Dienstag, 27. August 2013

Ethik für ‚Whistleblower‘ und wir anderen Leute

Ich hatte gleich zu Beginn der NSA-Affäre  ̶  für viele Leser etwas überraschend  ̶  eine Parallele gesehen zwischen Edward Snowden und Michael Kohlhaas. Ehe das öffentliche Interesse am Fall Snowden vom Treibsand der Medienereignisse total überdeckt wird, möchte ich meine ursprüngliche intuitive Reaktion noch einmal erklären. Ich hoffe, damit das Thema verlassen zu können.

Objektives Unrecht und subjektive Abwägung

Edward Snowden wurde persönlich Zeuge eines tausendfachen Rechtsbruchs. Zumindest empfand er es so. Er wollte sein Gewissen damit nicht belasten. Er wollte nicht der Mittäterschaft schuldig werden. Deshalb suchte er einen Weg in die Öffentlichkeit. Er bezieht sich dabei auf einen im amerikanischen Recht geläufigen Begriff des ‚Whistleblowers‘. Trotz mehrerer Anläufe ist dieser Tatbestand in Deutschland rechtlich nicht geklärt.

Ob es sich tatsächlich um einen Missbrauch gigantischen Umfangs handelt, wird möglicherweise von anderen Instanzen anders beurteilt als von dem Enthüller selbst. Weil Snowden dies ahnte, floh er zuerst nach Hongkong, danach nach Moskau. Hinsichtlich der  Sympathie, mit der er in der amerikanischen Öffentlichkeit rechnen konnte, hatte er dadurch seine Situation allerdings nicht verbessert. Kein Staat mit einer rechtsstaatlichen Tradition bot ihm Asyl an. Selbst der Hinweis eines Spiegelredakteurs (Ulrich Fichtner in Heft 37), dass  Angela Merkel mit einer Asylgewährung an Snowden die Chance hätte, aus dem Schatten Gerhard Schröders hervorzutreten, schien diese nicht zu überzeugen.

Persönlicher Preis und politischer Erfolg

Snowden musste sich im Klaren sein, dass er einen Preis zahlen musste. Ich halte ihn nämlich nicht für naiv. Vielleicht war ihm das aber gleichgültig und er wollte den Märtyrer spielen. Dass er zumindest den Schutz durch den amerikanischen Staat verlieren würde, damit musste er rechnen. Dass mittel- und südamerikanische Staaten ihm nur beschränkten Schutz bieten können, liegt auf der Hand. Die USA brauchen nicht einmal nach ihm zu suchen. Angesichts der zu erwartenden Belohnung würden Tausende von Lateinamerikaner das Geschäft gerne übernehmen.

Im Falle von China und Russland liegen die Dinge anders. Er wird zum Politikum auf höchster Ebene. China hatte kein Interesse, sein Verhältnis zu den USA zu verschlechtern. Es reichte die heiße Kartoffel weiter. Bei Russland ist die Situation anders. Putin hat keine Hemmungen, den USA Sticheleien zu versetzen. Wer weiß, welches Geschäft er eventuell herausschlagen will? Snowden ist damit zum Spielball der Großmächte verkümmert. Er hatte vorgesorgt, indem er einiges Material bei Freunden deponierte – vielleicht sogar alles.

Erreicht hat Snowden, dass die NSA in die Defensive geriet. Sie muss einige Hausaufgaben machen, die ihr sonst erspart geblieben wären. Sie muss dem amerikanischen Parlament, den Verbündeten und der Öffentlichkeit gegenüber belegen, dass Alles nur halb so schlimm ist. Sie wird einige Fehler einräumen – was sie bereits getan hat  ̶  und anschließend versuchen, sie abzustellen. Sie wird aber ihre Arbeit  nicht einstellen. Sie wird auch den fragenden Politikern (aus dem In- und Ausland) einige Fragen zu ihren Methoden und Werkzeugen beantworten.

Da Snowden nur Leiharbeiter und kein festangestellter Mitarbeiter war, wurde inzwischen allen Leiharbeitern bei der NSA gekündigt. Schlagartig standen 900 entlassene Systemadministratoren auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt. Zum Glück besitzen diese eine Qualifikation, die auch anderswo eingesetzt werden kann.

In politischer Hinsicht ist als Erfolg zu buchen, dass Obama angekündigt hat, dass er prüfen lässt, ob man zu den bisher völlig geheim tagenden FISA-Gerichten in Zukunft Anwälte als Verteidiger zulassen würde. FISA (Abk. für „Foreign Intelligence Surveillance Act“) heißt das nach dem 11. September 2001 beschlossene Gesetz, mit dem spezielle Gerichte etabliert wurden, die alles entscheiden, was Geheimdienste benötigen.

Außer der direkten gibt es eine indirekte Wirkung. Diese ist vermutlich enorm. Millionen begannen über die Sicherheit des Internet nachzudenken, so auch dieser Autor. Einige Firmen müssen sogar ihre Geschäftsmodelle neu durchdenken – so die Anbieter und die Nutzer von Cloud-Services. Auch das Topthema ‚Big Data‘ hat ein Geschmäckle bekommen.

Selbstaufopferung und Alternativen

Whistleblower genießen in Teilen der Öffentlichkeit ein hohes Ansehen, weil sie für Transparenz sorgen und sich als Informanten selbst in Gefahr begeben oder anderweitige gravierende Auswirkungen auf ihr Leben und ihre Arbeit riskieren.

