Mittwoch, 25. November 2015

Wirtschaftsinformatik und Logik

Zuerst erkläre ich, warum ich diese beiden Begriffe in Zusammenhang bringe. Über Informatik und Mathematik habe ich schon des Öfteren geschrieben. Alles was ich dort sagte, lässt sich unter dieser neuen Überschrift auch sagen, vielleicht sogar etwas präziser. Möglicherweise spricht es aber andere Leser an. Vor allem aber suggeriert es Praxisbezug und Relevanz.

Wirtschaftsinformatik

Die Wirtschaftsinformatik (WI) als Studium und Beruf erscheint mir heute nicht nur praxisbezogener sondern auch umfassender zu sein als die (reine) Informatik. Manche Studierende ergriffen dieses Fach, weil sie glaubten – oder weil ihnen gesagt wurde – es sei leichter zu studieren als Informatik. Wer immer dieser Überlegung folgte, ruinierte nicht nur den Ruf des Studienfaches, er erlitt auch unweigerlich Schiffbruch im Beruf. Einen Beruf anzustreben, wo man das, was gebraucht wird, nicht tun will, ist eine schlechte Wahl. Es ist wie bei einem Arzt, der weder Kranke noch Blut sehen will. Es gibt dann noch Jobs im Marketing, in der Verwaltung oder in den beruflichen Selbstorganisationen. Die richtige Studienplanung eines WI-Studierenden muss all das abdecken, was aus der Informatik UND der Ökonomie gebraucht wird. Die folgende Einschränkung ist essentiell: Nicht alles, was man im Leben braucht, kann man in 3-5 Jahren lernen, und erst recht nicht an einer Hochschule. Das ist aber kein Grund, um nicht aus dem Studium das Beste zu machen.

Logik versus Mathematik

Die Frage, ob Logik nur ein Teil der Mathematik ist, oder ob sie neben oder gar über ihr steht, sei hier ausgeklammert. Beide behandeln abstrakte Dinge, oder anders ausgedrückt, statt mit der Realität befasst man sich nur mit ihrer Abstraktion. Nicht zwei Kühe oder fünf Schafe interessieren, sondern die Zahlen 2 und 5 und ihre Beziehung. Das vorhin bereits benutzte Konzept des Klammerns lässt sich natürlich auch abstrakt behandeln, sowohl in der Logik wie in der Mathematik. Der Mathematiker sieht gerne auf die Logik herab. Es sei eine Mathematik nur für die Zahlen 0 und 1. Der aus der Philosophie kommende Logiker bevorzugt die Bezeichnungen ‚wahr‘ und ‚falsch‘. Alle Bedeutungen und Nebenbedeutungen (Konnotationen), die Worte haben, gehen jedoch verloren, wenn man beginnt mit ihnen zu rechnen. Trotzdem lohnt es sich sehr oft zu rechnen.

Kurzer Rückblick

Das Informatikstudium in Deutschland begann als Studienfach entweder unter den Fittichen der Mathematik oder der Elektrotechnik. Für die Wirtschaftsinformatik standen Betriebswirte Pate. Entsprechend wurden die Studieninhalte definiert, Das Prinzip hieß Stammstudium – X, wobei X eine Stundenzahl für neue Inhalte war. Abhängig von der Kapazität der Ausbildungsstätte schwankte X am Anfang zwischen 10 und 20%. Erst 10-20 Jahre später wurden die Zahlen umgedreht. Es wurde zuerst definiert, was Informatiker brauchten. Die übrig gebliebenen Wochenstunden wurden dann mit Stoffen aus dem Stammstudium gefüllt. Die Überlegung dabei war, das Alte hat sich ja schon einmal bewährt. Es kann daher nicht schaden.

Schlimmer als diese aus der Not sich ergebenden Studienverhältnisse waren die Denkweisen, die sich damit einnisteten. Zum Beispiel: Informatik ist Mathematik mit etwas Elektrotechnik, oder es ist BWL mit mehr Mathematik. 

Heutige Studieninhalte

Auf meine diesbezügliche Nachfrage hin teilte mir ein WI-Student im ersten Semester mit, welche Themen aus der Logik in seiner Einführungsvorlesung vorkämen. Hier seine stichwortartige Antwort:

‚Prädikatenlogik, Aussagenlogik, KNF, DNF, DPLL Algorithmus und Resolution‘

Das waren alles bekannte Begriffe für mich. Nur beim DPLL-Algorithmus musste ich googeln. Hier die Antwort aus Kiel:

Der DPLL-Algorithmus, der im Jahr 1962 von Martin Davis, Hilary Putnam, George Logemann und Donald W. Loveland vorgeschlagen wurde, löst das Erfüllbarkeitsproblem für Formeln in konjunktiver Normalform nach dem Backtracking-Prinzip.

Die obige Antwort gab mir jedenfalls das Gefühl, dass die Ausbildung in Grundlagen der mathematischen Logik nicht zu kurz kommt. Es ist ja erst das erste Semester. Jedenfalls wird der Eindruck vermittelt, dass die Logik als Werkzeug eine zentrale Rolle in der Informatik und auch in der WI spielt. Viel mehr erwarte ich am Anfang eines Studiums auch nicht. Man wird sensibilisiert, – wie es heute so schön heißt – dass in dieser Richtung etwas zu finden ist, sollte man es brauchen. Man darf Logik und Mathematik jederzeit als Werkzeugkasten nutzen. 

Einige Anwendungen aus der Praxis

Um meine Einstellung zur Ausbildung in mathematischer Logik zu erläutern, greife ich drei Beispiele heraus, wo Logik mir in meiner beruflichen Praxis oder erst danach begegnete.

(a) Boolesche Logik und Schaltkreisentwurf

Auf boolesche Logik stützen sich die Entwerfer elektronischer Schaltkreise seit Anfang an. Sie ist der Arbeit des britischen Mathematikers George Boole (1815-1864) zu verdanken. Die Boolesche (oder logische) Algebra erlaubt es heute die logische Struktur der auf einem Chip angeordneten Schaltkreise so zu optimieren, dass sich Einsparungen in Millionenhöhe ergeben. Auf die Funktion des Chips bezogen, mögen sich Geschwindigkeitsgewinne ergeben. Wesentlich mehr ins Gewicht fallen die Platzersparnisse, wenn dieselben Chips millionenfach produziert werden. Schaltkreisoptimierung ist ein lohnendes und unverzichtbares Geschäft. Gute Methoden und gute Werkzeuge stehen in der Praxis in hohem Ansehen.

Diese Anwendung illustriert das Prinzip einer Optimierung. Wichtig ist es zu wissen, welche Änderungen der Darstellung keine Veränderung des Wertes eines Ausdrucks bedeuten. Als Ausdruck sind logische oder arithmetische Ausdrücke gemeint. Ausdrücke sind Formeln wie (x*y+3) oder (a und nicht b). Der Fachbegriff heißt: Äquivalenzklassen bilden. Die anzuwendende logische Transformation mag sehr einfach und primitiv sein. Entscheidend ist, dass kleine Ersparnisse sich hochsummieren, zuerst auf dem Chip, dann über alle jemals produzierten Chips eines Typs hinweg.

(b) Logische Programmierung und Resolutionsprinzip

Auf das Resolutionsprinzip von J. A. Robinson wurde ich in den 1970er Jahren aufmerksam. Es war der Kern der Programmiersprache Prolog, die 1972 von dem Franzosen Alain Kolmerauer von der Universität Marseille erfunden worden war. Man brauchte nur noch logische Formeln hinzuschreiben (so genannte Horn-Klauseln), und der Kompiler erzeugte daraus ein ausführbares Programm. Es wurde ein Theorem gebildet und nach dem Resolutionsverfahren bearbeitet.

