Die klassische griechische Tragödie
hatte ihre Blütezeit in der Zeit zwischen 490 und 406 vor Chr. Ihr Aufbau
folgte dem Grundschema: Prolog, Episoden und Exodos. Dazwischen gab es
Chorlieder. Inhaltlich behandelte sie (laut Wikipedia):
… die schicksalhafte Verstrickung des
Protagonisten, der in eine so ausweglose Lage geraten ist, dass er durch
jedwedes Handeln nur schuldig werden kann. Die herannahende, sich immer
deutlicher abzeichnende Katastrophe lässt sich trotz großer Anstrengungen der
handelnden Personen nicht mehr abwenden. … Das Schicksal oder die Götter
bringen den Akteur in eine unauflösliche Situation, den für die griechische
Tragödie typischen Konflikt, welcher den inneren und äußeren Zusammenbruch
einer Person zur Folge hat. Es gibt keinen Weg, nicht schuldig zu werden …
Das obige Schema drängt sich auch auf, wenn man die derzeitige Tragödie
betrachtet, die sich in Griechenland abspielt. Der Prolog bestand in der
Einführung des Euro im Jahre 2001, also vor nunmehr 14 Jahren. Im Mai 2012 stellte ich in diesem Blog die Frage: ‚Ist
Griechenland ein gescheiterter Staat?‘. Das war während der letzten großen
Griechenland-Krise. Jetzt ist das Thema erneut brandaktuell. Zur Erinnerung: Die Einführung des Euros löste in Südeuropa einen Boom aus.
Die Länder mit früheren Weichwährungen erhielten plötzlich Kredite zu den
Bedingungen eines Hartwährungslandes. Während in Spanien die billigen Darlehen
dazu verwandt wurden, Flugplätze und Autobahnen zu bauen, finanzierte
Griechenland damit seinen Haushalt. Man erhöhte die Anzahl und das Einkommen
der Beamten und staatlichen Angestellten. Es konnte ein hohes Sozialniveau
erreicht werden, ohne Steuern zu erhöhen oder ihr Eintreiben zu verbessern. Die
Staatsschulden
(über 300 Mrd. Euro) entsprachen alsbald etwa 170 % des Bruttosozialprodukts (BSP).
Als Griechenland keine weiteren privaten Geldgeber mehr
überzeugen konnte, mussten EZB, EU und IWF einspringen. Sie gaben neues Geld
nur mit Auflagen, die von einer Kommission (Troika genannt) überwacht wurden. Diese Maßnahmen trafen vor allem die sozialschwachen Teile der Bevölkerung. Es wurden
Staatsbedienstete entlassen,
Sozialleistungen abgebaut und Staatsvermögen privatisiert. Das wurde als
politische Ausbeutung empfunden. Mehrere
Regierungen verstrickten sich und versuchten Lösungen. Das Wahlvolk wurde ihrer
überdrüssig und wählte eine Regierung, der der Exodus zuzutrauen war.
Die radikale Linkspartei SYRIZA und ihr Führer Alexis Tsipras versprachen dem griechischen Volke, alle Verpflichtungen, die Griechenland seinen Geldgebern gegenüber hätte, neu zu verhandeln. Daraufhin wurde sie gewählt. Als nach der gewonnenen Wahl Tsipras und sein Finanzminister Varoufakis durch Europa tourten, um den Geldgebern Griechenlands zu verkünden, warum sie gewählt worden seien, fielen diese ihnen nicht um den Hals. Sie erklärten ihnen vielmehr, dass auch sie von Wählern abhängig seien. Viele von ihnen haben nämlich auch radikale Parteien in ihren Ländern, so Frankreich, die Niederlande und Spanien. Das sind aber meist keine Trotzkisten und Leninisten wie in Griechenland, sondern europa-feindliche Parteien. Sogar Deutschland kann mit einer solchen Partei drohen, der AfD. Würde diese Partei die nächste Wahl gewinnen, wäre der ‚Grexit‘ das einzulösende Wahlversprechen.