So heißt es in Wikipedia. Fast immer enden derartige Helden auf tragische Weise. So erging es auch Michael Kohlhaas bei Kleist. Es kann einen mit Stolz erfüllen, für das Recht gekämpft zu haben. Es kann einen aber auch das Leben kosten.  Zum Nachdenken noch ein paar Hinweise.

Unsere Rechtsordnung verlangt nicht, dass man sich,  um Gutes zu tun, selbstlos opfert. Man muss sich nicht selbst in Gefahr bringen, will man ein Verbrechen aufklären. Das Recht auf ein unversehrtes Leben hat einen höheren Stellenwert. Man kann (und soll) seinen Verstand mit einsetzen. Das ist vergleichbar mit dem Zeugnisverweigerungsrecht. Unsere Prozessordnung (§383 ZPO) gibt nämlich einem Zeugen das Recht, seine Aussage ohne Angabe von Gründen zu verweigern, wenn er Gefahr läuft, sich selbst zu belasten.

Snowden hätte auch andere Möglichkeiten gehabt, die weniger gefährlich für ihn gewesen wären. Sie hätten vielleicht mehrere Wochen oder Monate Zeit in Anspruch genommen. Er wäre vielleicht auch nicht in die internationale Presse oder ins Fernsehen gekommen. Als Erstes hätte er das Arbeitsverhältnis regulär beenden können. Er hätte sich einem Abgeordneten, Juristen  oder Journalisten anvertrauen können. Diese können nicht gezwungen werden, einen Informanten zu verraten. Er muss sie allerdings überzeugen. Welches Material dafür erforderlich ist, ist eine entscheidende Frage. Unrechtmäßig erworbenes Beweismaterial ist immer schlecht. Fast alle Juristen übernehmen auch Aufträge gegen Bezahlung oder verteidigen Klienten, von deren Anliegen sie nicht überzeugt sind. Auch als Autor eines Buches (oder Blogs) kann man manchmal die Öffentlichkeit erreichen und genießt dabei den Schutz der freien Meinungsäußerung.

Fall Manning als Lehrstück

Es gibt eine Reihe von 'Whistleblowern‘, auf die immer wieder verwiesen wird. Der jüngste Fall ist der des Soldaten Bradley Manning. Er ist allerdings zu einem abschreckenden Beispiel geworden. Er hatte der Plattform WikiLeaks im Jahre 2010 Film-Material zugespielt, das ihm in Bagdad in die Hände gekommen war. Dazu gehörten Aufnahmen einer Hubschrauber-Besatzung, die den Beschuss von unbewaffneten Zivilisten zeigten. Trotz Demonstrationen, die seine Freilassung verlangten, wurde er am 21. August 2013 von einem Militärgericht zu 35 Jahren Haft verurteilt. Snowden wurde bereits zugesagt, dass er mit einem Zivilprozess rechnen könnte. Wenn seine Freunde ihm einen guten Anwalt besorgen, kann es sein, dass er mit einer geringen Strafe davon kommt. Ganz ohne Strafe, das wäre eine Sensation.

Fortsetzung folgt

Das Thema 'Ausspähen der Privatsphäre' wurde Ende Oktober wieder aufgegriffen.

Donnerstag, 22. August 2013

Internet-Sicherheit: Informatiker klären auf und versuchen zu helfen

Die von den Medien oft selektiv und tendenziös erfolgte Berichterstattung über die von Edward Snowden verbreiteten Anschuldigungen hat viele Politiker und Bürger sehr verunsichert. Ist die Informatik daran schuld, dass wir jetzt die Reste unserer Privatsphäre verlieren? Ist das Internet, das bis vor kurzem vor allem als Tummelplatz für Verbrecher (wie die Verteiler von Kinderpornografie oder von Musik-Raubkopien) kritisiert wurde, in Wirklichkeit nur ein Mittel, um uns den Überwachungsstaat überzustülpen? 

So oder ähnlich lauteten die Fragen, die in den letzten Wochen auf Informatikerinnen und Informatiker in Deutschland hereinprasselten. Da Informatikern der Begriff ‚Hype‘ nicht ganz ungeläufig ist, reagieren viele fast lethargisch. Einige sind sogar davon überzeugt, dass in vier Wochen, also nach der Wahl, bestimmt eine ganz andere ‚Sau durch das Dorf getrieben wird‘. Vielleicht ist es dann mal wieder der Euro.

Auf zwei sehr beachtenswerte und verantwortungsbewusste Gegenreaktionen von Seiten der Gesellschaft für Informatik (GI) sei hier kurz verwiesen. Wem in beiden Fällen die Gefahrenschilderung etwas zu extrem erscheint, möge sich einreden, dass es besser ist, wenn man sich in Richtung übertriebener Vorsicht irrt, als umgekehrt. Die Natur des Menschen ist so, dass Angst ein Gefühl ist, dass von selbst wieder verschwindet.

