft aber glücklich in unserer Unterkunft in Figueres an. Wir ließen den
Tag mit einer kleinen Stadterkundung ausklingen.
Bild 5: Dali-Museum in Figueres
Am nächsten Tag brachen wir nach
einem guten Frühstück in unserem Hostel auf. Unsere Reiseroute für den zweiten
Tag, kann er folgenden Karte entnommen werden.
Karte 2: Zweiter Tag
Unser erster Halt an dem frühen
Morgen war „das weiße Dorf“ Cadaqués am Cap Creus. Wir waren von der Schönheit
dieses Anblickes überwältigt. Nach einem Rundgang am Meer entlang,
gingen wir in der Nähe von Cadaqués, am Leuchtturm von Cap Creus wandern. Die
Gebirgsformationen und die Aussicht waren den beschwerlichen Aufstieg wert.
Bild 6: Cadaqués
Danach ging es weiter nach
Empúriabrava und Empúries. Empúriabrava wird auch „das katalanische Venedig“
genannt, da er von vielen Kanälen durchzogen wird. Auch reiht sich dort eine
Villa an die nächste, wodurch einem der Blick auf die Kanäle mit den
angrenzenden Villen und Yachten einen atemberaubenden Anblick bietet. Nach der Besichtigung der Stadt
traten wir die Heimreise die Costa Brava hinunter mit Zwischenstopps in Tossa
del Mar und Lloret del Mar an. Lloret del Mar war von allen Städten, die wir
auf unserem Nordkatalonien-Trip kennenlernen durften, die belebteste. Wir kamen
erst sehr spät dort an, es war bereits dunkel, doch die Gassen und Geschäfte
waren noch mit viel Leben gefüllt. Schließlich gehört Lloret del Mar auch zu
einem der bekanntesten Touristenziele an der Costa Brava.
Nochmals: Stadt Barcelona
In Barcelona gibt es unzählige
Angebote an Stadtrundgängen. Ich habe zusammen mit einigen Kommilitonen an
einer Gaudi-Führung von FreeCityTours teilgenommen. Unser Führer konnte uns
alle mit der Begeisterung für Gaudi und dessen Zeit und Werke anstecken. Gaudi
hat in Barcelona nicht nur die Sagrada Familia und die Gaudi-Häuser entworfen.
Sein erstes Großprojekt wird alltäglich gesehen, aber durch den unwissenden
Betrachter nicht direkt als Kunstwerk wahrgenommen: Die Pflastersteine am Passeig
de Gracia. Während unserer Tour haben wir diese auch genauer unter die Lupe
genommen und konnten viele Merkmale entdecken, die die damalige Zeit
widerspiegelten. Generell lässt sich der Modernisme in der Architektur an drei
Merkmalen erkennen: Eisen, Drachen und Natur.
Persönliches Fazit
Der Auslandsaufenthalt hat mir sehr
gut gefallen. Ich kann es wirklich jedem nahelegen, so etwas auch einmal zu
machen. Ich habe unglaublich viele Erfahrungen gesammelt und ein besseres
Gefühl für fremde Kulturen und Menschen bekommen. Man muss dafür natürlich eine ganze
Menge an Organisationsarbeit auf sich nehmen und wie bereits im ersten Bericht
bemängelt, bekam ich dabei nicht besonders viel Hilfe. Nun hoffe ich, dass die
Anerkennung meiner an der UPC absolvierten Leistungen klappt, sodass ich durch
den Auslandsaufenthalt kein Semester verliere.
Nach meinem Auslandssemester wurde ich von meiner Stuttgarter Betreuerin u.a. gefragt, ob ich mich nun mehr als Europäerin fühle. Das konnte ich mit einem klaren „Ja“ beantworten. Ich habe sehr viele Menschen (überwiegend Studenten) unterschiedlicher Länder und Kulturen kennengelernt. Ich hatte vermehrt Kontakt zu anderen Erasmus-Studenten und da war der gemeinsame Gedanke an ein Europa das, was uns verbunden hat. Wir sind alle Europäer und ich hoffe, dass diese Gemeinschaft bestehen bleibt.
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