Manchmal hat der Begriff Internet eine fast mythische
Bedeutung. Ein Mythos ist im ursprünglichen
Wortsinne eine Erzählung, mit der Menschen und Kulturen ihr (vorwiegend primitives)
Welt- und Selbstverständnis zum Ausdruck bringen. Im religiösen Mythos wird
durch den Mythos das Dasein der Menschen mit der Welt der Götter verknüpft.
Mythen erheben einen Anspruch auf nicht zu hinterfragende Wahrheiten für die
von ihnen beschriebenen Sachverhalte. Der Mythos steht im Gegensatz zu
verstandesgemäßen Beweisen, die die Wahrheit von Behauptungen zu begründen
versuchen. Mit dem Wort Epochalismus
beschreibt man eine Geisteshaltung, die dazu tendiert, bei jeder kleinen technischen
Veränderung den Anfang eines neuen Zeitabschnitts zu erkennen.
Jemand, der den teilweise mythischen Charakter des Internets
immer wieder betont und den damit verwandten Epochalismus anprangert, ist Evgeny Morozov (Jahrgang
1984). Morozov ist ein in Weißrussland geborener, in englischer Sprache
veröffentlichender Publizist. Mit einem Stipendium von George Soros zog er zunächst
nach Bulgarien und danach nach Berlin und New York. Sein jüngstes Buch heißt Smarte neue Welt. Es erschien 2013
in Deutsch (656 Seiten). Lesern der FAZ ist Morozov als Essayist bestens bekannt.
Buch voller Ismen
Selten habe ich ein Buch gelesen, dass so mit Ismen gespickt
war. Einige schien der Autor sogar neu geschaffen zu haben. Vermutlich gehört
das am häufigsten benutzte Wort dazu. Gemeint ist der Solutionismus. Das ist der Glaube, dass es für alle Probleme der
Welt gutartige Lösungen gibt, vornehmlich technischer Art (engl.: the belief
that all difficulties have benign solutions, often of a technocratic nature).
Im vorliegenden Buch heißt es: Alles, wofür wir Werkzeuge haben, wird repariert.
Jetzt ist das menschliche Gedächtnis gerade dran. Es wird dabei nicht gefragt,
ob ein unendliches Gedächtnis, das nichts vergisst, überhaupt wünschenswert
ist. Wenn es eine App gibt, fragen wir nicht mehr, ob sie überhaupt nötig war.
Wir benutzen sie einfach. Wir lösen einfach Probleme, ohne sie vorher näher zu
analysieren.
Die Schuld für diese Situation sieht er bei den
Protagonisten modernster Technik, die man vielfach mit dem Begriff Internet gleichsetzt.
Er belegt diese Meinung mit Zitaten von Larry Page, Sergey Brin, Eric Schmidt,
Steve Jobs, Mark Zuckerberg, Cheryl Sandberg, Jeff Jarvis, Lawrence Lessig,
Kevin Kelly und andern. Der Autor gesteht, dass er sich manchmal vorkommt wie
ein griesgrämiger Wanderprediger, der aus weißrussischen Wäldern kommend, unserer Gesellschaft
und ihren Spitzen einen Spiegel vorhält.
Technik als Schicksal und Allheilmittel
Wände, Türen, Telefone, alles ist smart geworden. Wir
fördern Effizienz, Transparenz und Perfektion, ohne nach den Nebenkosten zu
fragen. Wir zahlen mit dem Verlust der Freiheit. Ineffizienz, Mehrdeutigkeit
und Undurchsichtigkeit können Vorteile haben. Es seien verkleidete Tugenden.
Es ist heute sinnvoll, früher als wild geltende Ideen ernst zu
nehmen, e.g. alle Bücher der Welt einzuscannen. Die Frage ist nur, was es
bringt. Wir definieren Bildung als das, was MOOCs gerade lösen. Wir verwenden
‚augmented reality‘ selbst beim Kochen, auch wenn es den Spaß am Kochen nicht
erhöht. Morozov bezeichnet es als digitalen
Defätismus, wenn man Technik und ihre Folgen als Schicksal auffasst, das
unwiderstehlich über uns hereinbricht. Man sollte Technik genau so diskutieren,
wie man über Politik, Wirtschaft, Geschichte und Kultur diskutiert. Man muss
über den sinnvollen Beitrag von Technik nachdenken.