Alle Welt interessierte sich plötzlich nur noch für ‚logisches‘ Programmieren und die damit zu erstellenden Expertensysteme. Die japanische Regierung legte ein Förderungsprogramm auf, mit dem sie die Weltspitze im Computermarkt erreichen wollte. Über das Schicksal dieses ‚Fifth Generation‘-Projekts ist viel geschrieben worden. Nur so viel: Diese Form der Programmierung erwies sich nur für einen Teil der Aufgaben geeignet, für die Computer eingesetzt werden. Aber selbst auf ihrer Domäne, den Auskunftssystemen, erwiesen sich Aspekte als viel wichtiger, die überhaupt nichts mit Programmieren zu tun hatten. Google, als Beispiel, ließ neue und elegante Programmiermethoden einfache in der Ecke stehen und konzentrierte sich auf eine umfassende und aktuelle Datenbasis sowie das Problem, die Suchergebnisse zu ordnen.

Auch meine Abteilung entwickelte ein erfolgreiches Expertensystem. Wir hatten das Glück, einen erfahrenen Außendiensttechniker dafür zu gewinnen, uns seine Heuristiken anzuvertrauen, mit deren Hilfe er Hardware- und Softwarefehler bei bekannten IBM-Großsystemen lokalisierte und klassifizierte. Jüngere Techniker, die dieselben Systeme betreuten, waren begeistert. Nach einigen Jahren gab es diese spezielle Art von Systemen nicht mehr. Schon vorher war die Wissensquelle versiegt. Was ich daraus lernte: Je spezieller Methoden sind, umso besser mögen ihre lokalen und augenblicklichen Erfolge sein. Umso größer ist aber auch das Risiko, dass sie sich nicht in breiten Teilen des Marktes und über einen längeren Zeitraum hinweg einsetzen lassen.

 (c) SAT Solver und Model Checking

Alle Welt redet heute von SAT-Solvern und benutzt sie auch, teilweise ohne es zu wissen. Sie lösen Probleme, die in Klauseln der Aussagenlogik formuliert sind. Hier steckt sehr oft der DDPL-Algorithmus drin. Dank cleverer Implementierung ist man heute in der Lage, Probleme mit 100 Variablen oder Klauseln effektiv zu lösen.

Model Checking gilt als die derzeit erfolgreichste Anwendung von Logik in der Informatik. Die wirklich großen Anwendungen betrafen bisher die Verifikation von Hardware-Entwürfen und Kommunikationsprotokollen. Für den wesentlich wichtigeren Bereich der Software gibt es erste Prototypen. Die logische Theorie ist bereits recht anspruchsvoll. Entscheidend für den Erfolg ist jedoch, dass Rechenzeiten und Speicherkapazitäten eingesetzt werden können, an die man vor 10 Jahren nicht zu denken wagte. Für einen Praktiker ist entscheidend, dass ein Problem in Teilen besser gelöst wird, als dies bisher möglich war. Wenn immer der Nachweis der Systemkorrektheit durch Testautomatisierung erleichtert wird, ist dies ein Segen. Das Problem ist eines der härtesten der Branche. Alle bisherigen Ansätze blieben auf einem Niveau, das nicht befriedigte.

Ein nicht ganz überzeugendes Beispiel

Zum Schluss kommt ein Logik-Enthusiast zu Wort. Ich hatte eine mir vorher nicht bekannte Notation für eine logische Subjunktion

$x (x e F → x e T)

falsch wiedergegeben. Ich machte nämlich daraus

Für alle x (x in F → x in T).

Es war dies ein missglückter Versuch logische Formalismen leichter lesbar zu machen. Ich wurde dafür mit Recht gerügt. Außerdem wurde ich aufgefordert, einen Projektantrag zu unterstützen, der den Einsatz öffentlicher Mittel forderte für

eine Tool-Entwicklung, die solche Missdeutungen (und vieles mehr) erst gar nicht zulässt. Das ist eine Aufgabe geradezu "im nationalen Interesse" und sollte damit (aus nationalem Interesse) auch gefördert werden.  …Helfen Sie mit, bei unserem BMBF-Antrag XYZ eine Bewilligung zu erzielen.‘

Ich meinte, das wäre nicht meinem Problem angemessen. Obwohl ich der Popularisierung mathematischer und logischer Ausbildung auf breitester Basis nicht abgeneigt bin, halte ich Fragen der Notation als Probleme untergeordneter Bedeutung. Zu viele Diskussionen habe ich bereits erlebt, was nun besser sei, der Punkt am Ende eines Statements wie bei COBOL oder das Semikolon wie bei Pascal; Klammern wie bei LISP oder begin...ends wie bei Algol. Informatiker sollten sich für diese Art von Diskussionen zu schade sein, (junge) Wirtschaftsinformatiker erst recht.

Dienstag, 17. November 2015

Terror in Paris und die Flüchtlingsfrage

Die Zeit unkontrollierter Zuwanderung und illegaler Einwanderung kann nicht so weitergehen. Paris ändert alles‘. So meldete sich der Bayrische Finanzminister Markus Söder (CSU) nach den blutigen Anschlägen am 13.11.2015 in Paris per Twitter zu Wort. Merkel solle einräumen, ‚dass die zeitlich unbefristete Öffnung der Grenzen ein Fehler war‘, hatte er vorher gesagt.

Was war passiert?

Während des Fußballfreundschaftsspiels im Stade de France zwischen Frankreich und Deutschland hörte man zwei Explosionen in Stadionnähe. Nach der Halbzeitpause war Präsident François Holland verschwunden. Er hatte vorher neben Außenminister Frank Walter Steinmeier gesessen. In den nachfolgenden Nachrichten wurde von gleichzeitig erfolgten terroristischen Anschlägen an mehreren Stellen in der Stadt Paris berichtet. Es soll dabei Tote gegeben haben.

Außer dem Musiktheater Batacan waren mehrere Gaststätten überfallen worden. Mit Kalaschnikows bewaffnete junge Leute töten über 100 Zivilisten. Bei den 7-8 Tätern, die sich selbst töteten oder von der Polizei erschossen wurden, soll es sich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen um in Frankreich geborene Kinder arabischer Einwanderer handeln. Ein mit den Tätern in Verbindung gebrachtes Auto war in Belgien zugelassen. Nach einem in Brüssel wohnhaft gewesenem Mann arabischer Abstammung wird von der Polizei gefahndet. Zumindest einer der Täter war vor Jahren beim IS in Syrien gewesen. Bei einem Weiteren wurde der Pass eines Syrers gefunden, der auf der Balkanroute dreimal registriert worden war. Seine Spur hatte sich in Österreich verloren. Außerdem wurde bekannt, dass einige Wochen vorher bei Rosenheim ein Auto durchsucht worden war, das einige Kalaschnikows und Sprengstoff geladen hatte und in dessen Navi das Ziel Paris eingestellt war.

Wie reagieren andere?

Von den vielen Kommentaren zu der Pariser Ereignissen greife ich einen Beitrag in der FAZ vom 17.11.2015 heraus. Als 'Verschleierungsversuche' bezeichnet Berthold Kohler die Bemühungen der Regierung zu vermeiden, dass ein Zusammenhang hergestellt wird zwischen Einwanderung und Terrorismus.

Es ist nicht überraschend, dass Politiker der großen Koalition in einer ans Verbieten grenzenden Tonlage davor warnen, die Themen Terrorismus und Flüchtlingskrise zu verknüpfen. Sie fürchten ein endgültiges Umschlagen der öffentlichen Stimmung. Die war schon vor dem Massaker in Frankreich äußerst angespannt. Die Selbstbegeisterung über die 'Willkommenskultur' ist in weiten Teilen der Bevölkerung der Sorge gewichen, dass Deutschland es nicht schaffe, mit den vielfältigen Herausforderungen durch die Masseneinwanderung fertig zu werden. Dazu zählt die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung und der inneren Sicherheit. ...Es stimmt, dass viele Migranten, die nach Deutschland kommen, vor eben jenem Ungeheuer flüchten, das hinter dem Massaker von Paris und vielen anderen unfassbaren Bluttaten steht. Und dass man ihnen Schutz gewähren muss. Doch kamen nicht nur vor Krieg und Vergewaltigung flüchtende Frauen und Kinder ins Land. Es kamen und kommen, vielfach unregistriert, auch Hunderttausende von jungen muslimischen Männern, und nicht alle von ihnen sind Pazifisten.