Versachlichung der aufgeworfenen Fragen (FAQ)

Ein ad hoc entstandener Arbeitskreis, geleitet von der GI-Vizepräsidentin Dr. Simone Rehm (Ditzingen), hat einen Katalog von Fragen gesammelt und dafür fachlich fundierte Antworten zusammengetragen. Daraus entstand eine so genannte FAQ-Liste (Abk. für ‚Frequently Asked Questions‘).  In der Vorbemerkung zu den Fragen heißt es:

Im Fokus stehen folgende Leitfragen:
  • Wer überwacht wie und in welchem Maße unsere Kommunikation?
  • Wer dringt wie und in welchem Maße in unsere Computer ein?
  • Auf welcher rechtlichen Grundlage geschieht dies?
  • Wie können wir uns davor schützen?
Die Sammlung von etwa 40 detaillierteren Fragen und Antworten ist in vier Gruppen eingeteilt. Neben allgemeinen und politischen Fragen stehen technische und ökonomische sowie rechtliche und ethische. Eine Rubrik mit Fragen zur möglichen Abwehr rundet die FAQ-Liste ab. Die redaktionelle Abgleichung wird noch einige Tage in Anspruch nehmen. Ich werde demnächst einen Link angeben.

Initiative, um Sicherheitsmaßnahmen populärer zu machen

Angestoßen von Prof. Rudolf Bayer, Ph.D., von der TU München, der Verschlüsselung als Muss für die Wirtschaft ansieht, bemüht sich die GI, für die schon seit Jahrzehnten bekannten asymmetrischen Verschlüsselungsverfahren gute und vertrauenswürdige Implementierungen zu finden und diese im massenhaften Einsatz zu testen. Man hofft dadurch bei GI-Mitgliedern (und Informatikern allgemein) zu einer breiteren Anwendung und Akzeptanz effektiver Schutzmaßnahmen zu gelangen. Wörtlich schrieb Kollege Bayer:

Als GI-Fellow und Mitglied eines AK der GI beschäftige ich mich seit Wochen mit der aktuellen Situation bei E-Mail-Verschlüsselung. Ich habe meine Erfahrungen in Selbstversuchen und vielen Gesprächen in drei kurzen Aufsätzen zusammengefasst, für Privatpersonen und für Unternehmen sowie in einer präzisen Anleitung für die Einrichtung von E-Mail Verschlüsselung, siehe diese.
Mein Fazit: Die Einrichtung von E-Mail-Verschlüsselung ist derzeit sehr umständlich. Sie wird in der Praxis deshalb kaum eingesetzt, weder im Privaten noch in der Wirtschaft. Ich sehe für die Informatik eine große Herausforderung darin, diese Situation zu ändern und unterbreite konstruktive Vorschläge.
Meine Analyse: Das Abhören des E-Mail-Verkehrs ist kein Big Data Problem, sondern überraschend Small Data.
Meine Vision: Die Einrichtung von E-Mail-Verschlüsselung muss so einfach werden wie die Installation einer App auf einem Smartphone!

Es gibt Menschen, die meinen, dass sich Ende Mai, als Edward Snowden von Hawai nach Hongkong flog, auch ihre Welt verändert habe. Zumindest hat ein Einzelner (mal wieder) eine Weltmacht nebst Verbündeten gehörig brüskiert.

[Die angegebenen Dokumente stellen vorläufige Arbeitsversionen dar. Zweck dieser Ankündigung ist es, dabei mitzuhelfen, die öffentliche Diskussion  ̶  so schnell es geht  ̶  zu versachlichen. Alle Dokumente und dieser Text werden Änderungen oder Ergänzungen erfahren, wenn nötig]

Nachtrag am 2.9.2013

Seit heute steht die FAQ-Liste der GI zum Abhörskandal im Netz. Sie verrät bezüglich Schreibstilen, Längen und Sichtweisen unterschiedliche Autoren. Bei der Vorbereitung konzentrierte sich das Bemühen primär auf Genauigkeit, Verständlichkeit und Ausgewogenheit der Aussagen. GI-Präsident Günther sagte dazu:

Mit der FAQ-Liste liefern Fachleute zu der heiß geführten Diskussion um Ausspähung, Geheimnisverrat und Nachrichtendienste einen neutralen und fundierten Hintergrund. Wir möchten damit zum einen für einen verantwortungsvollen Umgang mit Informationstechnik sensibilisieren, aber auch irrationale Ängste zerstreuen und konkrete Tipps zum Umgang mit persönlichen Daten geben.
Die IT-Industrie mache sich offenbar Sorgen, dass die Branche im Zuge der NSA-Diskussion einen irreparablen Vertrauensverlust erleiden könnte. So hieß es letzte Woche in der FAZ. Wenn auch die Präsenz der Spähaffäre in den Medien am Abklingen ist, etwas bleibt bestimmt hängen. Es ist daher gut, wenn dem von mehreren Seiten entgegen gewirkt wird.

Mittwoch, 14. August 2013

Was ist das Internet eigentlich und was wird es einmal sein?

Dieser Tage melden sich viele Experten zu Wort, die zu der Frage im Titel etwas sagen wollen und können. Es ist dies einer der positiven Nebeneffekte des Falls Snowden, worauf ich bereits gleich zu Anfang der gleichnamigen Affäre verwiesen habe. In den deutschen Medien sind dies vor allem der Chaos Computer Club (CCC) mit seinen Sprechern (Constanze Kurz, Frank Rieger), und die Einzelkämpfer Sascha Lobo und Markus Beckedahl und einige Vertreter der Piratenpartei. Nicht darunter sind die Gesellschaft für Informatik (GI) oder der BitKom. Für die einen ist die obige Frage vermutlich nicht wissenschaftlich interessant, für die anderen hat sie keine erkennbare ökonomische Relevanz. Man überlässt sie daher dem Boulevard oder den Generalisten. Ich beginne meine Betrachtung mit einem kurzen Rückblick.