Die radikale Linkspartei SYRIZA und ihr Führer Alexis Tsipras versprachen dem griechischen Volke, alle Verpflichtungen, die Griechenland seinen Geldgebern gegenüber hätte, neu zu verhandeln. Daraufhin wurde sie gewählt. Als nach der gewonnenen Wahl Tsipras und sein Finanzminister Varoufakis durch Europa tourten, um den Geldgebern Griechenlands zu verkünden, warum sie gewählt worden seien, fielen diese ihnen nicht um den Hals. Sie erklärten ihnen vielmehr, dass auch sie von Wählern abhängig seien. Viele von ihnen haben nämlich auch radikale Parteien in ihren Ländern, so Frankreich, die Niederlande und Spanien. Das sind aber meist keine Trotzkisten und Leninisten wie in Griechenland, sondern europa-feindliche Parteien. Sogar Deutschland kann mit einer solchen Partei drohen, der AfD. Würde diese Partei die nächste Wahl gewinnen, wäre der ‚Grexit‘ das einzulösende Wahlversprechen.
Im Gegensatz zur Griechenland-Krise vor drei Jahren hat sich die
Situation wesentlich verändert. Alle privaten Gläubiger Griechenlands, die ja
beim letzten Schuldenschnitt die Dummen waren, haben sich inzwischen abgesetzt.
Jetzt sind es nur noch die Steuerzahler aus den 19 Ländern der Eurozone, die
haften müssen. Auch nehmen Leute wie Wolfgang Schäuble das Wort ‚Grexit‘, die
Abkürzung für den Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion, heute viel
leichter in den Mund. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass die Zinsen für
Staatsschulden in Irland und Portugal nicht mehr von den griechischen
Turbulenzen in Mitleidenschaft gezogen werden. Das wandernde Kapital hat
griechische Konten ebenfalls längst verlassen. Wenn der Verteidigungsminister Kammenos, ein
Rechtspopulist, den Plan B verrät, erschrickt das auch niemanden. Er drohte
damit, dass Griechenland sich an Putins Russland wenden würde, sollte
Deutschland hart bleiben.
Bereits am Faschingsdienstag, dem 17.2., hatte ich einen ersten
Austausch zum Thema Griechenland mit Hartmut Wedekind, den ich kurz einfügen
möchte.
Hartmut
Wedekind (HW): Nach Konfuzius sind wir jetzt in Sachen Griechenland beim Bittersten angekommen,
weil das (hochökonomische) Denken und das (ökonomische ) Nachmachen versagt haben.
„Durch Erfahrung klug zu werden“, ist hochgradig unökonomisch, weil der
vergebliche Mittelaufwand groß ist. Denken sollte beim Menschen immer die
absolute Priorität haben. Konfuzius: „Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu
handeln: Erstens durch nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch
nachahmen, das ist der leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist der
bitterste.“
Bertal
Dresen (BD): Was die griechischen
'Revolutionäre' betreiben, würde ich als Realitätsverweigerung bezeichnen. Es
darf nicht sein, was nicht sein soll. Ich frage mich, ob die Drohung mit Putin
nur Taktik ist.
HW: Meine Frau sagte, die "Revolutionäre"
gehen ganz bewusst und für sie rational den Weg : "Raus aus dem
Euro", was das Volk nicht will. Es wird dem Volk aber auf diese Weise,
d.h. durch den Trick über unbeugsame Verhandlungen mit "Troika" als
Hasssymbol in Brüssel beigebracht. Wir
werden sehen: Die Drachmen, die dann als Parallelwährung eingeführt werden,
müssten eigentlich schon gedruckt sein, und man kann dann Anfang März zur
unerlässlichen Ausgabe schreiten (mit einer gewaltigen Inflation als Folge,
aber das kennen die Menschen ja). "Besser schlechtes Geld als gar keines"
ist deren Devise. Spöttisch sagt man: "Der Unterschied liegt in der
Differenz", eine beachtliche Weisheit, die Karnevalisten zusteht.