Es sei falsch zu glauben, dass Technik alle Probleme der
Welt löse. Der Konflikt um Berg-Karabach zum Beispiel gehöre nicht dazu. Auch
sei es falsch zu glauben, dass Tablets alle Bildungsprobleme in Afrika lösten.
Die Technik-Rationalisten machten alles so einfach, dass Techniker die Politik
und die Gesellschaft übernehmen könnten. Ein aktuelles Beispiel sei China, wo nur
Technokraten das Land regierten. Viele Techniker glaubten, sie hätten die Wahrheit
gepachtet. So seien Larry Page und Sergey Brin, die beiden Google-Gründer, felsenfest
davon überzeugt, dass viel Wissen gut sei. Deshalb wollen sie alle Bücher der
Welt digitalisieren und kostenlos verteilen. Je mehr Information desto besser,
das sei der Imperativ der Aufklärung. Google sähe sich im Dienst der Aufklärung.
Niemand frage, ob mehr Information immer besser ist oder ob zu viel schlecht
sein kann. Das Tolle ist, man auch kann Geld verdienen, indem man verspricht
die Welt zu verbessern.
Morozov möchte nicht dahingehend missverstanden werden, dass
er gesellschaftliche Lösungen (politische, juristische, soziale) immer für besser
hält als technische. Sie sollten jedoch als Alternativen immer in Erwägung
gezogen werden. Außerdem gibt es große Unterschiede zwischen den technischen
Lösungen. Wir müssen unterscheiden lernen und das Unterscheiden und Abwägen ernsthaft
betreiben.
Internet-Zentrismus
Es sei falsch immer von ‚dem Internet‘ zu reden. Es habe
keine inhärenten Eigenschaften, über die geklagt werden müsse. Es sind ganz
verschiedene Anbieter, die verschiedene Geschäftsmodelle verwenden. Apple ist
anders als Google; Google anders als Facebook. Marshall McLuhan machte einen
ähnlichen Fehler, als er über ‚die Medien‘ sprach. Das Schlagwort von der Offenheit
des Internet verhindere eine sinnvolle Diskussion. Wenn Google die Suche
manipuliere, sei das kein generelles Problem des Internets. Google lässt sich
genauso gut wegdenken wie die Enzycopedia Britannica oder Minitel (es wurde im
Juni 2012 endgültig abgeschaltet).
Wenn das Urheberrecht geändert werden müsse, weil es mit der
Idee des Internets unvereinbar wäre, sei das reiner Internet-Zentrismus. Auch
der Vorschlag von Lawrence Lessig, alle Zeitungen in Non-Profit-Unternehmen
umzuwandeln, diene nur dazu, das Internet zu retten, so wie es heute ist. Es
handelt sich auch um Internet-Zentrismus, wenn wir annehmen, dass die Welt
Rücksicht darauf nehmen muss, was dem Internet nutzt. Der Begriff Internet-Freiheit
sei inhaltsleer. Das Internet ist nicht heilig, und darf mit Instrumenten der
Demokratie erfasst und kontrolliert werden.
Das Internet besitze keine tiefe Logik, aus der folgt,
dass Offenheit und Transparenz immer richtig sind. Werden Offenheit und
Transparenz, vom Internet ausgehend, für Politik und Gesellschaft gefordert, ignoriere man, dass dadurch andere Werte gefährdet werden. Wieso
Offenheit für Kreativität sorge, sei ein Rätsel. Totale Offenheit kann zur
Tyrannei werden. Auch Transparenz habe keinen intrinsischen Wert. Transparenz
kann große Nachteile haben, indem es Vertrauen untergräbt. Oft ist Geheimhaltung
die bessere Strategie. Natürlich wissen und befolgen dies auch die Akteure
des Internet (Google, Facebook), die von ihren Kunden das Gegenteil fordern.
