Inzwischen ist es fast ein halbes Jahr her, seit das Wahlvolk
gefragt wurde, von wem es regiert werden möchte. Bekanntlich war die Antwort
nicht eindeutig. Sehr naheliegend erschien eine Farbkombination, die man
Jamaika nannte. Als dieser Versuch an der unüberwindbaren Kluft zwischen Grünen
und FDP scheiterte, empfahl der Bundespräsident, die Beziehung zwischen Union
und SPD, Groko genannt, wiederaufleben zu lassen.
Groko, eine Art von Zwangsehe?
Die SPD sieht sich selbst als eine 150 Jahre alte Dame an. Mit ihr
kann man nicht einfach herumspringen. Zuerst wurde sie von einem bärtigen Flagellanten dazu überredet, in sich
zu gehen, um durch staatlich finanzierte Rehabilitation wieder zu Kräften zu
gelangen. Nachdem sie ihren Freier des Wortbruchs überführt und abgeschüttelt
hatte, befragte sie ihren Teil des Volkes, ob sie tun dürfe, was sie müsste.
Rund 66 % reagierten vernünftig. Fast 34% taten es nicht. Sie folgten Kevin
Kühnert, einem Jungsozi, dem das Land egal ist. Hauptsache die Partei vergnügt
sich.
Jetzt kann die SPD aber immer noch nicht regieren. Sie muss weiter
Nabelschau betreiben. Der amtierende Vorsitzende und die Designata müssen sich
klarwerden, ob sie Sigmar Gabriel als Außenminister ertragen wollen. Der machte
sich unbeliebt, als er seine 6-jährige Tochter zitierte. Er sei nicht teamfähig
– so heißt es jetzt. Andrea Nahles meint damit, dass er sich von ihr nichts
sagen lässt. Das muss jetzt aber in Ruhe geklärt werden. Deutschland darf warten, Europa auch.
Akteurin im Startloch
Andere Parteien haben diese Probleme nicht. Weder CDU noch CSU. Die
CSU-Politikerin Dorothee
Bär (*1978) ist Mutter dreier kleiner Kinder und Frau des Landrats von
Hof. Sie ist designierte Staatsministerin für Digitales in der nächsten
Bundesregierung. Als sie dieser Tage für die Heute-Nachrichten
des ZDF interviewt wurde, legte sie so richtig los.
Auf die Frage der Journalistin Marietta Slomka nach dem lahmen
Breitbandausbau in Deutschland, der insbesondere ländliche Regionen
benachteilige, ging Bär nicht unmittelbar ein. Sie sagte vielmehr, dass man die
Frage der Digitalisierung nicht auf die Breitbandfrage verengen dürfe. Man
müsse weiter denken: "Kann ich mit dieser Infrastruktur, die wir dann
haben, auch mal autonom fahren? Habe ich die Möglichkeit zum Beispiel auch mit
einem Flugtaxi durch die Gegend zu können?"
Damit hatte sie natürlich die volle Aufmerksamkeit in den sozialen
Medien erreicht. Programmieren müsse in die Lehrpläne der Grundschulen, es sei
so wichtig wie Lesen und Schreiben. Ähnlich zu Sport und Musikgymnasien müsse
es auch Digitalgymnasien geben. Wer wagt es da noch zu sagen, Doro Bär sei
keine überzeugte, ja fanatische Digitalisiererin? Mir scheint es, dass da jemand
vor lauter Enthusiasmus etwas den Blick auf die Realität verloren hat.
Politikern sei dies verziehen. Ein paar Followers mehr ist doch ganz gut.
Sicht einer Fachgesellschaft
In dieser Situation ruht unsere ganze Hoffnung bei den Fachleuten.
Sie sollten die Dinge richtig stellen. In einer Verlautbarung
der Gesellschaft für Informatik (GI) von dieser Woche hieß es:
Denn digitale Bildung kommt nicht mit dem Möbelwagen. Der Fokus
auf Ausstattung und Infrastruktur ist zu kurz gedacht. Die unangenehme Wahrheit
ist: Der Handlungsbedarf bei der Lehrerqualifikation ist enorm. Die Aus- und
Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Bezug auf digitale Medien reicht
nicht aus. Schulen brauchen auch Lehrkräfte mit fundierter informatischer
Qualifikation. Wir können nicht erwarten, dass alle Lehrerinnen und Lehrer die
gesellschaftlich erforderliche informatische Bildung zusätzlich in ihre Fächer
integrieren können oder wollen.
Dazu ist zu bemerken: Manche Kollegen scheinen nicht akzeptieren
zu wollen, dass unsere Technik ihre Anwendung und Verbreitung dadurch
vergrößert, dass sie inzwischen Nutzer gewinnt, ohne dass Lehrer im Lieferwagen
mit eingepackt werden müssen. Früher, d.h. vor 50 Jahren, da mussten Stöße von
Büchern mit geliefert werden. Wo es ohne gute Ausbildung partout nicht geht,
das ist bei der Entwicklung neuer Technik. Das scheint aber nicht gemeint zu
sein. Das Bild des Möbelwagens ist auch etwas unpassend, da es sich in der
Informatik heute um Produkte handelt, die man im Ohr tragen kann.