Gedanken eines Pragmatikers

Das Risiko, dass sich zukünftige Terroristen mit dem Flüchtlingsstrom von Land zu Land bewegen, bestand von Anfang an und nicht erst jetzt. Der aufgefundene Ausweis kann dies bestätigen, es kann aber auch eine falsche Spur sein. Die Sicherheitskräfte müssen sich auch über Risiken Gedanken machen, die nur potentiell bestehen. Einen Brunnen sollte man abdecken, bevor ein Kinderspielplatz in der Nähe eingerichtet wird.

Wer diese Idee sehr weit treibt, kommt allerdings in Schwierigkeiten. Einerseits wird er sehr verunsichert und lässt nichts mehr zu. Da Motorradfahren ein hohes Risiko mit sich führt, sollte man es eigentlich verbieten. Dasselbe gilt für das Rauchen. Anderseits können die Kosten ins Astronomische steigen, will man sich gegen alle Risiken absichern. Es ist daher vernünftig, jedes Risiko getrennt zu bewerten, d.h. abzuwägen, ob man es eingehen kann oder nicht. Ob die Abwägungen, die von Sicherheitsbehörden angestellt werden, veröffentlicht werden müssen, darüber wird bei uns im Lande gerne debattiert (Stichwort: Abhörskandale).

Manche Leute glauben, dass sich ihr Leben vereinfacht, indem sie die Wahrnehmung einschränken. Sie neigen oft dazu, nach der einzig entscheidenden Ursache für ein Problem zu suchen. Mal ist es die Dummheit der Zeitgenossen oder der Egoismus oder die Blindheit der Herrschenden. Es lässt sich dann besonders gut schimpfen. Die Geschichte ist voller Beispiele. Früher waren es die Aristokraten, dann die Juden, die an allem Übel schuld waren. Jetzt neigen einige Leute dazu – besonders in Ostdeutschland – die Ursache vieler Probleme bei den Einwanderern zu suchen. Ja, Flüchtlinge führen zu Problemen. Niemand sollte sie leugnen. Es sollte aber möglich sein, darüber ruhig zu diskutieren.

Wenn die Pariser Ereignisse dabei helfen können Versäumnisse zu erkennen, dann ist es vor allem folgender Punkt: Frankreich hat es offensichtlich nicht geschafft, den Kindern seiner Einwanderer eine gute Perspektive für ihr Leben zu vermitteln. Die Frage liegt daher nahe, ob wir uns dasselbe Problem geschaffen haben. In einer gestrigen Fernseh-Diskussion meinte Gesine Schwan, dass die Stadt Stuttgart hier einen besseren Job mache als etwa Berlin. Ganz neu war dies für mich nicht. Ich hörte es das erste Mal von einem Nicht-Stuttgarter. Vielleicht liegt es aber nur daran, dass die Wirtschaft im Ländle besser dasteht, als die in einigen anderen Teilen Deutschlands. Eine lahmende Wirtschaft verschärft fast immer die sozialen Probleme.

Wie immer: Wer weitere Ideen zu diesem aktuellen Thema beitragen möchte, soll sich melden. 

Dienstag, 10. November 2015

Unsere Reisen in Spanien und Portugal (1961-2005)

Spanien und Portugal waren immer wieder das Ziel unserer Reisen. Meist waren es zwei- oder dreiwöchige Urlaubsreisen. Meine Frau und ich unternahmen diese Reisen teils zu zweit, teils mit Kindern. Einmal brachte mich auch eine Dienstreise nach Sevilla. Nachfolgend bringe ich Auszüge aus meinen Reiseberichten. Dieser Teil umfasst im Original rund 60 Seiten mit über 100 Bildern. Alle meine Reiseberichte sind auf der im Eigenverlag erstellten CD enthalten, die ich im Jahre 2009 im Familien- und Freundeskreis verteilte. Ihr Titel lautet: Gunst und Kunst des Reisens. Näheres finden Sie auf meiner Homepage in der Sektion Media.

Costa Brava und Madrid (1961)

Im Jahr vor unsere Hochzeit unternahmen meine spätere Frau und ich eine erste Autoreise nach Spanien. Von Frankreich aus führte sie zunächst nach Lloret del Mar an der Costa Brava. Wir arbeiteten beide damals in Düsseldorf.


Rambla in Barcelona

In Barcelona bummelten wir über die Rambla, die Prachtstraße der Stadt, und sahen anschließend einen Stierkampf. Über Valencia, wo wir im lauwarmen Meerwasser badeten, fuhren wir nach Madrid. Wir besichtigten den Prado und aßen im Freien abends an der Puerta del Sol. Von Madrid ging es nach Westen über die Sierra de Guadarama. Hier lief der Motor meines Ford 12M heiß. Wir mussten eine Pause einlegen.


Erfrischung aus Tonkrug

Über Avila und Saragossa ging es weiter. Einige Tage verbrachten wir in dem baskischen Städtchen Lekeitio, unweit von San Sebastian, und beobachteten die Fischerboote nach ihrer Rückkehr vom Meer und besuchten einen Pelota-Wettkampf. In Biarritz konnten wir wieder im Meer baden und abends Hummer essen. Über Poitiers und Orleans ging es, Paris umgehend, zurück nach Düsseldorf.


Ansicht von Avila

Sonneninsel Mallorca (August 1969)

Unser erster und einziger Urlaub auf Mallorca führte uns nach Cala Rajada. Das liegt im Nordosten der Insel. Vom Flughafen in Palma de Mallorca wurden wir mit einem Bus quer über die ganze Insel gebracht. Über 20 Busse standen damals am Flughafen bereit, um Touristen in Empfang zu nehmen. Während unsere beiden ältesten Kinder sich sofort im Meerwasser und Schwimmbecken wohl fühlten, musste unsere jüngste Tochter erst dazu überredet werden, überhaupt ins Wasser zu gehen.


Hotelstrand in Cala Rajada

Von allen Familienurlauben war dies der einzige, den ich aus Firmengründen unterbrechen musste. Ich erhielt nämlich eine Einladung, oder besser gesagt eine Aufforderung, zu einer wichtigen Veranstaltung nach La Gaude bei Nizza zu kommen. Wir mieteten ein Auto, mit dem meine Frau mich zum Flugplatz brachte. Da wir die Fahrzeit unterschätzt hatten, kamen wir erst nach Abflug meines Fluges an. „No Show“ sagte die Fluglinie und ich musste einen neuen Flugschein kaufen für einen späteren Flug. Damit kam ich zwar nach Barcelona, hatte aber keinen Anschlussflug mehr nach Nizza. Deshalb fuhr ich die Strecke von Barcelona nach Nizza per Bahn. Das Ergebnis war, dass ich praktisch erst am nächsten Morgen ankam. Völlig übernächtigt ging ich zu der Veranstaltung im IBM Labor in La Gaude. Es handelte sich dabei um die später als historisch angesehene Ankündigung, dass IBM in Zukunft ihre Software getrennt von ihrer Hardware (engl. unbundled) anbieten würde. Nur noch eine Nacht und einen Vormittag konnte ich anschließend in einem der schönsten und teuersten Hotels der Côte d’Azur verbringen, dem Eden Roc in Cap Antibes.


Wasserfreuden der beiden altesten Kinder

Auf Mallorca erinnere mich noch an Bootsfahrten entlang der Küste und den Besuch einer Felsgrotte, die wir per Boot durchfuhren.

Torremolinos und die Costa del Sol (Sommer 1973)

Den ersten Familienurlaub auf dem spanischen Festland verbrachten wir in Torremolines an der Costa del Sol. Unser Hotel lag in dem kleinen Ort Fuengirola. Es hatte einen herrlichen Strand, sowie einen Dachgarten mit Schwimmbecken. Wir haben beides sehr genossen.