BD: Die Meinung Ihrer Frau hat etwas für sich. Inflation
ist ein Weg, um die reichen Griechen zu enteignen. Das Bargeld verlässt ja auch
schon das Land. Der Grundbesitz muss natürlich noch verstaatlicht werden. Wenn
die Yachten Piräus verlassen und nach Kusadasi verlegt werden, ist das nicht
weiter schlimm.
Auch nach den Karnevalstagen gingen die Verhandlungen auf der Ebene der
19 Finanzminister weiter. So verwiesen die Slowaken und Litauer darauf, dass
ihre Bürger kaum bereit seien für Griechenland Opfer zu bringen, wo doch ihr
BSP unter dem
Griechenlands läge. Spieltheoretiker Varoufakis verlor alsbald sein
Verhandlungsmandat, da er Zusagen, die er gegeben hatte, widerrufen musste, sobald
er zuhause angekommen war. Als Konsequenz davon telefonierte Jeroen Dijsselbloem,
der Chef der Eurozone, fortan direkt mit
Alexis Tsipras, wenn er etwas von den Griechen wollte. Inzwischen haben die
Griechen akzeptiert, dass sie gewisse Versprechungen machen müssen. Auch die
Wähler in Europa müssen ernst genommen werden, nicht nur die in Griechenland.
Ob die Versprechungen auch gehalten werden, ja gehalten werden müssen, das
steht auf einem andern Blatt. Ob dieses Blatt ein konkretes ist, darf
bezweifelt werden.
Heute, am 23.2., berichtet BILD, dass sie herausbekommen habe, was die
Griechen versprechen wollen. „Wehe, wenn sie wieder tricksen!“. Noch ist das Finale der Tragödie nicht erreicht.
=> BD: I liked the manner that this problem was positioned in your essay.
AntwortenLöschenI have had a long Facebook exchange with a Greek consulting colleague [second generation Canadian/American]. Many of his Greek friends have joined in the discussion. Typical, often contradictory assertions I hear are
1. Europe is a family that is ostracizing a family member who has come on hard times.
2. The Greek debt is all that stands between Greek Ruin and Greek Prosperity, and it is the bankers who brought this onto the Greek people - tricking them into joining the EU..
3. Many other countries have been able to walk away from their debt without being ostracized.
4. The Big Bad Germans [often with more jarring adjectives]
5. If only Siemens and BMV would build factories in Athens, ... we just want JOBS ...
6. "Austerity doesn't work" ... including cutting pension excess, driving tax collection, requiring efficiency in government operations.
7. Let's go to Moscow and raise a glass of Vodka with Putin - that will give the Germans something to think about.
8. It is not Europe that is holding us back, it is Germany.
9. This is all a plot to take possession of Greece at fire sale prices.
These are Greek Americans who are able to look at the situation from outside the box. Mich gruselt's bei dem Gedanken, wie die Griechen im Griechenland darueber denken.
I believe that the Grexit is a step forward.
In the United States of America, the financial liability of each individual STATE is NOT carried by the UNITED STATES, but by that state alone. Michigan could go bankrupt. So could Detroit. It appears to me that the EU strove for a closer economic union that was present in America.
Danke, Herr Arnason.
LöschenIch muss ein Wort übersetzen: to ostracise somebody = jdn. ächten
Yannis Varoufakis, das ist der wortgewaltige griechische Finzminister. Im Interview mit der Satire-Zeitschrift ‚Charlie Hebdo‘ warnte er die Eurogruppe davor, die progressive Regierung Griechenlands zu sehr unter Druck zu setzen. Die Wähler würden dann zu den Nationalisten überlaufen. Außerdem sei bei der griechischen Kirche und den Reedern kaum Geld zu holen. Die Kirche habe zwar viel Vermögen aber nur ein geringes Einkommen. Die Reeder seien sehr mobil. Im Falle einer hohen Versteuerung würden sie sehr schnell das Land verlassen..
AntwortenLöschen