Dr. Simone Rehm war
14 Jahre lang Leiterin IT + Prozesse (engl. Chief Information Officer, CIO) bei der Firma TRUMPF GmbH + Co. KG in Ditzingen in
der Nähe von Stuttgart. Die TRUMPF Gruppe ist einer der weltweit führenden
Werkzeugmaschinenhersteller und insb. im Bereich Lasertechnik und Elektronik
für industrielle Anwendungen engagiert. Seit 2012 war Frau Rehm auch vier Jahre
lang Vizepräsidentin der Gesellschaft für Informatik (GI).
Simone Rehm hat
Informatik an der Uni Stuttgart studiert und wechselte nach dem Diplom 1986 als
wissenschaftliche Mitarbeiterin an das Forschungszentrum Informatik (FZI) in
Karlsruhe in die Gruppe von Prof.Gerhard Goos. Nach der Promotion zum Dr. rer.
nat. ging Frau Rehm 1992 zunächst in den IT-Bereich der Pharmaindustrie, bevor
sie 1995 die IT-Leitung beim Südwestfunk (SWF), später Südwestrundfunk (SWR),
in Baden-Baden übernahm. Im Jahre 2001 erfolgte der Wechsel zur
IT-Leitungsaufgabe bei TRUMPF in Ditzingen mit weltweiter Zuständigkeit für IT
+ Prozesse im Unternehmen und direkt berichtend an die Geschäftsführung der
TRUMPF Gruppe.
Simone Rehm wird ab
Januar 2016 in die Leitungsebene der Universität Stuttgart wechseln und dort
als hauptamtliche Prorektorin für Informationstechnologie das neu geschaffene
CIO-Amt ausüben. In ihren folgenden Ausführungen spricht Frau Rehm als
ehemalige Mitarbeiterin nicht mehr „für TRUMPF“, aber die Fragen des
Interviewers (KK) beziehen sich naturgemäß teils noch auf jenen langen und
inhaltlich interessanten Zeitraum ihres beruflichen Werdegangs.
Klaus
Küspert (KK):
Liebe Frau Rehm, machen wir den Gesprächsauftakt über die frühen Stationen
Ihres Werdegangs. Sie haben in Stuttgart Informatik studiert und das Diplom
erworben. Was waren Ihre Studienschwerpunkte und welche Aspekte aus dem Studium
waren vielleicht jene, die später im Berufsleben bis hin zur CIO-Rolle am
„nachhaltigsten“ weiter gewirkt und Nutzen gestiftet haben?
Simone
Rehm (SR): Ich
habe damals Theorie der Informatik als Schwerpunkt gewählt und mich im
Nebenfach für Mathematik entschieden. Das hört sich nicht gerade nach der
idealen Vorbereitung auf meine spätere Rolle als CIO in verschiedenen Anwenderunternehmen
an. Tatsächlich war es aber doch die Theorielastigkeit meines Studiums, die
mich in vielerlei Hinsicht geprägt hat: den Dingen auf den Grund zu gehen,
logische Schlüsse zu ziehen und analytisch zu denken, das habe ich im Studium
gelernt und im Berufsleben an vielen Stellen mit Erfolg anwenden können. Gerade
in der CIO-Rolle hat man es oft mit Anwendern zu tun, die nach einer Softwarelösung
rufen, bevor sie das Problem genau erkannt und sorgfältig analysiert haben. So
entstehen oft Schnellschüsse, die am eigentlichen Problem möglicherweise sogar
vorbei gehen. Nicht selten lässt sich nicht allein mit Software, sondern
ergänzend mit einer veränderten Prozessgestaltung oder einer organisatorischen
Neuregelung ein Fortschritt erzielen. Hier hilft ein klar strukturiertes
Vorgehen im Projekt und absolute Sachorientierung, beides Aspekte, die ich mir
in einem theorielastigen Studium „antrainiert“ habe.
KK: In Ihrer Promotionsphase in Karlsruhe
haben Sie eng mit dem leider viel zu früh verstorbenen Klaus Dittrich, später
Professor an der Uni Zürich, zusammengearbeitet. Damals ging viel Forschungs-
und Entwicklungsarbeit am FZI und anderenorts in den Bereich der
objektorientierten Datenbanken und auch der Datenbanken für ingenieurwissenschaftliche
Anwendungen, es waren deren „Goldene Forschungsjahre“. Gehen Sie bitte ein
wenig auf Ihre Karlsruher Jahre, gerne fachlich und nicht fachlich, ein.
