Als Facebook im Mai 2012 an die Börse ging, setzte ich mich in diesem
Blog mit dem eigenartigen Geschäftsmodell dieser Firma auseinander.
Obwohl ich mich weder als Ökonom noch als professionellen Datenschützer ansehe,
stellte ich damals mehrere Fragen:
Die Frage ist, welche Informationen darf Facebook auswerten und
seinen Werbekunden zur Verfügung stellen. Die Grenze zur Verletzung der
Privatsphäre liegt hier sehr nahe. Die Frage ist, wieweit es Facebook gelingt,
diese Grenze zu verschieben, ohne auf Gegenwind zu stoßen. Hier liegt die
Problematik von Facebook. Im Prospekt wird dies ignoriert bzw.
heruntergespielt.
Fast sechs Jahre später sind die Antworten offensichtlich.
Facebook dachte nie daran, sich ernsthaft zu fragen, ob das benutzte Geschäftsmodell
Probleme haben könnte. Mark Zuckerberg und seine Freunde sind vermutlich zu
naiv dazu. Dass sie absichtlich schluderten, will ich ihnen nicht unterstellen.
Vermutlich hat der sagenhafte Erfolg dazu geführt, jedwede Fragen und Frager
zurückzudrängen. Dafür dass ich entgegen meiner Intuition durch den Kauf von
Facebook-Aktien an dem Erfolg teilhaben wollte, werde ich wohl bezahlen müssen.
Vorwerfen kann ich dies mir nur selber.
Facebook besitzt derzeit über zwei Milliarden Nutzer in der Welt
(genau 2,129 Mrd. in 2017). Das ist einsame Spitze. Natürlich sind Nutzer nicht
dasselbe wie Kunden. Nur ein geringer Teil von ihnen hinterlässt Geld in Form
von Umsätzen, sei es für Produkte oder Dienstleistungen. Wodurch sie wertvoll
werden, sind ihre Daten. Deshalb sagt man ja auch, Daten seien das neue Gold des Internet.
Cambridge Analytica
Als ein Parasit, der das Geschäftsmodell von Facebook so richtig zu
seinem Gunsten nutzte, steht heute die Firma Cambridge Analytica (CA) da. Sie
ist das Musterbeispiel für das, was Facebook anrichten kann. Der Name der Firma
soll die Nähe zur Wissenschaft ausdrücken. In Wirklichkeit bestimmen so schräge
Typen wie Steve
Bannon, was abläuft. Bannon ist ihr Vizepräsident. Er war bekanntlich
Donald Trumps Wahlkampf-Manager. CA machte unter anderem psychografische Tests
mit ihren Kunden. Um an eine breite Datenbasis zu gelangen, zahlte irgendjemand
(vermutlich ein Trump-Fan) Facebook 50 Millionen US-Dollar für Daten über 50
Millionen Kunden. Das sind ein Dollar pro Kunde, vermutlich alles US-Kunden. Was
die Daten umfassten ist mir nicht klar. Jedenfalls konnten aus ihnen
Wählerprofile erstellt werden, anhand der das Trump-Team gezielte Hausbesuche
machen konnte. Ganz neu war dies nicht. Auch Obama arbeitete mit ähnlichen
Methoden, allerdings mit weniger umfangreichen Daten.
Kritik an Facebook
Facebook geriet durch den CA-Fall ins Zentrum der Kritik für
alles, was aufgrund der neuen Medien schiefläuft. Nicht nur habe die Qualität
der Internet-Inhalte abgenommen. Auch der Einfluss auf die Gesellschaft, auf
die Politik, auf Märkte und auf Kinder wird immer mehr thematisiert. Ging es vor
Monaten noch darum, Apple und Google wegen ihrer Marktposition zu beschneiden,
stehen plötzlich Grundziele des Internet zur Diskussion. Die massenhafte, freie
Verfügbarkeit von Information wird plötzlich nicht mehr als Segen für die
Menschheit angesehen, sondern als eine Quelle von Irritation und Fehlleitung.
Alle reden von ‚Fake news‘. ‚Alternative Fakten‘ sind das Unwort des Jahres
2017. Auch die Wissenschaft verliert ihre Aura der Unfehlbarkeit. Ja die
Demokratie gerate überall in Gefahr.