Hotel Olimpio in Fuegorola

Für unsere Kinder war im­mer etwas los. Das Schwimm­becken auf dem Dach verführte dazu, die Kopfsprung-Technik zu verbessern. Unsere älteste Tochter hätte dabei jeden Wettbewerb gewonnen. Ich machte einen einzigen Kopfsprung und kam dabei unten auf. Unser 8-jähriger Sohn hatte einen Versandhaus-Katalog dabei, den er laufend studierte. Ihm gefiel die Hitze gar nicht. Er träumte lieber von Schnee und Weihnachten. Er suchte im Katalog die Geschenke aus, die er haben wollte, und quälte uns damit.


Strandfreuden

Wir machten einen Ganztagesausflug nach Granada. Wir besuchten das Grab der katholischen Könige (Ferdinand und Isabella) in der Kathedrale, die Zigeunerstadt und die Alhambra, die hinterlassene Residenz des letzten nasridischen Sultans. Am Ende des Besuches herrschte große Aufregung. Unsere jüngste Tochter war verschwunden. Nach langem Suchen fanden wir sie am Bus einer anderen deutschen Reisegruppe.


Im Löwenhof der Alhambra

Unsere Busfahrt nach Malaga wurde zum Fiasko. Bei der Rückfahrt stiegen wir zwei Kilometer zu früh aus und mussten diese Strecke im Gänsemarsch in Badelatschen zurücklegen. Die Landstraße besaß nämlich keinen Bürgersteig. Den Ausflug nach Marbella unternahmen wir daher im Mietwagen. Wir sahen mehrere schöne Hotelanlagen am Strand, eine ganz in Weiß gehaltene Innenstadt und schneeweiße Dörfer im Hinterland.


Strandkorso in Marbella


Costa Brava und Barcelona (Sommer 1981)

Diese Spanienreise unternahmen wir im Autozug. Wir fuhren bis Karlsruhe, verluden unser Auto auf einen Zug und nahmen es in Narbonne in Südfrankreich wieder in Empfang. Die Costa Brava ist zwar auch sehr auf deutsche Touristen eingestellt, hat aber vorwiegend Steilküsten und nur einige Sandbuchten. Hier ließ sich die ganze Familie in der Sonne braten.



Uferpartie in Lloret de Mar

Für Abwechslung sorgte diesmal ein Besuch der Stadt Barcelona mit der Kirche der hl. Familie des Architekten Gaudi sowie der obligate Besuch eines Stierkampfs. Das Schauspiel, das hier für mehrere Stunden geboten wurde, war befremdlich und faszinierend zugleich. Unser Bedarf für diese spanische Spezialität war damit für alle späteren Spanienbesuche gedeckt.



Stierkampf-Finale in Barcelona


Andalusien und Algarve (Mai 1984)

Im Frühjahr 1984 wurde ich eingeladen, bei einer IBM-Veranstaltung in Sevilla einen Vortrag zu halten. Ich hielt ihn auf Englisch. Er wurde simultan in Deutsch, Französisch und Spanisch übersetzt. Ich bat meine Frau, die mich begleitete, sich die deutsche Version anzuhören. Sie meinte danach, dass die nicht englisch sprechenden Zuhörer wohl wenig von meinem Vortrag gehabt hätten. Zu meiner Entlastung kann ich nur vorbringen, dass einige der anderen Zuhörer vermutlich dem Thema des Vortrags näher standen als meine Frau.



Plaza Espana in Sevilla

Jedenfalls war der Vortrag Anlass genug, schon mal im Frühjahr Urlaub in Andalusien und der portugiesischen Mittelmeerküste, der Algarve, zu machen. Obwohl Sevilla als Stadt immer sehr attraktiv ist, kam dieses Mal hinzu, dass unser Besuch noch in die Zeit des Frühlingsfestes (Feria de Abril) fiel. Im Stadtteil Triana gab es einen großen Festplatz mit Verkaufsständen und Zelten. Hier herrschte den ganzen Tag über Trubel. In fast allen Zelten wurde gegessen und musiziert. Sehr oft wurde auch getanzt. Für einen Fotografen boten sich die herrlichsten Motive. Dazu gehörten vor allem die vielen jungen Mädchen in ihrer andalusischen Tracht. Aber auch die Männer zeigten sich von ihrer besten Seite, besonders wenn sie zu Pferde ritten.


Andalusisches Paar bei Feria da Abril

Mit einem Mietwagen machten wir zunächst einen Ausflug nach Cordoba und Ronda, ehe wir in Richtung Portugal fuhren. Cordoba war einst der Hauptsitz der westarabischen Kalifen. Nach der Reconquista wurde ihre große Moschee in eine christliche Kathedrale umgewandelt. Die Arena von Ronda gilt als die älteste Stierkampfarena in Spanien. Die Stadt selbst war im Mittelalter zweigeteilt in einen arabischen und christlichen Stadtteil.


Arena von Ronda

Auf dem Weg nach Westen machten wir Station in Jerez de la Frontera und Cadiz. Jerez ist eine Stadt, die sich auf die Produktion eines einzigen Getränks spezialisiert hat (so wie Cognac in Frankreich). Alle bekannten Marken haben hier ihre Kellereien. Cadiz ist eine Gründung der Phönizier, die von hier aus einst ihren Handel zu den britischen Inseln betrieben. Vor Cadiz fiel uns damals der große Flughafen der Amerikaner in Rota auf.



Im Keller von Tio Pepe in Jerez

Ein besonderes Vergnügen war es für mich, nach Palos de la Frontera zu gelangen. Von hier aus trat Christoph Columbus am 3.8.1492 seine Reise in westlicher Richtung nach Indien an, in deren Verlauf er Amerika entdeckte. Er kam am 15.3.1493 auch hierher zurück. In der Kirche des hl. Georgs wurden er und seine Begleiter verabschiedet. Seine Kinder übergab er der Obhut der Mönche des nahen Klosters von Rabida.


Hafen von Palos de la Frontera

Etwas gespannt waren wir, ob es uns ohne Schwierigkeiten gelingen würde, mit einem in Spanien gemieteten Auto über die portugiesische Grenze zu gelangen. Mit einer Fähre setzten wir über den Grenzfluss. Kein Mensch interessierte sich für unser Auto.



Algarve bei Albufeira

Über Faro gelangten wir nach Albufeira.. Der Ort liegt leicht erhöht über einem breiten flachen Küstenstreifen. Unser Hotel lag direkt über dem Strand. Das einzige, was uns störte, war eine Gruppe von Engländern, die sich direkt vor unserem Hotel am Strand eingerichtet hatten. Sie tranken schon vormittags Bier. Da wir uns von ihrem Treiben nicht anstecken ließen, bekamen wir zu hören, dass Deutsche selbst im Urlaub ernst bleiben würden. Bei einem Ausflug an der Algarve entlang nach Westen gelangten wir in Orte, die an die große Zeit portugiesischer Seefahrer erinnern.



Heinrich der Seefahrer in Lagos

Von hier starteten die Schiffe, die Anfang des 15. Jahrhunderts die Westküste Afrikas erkundeten. Hier nahm der Sklavenhandel seinen Anfang. In diesem Teil der Küste stießen wir auch auf die Felsformationen, für die diese Küste berühmt ist.



Küste bei Lagos

Portugal von Norden aus (August 1995)

Für diese Reise flogen meine Frau und ich von München über Frankfurt nach Porto. Wir hatten einen Mietwagen am Flugplatz und ein Hotel am Strand reserviert. Während der ersten Urlaubswoche besuchten wir außer Porto noch die beiden Städte Braga und Guimaraes. In der zweiten Woche fuhren wir Richtung Süden.



Strand von Povoa de Varzim

Im Badeort Povoa de Varzim, wo wir die erste Woche verbrachten, war an der Strandbestuhlung gut zu erkennen, dass hier sowohl Schutz gegen Sonne wie gegen Wind gewünscht war. Obwohl primär auf Touristen ausgerichtet, hatte der Ort ein Fußball-Stadium und eine Stierkampf-Arena. Die Stadt Braga soll 300 v.Chr. von den Kelten gegründet worden sein. Unter römischer Herrschaft hieß sie Bracara Augusta. Seit der Zeit der Westgoten ist Braga ein Bischofssitz. Außerdem hat sie eine Universität.



