Beim G7-Gipfel am
Fuße des Ätna in Taormina deutete sich ein Prozess an, der zu einer neuen
politischen, ökonomischen und sozialen Struktur der Welt zu führen scheint. Damals standen sechs
Länderchefs dem einen gegenüber, Donald Trump. Sein Mantra vom ‚America first‘
schien primär ihn zu isolieren. Es wirkte schockierend auf alle anderen. Jetzt
in Hamburg sind die Dinge ein Stück klarer geworden. Das einzig vereinende in
dieser Welt scheint nur noch Beethoven-Musik zu Schillers Text zu sein. Der
Satz ‚Alle Menschen werden Brüder‘ scheint eine neue Interpretation zu erfahren.
In der Elphi saßen alle Akteure brav nebeneinander. Was in ihnen vorging, deutete sich im Konferenzsaal auf dem Messegelände an.
Nach Henry Kissinger
ist eine Weltordnung ‚das Bestreben, in dem offensichtlichen Chaos, das sich im
Wettbewerb der Nationen abspielt, für Recht und Ordnung zu sorgen.‘ Als nicht
mehr ganz junger Beobachter des Zeitgeschehens wage ich es, hier Strukturen herauszuarbeiten
und sie zum Nutzen oder Vergnügen der Leser zu beschreiben. Als einer von
vielen bemühe ich mich, hier eher zu schnell zu sein. Irre ich mich, korrigiere
ich mich gern.
EU27 gewinnt an Zusammenhalt
Der EU-Kommissionspräsident, Jean Claude Juncker, gab bereits vor Beginn des Gipfels eine Erklärung ab, dass die EU in
‚gehobener Kampfesstimmung‘ sei. Noch nie sei die EU so geschlossen gewesen.
Nichts scheint mehr zu einen, als ein gemeinsamer Feind. Der Brexit war
zunächst nur ein Schock. Er überraschte England und die Rest-EU gleichermaßen.
Inzwischen hat man sich an ihn gewöhnt. Er ist ein Faktum. Der offizielle
Antrag liegt vor und muss verhandelt werden. Ohne Trumps Auftreten wäre er ein
rein europäisches Phänomen geblieben. Der Trumpismus beweist, dass auch das
mächtigste und wichtigste Land der Welt von Dummheit befallen werden und sich
querlegen kann. Alle 27 EU-Länder rücken offensichtlich
zusammen. Weder von England noch von den USA lassen sie sich auseinander dividieren.
Auf einen neuerlichen Versuch der USA gehe ich weiter unten ein.
USA sucht Unterstützung in Moskau
Als am ersten Verhandlungstag das Thema
Klimaschutz auf der Agenda stand, trafen sich Trump und Putin zum separaten Zwiegespräch. Besser konnten beide ihre Geringschätzung der Weltgemeinschaft nicht zeigen. Es war das erste Treffen seit Trumps Amtsantritt als US-Präsident. Vor der Wahl
hatte Trump zu verstehen gegeben, dass er das Verhältnis der beiden Länder
verbessern werde. Unter Obama war es sehr zerrüttet gewesen. Beide sprachen zweieinhalb Stunden, also
länger als erwartet. Parallel dazu gaben die Außenminister beider Länder
bekannt, dass man an einem Waffenstillstand im Südwesten von Syrien arbeite.
Das ließ aufhorchen. Es gibt also Kontakte, die offensichtlich an Baschar
al-Assad vorbeilaufen. Über das Thema Krim und Ukraine verlautete nichts. In
Warschau hatte Trump sich noch sehr kritisch Russland gegenüber geäußert, was
dieses Problem betrifft.
USA kümmern sich um verwaistes
Mutterland
Fast kann Theresa May einem leid tun.