Realistische Perspektiven
Alle Versuche, einer bestimmten Technik durch staatliche Maßnahmen
einen entscheidenden Impuls zu geben, sind meistens fehlgeschlagen. Das
betrifft sowohl deren Akzeptanz wie ihre Breitenwirkung. Technik wird dann
akzeptiert, wenn sie eine genügende Reife hat, um einen Bedarf verlässlich
genug abzudecken. Die einschlägige Industrie muss dies machen. Eine reife Technik macht Investitionen in die Schulung von Nutzern überflüssig. Sie passt sich ihren Nutzern an. Entschließt sich die Industrie die gesamte Produktion in den Norden Chinas zu verlegen, wie es bei allen Smartphones
geschehen ist, darf die politische Gesamtwetterlage dem nicht entgegenstehen. Wer
viel mehr von der Politik erhofft, verplempert nach meiner Meinung nur seine
Zeit.
Eine Technik kann für Spiele früher akzeptabel sein als für
Anwendungen, von denen Leib und Leben abhängen. Betrachten wir als Beispiel die
oben erwähnten ferngesteuerten Lufttaxen. Als Drohnen dienen sie heute vor allem
als Spielzeuge. Als Träger von Kameras können sie auch sonst unzugängliche oder
gefährliche Gebiete überfliegen und Erkundungsdaten liefern. Sie können auch
Waffen oder Sprengladungen transportieren und zum Einsatz bringen. Ehe sie in
großem Umfang für den Transport von Personen eingesetzt werden, können noch
Jahrzehnte vergehen. Es sei denn, eine geschickte Propaganda betört den
Verstand. Es wäre nicht das erste Mal, wie weiter unten ausgeführt.
Auch staatlich gesteuerte Schulungsmaßnahmen sind kein sicherer
Faktor, was die Verbreitung einer neuen Technik betrifft. So sollen Länder wie
Tunesien, aber auch Russland und Indien die Informatik-Ausbildung in Schulen
weit vorangetrieben haben. Die so qualifizierten Menschen finden in ihrem Land jedoch
nicht die Beschäftigung, die sie erwarten. In Tunesien löste ein Informatiker
eine Revolution aus, indem er sich öffentlich verbrannte, da er keine adäquate
Beschäftigung fand. Details beschrieb ich im März
2011 in diesem Blog. Anders ist es in Industrieländern, wo staatliche
Bildungsmaßnahmen der dort aktiven Industrie helfen können. Bildungsapostel mögen
mir diese ketzerische Sicht verzeihen.
Nächste zu erwartende Klagewelle
Der Gedanke an Flugtaxis ist auch deshalb für mich so
beunruhigend, da er von derselben Blindheit geschlagen zu sein scheint, die das
Anhimmeln des Automobils bewirkte. Derzeit wird ein Skandal nach dem andern ans Licht
des Weltbewusstseins gebracht. Im letzten Jahrzehnt war es Kohlendioxid, dann der Feinstaub, jetzt
sind es die Stickoxide.
Ein Problem, um das seltsamerweise noch keine Kläger sich kümmern,
drückt sich in den folgenden Zahlen aus. In Deutschland sterben jeden Tag 10 Menschen
in Verkehrsunfällen. Im Jahre 2016 waren es 3.214. In Europa waren es 25.500.
Das waren 7% weniger als im Jahr davor. Dazu kommen in Deutschland etwa 135.000
Schwerverletzte. Was ist dagegen schon der Effekt von ein bisschen Stickoxid?
Die Klugheit unserer Politiker scheint sich darin zu erschöpfen,
immer wieder auf die Arbeitsplätze zu verweisen, die sie schaffen oder
beschützen. Donald Trump ist nur insofern etwas Besonderes, weil er sich vorwiegend
um Arbeitsplätze im Rostgürtel der USA und der Rüstungsindustrie kümmert. Das
Silicon Valley interessiert ihn nicht. Die Leute dort wählen ihn ja nicht.
Nachtrag vom 10.3.2018
Da ist doch in den Medien eine echte Diskussion über Flugtaxis ausgebrochen. Wird es sie wirklich geben? Sind sie die Zukunft der Mobilität? Oder alles Quatsch? Wie gut, dass wir Doro, die Flugtaxen-Ministerin, haben.
Nachtrag am 15.3.2018
Bei der gestrigen Ernennung der Regierungsmitglieder hat Bundespräsident Steimeier dazu aufgefordert, verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. „Es ist gut, dass die Zeit der Ungewissheit und Verunsicherung vorbei ist“, sagte er. „Um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, wird ein schlichter Neuaufguss des Alten nicht genügen“, so Steinmeier.