SR: Die Jahre im FZI waren lebhaft,
voller Inspiration, aber auch kräftezehrend, nicht zuletzt aufgrund der
Promotionsabsichten. Klaus Dittrich war ein großartiger Mensch und ein guter
Mentor, der uns motiviert und mit seinem Machertum beflügelt hat. Ihm habe ich
zu verdanken, dass wir es wagten, mit unseren Konzepten zu den so genannten
strukturell objektorientierten Datenbanksystemen auch die internationale Bühne
zu betreten. Unsere erste Vortragsreise nach Amerika werde ich nie vergessen.
Wir konnten damals auf einer Tagung in Chicago unser selbst entwickeltes
Datenbanksystem DAMOKLES, das für eine Softwareproduktionsumgebung konzipiert
war, sogar live präsentieren. Ebenso gern erinnere ich mich an den
Zusammenhalt, den wir in dem damaligen Projektteam erleben durften. Noch heute
stehe ich in freundschaftlichem Kontakt mit den Mitgliedern des Teams, die
später bei SAP, IBM und anderen Firmen ihre Heimat gefunden haben.
KK: Nach der Promotion ging es dann
wenige Jahre später für Sie schon in IT-Leitungstätigkeiten hinein und auf
Ebenen, die – gerade in der IT – in Deutschland zahlenmäßig stark von
männlichen Stelleninhabern dominiert werden. Gibt es Zahlen, wie viele Prozent
der CIOs in großen deutschen Unternehmen weiblich sind – ist es eine
einstellige Zahl? Wie leicht oder schwer ist anfangs die Tätigkeit etwa in der
CIO-Rolle bei einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt (SWF, SWR) gefallen?
Spielen Inhalte und Kenntnisse aus der Studien- und Promotionsvergangenheit
noch eine Rolle oder so gut wie gar nicht mehr?
SR: Gemessen an allen CIOs in Deutschland
dürfte der prozentuale Anteil der weiblichen CIOs einstellig sein. Ich kenne
dazu aber keine exakten Zahlen. Der Branchenverband BITKOM hat kürzlich Zahlen
veröffentlicht, wonach Frauen in der Informationstechnologie/Telekommunikation
ca. 15% der Beschäftigten ausmachen. In den Führungsetagen trifft man deutlich
weniger Frauen, wobei es gerade bei den Softwarefirmen einige löbliche
Ausnahmen gibt.
Die
Gesamtverantwortung für IT beim SWF, später beim SWR zu tragen war 1997 kein
einfacher Einstieg für mich. Ich war eine junge Frau mit vergleichsweise wenig
Berufs- und vor allem Führungserfahrung. Ich wurde aber sehr gut von meinem
damaligen Chef unterstützt. Zu Beginn titulierte er mich zwar gelegentlich noch
als „Quotenfrau“, später brachte er mir aber großes Vertrauen entgegen und gab
mir die notwendige Rückendeckung, als im Zusammenhang mit der Fusion der beiden
Rundfunkanstalten auch schwierige Entscheidungen getroffen werden mussten.
In
der Maschinenbaubranche begegnete mir in den letzten 14 Jahren genau eine
weitere weibliche CIO. Als Frau hat man dort ohne Zweifel einen Exotenstatus,
was sich nicht immer gut „anfühlt“. Kürzlich war ich zur Jubiläumsfeier einer
Forschungseinrichtung eingeladen und saß bei der anschließenden
Podiumsdiskussion auf dem Podium. Als der Moderator mich vorstellte, fragte er
mit gespielter Neugierde, wie denn die weibliche Form von CIO lautet. „Ganz
einfach: die CIO“, so lautete meine nicht besonders originelle Antwort, worauf
der Moderator schmunzelnd antwortete: „Ach, und ich dachte schon es heißt
CI-öse“ (ähnlich wie Frisöse, Anm. von mir). Das Gelächter war auf seiner
Seite, was zeigt, wie unbeholfen und geradezu despektierlich manche reagieren,
wenn sie Frauen in einem männerdominierten Umfeld begegnen.
