Es gehört zu den Aussagen weltkluger
Zeitgenossen, dass ‚nichts so beständig ist wie der Wandel‘. Der Spruch soll
uralt sein und auf Heraklit von Ephesus (etwa 540 - 480 v. Chr.) zurückgehen.
Er gilt auch – und insbesondere – für die politische Landschaft Europas. Ich
greife einige aktuelle Themen heraus.
Frankreich: Präsidentschaftswahlen
Den folgenden fünf von elf Kandidaten werden Chancen eingeräumt in die
Stichwahl zu kommen. Meinungsforscher sehen entsprechende Zahlen voraus (in %
der erwarteten Stimmen). [Daneben steht das Ergebnis des ersten Wahlgangs]
Umfrage [Wahl]
Umfrage [Wahl]
- François Fillon (Les Républicains) 18 19,9
- Benoît Hamon (Parti socialiste) 12,5 6,3
- Marine Le Pen (Front National) 25 23,4
- Emmanuel Macron (En Marche!) 26 23,9
- Jean-Luc Mélenchon (La France
insoumise) 13,5 19,6
Als Favoriten gelten Emmanuel Macron und
Marine Le Pen. Bemerkenswert ist, dass die
bisher führenden Parteien (Sozialsten, Republikaner) mit ihren Kandidaten als
abgeschlagen gelten. Mélenchon, ein Außenseiter, kann für eine Überraschung
sorgen. Er vertritt das ‚aufsässige‘
Frankreich. Alle Hoffnungen des Auslands liegen auf Macron. Schafft er wenigstens
den zweiten Platz hinter Marine Le Pen, kann er die pro-europäischen Stimmen aus den anderen
Parteien hinter sich vereinigen. Schafft er es nicht, hat die Europa-Bewegung
einen weiteren Tiefschlag erlitten, noch katastrophaler als das Brexit-Votum
vor einen Jahr. Am Sonntagabend werden
wir Genaueres wissen. [Ich werde dann einen Nachtrag zu diesem Blog-Eintrag
schreiben müssen]
England: Vorgezogene Parlamentswahl
Für alle Beobachter überraschend hat
Premierministerin Theresa May für den 8. Juni Neuwahlen angesetzt. Sie hatte
sie bisher immer ausdrücklich ausgeschlossen. Jetzt rätselt man, was zu dem
Sinneswandel führte. Als Grund führt May an, dass die Opposition, also Labour,
sie dazu brachte. Sie möchte verhindern, dass man ihre Verhandlungen mit
Brüssel beeinträchtigt. Kenner der konservativen Partei (Tories) meinen, dass
es ihr darum geht, sich gegenüber einer Gruppe von Befürwortern eines harten
Brexits mehr Beinfreiheit zu verschaffen. Was auch immer? Es lohnt sich
wirklich nicht, über die Kapriolen englischer Politik nachzudenken.
Es wird bestimmt nicht zu der von
einigen Europäern erhofften Korrektur des Referendums kommen. Vor einem Jahr
hieß es, das Ergebnis des Referendums wäre anders gewesen, hätten mehr junge
Leute, Londoner, Akademiker, Geschäftsleute und Künstler an der Abstimmung
teilgenommen. Da keine der beiden politischen Parteien Englands diese
inhomogene Klientel unterstützt, wird deren Interesse auch bei dieser Wahl
keine Rolle spielen. Dass Schottland oder Nordirland für eine Rückkehr zur EU
kämpfen werden, ist unwahrscheinlich. Denen ist London näher und wichtiger als
Brüssel (und der gesamte Kontinent).
Niederlande: Liberale vor Nationalisten
Bei der Wahl im März hat Mark Rutte mit
seinen Liberalen (VVD) knapp vor Geert Wilders und den Rechten (PVV) gewonnen.
Europa atmete auf. Rutte hatte kurz vor der Wahl mit einem offenen Brief an
alle Holländer an den liberalen Grundsätzen der holländischen Gesellschaft gerüttelt. ‚Verhalte Dich normal oder verzieh
Dich!' so schrieb er. Was er unter ‚normalem Verhalten‘ verstand, ließ er offen. Damit hatte er
sich in die Nähe von Wilders bewegt. Wie weit andere europäische Politiker
diese Methode nachahmen werden, wird sich zeigen. Es kommt darauf an, wer sich
von Rechten bedroht fühlt.