Im Zentrum von Braga

Porto ist nach Lissabon zweitgrößte Stadt des Landes. Die Stadt ist der Namensgeber für das ganze Land geworden (portus cale, lat., ruhiger Hafen). Die Siedlungsstätte am Douro-Fluß war bereits in der Spätbronzezeit (8. Jh. v. Chr.) gegründet worden. Das Stadtbild wird geprägt von der eisernen Brücke, die 1877 von Gustave Eiffel als Eisenbahnbrücke entworfen und gebaut wurde. In einem Kaffee in der Altstadt (Cafe Majestic) bewunderten wir die Ausstattung im Jugendstil.


Brücke über den Duoro bei Porto

Coimbra ist eine der ältesten Universitäten Europas. Ihre barocke Bibliothek gehört zu den schönsten der Welt. Der goldene Beschlag der Buchregale entstand zu der Zeit, als Portugals Könige auch über Brasilien herrschten. Der Name Coimbra stammt von der römischen Stadt Conimbriga, deren Ruinen sorgfältig restauriert wurden.


Universitätsbibliothek von Coimbra

Fátima ist der wichtigste Wallfahrtsort in Portugal und einer der wichtigsten der Römisch-Katholischen Kirche. Den arabischen Namen erhielt der Ort aufgrund einer Legende, wonach sich Fatima, die schöne Tochter eines maurischen Fürsten – ihrerseits benannt nach der Tochter des Propheten Mohammed – im 12. Jahrhundert, aus Liebe zu einem christlichen Ritter, habe taufen lassen und dort ihre letzte Ruhestätte gefunden habe. Berichtet wird, dass 1917 drei Hirtenkinder auf einem freien Feld eine Erscheinung der Jungfrau Maria erfahren haben. Im Jahre 1930 wurden die Erscheinungen durch den Bischof als „glaubwürdig“ erklärt und die öffentliche Verehrung Unserer Lieben Frau von Fátima begann. Heute kommen täglich Hunderte, an manchen Tagen auch Tausende von Pilgern hierher.



Vor dem Heiligtum von Fatima

Wie ein riesiges Museum im Freien mutet dem Besucher das mittelalterliche Städtchen Obidos an. Der Stadtkern ist gut erhalten und sieht aus wie ein Ansichtskartenbild mit seinen gewundenen Gassen und weißgetünchten Häusern. Im Jahre 1282 soll König Dinis seiner spanischen Braut, Isabel von Aragon, das Städtchen als Hochzeitsgeschenk überreicht haben. Das Königsschloss aus dem 15. Jahrhundert ist heute eine Pousada (staatliches Hotel), in der wir übernachteten.



Königsschloss  von Obidos

Das Kloster von Alcobaça ist ein Zisterzienserkloster und stammt aus dem 12. Jahrhundert. Die heutige Fassade der Kirche ist ein Beispiel des manuelinischen Barock. Er ist nach König Manuel I (1469-1521) benannt und verbreitete sich in ganz Portugal seit dem 16. Jahrhundert. Hinter der Fassade befindet sich ein Gebäude im nüchternen gotischen Stil des 12. Jahrhunderts mit einem doppelstöckigen Kreuzgang.



Setubal mit Castilo Sao Filipe

Die Stadt Setubal wird überragt von der Burg von São Filipe. An Maria Himmelfahrt (15.8.) fuhren Hunderte von kleinen Fischerbooten in einer Prozession entlang der Küste. Die Gegend von Sintra ist übersät von einer Vielzahl von Palästen und hat heute den Status eines Weltkulturerbes. In der Innenstadt liegt das wuchtige Nationalschloss (Palácio Nacional), in dem die portugiesischen Könige seit dem 14. Jahrhundert den Sommer verbrachten.


Palacio da Pena in Sintra

Mehrere andere historische Gebäude liegen auf einer Anhöhe (Serra de Sintra), so eine maurische Fluchtburg. Sehr auffallend ist jedoch der Palácio de Pena. Dabei handelt es sich um ein Märchenschloss ähnlich wie Neuschwanstein. Es vereinigt verschiedene historisierende Baustile (Neorenaissance, Neogotik, Neo-Manuelinik und maurische Bauelemente). Im Innern ist es überladen mit Stuckarbeiten und monumentalen Malereien. Gebaut wurde es von Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha, der 1836 Königin Maria II. geheiratet hatte. Sein Baumeister (Baron von Eschwege) soll auch an dem Bau von Neuschwanstein beteiligt gewesen sein.



Hieronymus-Kloster in Belem

Belem ist ein Vorort von Lissabon und liegt südwestlich der Kernstadt am Fluss Tejo, der die Verbindung zum Meer bildet. Mit vollem Namen heißt der Ort Santa Maria de Belém, wobei  Belem die portugiesische Bezeichnung für Bethlehem ist. Hier liegen sowohl das Hieronymus-Kloster wie der Turm von Belem. Letzter war ein Wachturm über dem Tejo-Fluss und diente dem Schutz der Stadt Lissabon. Das Hieronymus-Kloster gilt als Meisterwerk der manuelinischen Architektur und besitzt das Grab von Vasco da Gama und Luís de Camões.



Grab Vasco da Gamas

Eine weitere Attraktion von Belem ist das Denkmal der Seefahrer. Es wurde im Jahre 1960 zum 500-jährigen Todestag von Heinrich dem Seefahrer errichtet. Es zeigt in lebensgroßen Figuren Könige, Poeten, Seeleuten und allen voran Heinrich den Seefahrer bei ihrem Aufbruch in die Neue Welt.



Denkmal der Seefahrer

Lissabon (portugiesisch Lisboa) ist Hauptstadt und der Haupthafen des Landes. Die Stadt zerfällt in klar getrennte Stadtteile.. Die Baixa (Unterstadt) liegt direkt am Ufer des Tejo und wird vom Burgberg mit dem Castelo de Sao Jorge, der Alfama und dem Hügel des Bairro Alto (Oberstadt) eingerahmt.


Blick in Richtung Tejo-Brücke

Lissabon erstreckt sich entlang des rechten Tejos-Ufers. Das Stadtzentrum von Lissabon, die Baixa, liegt in dem im 18. Jahrhundert errichteten Gebiet um Rossio. Östlich der Arkade Praça do Comércio liegen die mittelalterlichen Viertel Alfama und Mouraria, gekrönt von dem herrlichen Schloss St. Georg (Sao Jorge). Westlich davon liegen Bairro Alto und Madragoa mit ihren typischen Gassen.


Praca de Commercio

Das Erdbeben von 1755 hatte Lissabon fast vollständig zerstört.. Es forderte fast 100.000 Todesopfern und gehört damit zu den verhehrendsten Naturkatastrophen der europäischen Geschichte.


Antiquierte Straßenbahn

Wir gondelten durch die engen Gassen der Stadt mit einer sehr altmodischen Straßenbahn. Dabei war die Abfahrt entlang einer kurvenreichen Strecke besonders spannend. Auf den Aussichtsplattformen Santa Lucia und San Vincente sahen wir nicht nur die Unterstadt und die Alfama, sondern auch eine spezielle Kunstform, die man überall in Portugal findet. Es sind dies die blauen Kacheln (Azuelas), mit denen ganze Wände ausgefüllt sind. Diese hier stellt die Eroberung Lissabons im Jahre 1147 dar.


Azuelas an der Terrasse Santa Lucia

Dies geschah während des zweiten Kreuzzuges, als die Schiffe aus Frankreich, England und Holland hier einen Zwischenstopp einlegten und dem portugiesischen König zur Hilfe kamen. Für die Kreuzritter ergab die anschließende Plünderung der von Arabern bewohnten Stadt eine reiche Beute. Das portugiesische Königsreich dehnte sich danach bis zur Algarve aus. Dass Schmierfinken sich an den Azuelas auslassen, ist ärgerlich. Allerdings besteht die Hoffnung, dass diese Kacheln sich leichter abwaschen lassen als eine Sandstein- oder Betonwand. Von Lissabon aus flogen wir zurück nach Deutschland.