KK: Sie waren nun 14 Jahre lang
IT-Leiterin bei der TRUMPF Gruppe. Was hat sich in der CIO-Rolle in jenem
langen Zeitraum verändert, sei es allgemein, sei es speziell bei TRUMPF? Wie
zentral oder dezentral wirkt man in der IT innerhalb der weltweiten TRUMPF
Organisation, u.a. ja mit großem US-Standort und vielen weiteren? Und welche
Rolle spielten die Standards und Best-Practice-Ansätze, etwa ITIL, für Sie als
CIO in jüngerer Zeit, sicher viel stärker als vor 10 und mehr Jahren?
SR: TRUMPF hat schon sehr früh die
Entscheidung getroffen, die IT-Verantwortung zu zentralisieren. Schon bei
meinem Eintritt gab es einen bei der TRUMPF Holding angesiedelten IT-Bereich,
der alle Geschäftsbereiche von TRUMPF – damals auch noch die Medizintechnik –
mit IT-Services versorgte, auch wenn sich die Produkte wie auch die Prozesse
der Geschäftsbereiche stark voneinander unterscheiden. Dieser Zentralbereich
„IT + Prozesse“ bildet auch heute noch gemeinsam mit den lokalen IT-Einheiten
an den unterschiedlichen TRUMPF Standorten die „globale IT“ von TRUMPF. Die größte
lokale IT-Einheit ist tatsächlich in USA angesiedelt. Sie trägt deshalb in
IT-Fragen auch die Verantwortung für alle TRUMPF-Standorte auf dem amerikanischen
Kontinent. Die
lokalen IT-Einheiten haben gewisse Freiheitsgrade, insbesondere was die Ausprägung
lokaler, standortspezifischer Applikationen angeht. Auf der anderen Seite gibt
es klar vorgegebene Standards für die globalen Applikationen wie das
ERP-System, das CRM-System oder das PLM-System. Standardisierung (sei es von
Hardware, Software oder von Prozessen) ist der Schlüssel für einen
kosteneffizienten und zuverlässigen Betrieb von IT-Lösungen. Das zeigt die
Prozessbibliothek ITIL, die TRUMPF auch in einigen Teilen implementiert hat.
Das zeigt aber auch das Ein-Mandanten-System, welches TRUMPF seit Beginn der
Einführung von SAP als ERP-System betreibt. Das Prinzip der Standardisierung
nutzt TRUMPF auch sehr erfolgreich in anderen Bereichen, z.B. in der
Produktion, und insofern ist die Akzeptanz von Standards bei den TRUMPF
Mitarbeitern und Führungskräften bereits sehr hoch.
Was
hat sich in dieser langen Zeit verändert? Die Aufgabendichte und die Innovationsgeschwindigkeit
haben generell in der Branche und auch darüber hinaus extrem zugenommen. Heute
kommt in großen Unternehmen kein Geschäftsprozess mehr ohne IT-Unterstützung
aus, und das setzt die IT-Abteilung vor sehr große Herausforderungen. Mit jeder
Prozessveränderung und jedem neu geschaffenen Geschäftsprozess geht ein
IT-Projekt einher. Manche dieser Projekte sind von strategischer Natur und
müssen rasch umgesetzt werden. Gleichzeitig ist der laufende IT-Betrieb sicherzustellen,
und auch hier wachsen die Anforderungen enorm, zum Beispiel in puncto
IT-Sicherheit. Für neue Themen wie Industrie 4.0 bleibt in den Unternehmen oft
nicht genügend Zeit, um sich als Informatiker fachlich fundiert darauf
vorzubereiten. Hinzu kommt das starke, zunehmend auch anorganische Wachstum
vieler Unternehmen. Wenn neue Firmen zugekauft werden, hat die IT-Abteilung
jeweils gut zu tun, um die neue IT-Landschaft zu integrieren und
IT-Applikationen zu harmonisieren. Aber zu klagen hilft da nicht. Positiv zu
vermerken ist, dass der Stellenwert der IT in dieser Zeit überall stark
zugenommen hat und somit auch die Personalressourcen in der IT oft gewachsen
sind. Der IT wird zweifelsohne heute ein höherer strategischer Wert beigemessen
als noch vor 10 Jahren.