Deutschland: Wahlkämpfe in Ländern und
im Bund
Die Wahl im Saarland wird wohl schnell
vergessen werden. Die Wahl im Mai in NRW wird eher zur Testwahl für die
Bundestagswahl im Herbst werden. Wegen der guten Ausgangssituation der SPD ist
mit einer Bestätigung ihrer Erfolge zu rechnen. Das Fragezeichen hängt über den
Grünen. Sollten diese nicht mehr in den Landtag kommen, muss sich die SPD nach
einem neuen Partner umsehen. Vermutlich wird dann Christian Lindner und die FDP
die erste Wahl sein.
Da die CSU nicht länger als ein
Verstärker des Gesamtgewichts der Union im Bund angesehen werden kann, können
im September in Berlin durchaus Zahlen entstehen, die denen von Düsseldorf sehr
ähneln. Ob dies die CSU zum Umdenken bringt, ist fraglich. Sollte es erfolgen, wird
der Zeitpunkt derart spät sein, dass der Effekt sich nicht mehr auswirkt.
Welche Rolle die AfD bei zukünftigen
Wahlen spielen wird, ist im Moment reichlich offen. Wie von andern
Ein-Thema-Parteien, wie etwa den Piraten, vorgemacht, schaffen diese es oft gerade
vor wichtigen Wahlen ihre Grabenkämpfe auf die Spitze zu treiben. Teilt sich
eine Partei mit einem Stimmenanteil von 8% vor einer Wahl auf, besiegelt sie damit
meist ihren Untergang. Sollte diese Partei sich zerfleischen, werden unsere Politiker auf solche taktischen Maßnahmen verzichten können, wie sie Mark Rutte anwandte.
Übriges Europa
Auf die Entwicklungen in allen Ländern
der EU einzugehen, will ich mir ersparen. Natürlich geben Ungarn und Polen weiterhin
Veranlassung zur Sorge. Auch Griechenland ist noch lange nicht über den Berg.
Es ist mein Eindruck, dass die
anstehenden Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich (UK) und der EU-Kommission bzw. dem EU-Rat
(und den verbliebenen 27 Mitgliedstaaten) sehr viel Energie verbrauchen werden.
Es werden deshalb viele andere Fragen in den Hintergrund treten. Dazu werden
auch Probleme gehören, wie sie durch die drei genannten Staaten verursacht
werden. Oder anders gesagt, die Sonderwünsche Englands werden alle andern Staaten
dazu bringen, mehr an die gemeinsamen Interessen zu denken als an die eigenen
Wünsche. Wenn sich dies außerdem im Bewusstsein der nationalen Politiker
einprägt, wird die EU am Ende dem UK dafür dankbar sein.
Nachtrag am 24.4.2007
Der erste Wahlgang am 23. April in Frankreich (s. oben) bestätigte die Reihenfolge der fünf Spitzenkandidaten. Der Unterschied zwischen den beiden erstplatzierten ist sehr gering. Le Pen hat gegenüber früher deutlich zugelegt. Der Sozialist Hamon schnitt mit 6% äußerst niedrig ab. Fillon und Hamon haben ihren Wählern noch am Wahltag empfohlen, ihre Stimme Macron zu geben. Der kann daher im zweiten Wahlgang am 7. Mai mit einer komfortablen Mehrheit rechnen.
Nachtrag am 24.4.2007
Der erste Wahlgang am 23. April in Frankreich (s. oben) bestätigte die Reihenfolge der fünf Spitzenkandidaten. Der Unterschied zwischen den beiden erstplatzierten ist sehr gering. Le Pen hat gegenüber früher deutlich zugelegt. Der Sozialist Hamon schnitt mit 6% äußerst niedrig ab. Fillon und Hamon haben ihren Wählern noch am Wahltag empfohlen, ihre Stimme Macron zu geben. Der kann daher im zweiten Wahlgang am 7. Mai mit einer komfortablen Mehrheit rechnen.
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