Dass die Partei der Piraten das Internet als eine Quelle von
Weisheit und politischer Orientierung betrachtet, sei (gelinde gesagt)
überraschend. Obwohl wir nicht wissen wie Wikipedia funktioniert, ist es gewagt,
daraus Geschäftsmodelle für andere Unternehmen abzuleiten. Wikipedia funktioniere
nur in der Praxis, nicht in der Theorie.
Epochalismus des Internet
Eine weitverbreitete technologische Amnesie und
Gleichgültigkeit gegenüber Geschichte bestimmten viele Diskussionen in
Informatik und Informationstechnik. Wer die Einmaligkeit des Internet betone,
vergesse oft, dass es schon lange vorher Post, Fernschreiber, Telefon, Radio
und Fernsehen gab. Es sei nicht alles revolutionär, was sich als revolutionär
erklärt. Es stehe außer Frage, dass Technik gern von Revolutionären benutzt wird.
Deshalb zu sagen, die protestantische Reformation sei Johannes Gutenberg zu
verdanken und nicht Martin Luther, oder die Bürgerrechte verdankten wir dem
Fernsehen anstatt Martin Luther King, sei schlicht falsch. Die arabische
Revolution in Ägypten, an der das Internet maßgeblichen Anteil hatte, landete schließlich
zwischen Armee und Muslimbrüdern. Es fehlten stabile Strukturen. Die dezentrale
führerlose Struktur des Internet sei als Modell für Staaten ungeeignet.
Wer sagt, das Wissen der Welt sei heute vorwiegend im Internet
zuhause, hätte früher sagen müssen, es sei im Postamt oder am Flugplatz zu
finden. Wenn gefordert wird, dass das Internet nicht geändert werden darf, dann
sei dies Ausdruck eines schädlichen Mythos. Wir müssten uns damit abfinden,
dass das Internet von sich aus nichts erklärt, weder die Welt, noch die
Gesellschaft oder das Leben. Es sagt weder etwas darüber aus, wie sie
funktionieren, noch wie sie funktionieren sollten. Das Internet sei nicht eine Ursache,
sondern eine Folge unserer Welt.
Basisdemokratisches Getöse und Verbrechensverhinderung
Morozov zieht manchmal Vergleiche zwischen seiner Zeit in
Berlin und New York. Zu den Berliner
Erfahrungen gehört seine Beschäftigung mit der Bewegung, die sich im Wahlerfolg
der Piratenpartei niederschlug. Das Reden über ‚Liquid Democracy‘ habe sich als
reines Getöse entlarvt, als sich in der Diskussion um Straffreiheit von
Beschneidungen ganze 20 Stimmen meldeten. Dass diese Partei sich seither im
Sinkflug befindet, führt er darauf zurück, dass niemand bereit war, politische Verantwortung
zu übernehmen. Auch sagt die ‚Weisheit des Internets‘ nichts zu Fragen wie Euro-Schuldenkrise
und Klimawandel, die die Politiker nicht ganz ignorieren dürfen.
Auch in den USA gäbe es Stimmen, die ‚direkte Demokratie‘,
also die Abschaffung der Parteien, forderten. Sie hätten es allerdings sehr
schwer gehört zu werden, angesichts der Verehrung, die die Gründerväter ihrer Demokratieform
genössen. Unvollkommenheit kann besser sein als Perfektionismus. Die Politik
lebt vom Kompromiss. Anders ist es bei einem Kunden, der bezahlt. Er kann immer die beste Qualität
fordern, also eine extreme Lösung.
Der Unterschied zwischen Berlin und New York trete unter
anderem in Erscheinung beim Thema der Verbrechensverhütung. Der Fachbegriff
heißt Situative Kriminalitätsprävention (SKP). In New York ist der Zutritt zur
U-Bahn sogar für Polizisten schwer. In Berlin kann man durch die ganze Stadt
fahren, ohne einen Fahrschein zu besitzen. Es werden nur Stichproben gemacht.