KK: Die Cloud-Thematik ist ja eines der
stark beachteten Themen der letzten fünf und mehr Jahre. Manche Beobachter und
Unternehmen sehen die Zukunft nur in der Cloud, andere sind wesentlich
zurückhaltender, etwa aus Sicherheitserwägungen heraus. Wie sehen Sie jene Thematik
und deren Durchsetzung?
SR: Das Thema Cloud-Computing wird nach
meinem Dafürhalten in seiner Bedeutung überschätzt, insbesondere auf Seiten der
Anwenderunternehmen. Es handelt sich schließlich „nur“ um ein spezielles IT-Betriebsmodell.
Anwenderunternehmen können Softwarelizenzen kaufen und die Software auf eigenen
oder exklusiv genutzten Rechnern, also „on premise“, installieren und
betreiben. Oder sie können Software beim Softwarehersteller mieten und auf
fremder Hardware betreiben lassen, und zwar – sofern die Software das erlaubt –
sogar in einer sog. Multi-Tenant-Architektur, wo sie gewisse Ressourcen mit
anderen Kunden teilen. Am Ende entscheidet der Kunde anhand mehrerer Kriterien
(Kosten, Sicherheit, Skalierbarkeit), welches Betriebsmodell seinen
Anforderungen am besten gerecht wird.
Der
IT-Markt wird also durch „Cloud-Computing“ für Anwenderunternehmen etwas vielseitiger,
etwas bunter, aber auch attraktiver. Es ändert sich aber nichts Grundsätzliches
an der Aufgabe einer IT-Abteilung, die darin besteht, Geschäftsanwendungen
passend zu den Erfordernissen der Anwender auszuwählen und zu betreiben oder
betreiben zu lassen. Unternehmen können hier auch variieren. So kann man z.B.
das ERP-System im klassischen Outsourcing betreiben und gleichzeitig andere
Anwendungen als „Software as a Service“ nutzen. Wieder andere Anwendungen
liegen komplett in der Cloud. Jedes Unternehmen muss im Einzelfall nach
wirtschaftlichen und anderen Gesichtspunkten abwägen, welches Betriebsmodell
für welche Anwendung es wählt, darin muss aber keine strategische Entscheidung
gesehen werden. Eine Software in der Cloud zu betreiben heißt auch nicht
notwendigerweise, dass man Abstriche in der Sicherheit macht. Es kommt immer
darauf an, welche Daten wie in der Cloud gespeichert werden und wo sich die
Cloud befindet.
Für
Softwarehersteller hat die Bewertung der Cloud-Frage allerdings größeres
Gewicht. Für sie kann das sehr wohl von strategischer Bedeutung sein, ob sie
„ihre“ Software in der Cloud anbieten. Anwenderunternehmen wie TRUMPF, die
gleichzeitig auch Software herstellen, müssen sich also ebenfalls dieser Frage
stellen.
KK: Industrie 4.0 ist eines der
bedeutenden Schlagwörter der Industrie in den letzten Jahren. Wie „lebt“ TRUMPF
dieses Thema? Welchen Einfluss hat es auf die Zusammenarbeit mit Partnern und
Lieferanten im IT-Bereich?
SR: TRUMPF steht als höchst innovatives
Unternehmen auch in der ersten Reihe der Unternehmen, die Industrie
4.0-Konzepte konzipieren, erproben und umsetzen, und zwar in den bekannten drei
Dimensionen: die eigenen Produkte werden um intelligente, datenbasierte
Features angereichert („smart products“), die eigene Fertigung wird durch
Vernetzung optimiert („smart factory“) und dem Kunden werden spezielle
Dienstleistungen angeboten, die auf der Auswertung von Daten, die seine
Maschine während ihres Einsatzes liefert, beruhen („smart services“).
Mit
der Gründung eines neuen Unternehmens hat TRUMPF unlängst noch ein weiteres
Terrain betreten: die AXOOM GmbH ist Provider einer Plattform, die auch Partner
nutzen können, um ihren Kunden datenbasierte Dienstleistungen zu offerieren.