Was war das Internet ursprünglich?

Das Internet war am Anfang ein kostenloser Postdienst für Hochschulen zum Transport von Telegrammen, Briefen, computer-lesbaren Material und technischen Berichten. Seine Nutzer waren Wissenschaftler und Studenten der Informatik (engl. computer science) und verwandter Ingenieurfächer an amerikanischen Elite-Universitäten. Ursprünglich umfasste dies die University of California at Los Angeles (UCLA) und die Stanford University, später kamen die University of Utah und die University of California in Santa Barbara dazu. Der erste Knoten in Europa war im National Physical Laboratory (NPL) in England. Die erste deutsche Adresse hatte das Rechenzentrum der Universität Karlsruhe. Der Dienst benutzte vorhandene Rechner, die für Forschungszwecke zur Verfügung standen. Ausgetauscht wurden Verabredungen, Beschreibungen von Forschungszielen, Computer-Programme in unterschiedlichen Sprachen und Entwicklungszuständen und Forschungsberichte in Textform.

Was ist das Internet heute?

Das Internet ist heute für alle Gerätetypen zugänglich, die über eine minimale Computerkapazität verfügen. Anstatt einiger wenigen Spezialisten bedient das Netz Milliarden von Nutzern weltweit, in allen Alters- und Berufsgruppen. Der primäre Nutzer ist heute ein Mensch (siehe unten). Das Internet ist eine Basis (engl. enabler) für eine Vielzahl unterschiedlicher Dienste und Produkte. Die Dienste existierten größtenteils bereits vorher, wurden aber mit andern Mitteln realisiert. Hierzu gehören:

  • Post- und Fernschreibdienst (Telegrafie): Sowohl für geschäftlichen und privaten Gebrauch weltweit kostenlos.
  • Fernsprechdienst (Telefon): Alle Zweiergespräche und Konferenzen nutzen zunehmend das Internet zur Übertragung. Teilweise kostenlos.
  • Archiv und Bibliothek: Ablage mit weltweitem Zugriff für Daten und Dokumente für geschäftliche, wissenschaftliche und private Nutzung.
  • Auskunftei und Nachschlage-Lexikon: Das Internet ist ein enormes Sammelbecken für Information und Wissen. Dank dem hohen Stand der Suchmaschinentechnik ist es für jedermann leicht zu erschließen.
  • Nachrichtenvermittlung: Privatleute, kommerzielle und staatliche Organisationen stellen laufend aktuelle Information bereit, die man gezielt beobachten kann. Die Agenturen gehen entweder direkt ins Netz oder verkaufen weiter an Medien (Zeitungen und Rundfunk) zwecks Weiterverwendung.
  • Ausdrucksmedium für Kreative: Die Schöpfer von Belletristik, Sachbüchern, Kinderbüchern, Poesie, Spielen, Grafik, Gemälden und Musik gehen zunehmend ins Internet.
  • Medium für Essayisten: Parallel zu den bestehenden Medien gehen viele Einzelpersonen direkt an die Öffentlichkeit (als Blogger).
  • Bücher-, Gemälde-, Musik- und Videoladen: Zunächst wurden gedruckte Bücher und andere Datenträger online verkauft. Inzwischen erscheinen fast alle Bücher auch oder nur als E-Books, sowie alle andern Medien direkt im Netz.
  • Versandhandel: Neben Büchern werden auch alle physikalischen Produkte (Kleider, Lebensmittel, technische Geräte) online verkauft und per Postkurier ausgeliefert.
  • Reisebüro: Planung, Beratung und Buchung von Reisen (Flug, Bahn, Mietwagen, Hotel) erfolgt nur noch direkt (d.h. elektronisch) durch den Kunden.
  • Sammlung von Kartenmaterial (Atlas): Für die Nutzung ohne und mit GPS-Navigationsgeräten.
  • Fernsehen, Kino, Konzerthaus: Alle Aufführungen und Produkte können von zuhause aus und zeitversetzt genutzt werden.
  • Buchhaltung, Lagerbuch: Repositorium für Geschäftsunterlagen aller Art.
  • Allgemeine und spezielle Märkte: Anbieter und Käufer für Gebrauchtwaren und Alltagsbedarf, aber auch für Kunst und Wertgegenstände werden weltweit zusammen geführt. Orts- und Zeitgleichheit sind nicht mehr erforderlich.
  • Finanzplatz: Finanzgeschäfte aller Art (Wertpapiere, Versicherungen) lassen sich ortsunabhängig und schnell erledigen. Große Differenzierung.
  • Aus- und Weiterbildung: Nach vielen Versuchen E-Learning innerhalb einzelner Schulen und Ausbildungsgänge einzusetzen, scheinen MOOCs einen Massenmarkt zu adressieren.
  • Jugendtreff und Heiratsmarkt: Durch Selbstdarstellungen werden Kontakte geknüpft und gepflegt.
  • Medizinische und psychologische Beratung: Viele Patienten suchen zuerst im Netz nach Heilmethoden oder Medikamenten, ehe sie einen Arzt oder Psychologen aufsuchen.
  • Treffpunkt für Gruppierungen aller Art: Weltweit können Hobbyisten und Esoteriker, fachliche, politische, religiöse und soziale Interessensgemeinschaften sich darstellen und leicht kommunizieren.
  • Spielplatz: Wettbüros und Spielkasinos sind nicht mehr ortsgebunden. Alle Karten- und Brettspiele sowohl für Einzelpersonen wie für Gruppen sind überall und jederzeit verfügbar.
  • usw., usw.