Von Madrid nach Almeria (Sommer 2004)

Schon einmal hatten wir versucht, mit unserer ältesten Tochter und deren Familie zusammen nach Spanien zu reisen. Doch dann ergab es sich, dass ich mich stattdessen ins Krankenhaus legte. Vier Jahre später holten wir die Idee nach. Dieses Mal ging es von Madrid nach Almeria.

Unser Hotel lag in der Nähe des Bahn­hofs Antocha. Dieser hatte durch die Terror-Anschläge vom 11. März 2004 Berühmtheit erlangt. Die Bomben, die in den Vortortzügen explo­dier­ten, hatten 192 Menschen getötet. Wir konnten keine Spuren mehr sehen. Dafür bewunderten wir umso mehr die Wartehalle dieses Bahnhofs. Zu diesem Zwecke hatte man den Jugendstilteil des Bahnhofs in einen tropischen Park verwandelt. 


Bahnhof Antocha in Madrid

Da wir den Prado bereits bei einem früheren Aufenthalt in Madrid besucht hatten,  lockten uns zwei andere Musen an, das nach der Königin Sofia benannte und das Thyssen-Bornemisza. Das erstere liegt in dem Gebäude einer früheren Schule und besitzt als Hauptattraktion das Gemälde Guernica von Picasso. Das Thyssen liegt nicht weit davon entfernt in einem ehemaligen Stadtpalast. Sein Schwerpunkt ist die nicht-spanische und die moderne Malerei. Für die Sammlung der Baronin wurde ein Neubau hin­zugefügt. Sehr bequem war die Stadt­rundfahrt im offenen Oberdeck eines Busses.


Picassos Guernica

Mit Toledo verbinden sich 2000 Jahre spanische Geschichte. Nach den Rö­mern kamen die Westgoten. Diese wurden 711 von Arabern besiegt. Um 1120 wurde Toledo kastilisch und war die Hauptstadt Spaniens, bis Philipp II nach Madrid umzog. Der Parador Conde de Orgaz liegt gegenüber der Stadt auf einem Hügel. Er bietet eine unvergleichliche Ansicht der Stadt. Gotische Bauwerke gibt es keine mehr. Dafür gibt es ein Museum für gotische Kunst in einer von Arabern gebauten Mo­schee.


Ansicht von Toledo

An der Kathedrale bauten franzö­sische, holländische und deutsche Bauleute. In der Sakristei hängen Bilder von El Greco, Tizian und anderen. Ansonsten ist die Kathedrale eine lärmende Baustelle. In einem Nebenraum der Iglesia Sao Tomé be­findet sich das berühmteste Bild des Griechen Theodoropulos, auch El Greco genant. Es ist das Begräbnis des Conde de Orgaz mit den ausdrucksvollen Gesichtern seiner Zeit­genossen. In der ehemaligen Kirche Sao Marcos ist heute das Stadtmuseum. In Schaukästen und Filmen wird die Geschichte der Stadt illustriert. Die Ausstellung belegt, warum die ganze Stadt zum Weltkulturerbe wurde.


Der Alcazar

Sehr ins Auge fallen die Spuren der jüdi­schen Bevölkerung der Stadt. In ihrem Viertel liegt nicht nur die zur Marien­kirche (Santa Maria la Blanca) umgebaute frühere Synagoge, sondern auch das Haus des griechischen Malers. In der Synagoge el Transito ist ein Museum der sephar­dischen Juden. Es zeigt die jüdische Ge­schichte in Spanien zwischen der Römer­zeit und der Vertreibung im Jahre 1492. Im Alcazar regierten einst die spanischen Könige. Im Kloster Santa Cruz gibt es außer mehreren El Grecos auch eine Ausstellung von Kacheln (Azuelas).



Santa Maria la Blanca (ehemalige Synagoge )

Im Kloster San Juan de los Reyes wollten die katholischen Könige Ferdinand und Isabella ursprünglich begraben werden. Später entschlossen sie sich für Granada.

Campo di Criptana

In der Mancha denkt man an Don Quijote und Sancho Pansa. Wir fan­den nicht nur viele Denkmäler, die an sie erinnerten, sondern auch die be­rühmten Windmühlen (in Campo de Criptana), gegen die Don Quijote gekämpft haben soll. „Es un lugar de la Mancha“, so beginnt nicht nur das berühmte Werk von Miguel de Cer­vantes, so werben auch mehrere Orte der Provinz im Internet. Als Reisender lernt man vor allem eines: Die Mancha ist das größte zusammenhängende Weinbaugebiet der Erde.



Diego de Almagro

Aus Almagro stammt Diego. Er war mit Pizarro in Peru, hat Chile entdeckt und wurde von Pizzaros Sohn in Cusco geköpft. Der Ort gehörte einst den Fug­gern. Sie hatten das Recht, das Silber­vorkommen der nahe gelegenen Sierra Morena abzu­bauen. Heute gibt es noch ein Handelshaus der Fugger, einen sehr schöner Hauptplatz (Plaza mayor) und viele Kirchen. Mit seinem geschlossenen mittelalterlichen Ensemble gilt Almagro als das Rothenburg Spaniens. Durch die Schlucht der bestraften Hunde (Desfiladero des Depenoperros) und an Naves de Tolosa vorbei durchquerten wir die Sierra Morena. Bald erreichen wir Ubeida.



Ubeida Parador

Unser Parador ist in einem Stadtpalast aus dem 16. Jahrhundert. Einen solch schönen Innenhof sahen wir zuletzt in Merida in Yucatan. Nach der Siesta konnten wir die Erlöserkirche be­suchen. Über der arabischen Mauer der Stadt liegt das Hotel Blanquillo. Eindrucksvoller als das Essen war der Mondaufgang über den gekämmten Bergen, d.h. den Oliven-Plantagen.



Umgebung von Jaen

In Jaen denkt man an König Ferdi­nand als den Befreier von der arabi­schen Herrschaft. In der Kathe­drale der Stadt erinnern Gedenk­platten an über 100 Priester, die während des Bürger­krieges ermordet wurden. Der Parador von Jaen liegt in einer alten Festung über der Stadt. Auch hier überwältigt die umgebende Land­schaft.



Schloss Calahorra

Im Höhlenviertel (Barrio de Cuevas) von Guadix wohnen mehrere hundert Zigeuner­familien in Erdhöhlen. Diese sind teilweise recht kom­fortabel eingerichtet. Sie sind im Sommer kühler und im Winter wärmer als einfache überirdische Bauten. Ein Priester aus Jaen betrieb hier von 1890 bis 1920 eine Schule mit Nähunterricht für die Einwohner des Viertels. Ein sehr bekanntes Photomotiv in der Nähe ist das Schloss von Calahorra.


Alcazaba von Ameria

Almeria ist eine Hafenstadt an der südöstlichen Spitze Spaniens. Von hier fahren Fährschiffe nach Oran in Algerien und nach der spanischen Enklave Mellila. Die Araber hatten in Almeria die zweigrößte Festung Andalusiens nach der Alhambra in Granada. Die Alcazaba ist sehr eindrucksvoll. Sie besteht aus drei übereinander liegenden Festungen. Das daneben liegende Tal ist durch eine Mauer geschützt.