Welchen Einfluss hat Industrie 4.0 auf die Zusammenarbeit mit Partnern und
Lieferanten im IT-Umfeld? Dort wo Anwendungsfirmen jetzt Neuland betreten, z.B.
bei der Einführung von MES-Systemen oder der Einführung von Analyse-Software
für Big Data, kommen auch neue Lieferanten ins Spiel. Für TRUMPF hat sich
z.B. das Spektrum der Softwarefirmen, mit denen Kooperationen gesucht werden,
durch die Industrie 4.0-Aktivitäten deutlich erweitert. Die Kooperationen sind
sehr eng und münden gelegentlich sogar in Akquisitionen. TRUMPF befindet sich
hier wie viele andere Maschinenbauer auch in einer bedeutsamen Umbruch- bzw.
Aufbruchphase.
KK: Um noch ein Datenbankthema – muss
sein ;-) – aufzugreifen: Wie stehen Sie zu den In-Memory-Technologien? Es ist
ja ebenso ein großes Thema der letzten Jahre, nicht zuletzt durch SAP
vorangebracht, aber bei anderen auch.
SR: Sie sprechen HANA an, die
In-Memory-Datenbank von SAP. Auch andere Hersteller, wie IBM, setzen auf
In-Memory-Technologie und bieten entsprechende Lösungen an. Es sollte immer so
vorgegangen werden, dass die Vorteile einer neuen Technologie sorgfältig
untersucht werden, bevor eine Investitionsentscheidung getroffen wird. So auch
bei der In-Memory-Technologie. Auch wenn viele sagen, es sei nicht die Frage
ob, sondern lediglich wann der Umstieg auf HANA im SAP-Umfeld stattfindet: man
muss den Business-Case betrachten, der die Investition rechtfertigt. Hierzu
können, um mal ein Beispiel zu betrachten, verschiedene Anwendungsfälle
untersucht werden, unter anderem etwa die Profitabilitätsanalyse für das
Controlling, also das sog. SAP CO-PA. Wenn sich mit Hilfe der
In-Memory-Technologie zum Beispiel die Zeit, die man benötigt, um einen Monats-
oder Quartalsabschluss fertigzustellen, signifikant verkürzen ließe, wäre dies
von erheblichem Vorteil – auch weil dadurch andere geschäftskritische Prozesse,
die ebenfalls dieselben Ressourcen nutzen, weniger in Mitleidenschaft gezogen
werden würden.
KK: GI-Mitglied, also Mitglied in der
Gesellschaft für Informatik, sind Sie erst relativ spät geworden, richtig? Was
waren die Gründe? Oder waren Sie vielleicht Mitglied in Ihren Universitätsjahren
bis 1992 und sind dann erst mal ausgetreten nach Übergang in die Praxis, was ja
bei den GI-Mitgliedern – zum Leidwesen des Vereins natürlich – nicht selten der
Fall ist?
SR: Ich weiß es schlicht nicht mehr. Ich
bin der GI schon während meiner Studentenzeit begegnet, aber damals aus irgendeinem
Grund nicht eingetreten. Vielleicht war es damals schon so, dass man den
Eindruck hatte: nur wer eine akademische Laufbahn anstrebt, ist in der GI
richtig aufgehoben. Diesem Eindruck möchte ich aus heutiger Sicht vehement
entgegen wirken. Die GI muss sich für die Informatiker, die in Industrie,
Wirtschaft oder Verwaltung tätig sind, noch stärker öffnen, auch wenn sie heute
schon interessante Anknüpfungspunkte bietet.
So
nutzen in unserer Regionalgruppe in Stuttgart/Böblingen viele Praktiker das Angebot,
sich regelmäßig in interessanten Vorträgen über neue Trends in der Informatik
zu informieren und weiterzubilden. Manche suchen auch einfach nur einen
persönlichen Kontakt zu Informatikern aus der Region und schätzen es, wenn sie
immer wieder ihre Anliegen aus der Praxis mit Vertretern aus anderen Branchen
und aus dem wissenschaftlichen Bereich diskutieren können.
KK: Um noch bei der GI zu bleiben: Welche
Ziele verfolgen Sie speziell in Ihrer Rolle als Vizepräsidentin? Mit Ihnen in
der Vizepäsidentschaft und Peter Liggesmeyer als Präsident sind ja Praxisnähe
und -inhalte ausgeprägt vertreten – sind dies auch Aspekte also, die Sie auf
die GI und zum Wohle ihrer Entwicklung abfärben lassen?