Überall wird in New York das Zahlen mit Bargeld zurückgedrängt, z.B. an Tankstellen
und Brücken. Die SKP-Welt kenne kein moralisches Denken. Da wo der Gesetzesbruch
unmöglich ist, gäbe es keinen zivilen Ungehorsam mehr, daher auch keinen
gesellschaftlichen Wandel.
Menschenbild und Motivation
Sehr ausführlich befasst sich Morosov mit den durch das
Internet geförderten Selbstdarstellungen (Self-Tracking) und
Selbstenthüllungen. Er sieht neben dem von Firmen wie Google und Facebook
betriebenen Geschäftsmodellen auch eine Form von Narzismus am Werke. Vor allem sieht er den
sozialen Zwang. Wer sich nicht enthüllen wolle, gerate in den Verdacht etwas
verheimlichen zu müssen. Besonders viel machte der frühere DEC- und heutige
Microsoft-Mitarbeiter Gordon
Bell von sich reden, der über Jahrzehnte hinweg mittels einer am Körper
befestigten Kamera (SenseCam)
seinen Tagesablauf dokumentierte. Morosov bezeichnet diese extreme Art des
Erinnert-sein-wollens als Datenfetischismus.
Indem Facebook-Gründer Mark Zuckerberg damit wirbt, die
Völkerverständigung zu unterstützen, betreibe er in Wirklichkeit einen Pseudohumanismus.
Frühere Techniken wie Telefon und Fernsehen hatten teilweise dieselbe Hoffnung
gehabt. Je mehr Information die Menschen über einander hätten, umso weniger
Missverständnisse gäbe es. Es blieb bisher eine Illusion. Der Solutionismus bediene
sich eines einfachen statischen Menschenbilds. Ehrlicher sei es, davon
auszugehen, dass wir selbst uns noch ändern, und zwar aufgrund unserer
Erfahrungen. Dann haben die Prozesse, die dies bewirken, Bedeutung, nicht nur die
Ergebnisse der Prozesse.
Spielerische Ansätze (Gamifizierung) haben für viele Massengeschäfte
ein großes Potenzial. Es ist vielfach leichter mit Spaß Leute an sich zu binden
als mit Verantwortungsgefühl. Eine Kumulation des Effekts wird erreicht, wenn
versucht wird, Weltprobleme durch Spiele
lösen. Im Gegensatz zum wahren Leben haben Spiele den Vorteil, dass sie Belohnungen
vergeben. Morosov erinnert daran, dass es in der Sowjetzeiten üblich war, das
Erreichen gesellschaftlicher Ziele mit Spielen und Wettbewerben schmackhaft zu
machen. Teilweise basieren diese Ansätze auf der behavioristischen Psychologie
von B. F. Skinner
(1904-1990), der die extrinsische Motivation gegenüber der intrinsischen
Motivation überbetonte. Wo die monetären Anreize vorherrschen, verdrängen sie
leicht edlere Motive.
Verantwortung der Ingenieure
Zu meiner Überraschung leitet Morozov aus dem Gesagten auch
Forderungen ab an die Ingenieure und Informatiker, die moderne Systeme
entwickeln. Normalerweise gelten Ingenieure als kreative Zerstörer. Sie seien
die Revolutionäre par excellence. Die klassische Regel, dass das Perfekte der
Feind des Guten ist, sollte man ergänzen dahin, dass das Gute manchmal gut
genug ist.
Ingenieure könnten nicht konservativ genug sein. Sie dürfen die
Würde und die Autonomie des Menschen nicht als Gestaltungsmasse miteinbeziehen.