Gäbe es nicht Trump, stünde sie und ihre ‚Eton boys‘ (Nigel Farage, Boris Johnson) allein
in der Welt. Einen Tag nach dem Treffen mit Putin zeigte sich Trump mit ihr in
Hamburg. Er würde einen ‚Großen Vertrag‘ mit England aushandeln, der dann nach vollzogenem
Brexit, also nach 2019, in Kraft treten würde. So verkündete er. Nur der Bürgermeister von London,
Sadiq Khan,
möchte Trump nicht in seiner Stadt sehen. Den zu bekehren, daran muss noch
gearbeitet werden.
Achse Berlin-Paris beunruhigt Osteuropa
Bei Trumps Zwischenstopp in Warschau
trafen sich dort die Staatschefs der ‚Drei-Meere-Gruppe‘. Den Begriff hatte ich
vorher noch nicht gehört. Er umfasst alle Länder in der EU zwischen Estland und
Kroatien. Bisher machten nur Polen und Ungarn von sich reden. Kann es sein,
dass eine wiederbelebte enge Kooperation zwischen Frankreich unter Emmanuel Macron und Deutschland einige Leute beunruhigt? Oder sieht Trump doch eine
Chance, einen Spalt in die EU zu treiben? Immerhin haben schnell einige dieser
Länder amerikanische Waffen bestellt. Vielleicht glaubt man so sich dem Wunsch
einiger Westeuropäer entgegenstellen zu können, die dafür plädieren die
Waffenbeschaffung zu europäisieren.
Japan weiß, auf wen es sich verlassen
kann
Nie haben EU-Beamte so rasant einen
Handelsvertrag zustande gebracht. Auf der Reise von Tokio nach Berlin legte
Japans Premier Shinzo Abe eine
Zwischenstation in Brüssel ein, um den fertig formulierten Handelsvertrag zu
unterzeichnen. Mehr als vier Jahre wurde verhandelt, und immer wieder schien
es, als würden sie nie zum Erfolg kommen. Doch dann ging plötzlich alles ganz
schnell, dank Donald Trump.
Chinas Charme-Offensive
Chinas Premier Xi Jinping
machte seinen Umweg nach Hamburg über Berlin. Er übergab nicht nur zwei
Panda-Bären dem Berliner Zoo. Er trat vor die Presse und sagte, er täte alles,
damit Angela Merkel mit ihren Plänen für den G20-Gipfel Erfolg habe. Bei so
viel Freundlichkeit kann man nicht dauernd an internierte Menschenrechtler
erinnern. Was den Handelsvertrag betrifft, möchte China sich noch nicht
festlegen.
Alle anderen müssen sehen, wo sie
bleiben
Über die weiteren Teilnehmer des
G20-Gipfels wie Indien, Südafrika und Brasilien lässt sich im Moment wenig
Konkretes sagen. Jedenfalls stimmten sie auf der Seite der 19er Mehrheit gegen
die USA sowohl beim Klima wie beim Welthandel. Merkels Vorbereitung zeigte
Wirkung.
Chaoten aller Welt vereinigt Euch
Dieser G20-Gipfel lockte Tausende Journalisten an.
Denen folgten die notorischen Krawallmacher. Sie bildeten ihren
berühmt-berüchtigten Schwarzen Block. Es flogen Steine, es brannten Autos, Läden wurden geplündert. Zum
Glück gab es keine Toten. Nachträglich Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz zu
beschuldigen, dass er dies nicht verhinderte, ist dummes Geschwätz. Auch dieses
Fest hat ein Ende. Soeben stieg Donald Trump in die Airforce One und verließ
Hamburg.
Nachtrag am 9.7.2017
Da hatte ich doch jemanden ganz vergessen, der wichtig genommen werden will: Recep Tayyib Erdogan. Auf einer eigenen Pressekonferenz verkündete er, dass er den Pariser Klimavertrag nicht umsetzen würde. Er hätte nämlich in diesem Zusammenhang Versprechungen erhalten, die nicht gehalten wurden. Ob es dabei nur um Geld ging oder auch um Hilfe bei der Verhaftung von Gülen-Anhängern, das weiß ich nicht. So wie Trump, so denkt auch Erdogan immer ans Geschäft.