Es gibt auch eine Gruppe neuer, meist amerikanische Geschäftsideen und Anwendungen, die speziell für das Medium Internet entwickelt wurden. Sie richten sich oft an große Massen von simultanen Nutzern, vor allem Jugendliche. So wie früher beim Fernschach gegen unbekannte Partner können sich jetzt viele Personen zeitgleich im Wettbewerb oder gemeinsam an geistig anspruchsvollen Aufgaben betätigen. Diese Anwendungen sind ökonomisch gesehen noch lange nicht so wichtig wie die oben gelisteten. Deshalb will ich hier nicht näher auf sie eingehen. Vielleicht tue ich es später einmal.

Ist das Internet noch zu retten?

Zu dieser Frage äußerten sich am 8.8.2013 in einem Beitrag für Zeit-Online zehn so genannte Pioniere und Theoretiker des Internet. Darunter sind Jaron Lanier, Jeff Jarvis, Jevgeny Morozov, Viktor Mayer-Schönberger, Anke Domscheit-Berg und Markus Beckedahl. Sieht man diese Namen, ist das Attribut ‚Pioniere und Theoretiker‘ vielleicht übertrieben. Es sind zumindest bekannte Autoren. Bezüglich der Zukunft des Internet gehen die Meinungen sehr auseinander. Das liegt einerseits daran, dass das Internet bisher alles andere als eine kontinuierliche Entwicklung durchlief. Nicht-lineare oder chaotische Entwicklungen zu extrapolieren, ist immer riskant. Andererseits gibt sich kaum jemand der Befragten die Mühe, von der eigenen Wunschvorstellung zu abstrahieren. Da das, was dabei herauskam, nicht uninteressant ist, seien einige Beispiele kurz zitiert.

Lanier ist Informatiker und Musiker. Ihn stört es, dass im Internet der Wert geistigen Eigentums ignoriert und damit jedwede künstlerische Leistung entwertet wird.

Bürger, die sich daran gewöhnt haben, ihre Privatsphäre gegen die irreführende Illusion der Kostenlosigkeit einzutauschen, sollten sich nicht wundern. Die Lösung des Problems: Monetarisiert die Informationen von Otto Normalverbraucher.

Jarvis ist Journalist und Autor mehrerer Bücher über die durch das Internet bewirkten strukturellen Änderungen in Wirtschaft und Gesellschaft.

Im Dienst dieser Bedürfnisse und Chancen entstehen große neue Institutionen: Google, um uns mit den Informationen, Facebook, um uns untereinander, Twitter, um uns mit jedermann zu verbinden. Sie und wir handeln in einem voranschreitenden Prozess die Normen und die Ethik der Privatsphäre, Transparenz und Kontrolle aus. Nun aber tritt der Staat in Erscheinung. Er mag sich als Beschützer der Privatsphäre gerieren, in Wirklichkeit aber ist er ihre größte Bedrohung, denn er kann Informationen sammeln und gegen uns verwenden wie niemand sonst.

Morozov war als Blogger in Weißrussland tätig und lebt heute in den USA.

Warum dominieren im Internet Konsum und Überwachung? Weil das, was wir "das Internet" nennen, nur eine kleine  ̶  wenngleich wachsende  ̶  Teilmenge aller anderen modernen Interaktionen ist, die sich durch eine Eigenschaft auszeichnen. Sie alle werden nämlich durch dasselbe technische Protokoll ermöglicht: TCP/IP.

Mayer-Schönberger ist Professor am Internet Institute der Oxford University. Er veröffentlichte in diesem Jahr ein Buch mit dem Titel "Big Data".

Das Internet ist die alle Bereiche unserer Lebenswelt durchdringende Infrastruktur dieser Informationsflüsse. Der Kampf um die Vorherrschaft über die Steuerung der Informationsflüsse und um die sich daraus ergebende Deutungshoheit ist in vollem Gange.

Domscheit-Berg ist Spitzenkandidatin der brandenburgischen Piratenpartei für die Bundestagswahl.

Wir können uns mehrheitlich weiter blind und taub stellen und uns dann in einer Welt wiederfinden, in der wir versuchen, unseren Kindern zu erklären, was ein freies Internet einmal bedeutete und wie mit seinem Ende auch viele andere Freiheiten für immer verschwanden. Wir können uns aber auch machtvoll erheben und das Internet  ̶  so wie wir es kannten  ̶  mit Zähnen und Klauen zurückerobern. Wir können Alternativen entwickeln und nutzen, die vielfältig sind und nicht von Monopolisten betrieben werden.

Zu Beckedahl heißt es, er sei einer der bekanntesten deutschen Blogger. Er betreibt das Blog netzpolitik.org und hat den Verein Digitale Gesellschaft gegründet.