Sie sollten den Menschen als komplexe und irrationale Wesen akzeptieren. Dann
reiche es nicht, nur Antworten zu liefern, sondern man muss auch neue
Fragestellungen erleichtern. Mülltonnen und Parkuhren könnten wichtiger sein
für den für Alltag von Menschen als Twitter-Algorithmen. Die Technik sei nicht
der Feind des Menschen. Es seien eher die ‚romantischen und revolutionären
Problemlöser, die ihr innewohnen‘. Die Wahrheit sei nicht binär. Pluralismus sei
kein Fehler ̶
kein Bug, sondern ein Feature ̶ unserer Gesellschaft. Ingenieure dürfen alles
tun, was sie können, um menschliche Lebensbedingungen (die ‚conditio humana‘)
zu verbessern, aber nur das!
Am 21.3.2014 schrieb Hartmut Wedekind aus Darmstadt:
Ein sehr lesenswerter Beitrag. Man muss den Beitrag mehrfach
lesen. Dann kann man ihn auch kommentieren. Obwohl der Beitrag ja schon fast
selber ein Kommentar ist. Ein Kommentar
über einen Kommentar, ein Meta-Kommentar, das ist schwierig.
NB (Bertal Dresen): Als ich heute nach Morozov in der FAZ
suchte, fand ich die Rezension des besagten Buches von Jürgen Kaube in der Ausgabe
vom 9.12.2013. Der Titel der Rezension lautet: „Ist Ingenieur sein denn
glamourös?“ Dass der Autor kaum aus dem Umkreis von Ingenieuren stammt, zeigt folgendes Beispiel-Zitat:
„Während Unsummen in ‚Open Access‘ zu wissenschaftlichen Aufsätzen gesteckt
werden, liegt deren Durchschnittsleserzahl bei ungefähr 1 und es wissen
Romanisten im sechsten Semester nicht, wer Flaubert ist. ... Die größten
Gewinne der technologischen Versprechen fallen meist nicht dort an, wo die
Probleme liegen, sondern bei den Ausrüstern“. Die nicht zu überhörende Kritik lautet: Immer wieder bleibt Geld bei den Technikern hängen, aber bei den armen Geisteswissenschaflern kommt nichts an.
PS: Weder Flaubert noch 'Open Access' kommen bei Morozov vor. Hierbei handelt es sich offensichtlich um originäre Beiträge des FAZ-Rezensenten.
Am 23.3.2014 schrieb Hartmut Wedekind:
Es ist nicht das Nicht-Wissen, um das es geht. Es geht um das Methodische und das Versuchen mit eingeschlossenem Irrtum. Das sagt Spaemann sehr schön. Nichtwissen wegen Faulheit, Trägheit das ist, was bekämpft wird. Trägheit (inertia) ist eine der sieben Todsünden. "Das Wissen des gebildeten Menschen ist strukturiert. Was er weiß, hängt miteinander zusammen. Und wo es nicht zusammenhängt, da versucht er einen Zusammenhang herzustellen, oder wenigstens zu verstehen, warum dies schwer gelingt. Er lebt nicht so in verschiedenen Welten, daß er bewußtlos von der einen in die andere hinübergleitet. Er kann verschiedene Rollen spielen, aber es ist immer er, der sie spielt."
Am 10.5.2014 schickte Peter Hiemann aus Zarzis (Tunesien) einen Essay:
Er trägt den Titel: Neue Welten von Huxley bis Morozov. (Durch Anklicken aufrufen!). Er stellt Morozovs Buch in den Zusammenhang mehrerer bekannter Kulturkritiken, beginnend bei Aldous Huxlex und George Orwell.
PS: Weder Flaubert noch 'Open Access' kommen bei Morozov vor. Hierbei handelt es sich offensichtlich um originäre Beiträge des FAZ-Rezensenten.
Nachtrag
vom 23.3.2014:
Nescire aude! So ähnlich wird die Überschrift lauten. die
ich verwenden werde, um den von Hans-Ulrich
Gumbrecht angekündigten Beitrag von Evgeny Morozov zu kommentieren, der
demnächst in der FAZ erscheinen wird. Im obigen Blog-Eintrag habe ich diesen
Teil in Morozovs Buch vorsichtshalber unterschlagen. Ich habe nur erwähnt, dass
er Google (noch) im Dienste der Aufklärung sieht.