Nachtrag am 9.7.2017
Da hatte ich doch jemanden ganz vergessen, der wichtig genommen werden will: Recep Tayyib Erdogan. Auf einer eigenen Pressekonferenz verkündete er, dass er den Pariser Klimavertrag nicht umsetzen würde. Er hätte nämlich in diesem Zusammenhang Versprechungen erhalten, die nicht gehalten wurden. Ob es dabei nur um Geld ging oder auch um Hilfe bei der Verhaftung von Gülen-Anhängern, das weiß ich nicht. So wie Trump, so denkt auch Erdogan immer ans Geschäft.
Otto Buchegger aus Tübingen schrieb:
AntwortenLöschenDas übliche Chaos in Hamburg. Die Ultralinken spielen Hölle, die Medien bekommen genügend hässliche Bilder, damit sich das Ausland darüber entrüsten kann. Also alles in Ordnung, würde ich es zusammenfassen. „Hamburg as usual“ eben.
Plötzlich erscheinen jetzt in deutschen Medien andere Fotos von Trump. Auf denen er auch lächelt. Bisher waren es nur verzerrte Gesichter. Das nennt man die normative Kraft des Faktischen.
Der doofste Spruch fiel Andreas Beuth, dem Sprecher der Autonomen ein. „Wir als Autonome und ich als Sprecher der Autonomen haben gewisse Sympathien für solche Aktionen. Aber doch bitte nicht im eigenen Viertel, wo wir wohnen. Also, warum nicht in Pöseldorf oder Blankenese?“ Dem NDR sagte er weiter: „Da gibt’s auch bei uns großes Unverständnis, dass man im Schanzenviertel die eigenen Geschäfte zerlegt. Die Geschäfte, wo wir selbst einkaufen."
AntwortenLöschenPeter Hiemann aus Grasse schrieb:
AntwortenLöschenHenry Kissinger gibt seine Sicht der gegenwärtigen internationalen Situation in seinem Buch "Weltordnung" folgendermaßen zu erkennen: "Es gibt heute keine Weltordnung, das hat mich angetrieben, mein Buch zu schreiben. Ich aß mit einem Freund zu Abend, einem Professor in Yale, und wir diskutierten verschiedene Buchideen, von denen die meisten um historische Ereignisse kreisten. Und mein Freund sagte: Darüber hast du viele Bücher geschrieben, warum schreibst du nicht eins über deine größte Sorge im Moment? Und meine größte Sorge ist derzeit dieses Fehlen einer Weltordnung."
"Neue Methoden der Verfügbarkeit und der Weitergabe von Informationen verbinden und einen die Regionen dieser Welt wie nie zuvor und projizieren jedes Ereignis auf eine globale Ebene. Doch das geschieht auf eine Art und Weise, die jede Reflexion behindert und die politischen Führer zwingt, ihre Reaktionen unverzüglich kundzutun, und das in der möglichst schlichten Form von Schlagzeilen."
(Quelle:http://www.deutschlandfunk.de/henry-kissinger-weltordnung-was-die-welt-im-innersten.1310.de.html?dram:article_id=311799)
Der G20-Gipfel in Hamburg hat ziemlich deutlich gezeigt, worauf es führende politische Repräsentanten angelegt hatten: Sich ihren Wählern werbewirksam darzustellen. Es ist kaum zu erkennen, dass das Treffen einen wesentlichen Beitrag geliefert hätte, um über die existierenden politischen, ökonomischen und sozialen Strukturen der Welt aufzuklären oder gar Orientierung für zukünftige Veränderungen zu vermitteln.