Technisch können wir aus den Enthüllungen lernen, dass der Schutz unserer Privatsphäre bei der Entwicklung von neuen Technologien sofort von Anfang an mitgedacht werden muss. Dezentrale Infrastrukturen bieten weniger Möglichkeiten zum Abgreifen der Daten als eine Zentralisierung bei einem großen Anbieter. … Es geht um nichts Geringeres als unsere digitale Zukunft mit den Grundwerten und Grundrechten, die wir kennen und lieben gelernt haben. Und die für eine freie und demokratische Gesellschaft essenziell sind.

Was wird das Internet in Zukunft sein?

Welche der bereits stattgefundenen Änderungen des Internets die gravierendsten sind, wird unterschiedlich beurteilt. Für manche ist es die Vielzahl der Anwendungen und Inhalte, für andere ist es die Rolle, die Großunternehmen wie Amazon, Apple, Google, Facebook und Wikipedia inzwischen übernommen haben. Durch sie sehen manche die so genannte Neutralität des Netzes gefährdet. In den letzten Wochen erscheint vielen Menschen, dass die größte Änderung sich aus der Rolle des Staates ergibt. Anbieter und Nutzer haben nicht länger das Gefühl, sich selbst überlassen zu sein. Um die Gefahren durch internationalen Terror oder organisierte Kriminalität in den Griff zu bekommen, scheinen westliche Staaten ihre Zurückhaltung aufgegeben oder verloren zu haben. Möglicherweise gelingt es, den Staat wieder etwas aus dem Internet heraus zu drängen. Das geschieht aber eher durch kommerzielle Initiativen und Erfolge als durch Graswurzel-Aktivitäten.

Es gibt eine Vielzahl von Forschungsprojekten auf der ganzen Welt, die dem Thema Future Internet gewidmet sind. Das amerikanische GENI-Projekt zählt hierbei zu den bekanntesten. In Deutschland wurde Ende 2008 das German Lab als nationale Experimentierplattform gegründet. Einige Kollegen fordern, das (alte) Internet total abzulösen durch eine völlige Neukonzeption (engl. clean slate). Angesichts der bisherigen Investitionen in Daten und Dienste (siehe oben) sind dafür enge Grenzen gesetzt. Alle Änderungen müssen abwärts kompatibel sein. Natürlich wird sich nicht nur das Volumen an Daten weiter erhöhen. Es werden weitere Anwendungen und Datentypen hinzukommen. Es kann sein, dass einzelne Bereiche sich noch weiter voneinander abschotten. Gründe dafür sind Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit. Wieweit sich Verschlüsselung in dieser Hinsicht gegenüber Techniken wie Virtuelle Private Netze (VPN) durchsetzt, ist offen. Ein aktuell zu lösendes Problem ist die Umstellung des Internet-Protokolls von Version 4 auf Version 6. Hierbei geht es unter anderem um eine Vergrößerung des Adressraums von 4,3 ·109 Adressen auf 3,4·1038  Adressen. Wie vor zwei Jahren im Interview mit Christoph Meinel diskutiert, müssen allein dafür 10-20 Jahre angesetzt werden.

Es ist heute bereits absehbar, dass viele technische Geräte miteinander ohne menschliche Intervention kommunizieren werden (Internet der Dinge). Das gilt nicht nur für die industrielle oder ökologische Planung und Steuerung, sondern auch für Sportgeräte oder medizinisches Monitoring. Die technischen Grundlagen dafür (z.B. RFID, Mikrosensornetze) sind schon lange vorhanden. Es fehlt nur an guten Anwendungsideen (auch Killer Apps genannt) und effizienten Implementierungen.

Oft existieren die alte, offline und die neue, online Realisierung eines der oben genannten Dienste noch nebeneinander. Dieser Zustand kann noch Jahrzehnte lang oder sogar unbeschränkt anhalten. Dass die alte Version teurer, langsamer und weniger zuverlässig ist, ist nicht immer ausreichend, um alle Nutzer zum Umsteigen zu bewegen. Ein analoges Beispiel sind Autos und Pferdefuhrwerke. In vielen von Touristen besonders geschätzten Orten werden Autos zurzeit von Pferdekutschen und Reitern verdrängt. Über eines können wir sicher sein. Es wird auch in Zukunft viele neue Produkte und Dienste geben, an die wir heute noch gar nicht denken.

Zusammenfassung

Das Internet ist die nützlichste Errungenschaft der praktischen Informatik für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. Während die Einführung von Computern nur bestimmte Berufe betraf, ist die Wirkung des Internet mit der Elektrifizierung vergleichbar. Die Vorteile für alle Geschäftsbereiche und alle gesellschaftlichen Gruppen liegen auf der Hand. Daher werden viele Berufe sich ändern, manche wegfallen und neue entstehen. Zu hoffen, dass die durch das Internet verursachte Entwicklung aufzuhalten oder gar rückgängig zu machen ist, ist eine Illusion. Da immer noch viele (ältere) Leute dieser Illusion anhängen, muss man sie aufklären. Bei Jugendlichen besteht kein Umschulungsbedarf. Sie wachsen mit dem Internet zusammen auf. Im Englischen spricht man von ‚digital natives‘. Die deutsche Übersetzung ‚digitale Eingeborne‘ geht uns nur schwer von den Lippen. Da es keinen Fortschritt ohne Kosten gibt, keine Gewinner ohne Verlierer, darf man die Kehrseiten des Internet nicht aus dem Auge verlieren. Aus ihnen entstehen Gefahren und Ängste. Sie müssen ernst genommen werden.