Wenn Morozov die Post-Internet-Welt beschreibt, meint er
eine Welt, welche die über 200 Jahre alte Aufklärung (endlich) hinter sich
gelassen hat. Er hat über 600-Seiten geschrieben, ohne Immanuel Kant ein
einziges Mal zu zitieren. Man kann heute nicht mehr versuchen, alles zu wissen,
so wie Kant dies glaubte. Sapere aude! So hieß es noch bei ihm.
Am 23.3.2014 schrieb Hartmut Wedekind:
Es ist nicht das Nicht-Wissen, um das es geht. Es geht um das Methodische und das Versuchen mit eingeschlossenem Irrtum. Das sagt Spaemann sehr schön. Nichtwissen wegen Faulheit, Trägheit das ist, was bekämpft wird. Trägheit (inertia) ist eine der sieben Todsünden. "Das Wissen des gebildeten Menschen ist strukturiert. Was er weiß, hängt miteinander zusammen. Und wo es nicht zusammenhängt, da versucht er einen Zusammenhang herzustellen, oder wenigstens zu verstehen, warum dies schwer gelingt. Er lebt nicht so in verschiedenen Welten, daß er bewußtlos von der einen in die andere hinübergleitet. Er kann verschiedene Rollen spielen, aber es ist immer er, der sie spielt."
Am 10.5.2014 schickte Peter Hiemann aus Zarzis (Tunesien) einen Essay:
Er trägt den Titel: Neue Welten von Huxley bis Morozov. (Durch Anklicken aufrufen!). Er stellt Morozovs Buch in den Zusammenhang mehrerer bekannter Kulturkritiken, beginnend bei Aldous Huxlex und George Orwell.
Am 22.3.2014 schrieb Otto Buchegger aus Tübingen:
AntwortenLöschenDanke, fühle mich erneut in meiner Ansicht bestätigt, dass man die FAZ besser nicht liest!
Auf meine Frage, welche Berufe heute von jungen Leuten als ‚glamourös‘ angesehen würden, schrieb meine 20-jährige Enkeltochter Kathrin:
AntwortenLöschen‚Glamourös‘ hat für mich unterschiedliche Bedeutungen. Denkt man an "bezaubernd" oder "von äußerlicher Schönheit", dann trifft er auf sowas wie Model, Moderator und Schauspieler zu. Wegen meines naturwissenschaftlichen Gymnasiums waren diese Berufe nicht so angesehen unter den Schülern. Da waren noch eher Medizin, Psychologie und Jura beliebt, was aber auch an deren hohem Numerus Clausus liegen könnte oder daran, dass sich meine Mitschüler darunter einen sehr aufregenden Job vorstellten. Ingenieur dagegen haben viele als langweilig abgetan, da sie es mit Schreibtischarbeit gleichsetzten. Architekt gilt auch bei vielen Gleichaltrigen als "glamouröser" Beruf, soweit ich das mitbekommen habe.
Bei mir jetzt an der Uni Stuttgart ist natürlich der Ingenieursberuf sehr angesehen, aber das liegt an meinem Studiengang (Energietechnik und Informationstechnik). Meine Mitstudenten schwärmen von Bosch, Daimler und IBM als Top-Firmen..
Das Buch von Evgeny Morozovs enthielt eine Reihe von originellen Ideen, für die ich sogar Sympathie empfand. Bei einigen Aussagen war ich schlicht überrascht. So bei dem Satz: „Die Psychologie gilt als wissenschaftlicher als die Philosophie, weil sie Experimente und Tests umfasst“ (Seite 585).
AntwortenLöschenMöglicherweise wurde im englischen Original, das ich nicht verglich, das Wort ‚scientific‘ benutzt. Das Wort ‚Science‘ hat ja im Englischen die Bedeutung von Naturwissenschaft, etwas was unter den Begriff von Philosophie, wie sie heute verstanden wird, nicht mehr darunterfällt.