Auf dem Jakobsweg (Mai 2005)

Unter den Wallfahrtszielen des Mittelalters hatten drei eine herausragende Bedeutung: Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela. Letzteres Ziel liegt in der spanischen Provinz Galicien, im äußersten Westzipfel Europas. Wegen der damaligen Reisemöglichkeiten bedeutete eine dieser drei Pilgerfahrten für einen Mitteleuropäer, dass er sich für Monate von zuhause verabschieden muss­te und erhebliche Risiken für sein Leben und seine Gesundheit einging. Oft machte man deshalb vor einer solchen Reise sein Testament. Die Pilgerfahrt nach Santiago hat eine besonders ausgeprägte Tradition. Hier wird das Grab des Apostels Jakobus des Älteren verehrt. Nach seinem Märtyrertod im heiligen Land soll der Legende nach sein Leichnam von seinen Anhängern in sein früheres Missionsgebiet gebracht worden sein. Nach dem „Wiederauffinden“ des Grabes um das Jahr 800, also zur Zeit Karls des Großen, zogen jedes Jahr auf festgelegten Routen, dem so genannten Jakobsweg, Hundert­tausende aus allen Teilen Europas in die Nordwestecke Spaniens. Hier liegt auch das bekannte Kap Finisterre, das im Altertum als das Ende der Welt galt. In der Folge von Reformation und Aufklärung flaute das Pilgerwesen als Massen-Phänomen ab. In den letzten Jahrzehnten hat das Interesse für eine Fuß- oder Radwanderung nach Santiago wieder deutlich zugenommen. 

In der Zeit vom 24. April bis 9. Mai 2005 haben wir die historische Pilgerfahrt nach Santiago mit Hilfe von modernen Verkehrsmitteln nachempfunden. Durch diverse Reiseführer sowohl aus dem Mittelalter [2] wie aus neuester Zeit [3,4] waren wir gut vorbereitet. Sowohl in den Reiseführern des Mittelalters als auch in denen aus der Neuzeit sind alle jene Orte, Flüsse und Landschaften beschrieben, die von Franzosen, Deutschen und anderen Mitteleuropäern berührt werden, wenn sie nach der Überquerung der Pyrenäen, zu Fuß oder zu Pferde, ihren Weg durch die Provinzen Aragon, Navarra und Kastilien nehmen. Zur Abgrenzung der Wege, die Spanier, Portugiesen oder zu Schiff anreisende Engländer nahmen, ist dies der Franken- oder Franzosen­weg.


Pilgerherberge in Najera

Nach einem frühen Direktflug von Stuttgart nach Bilbao und einer kurzen Autofahrt erreichten wir mit Najera unseren ersten Ort am Frankenweg bereits im Laufe des Vormittags. Najera war einst die Hauptstadt des Königreichs Navarra und hier rief im Jahre 1218 Ferdinand III., der Heilige, sich nach seinem grandiosen Sieg über die Araber bei Las Navas de Tolosa zum König von Kastilien und León aus. Alsbald erkannten wir die ersten Pilger auf den Straßen, entdeckten die erste aus Messing gegossene Jakobsmuschel auf dem Gehweg und eine modern wirkende Pilger­herberge.



Santo Domingo de la Calzada

Der nächste geschichtsträchtige Ort in westlicher Richtung ist Santo Domingo de la Calzada. Dieser Ort wurde von dem Heiligen gleichen Namens gegründet und mit einer heute noch bestehenden Pilgerherberge ausgestattet. Bekannt ist der Ort auch wegen des von hier berichteten Hühnerwunders. Dies ist eine der vielen Geschichten um den Jakobsweg und wert, erzählt zu werden. Als einmal ein Ehepaar aus Xanten am Niederrhein mit ihrem herangewachsenen Sohn durch den Ort pilgerten, machte eine einheimische Magd dem jungen Mann (der wohl so aussah wie Jung-Siegfried, der ja auch aus Xanten kam) Offerten, die dieser aber nicht erwiderte. Darauf verbarg das enttäuschte Frauenzimmer einen silbernen Becher im Rucksack des Jungen. Sie zeigte ihn wegen Diebstahls an, er wurde gefasst und zum Tode verurteilt. 



Spanische Pilger auf dem Jakobsweg

Als auf der Rückreise die Eltern nach dem Grab suchten, fanden sie ihren Sohn noch lebend am Galgen hängen. Der hl. Jakob habe ihn die ganze Zeit hochgehalten, meinte er. Die Eltern gingen zum örtlichen Bischof, um ihn zu bitten, ihnen ihren Sohn zu überlassen. Dieser saß gerade bei Tische und hatte je einen gebratenen Hahn und eine gebratene Henne vor sich. „Eher fliegen diese davon, als dass ihr Sohn lebt“ meinte der Bischof. Als beide Tiere sich plötzlich durch das Fenster davon­machten, blieb dem Bischof nichts anderes übrig, als den Jüngling vom Galgen zu nehmen. Statt seiner wurde dann die Magd gehängt. Zur Erinnerung an dieses Wunder werden heute noch ein lebender Hahn und eine lebende Henne in der Dorfkirche gehalten. In diesem Ort begegneten wir mindestens 8-9 Pilgern, die einzeln oder in Zweiergruppen, teils zu Fuß, teils per Fahrrad in Richtung Santiago unterwegs waren.


Stadttor Santa Maria in Burgos

In Burgos werden alle Besucher von der mächtigen Kathedrale angelockt. Sie ist ein Riesen­bauwerk bestehend aus 27 verschiedenen Kapellen. Sie ent­hält das Grab Ferdinand III. und seiner Frau Beatrix von Hohenstaufen, sowie das des Rodrigo Diaz, genannt El Cid, des spanischen National­helden. Er stammte aus westgotischem Adel, ist in der Nähe von Burgos geboren und kämpfte mal für die christliche, mal für die muselmanische Seite. Die Türme der Kathedrale aus dem 15. Jahrhundert gehen auf einen Kölner Baumeister (Juan de Colonia) zurück, der die Pläne des Kölner Doms kannte. Von den erhaltenen Stadttoren ist Santa Maria mit seinen Kaiserfiguren das eindrucksvollste. Sehenswert ist auch das Kloster Las Huelvas am westlichen Stadtrand von Burgos. Weniger bekannt als Burgos, aber nicht minder sehenswert ist das etwa 180 km westlich gelegene León.



Pilgerhospital St. Marcos in León

Es war einst römischer Legions-Stützpunkt und verfügt heute mit Kathedrale und Isidor-Basilika über zwei monumentale kirchliche Bauwerke. In der Kathedrale über­raschen die riesigen bunten Glasfenster, die teilweise noch in ihrer ursprünglichen Ausfertigung erhalten sind. In der Isidor-Basilika liegt der bekannte Kirchen­lehrer Isidor von Sevilla begraben. In einem Nebenbau, dem Pantheon de los Reyes, stehen Steinsarkophage von 21 Königen und 23 Königinnen. In der Bibliothek der Isidor-Kirche gibt es einige sehr wertvolle Handschriften, so die Kommentare zur Apokalypse von Beatus von Liébana aus dem achten Jahrhundert. Dieses Buch spielt in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ eine zentrale Rolle. Alle anderen Bauten Leóns in den Schatten stellt das Pilgerhospital St. Marcos, heute als Parador genutzt. Es besitzt eine Fassade in spanischem Barock, dem so genannten Plate­resk-Stil. Dahinter befindet sich heute ein modernes Hotel mit etwa 200 Zimmern.

Bischofspalast in Astorga

Ähnlich wie man sich über die ame­rikanische Prärie den Rocky Mountains nähert, so ragen über der kastilischen Hochebene die kan­tabrischen Kordilleren auf. An ihrem Fuße liegt die Stadt Astorga. Hier hat der berühmte Architekt Antonio Gaudi mit dem 1913 fertig gestellten Bischofspalast ein kurioses Denkmal hinterlassen. Das Gebäude erinnert an ein Loire-Schloss und könnte aus dem Stundenbuch des Duc de Berry entnommen sein. Die darin gezeigte Ausstellung über den Jakobs­weg ist interessant.


Über Pässe, die im Winter nur schwerlich passierbar waren, zogen die Pilger weiter nach Westen. Wir benutzten jedoch die Autobahn und waren in einer guten halben Stunde in Ponferrada, der nächsten größeren Stadt am Jakobsweg. Sie ist nach einer eisernen Brücke benannt, die einst über den Fluss Sil führte. Überragt wird die Stadt von der düster wirkenden Templerburg, die den gesamten Osthang des Flusses einnimmt. Diese Burg spielt eine besondere Rolle in Paulo Coelhos mystischem Reisebericht [1] über den Jakobsweg.