Besonders resistent gegen zwingend notwendige Belehrungen sind neben anderen Zeitgenossen gewisse Alt-Hippies, die glauben, dass man das Internet auf seine akademischen Anfangsjahre zurückdrehen kann. Sie verwechseln gerne Utopie und Realität. Sie zu bekehren lohnt sich nicht.

Freitag, 9. August 2013

Überwachung in Gesellschaft, Technik und Wirtschaft

Das Thema Überwachung ist in diesem Sommer in aller Munde. Schuld daran ist ein gewisser Edward Snowden, ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA, der sein Unbehagen an die Öffentlichkeit trug. Bereits zwei Beiträge dieses Blogs, jeder mit vielen Nachträgen und Kommentaren versehen, waren dem Fall Snowden gewidmet. Heute schreibe ich einige Gedanken auf, die mir durch den Kopf gehen, wenn generell von Überwachen die Rede ist. Der Begriff hat, je nach Anwendungsgebiet, völlig verschiedene Konnotationen.

In der Gesellschaft

In der Politik, wie der gesellschaftlichen Diskussion allgemein, ist das Wort Überwachung sehr stark negativ belegt. Jeder denkt dabei an das politisch sehr beladene Schlagwort vom Überwachungsstaat. Seine Inkarnation hieß lange Zeit DDR mit der Stasi. Es war daher kein Wunder, dass man in Berlin nach dem Bekanntwerden der Enthüllungen des Edward Snowden an die DDR erinnert wurde. Wer dies nicht gleich tat, dem half ein ‚Künstler‘ nach, indem er die amerikanische Botschaft mit der Lichtschrift United Stasi of America anstrahlte.

Unter der Tätigkeit des Ausspähens versteht man (in unserem Zusammenhang) nur unerlaubtes Lesen von Materialien, die dem Netz anvertraut wurden. Nach der Meinung einiger Aktivisten oder neugegründeter Parteien bräuchte es überhaupt kein Ausspähen zu geben. In ihren Pamphleten und Parteiprogrammen wird Transparenz und absolute Informationsfreiheit gefordert. Mehr gemäßigte Autoren beschränken dies auf alles, was der Steuerzahler eh schon bezahlt hat, etwa die Forschungsergebnisse öffentlich geförderter Projekte oder die diplomatische Post der Regierungen. Ausspähen ist rein passiv und schonend. Ihr Ziel ist nicht das Zerstören oder Verändern von Daten.

Nur sehr zögerlich wird von Politikern und Soziologen eingeräumt oder zur Kenntnis genommen, dass Überwachung sowohl eine positive wie eine negative Bedeutung haben kann. Gutes Überwachen kann zur Verhütung und Aufklärung von Verbrechen oder zur Vermeidung von Schäden führen. Überwachung ist immer dann schlecht, wenn sie zur Unterdrückung (Repression) von Volksgruppen oder zur Vorbereitung von Verbrechen dient. Überwachen gilt im Bewusstsein vieler als ein Verbrechen, obwohl es weder Opfer noch Schaden gibt. Es gibt nur Kosten. Ob diese sich rentieren, stellt sich erst später heraus. Das gilt sowohl für den positiven wie den negativen Fall von Überwachung.

Ein Einbrecher, der ohne Widerstand in eine Privatwohnung einsteigen will, wird einige Tage oder Stunden lang die Lebensgewohnheiten der Bewohner überwachen. Polizeistreifen oder eine Video-Überwachung des Stadtteils können Einbrüchen vorbeugend entgegenwirken. Dem internationalen Terror ist anders als durch Überwachung des Telefon- und Internetverkehrs kaum beizukommen. Da der eigene Tod bei einem Anschlag in Kauf genommen wird, ist die Androhung von Strafen kein Mittel zur Abschreckung. Nur die Aufdeckung der Vorbereitungen von geplanten Anschlägen hilft. Dafür werden große Anstrengungen unternommen. Der dieser Tage erhobene Vorwurf, die damit zusammenhängende Überwachung einer großen Anzahl offensichtlich Unbeteiligter stelle eine ‚fortlaufende Menschenrechtsverletzung‘ dar, zeigt nur, wie schwierig es ist, effektive Methoden der Eingrenzung zu finden. Im Zweifelsfalle observiert man lieber jemanden zu viel als jemanden zu wenig. Dieser Fehler hat die weniger dramatischen Folgen.

Ganz allgemein gilt Überwachung (neben den handgreiflicheren Formen des Freiheitsentzugs) als das Gegenteil von Freiheit und Selbstbestimmung. Sowohl unmündige Kinder wie straffällig gewordene Erwachsene können in ihrer Freiheit eingeschränkt sein. Die oft mit dem Alter verbundene Demenz und Senilität können einen ähnlichen Effekt haben. Die Medien und damit der Öffentlichkeit stehen grundsätzlich auf der Seite der Freiheit. Ihr Engagement für die Freiheit steht manchmal in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Größe der Gefahr. Die tatsächlichen Verteidiger der Freiheit fühlen sich oft in die Defensive gedrängt – um es gelinde auszudrücken.