Wir sind nach wie vor darauf angewiesen, uns individuell fortlaufend ein aktuelles Bild der Welt 'zusammenzubasteln', indem wir die "neuen Methoden der Verfügbarkeit und der Weitergabe von Informationen“ selektiv und sinnvoll nutzen. Aufrechte Demokraten können viel lernen, wenn sie aufmerksam verfolgen, wie sich unterschiedliche existierende Staatswesen politisch und ökonomisch verändern und versuchen, sich international durchzusetzen. Wird sich herausstellen, dass ein total reglementiertes Staatswesen (z.B. China) anderen Staatswesen langfristig ökonomisch überlegen sein kann? Wird sich herausstellen, dass ein autoritär geführtes Staatswesen mit einem großen demokratisch orientierten Bevölkerungsanteil (z.B. Türkei) sich langfristig nicht behaupten kann? Wird sich herausstellen, dass in einem demokratisch orientierten, föderal organisierten Staatswesen (z.B. USA) die Institutionen stabil genug sind, um politische und ökonomische Krisensituationen bewältigen zu können? Wird sich herausstellen, dass in einem demokratisch orientierten Staatswesen, in dem Parteienherrschaft bereits versagt hat (z.B. Frankreich), Partei übergreifende Perspektiven erfolgreich sein können? Wird sich herausstellen, dass sich in einer Union von Staatswesen gemeinsame demokratische und föderale Interessen nicht realisieren lassen, weil Partei übergreifende Perspektiven und entsprechende politische und ökonomische Zielsetzungen diffamiert werden?
Von politischen Mitläufern und ideologischen Chaoten sind keine sinnvollen Erkenntnisse zu erwarten. Sie sind individuellen, egoistischen Verhaltensweisen verhaftet und leicht mittels ihnen passenden populistischen Parolen für jeden Unsinn zu gewinnen.
Die chaotischen Zustände am letzten Wochenende in Hamburg, und die Tatsache, dass nur dank eines enormen Polizeiaufgebots die eigentliche Veranstaltung überhaupt durchgeführt werden konnte, lässt nach Alternativen suchen. Von Martin Schulz wurde die UN in New York genannt. Es stellt sich außerdem die Frage, was eine G20 besser kann als die UN.
AntwortenLöschenVereinfacht ausgedrückt besteht die UN aus dem Sicherheitsrat, der Vollversammlung und Hunderten von administrativen, sozialen und kulturellen Gremien. Die Bereiche Wirtschaft, Handel und Umwelt, um die sich die G20 so intensiv bemühte, bearbeitet die UN schließlich auch.
Die andere Frage ist die des Rechts auf Initiativen und der optimalen Entscheidungsprozesse. Dafür scheint die Vollversammlung nicht optimal zu sein. Anstatt nur den 19 großen Ländern und der EU dieses Recht zu gewähren, sind auch andere Strukturen vorstellbar. Der Vorwurf, dass auch alle kleinen Länder irgendwie eingebunden werden müssen, ist nicht von der Hand zu weisen.
Die Aussicht, dass der nächste G20-Gipfel im Jahre 2020 in Riad stattfinden soll, lässt erwarten, dass dann weniger Themen weniger gründlich vom Gastgeber vorbereitet werden, als dies in Hamburg der Fall war. Oder anders gesagt, es ist möglich, dass von selbst wieder Einiges von den G20 wegdriftet. Vielleicht treibt die Erfahrung von Hamburg das Pendel ohnehin in Richtung UN.
Die Hamburger Morgenpost vom 10.7. machte folgende Angaben zur Herkunft der Randalierer: ‚Die meisten Insassen in der Gefangenen-Sammelstelle sind zwar Deutsche, es sind aber auch viele Demonstranten aus dem europäischen Ausland gekommen. ... Unter den Festgenommenen stellte die größte ausländische Gruppe Italiener (37) und Franzosen (25). Außerdem sind dabei Spanier, Niederländer, Österreicher und Schweizer. Eine Zeugin berichtete, dass der brandschatzende Mob in Altona eine osteuropäische Sprache sprach.
AntwortenLöschenDie Journalistin Dunja Hayali machte eine mutige Aussage am 8.7. auf Facebook: ‘Straftaten bleiben Straftaten und gehören mit der ganzen Härte des Gesetzes verfolgt. Und an alle „Ursache-und-Wirkung-Verdreher“: Es ist keine Straftat, wenn sich Regierungschefs treffen und unterhalten. Es ist nicht mal eine Ordnungswidrigkeit. Es ist ihre Pflicht.‘