Nachtrag vom 10.3.2018
Da ist doch in den Medien eine echte Diskussion über Flugtaxis ausgebrochen. Wird es sie wirklich geben? Sind sie die Zukunft der Mobilität? Oder alles Quatsch? Wie gut, dass wir Doro, die Flugtaxen-Ministerin, haben.
Nachtrag am 15.3.2018
Bei der gestrigen Ernennung der Regierungsmitglieder hat Bundespräsident Steimeier dazu aufgefordert, verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. „Es ist gut, dass die Zeit der Ungewissheit und Verunsicherung vorbei ist“, sagte er. „Um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, wird ein schlichter Neuaufguss des Alten nicht genügen“, so Steinmeier.
Hartmut Wedekind schrieb: Ist die Doro Bär vom Typ „digitaler Utopist“ à la Richard David Precht? Mir sind digitale Konstruktivisten (schrittweise, zirkelfrei und alles explizit machen) lieber. Schwärmen ist etwas, wenn man in Wagner-Opern hört. Das ist aber eine ganz andere Kategorie.
AntwortenLöschenVielleicht will Doro Bär uns Techniker animieren, mehr zu wagen. War nicht auch John F. Kennedy in dieser Hinsicht aktiv, als er die Mondlandung zum nationalen Ziel erklärte?
LöschenPeter Hiemann schrieb: Die GI versucht, ihre Informatik-Vortellungen gleichberechtigt neben naturwissenschaftlch orientierte Themen in Schulen zu etablieren (nationale Bildungsstandards für Informatik). Nach meinem Verständnis sind Erkenntnisse des Fachs Informatik nicht vergleicbar mit naturwissenschaftlchen Erkenntnissen. Informatik ist eine technische Ingenieurtätigkeit vergleichbar mit Archtitektur, Bauwesen, Verkehrswesen, Medizintechnik etc. In Schulen kommt
AntwortenLöschenes darauf an zu verstehen, wie Computeranwendungen Ingenieurtätigkeiten und soziale Strukturen beeinflussen.
Im Prinzip gebe ich Ihnen Recht. Die Informatik bietet vor allem nützliche Fertigkeiten. Durch sie kann man leichter an Weltwissen gelangen. Für Orientierung oder Welterklärung geht man besser anderswo hin.
LöschenNeues aus der SPD: Deutschland bekommt einen neuen Außenminister. Heiko Maas (*1966) ist seit 2016 mit der Schauspielerin Natalia Wörner liiert. Außerdem nimmt er an Triathlonwettkämpfen teil. Amtsvorgänger Sigmar Gabriel verlässt die Politik. Franziska Giffey (*1978) bringt das ostdeutsche Element in die Regierung. Besondere Qualifikation: Bezeichnet Heinz Buschkowski als ihr Vorbild. Katarina Barley macht alles, was übrig bleibt.
AntwortenLöschenHier die langersehnte Regierung Merkel IV (Stand 9.3.2018, 10:00 Uhr):
AntwortenLöschenKanzlerin (CDU, Dr. Angela Merkel)
Auswärtiges, (SPD, Heiko Maas)
Inneres plus Bau + Heimat, (CSU, Horst Seehofer)
Justiz und Verbraucherschutz, (SPD, Dr. Katarina Barley)
Finanzen, (SPD, Olaf Scholz, Vizekanzler)
Wirtschaft und Energie, (CDU, Peter Altmaier)
Arbeit und Soziales, (SPD, Hubertus Heil)
Ernährung und Landwirtschaft, (CDU, Julia Klöckner)
Verteidigung, (CDU, Dr. Ursula von der Leyen)
Familie, Senioren, Frauen und Jugend, (SPD, Franziska Giffey)
Gesundheit, (CDU, Jens Spahn)
Verkehr und digitale Infrastruktur, (CSU, Andreas Scheuer)
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, (SPD, Svenja Schulze)
Bildung und Forschung, (CDU, Anja Karliczek)
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, (CSU, Gerd Müller)
CDU: 6 (inkl. Merkel), CSU: 3 SPD: 6
Männer: 8 Frauen: 7
Staatsminister: Digitales, (CSU, Dorothee Bär); Migration, Flüchtlinge und Integration, (CDU, Anette Wiedmann-Mautz); 2 Staatsminister Auswärtiges Amt (SPD ??)
Stefan Endres aus Frankfurt schrieb: Rein technisch betrachtet gibt es aktuell schon 2 produktreife Taxis eVolo aus Karlsruhe und eHang aus China. Ehang macht schon Personenflüge.
AntwortenLöschenDie Frage ist nur, ob es eine internationale Regelung der IATA geben wird, was die Versicherungen sagen werden und wie die Einbindung in der kontrollierten Luftraum erfolgt. Das kann schon kniffelig sein, weil die Taxis ja automom fliegen sollen. Ehang hat eine Art Mission Control, wovon sie die Taxis kontrollieren wollen.