In Medizin und Technik

In Medizin und Technik hat Überwachen einen vorwiegend positiven Beigeschmack. Oft wird auch das Synonym ‚Monitoring‘ verwendet. Es ist eine Tätigkeit, die Maschinen meist besser erledigen können als Menschen. Sie sind dem Menschen überlegen in puncto Ausdauer und Genauigkeit. Überwachungen können sich auf Menschen, Prozesse oder Lokalitäten beziehen. Sie sind die Voraussetzung für jede Form der Steuerung oder der Automatisierung. Eine Maschine, die einen schwer kranken Patienten überwacht, hat keine Konzentrationsstörungen. Sie läuft 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Das medizinische Monitoring ist dank des Fortschritts der Technik nicht mehr auf stationäre Maßnahmen beschränkt. In einer normalen Alltagsumgebung können Biosignale wie Herzfrequenz oder Blutdruck erfasst werden und zwecks Steuerung von Therapiemaßnahmen an einen Arzt übertragen werden.

Die Überwachung chemischer Fabriken oder die genaue Steuerung von Verbrennungsmotoren können den schonenden Verbrauch von Ressourcen bewirken und die Belastung der Umgebung oder der Umwelt einschränken. Der technische Fortschritt besteht größtenteils darin, die Überwachung der irdischen Atmosphäre und der Sonne zu verbessern, die Bewegungen der fließenden und stehenden Gewässer (Flüsse, Gezeiten) und der Festlandblöcke zu verfolgen und die Eingriffe des Menschen (Ressourcenverbrauch, Umweltbelastung) in das Geschehen zu minimieren. Viele kleine Verbesserungen der Überwachung müssen zusammen kommen, um die wesentlichen Gefahrenquellen (Stürme, Fluten, Erdbeben) zu verringern. Eine vollständige Kontrolle der Natur durch den Menschen ist jedoch eine Illusion.

In der Wirtschaft

Wenn es um Kunden, Unternehmen und Märkte geht, kommen die positive und negative Bedeutung fast gleichermaßen zum Tragen. Man möchte wiederkehrende Kunden überwachen, um deren Wünschen, auch den nicht ausgesprochenen, optimal gerecht zu werden. Statt Hauswände und Litfaßsäulen mit Plakaten zu bekleben, oder Filme und Sportübertragungen zu unterbrechen, möchte man Werbung direkt zu dem potentiellen Kunden bringen. Wie wir alle wissen, ist dies heute sehr leicht möglich. Wir benutzen heute bereits viele Geräte, die genug Intelligenz – also Computerkapazität – besitzen, um zu wissen, wohin wir gerne reisen, was wir am liebsten lesen, uns anschauen und anhören. In Zukunft wird es genau so leicht sein festzustellen, was wir gerne anziehen, essen und trinken. Das ist alles Information, die ein wirtschaftlich Agierender gerne hätte. Er würde uns gerne genau passende Angebote machen, und zwar jedem einzelnen. Der ‚gläserne Kunde‘ ist das Ideal. Das statistische Wissen über Gruppen ist nur für die Produktplanung von Interesse.

Als Unternehmer möchte man möglichst wenig kontrolliert werden. Ihn stört es, was das Finanzamt alles wissen will, oder die Statistikämter oder die Umweltbehörde. Die gesetzlich vorgeschriebene Menge an Daten, die er abliefern muss, geht weit über das hinaus, was der Unternehmer selbst benötigt. Die dafür nötigen Aufwendungen machen sich in den Kosten bemerkbar.

Gemeinsamkeiten und Ausblick

Manche Überwachungen werden als streng empfunden, andere lassen sich locker ertragen. Für die Enge entscheidend ist die Frequenz. Eine jährlich oder monatlich durchgeführte Überwachung wird als leichter empfunden als eine tägliche oder gar stündliche Kontrolle. Dass es ganz ohne Überwachungen geht, ist nicht vorstellbar. Ein Minimum an Überwachung ist die Voraussetzung dafür, dass zielgerichtet ans Werk gegangen werden kann. Ein Laissez-faire ist meist nur lokal und kurzfristig zu ertragen.

Die Informatik ist diejenige Technik, die die Möglichkeiten der Überwachung laufend erweitert. Das betrifft sowohl die Überwachung von Menschen, von technischen Prozessen und der Natur, und zwar um von Menschen gesetzte Ziele zu erreichen. Die Ziele der Menschen sind bekanntlich alles andere als gleich. Es wird immer begrüßenswerte Ziele geben und solche, die es nicht sind. Im schlimmsten Falle sind es verachtenswerte, ja böse Ziele.

Eine typische Produktrichtung der Zukunft sind immer kleinere und differenziertere Sensoren. Euphemistisch wie Informatiker sind, nennt sich ein richtungsweisendes Projekt für Sensornetze ‚smart dust‘. Es baute schon 1997 Netze in Nanotechnologie, um atmosphärische Daten zu erfassen. Am konkretesten schienen damals die militärischen Anwendungen zu sein. Auch das Internet dient – wie in letzter Zeit überdeutlich geworden  ̶  als die Basis vieler Überwachungsprojekte. Als Zukunftsperspektive spricht man gerne vom Internet der Dinge. Beide Begriffe umspannen eine neue Dimension von Überwachung und Steuerung. Oder anders ausgedrückt, hier liegt Arbeit für die nächste Generation von Informatikern.