Immer mehr Leute beginnen damit, vor der Nutzung der sozialen
Medien zu warnen. Bald wird der Schrei ‚Zurück zum Papier!‘ durch die Straßen
erschallen. Dass als nächstes Smartphones und Computer aus den Schulen verbannt
werden, ist nicht mehr auszuschließen. ‚Aus der Sinnkrise ist eine Systemkrise
geworden‘ schreibt Thomas Schulz im SPIEGEL (Heft 13/2018). Die sozialen Netze
zerreißen die (natürlichen) Strukturen
der Gesellschaft, so laute ein neuer Vorwurf. Der Optimismus des Silicon
Valleys stoße an seine Grenzen. Es sieht so aus, als ob einige Beteiligte an
dem Internet-Boom zu fragen beginnen, ob ein Mehr an Information auch dazu
führt, dass es der Menschheit immer besser geht. Von da ist es der nächste
Schritt zu fragen, ob mehr Wissen immer von Vorteil ist. Eine Antwort zu beiden
Fragen traue ich mir nicht zu geben. Jedenfalls sind sie sehr tiefgreifend. Sie sind eher
eine Sache des Glaubens als des Wissens und Nachdenkens.
Mein Facebook-Universum
Ich bin ein ausgesprochen vorsichtiger Nutzer von Facebook. Ich
bin dort seit 2011 registriert, und zwar mit einem Pseudonym (was an sich gegen
die Geschäftsbedingungen von Facebook verstößt). Ich erhalte jede Woche etwa
ein Dutzend Namen und Fotos von Leuten, die meine ‚Freunde‘ werden wollen. Hin
und wieder akzeptierte ich jemanden. Es ist schon länger her, seit ich zuletzt
einen neuen Freund hinzugewann.
Meine
Facebook-Freunde
Von meinen inzwischen 35 Facebook-Freunden ragt eine Gruppe
hervor. Das sind jugendliche Verwandte, also Kinder und Enkel meiner Geschwister. Mit ihnen korrespondiere ich fast
nur über Facebook. Bei allen andern überwiegt der normale E-Mail-Verkehr. Meine
Verlautbarungen an meine Facebook-Freunde beschränken sich auf 3-4 Hinweise pro
Jahr auf interessante Funde im Internet. Ein Auswerter meiner Korrespondenz
muss mich für eine Banause halten mit Interesse für einige skurrile Themen.
Dass dieser Eindruck entsteht, ist nicht unbeabsichtigt. Wer mich näher kennt,
liest ohnehin diesen Blog. Er erscheint bei Google. Googles Ruf ist bei vielen
Leuten auch nicht gut, weil Google deren Geschäftsmodell untergräbt. Dabei geht
Google meines Erachtens auf wesentlich weniger fragwürdige Weise vor als Facebook.
Derzeit trage ich mich mit dem Gedanken, mein Facebook-Konto zu schließen. Auf
Twitter verzichte ich bereits seit über einem Jahr.
Bescheidene Ratschläge
Wir Europäer müssen uns oft anhören, dass wir zu langsam und zu
bescheiden sind. Wenn jetzt das Silicon Valley von Selbstzweifeln geplagt ist,
kann das nur Gutes bringen. Leider besteht die Gefahr, dass der Ball des technischen
Fortschritts dann anderswo aufgegriffen wird. Ganz liegen bleibt er nicht. In
welcher Himmelsrichtung Ausschau zu halten ist, ist auch klar.
Vielleicht erübrigen sich bald die vielen Dienstreisen deutscher
Unternehmer ins Silicon Valley. Anstatt nach technischen Revolutionen (wie Doro
Bärs Flugtaxen) zu suchen, sollten wir das, was wir machen immer besser
machen. Dazu gehört auch, dass wir uns um die Lösung derjenigen Probleme
kümmern, die wir selbst verursacht haben. Dazu gehören nicht nur die
Belastungen der Atmosphäre (vor allem durch den Straßenverkehr), sondern auch
die Verschmutzungen der Ozeane (durch die Abfälle des Handels und des Konsums).
Um an beiden Problemen etwas zu tun, müssen wir Deutsche allerdings nach
internationalen Partnern suchen.
Nachtrag vom 24.3.2018
Gerhard Schimpf aus Pforzheim wies auf einen Artikel im Online-Magazin WIRED hin, der zum Blog-Beitrag passt. Er lautet: How to Manage All of Facebook's Privacy and Security Settings. Man kann ja nicht vorsichtig genug sein.
Nachtrag vom 29.3.2018
Nachtrag vom 24.3.2018
Gerhard Schimpf aus Pforzheim wies auf einen Artikel im Online-Magazin WIRED hin, der zum Blog-Beitrag passt. Er lautet: How to Manage All of Facebook's Privacy and Security Settings. Man kann ja nicht vorsichtig genug sein.
Nachtrag vom 29.3.2018
Je ein Autor der Süddeutschen Zeitung (SZ) plädiert für das Verlassen
und das Verbleiben
bei Facebook. Ich neige derzeit zur Reduzierung, d.h. dem partiellen Auszug. Dass die Neue Züricher Zeitung (NZZ) Facebooks Geschäftsmodell als genial bezeichnet, erscheint etwas seltsam. Vielleicht ist es auch schweizerischer Sarkasmus.