Las Medulas

Etwa 50 km in südwestlicher Richtung liegt eine Art von Mondlandschaft, Las Medulas genannt. Hier wurde seit der Römerzeit im Tagebau Gold gewonnen. Um das Gestein zu lockern, setzten die römischen Ingenieure große Mengen von Wasser ein, das sie mittels Aquadukten vom oberen Lauf des Duero über 100 km weit herbeischafften. Die Landschaft erinnert an Arizona.

Endlich in Santiago angekommen, suchten wir, so wie vermutlich alle Pilger vor uns, als Erstes die Kathedrale mit dem Apostelgrab auf. Die Türme der Kathedrale sind weit sichtbar und bestimmen ähnlich wie in Burgos das Stadtbild. Dieses Bauwerk hat im Laufe seiner über tausendjährigen Geschichte viele Wandlungen erfahren und ist von vielen Menschen besucht worden. Neben dem Petersdom in Rom ist die Kathedrale von Santiago zweifellos eines der imposantesten Bauwerke der Christenheit. Nicht nur seine Größe ist überwältigend, auch die stilistische Einheit und viele Details sind ungewöhnlich. Von besonders hoher Qualität sind die Steinmetz-Arbeiten an den beiden Hauptportalen.


Santiago de Compostela

Während an der Westseite, zum Plaza Obradoira hin, die barocke Fassade das dahinter liegende romanische Tympanon verdeckt, ist dieses an der Ostseite, der Porta de las Platerias, frei sichtbar und in gutem Zustand. Ein­malig ist das geschlossene bauliche Ensemble bestehend aus der Kathedrale und den zwei großen, nach allen vier Seiten abgeschlossenen Plätzen. Im Osten ist dies der Plaza Quintana, im Westen der Plaza Obradoiro. Letzterer Name (Goldene Werke) rührt daher, dass diese Fassade im Abendlicht in goldenem Glanz erscheint.


Das angebliche Jakobsgrab

Das Apostelgrab befindet sich in einer Krypta unter dem Hauptaltar. Täglich um 12 Uhr findet eine Messe für Pilger statt. Als wir am Sonntag, den 1. Mai, die Pilgermesse besuchen wollten, fanden wir kaum Platz. Zu Beginn der Messe wurden alle Pilgergruppen begrüßt. An diesem Tage waren neben spanischen und portugiesischen, mehrere französische, deutsche, italienische und sogar US-amerikanische Gruppen anwesend. Die in Spanisch gehaltene Predigt war zwar temperamentvoll, aber für uns leider nicht verständlich.


Pilgermesse (mit Botafumeiro)

Bei der abschließenden Weihrauch-Zeremonie war der Ausdruck des Erstaunens unüberhörbar. Von sechs Männern gezogen wurde der etwa 50 Kilo schwere Kessel (Botafumeiro genannt) durch das ganze Querschiff geschleudert und änderte jedes Mal nur kurz vor der Hallendecke seine Richtung. Eine Darstellungsform des hl. Jakobus, die uns immer wie­der begegnete, ist die des Maurentöters (spa­nisch: Matamoros). Diese Vorstellung knüpft an einer Legende an, wonach Jakobus in einer entscheidenden Schlacht gegen die Muselmanen den Christen tatkräftig zu Hilfe kam.

Obwohl früh in der Jahreszeit, war die Stadt San­tiago von Pilgern und anderen Besuchern durch­aus belebt. Das Souvenir-Geschäft hielt sich in Grenzen. Die Sauberkeit von Straßen und Plätzen war wohl­tuend. Das Angebot an guten Restaurants ist reichlich. Neben verschiedenen anderen Kirchen bietet die Stadt mehrere sehr interessante Museen an. Direkt neben der Kathedrale sind Kreuzgang und Schatzkammer besonders zu empfehlen. Sehr gut gefallen hat uns das von der Kathe­drale nicht sehr weit entfernte Pilgerschafts-Museum. In ihm werden mehrere Aspekte des Pilgerwesens durch Exponate und Filme veranschaulicht. Gerade gab es eine Sonder­ausstellung über indianische Pilgerriten in den Anden. Auch sind mittelalterlichen Reisebeschreibungen mit Bildern und Texten ausgestellt.

Die Städte wie La Coruna, Oviedo and Gijon, die alle zur Biskaya hin liegen, haben relativ wenig zu bieten, was historische oder künstlerische Ansprüche erfüllt. Deshalb ist ein Reisender froh, dass es gut aus­gebaute Autostraßen gibt, die einen schnell nach Santander oder Bilbao bringen. 


Höhlenzeichnung in Altamira

In der Nähe von Santander gibt es eine Attraktion, die man nicht übersehen sollte. Es ist die Höhle von Altamira bei Santillana. Hier haben vor etwa 14.000 Jahren eiszeitliche Jäger ihre Jagdobjekte verewigt. Die Büffel, Wildschweine, Pferde und Hirschkühe, die in leuchtendem Rot die Decken bevölkern, gehören zu den ältesten Kunstwerken, die von Menschenhand mit artistischer Perfektion erstellt wurden. Den Sprung zu der Kunst unserer Zeit verdeutlicht die gewagte Architektur, die der Amerikaner Frank Gehry mit dem Gebäude des Guggenheim-Museum in Bilbao in die Welt gesetzt hat. Dieses Kunstwerk allein ist manchen Leuten eine Reise wert. 


Guggenheim-Museum in Bilbao

Eine individuelle Reise wie diese zu planen, ist dank des Internets kein Problem. Alle Flüge, Leihwagen, Paradores und Hotels konnten im Voraus gebucht werden. Probleme gab es in den beiden größeren Städten Burgos und Santiago. Selbst nachdem wir unser Hotel gefunden hatten, benötigten wir fast eine halbe Stunde bzw. eine weitere Stadtrundfahrt, bis wir einen Parkplatz für unser Auto besaßen. Die vom spanischen Staat unterhaltenen Paradores sind in dieser Hinsicht besser. Entweder liegen sie außerhalb dicht bebauter Stadtviertel oder sie verfügen über einen eigenen Parkplatz. Von der Landstraße aus in enge Altstadtgassen einzubiegen, kann abenteuerlich werden. Man freut sich dann mitunter, dass alle Autos über einen Rückwärtsgang verfügen. Obwohl es heute von Burgos bis Ponferrada eine Autobahn (spanische Bezeichnung: Autovia Camino Santiago) gibt, benutzten wir diese nur, sobald die Landstraße durch die Berge führte. Benzin ist in Spanien erheblich billiger als bei uns. Die galizische Sprache, das Galego, weicht stark vom Spanischen, genauer gesagt, dem Kastilischen ab. Deshalb sind in Galicien, ähnlich wie im Baskenland, Straßenschilder oft zweisprachig. Die lokale Küche ist eher deftig und kann Überraschungen bereit halten. In Asturien und Kantabrien kann man statt Traubenwein auch Apfelwein (spanisch: Sitra) bestellen. In Galicien muss die Sonne nicht „bei Tag und bei Nacht“ scheinen. Hin und wieder hängen die Wolken sehr tief und manchmal regnet es auch. Deshalb mangelt es auch nicht an saftigen Wiesen und dichten Wäldern.

Literatur
  1. Coelho, P.: Auf dem Jakobsweg. Zürich: Diogenes 1999
  2. Haebler, K.: Das Wallfahrtsbuch des Hermannus Kuenig von Vach und die Pilgerreisen der Deutschen nach Santiago de Compostela. Straßburg: Heitz Mündel 1899
  3. Herbers, K.: Jakobsweg. Tübingen: Narr 1998
  4. Höllhuber, D., Schäfke, W.: Der Spanische Jakobsweg. Dumont Kunstreiseführer. Köln: Dumont 2004