SR: Meine Zeit als Vizepräsidentin geht
jetzt zu Ende. In den letzten vier Jahren habe ich in der Tat versucht, die
Praxisnähe der GI zu steigern, aber auch allgemein die Attraktivität der GI für
neue Mitglieder zu erhöhen. Für mich zählt dazu auch, dass sich die GI noch
stärker zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen positioniert. Als Informatiker/in
möchte ich mehr über die NSA-Affäre wissen, als das, was ich in jeder guten
Tageszeitung lesen kann. Ich werde ja auch nicht selten von Freunden und
Bekannten darauf angesprochen. Unser ganzer Berufsstand steht ja beinahe am
Pranger, wenn es heißt, die Informatiker schaffen die Instrumente für einen
Überwachungsstaat. Also muss ich mir auch selbst einen Standpunkt dazu
„erarbeiten“.
GI-Mitglied
zu sein heißt für mich, dass ich mich mit dieser oder ähnlichen Fragen aber
nicht alleine befassen muss, sondern einen Fachverband habe, der zumindest eine
Plattform für einen Diskurs bereitstellt. Die intensive Auseinandersetzung mit
dem Überwachungsthema, bei dem uns damals auch Albert Endres stark unterstützt
hat, ging noch einen Schritt weiter und hat z.B. dazu geführt, dass ein
Positionspapier zum Thema „Digitale Souveränität“ entstanden ist, das wir jetzt
aktiv in die aktuelle politische Auseinandersetzung einbringen. So möchte ich
die GI erleben: als lebendigen Verein, der sich für die Informatik als
Disziplin stark macht, sich aber auch kritisch mit Fragen rund um die
Verwendung der Informatik auseinandersetzt und sich zu Wort meldet, wenn es
etwas zu gestalten gilt.
KK: Zum Schluss wagen wir einen Ausblick
auf Ihre Tätigkeit als CIO an der Universität Stuttgart ab Januar 2016. Die
CIO-Rolle dort ist ja neu geschaffen und die Einbindung direkt als Mitglied des
Rektorats ist etwa vergleichbar mit einem CIO auf Vorstands- oder
Geschäftsführungsebene eines Großunternehmens – also nicht selbstverständlich.
Wie blicken Sie auf Ihre kommenden Aufgaben, was wird vor allem anzugehen sein
inhaltlich? Erwarten Sie Unterschiede in der Art zu leiten zwischen Wirtschaft,
in der Sie ja nun über 20 Jahre leitend tätig sind, und Universität?
Universitäten gelten ja als basisdemokratisch geprägt mit Vor- und Nachteilen.
SR: Im Januar 2016 trete ich mein neues
Amt an. Ich bin selbst schon sehr gespannt auf das Aufgabenspektrum, das mich
dort erwartet. Manches davon wird meinem bisherigen Wirkungsfeld ähneln. Auch
an der Universität braucht es schließlich für die vielen Studierenden ebenso
wie für die Lehrenden, die Forschenden und die Mitarbeiter in der Verwaltung
eine verlässliche IT-Infrastruktur und adäquate Anwendungen. Ähnlich wie bisher
schon in der Industrie werden auch innovative Themen auf mich warten: die
Digitalisierung in der Lehre und in der Wissenschaft stellt die Universitäten
vor mindestens so gravierende Herausforderungen wie Industrie 4.0 den
Maschinenbau. Ich weiß freilich noch nicht im Detail, wie die Strukturen an
einer Universität funktionieren und wie dort mit solchen Herausforderungen
umgegangen wird. Aber dies zu erfahren, genau darauf freue ich mich. Wo es mir
sinnvoll erscheint, werde ich versuchen, meine Erfahrungen aus der Wirtschaft
in die IT-Prozesse an der Universität einfließen zu lassen. Ich möchte aber
auch offen sein für Neues. Denn wenn alles genau so wäre, wie ich es in der
Wirtschaft kennen gelernt habe, wäre es ja keine Abwechslung für mich!
KK: Liebe Frau Rehm, haben Sie ganz
herzlichen Dank für die Interviewbereitschaft und für die gegebenen
interessanten Antworten! Für Ihre neue CIO-Rolle an der Uni Stuttgart mit Start
in wenigen Wochen sei Ihnen alles Gute gewünscht und man wird sicher dort weiter von Ihnen
hören.