Kaum ein Wissenschaftler unserer Zeit bekam so viel Aufmerksam wie
der englische Physiker Stephen
Hawking. Das lag in gleichem Maße an seinen Lebensumständen wie an seiner
wissenschaftlichen Leistung. Ich hatte mich schon öfters mit ihm beschäftigt.
Ich habe kürzlich drei seiner neueren Veröffentlichungen gelesen, sowie das
Buch über ihn von Rüdiger Vaas (siehe unten). Hier mein Kondensat und meine
Reaktion darauf. Was immer ich an kritischen Einschätzungen äußere, betrifft
weniger Hawking persönlich als sein Fachgebiet, die Physik.
Jugend und Familie
Stephen Hawking wurde in Oxford geboren und starb in Cambridge.
Sein Vater war ein in der Forschung tätiger Tropenmediziner, seine Mutter eine Wirtschaftswissenschaftlerin.
Der Vater stammte aus der Provinz Yorkshire, seine Mutter aus Schottland.
Während seiner Jugend lebte er in einem Stadtteil Londons, in dem die Spuren
der deutschen Luftangriffe noch sichtbar waren.
Hawking heiratete 1965 eine Studienkollegin, mit der er drei
Kinder (2 Söhne, eine Tochter) hatte. Bei seinem einjährigen Aufenthalt 1974/75
in Pasadena, CA, begleitete ihn die Familie. Als Hawking und seine Frau sich
nach 30 Jahren Ehe entzweiten, heiratete Hawking 1995 eine ihm nahestehende Krankenschwester.
Auch diese Ehe wurde nach zwölf Jahren geschieden.
Studium und Erkrankung
Hawking studierte in Oxford, weil dies der Vater so wünschte. Er selbst
wollte Mathematik studieren, entschied sich dann doch für Chemie, da man hier die
Chancen eine Beschäftigung zu finden für besser hielt. Als seine Erkrankung zum
Ausbruch kam, war er 21 Jahre alt. Es handele sich um Amyotrophe Lateralsklerose
(ALS), ein Nervenleiden, das zum graduellen Muskelabbau führt. Seine Ärzte
gaben ihm nur noch wenige Jahre zum Leben, er entschloss sich aber sein Studium
fortzusetzen. Seit 1968 war Hawking auf einen Rollstuhl angewiesen. Im Rahmen der
Behandlung einer schweren Lungenentzündung, die er sich 1985 bei einem Besuch
des CERN in Genf zugezogen hatte, verlor er die Fähigkeit zu sprechen. Für die
verbale Kommunikation benutzte er seither einen Sprachcomputer.
Hawking promovierte 1965 in theoretischer Astronomie und
Kosmologie in Cambridge und erhielt 1979 einen Mathematik-Lehrstuhl. Es soll
dies derselbe Lehrstuhl gewesen sein, den Isaac Newton einst innehatte, eine Stiftung
eines Henry Lucas aus dem Jahre 1663. Ein späterer Inhaber war Paul Dirac, ein anderer
berühmter Physiker [1, 4].
Physik der Schwarzen Löcher
Hawking wandte sein wissenschaftliches Interesse auf ein Thema,
das in den 1980er Jahren vor allem theoretisch arbeitende Physiker
beschäftigte. Es war klar, dass hier keine Experimente erwartet werden konnten. Als erste wissenschaftliche Leistung bewies er um 1960, zusammen mit
Roger Penrose (*1931), dass Einsteins
Allgemeine Relativitätstheorie im Falle von Schwarzen Löchern Singularitäten
zulässt. In einer Singularität sind die Gesetze der Physik nicht mathematisch
darstellbar. Für Schwarze Löcher sind nur drei Eigenschaften definiert, Masse,
elektrische Ladung und Rotation (d.h. Drehimpuls). Andere Eigenschaften wie
Temperatur, Magnetisierbarkeit oder Dichte besitzen sie nicht. Sie hätten keine
Haare, sagen Physiker dazu.
Als ab 1973 Jacob Bekenstein (1947-2015) versuchte Schwarze Löcher quantenmechanisch zu verstehen, kam die Idee auf, ihnen eine Entropie zuzuordnen. Hawking griff dies auf, indem er forderte, dass Schwarze Löcher dann auch eine Strahlung besitzen müssten. Diese sei zwar zu gering, um messbar zu sein. Ihre Wärmeausstrahlung würde im Bereich weit unter einem Grad Kelvin liegen. Sie käme dadurch zustande, dass von Teilchenpaaren manchmal nur eines über den Ereignishorizont verschwinde, das andere aber nicht. Der langfristige Effekt wäre, dass ein Schwarzes Loch auch Masse verliere und sich schließlich auflöse. Dies nur theoretisch definierte Phänomen erhielt die Bezeichnung Hawking-Strahlung. [Nur wenn sie zu seinen Lebzeiten empirisch nachgewiesen worden wären, hätte er den ersehnten Nobelpreis bekommen können]
Quantengravitation und Quantenkosmologie
In den 1980er Jahren entwickelte Hawking zusammen mit James
Hartle (*1939) einen Zugang zur Quantengravitation und deren Kosmologie. Hartle und
Hawking schlugen vor, in den Pfadintegralen –
einem von Richard Feynman eingeführtem Begriff − nur geschlossene Raumzeiten
ohne dreidimensionale Ränder zu berücksichtigen (kompakte euklidische
Metriken), da diese die dominanten Beiträge liefern würden. Sie nannten dies
ihren ‚no boundary proposal‘ („ohne Grenzen“ oder „ohne Rand“) und sahen
darin eine natürliche Formulierung für Probleme der Quantenkosmologie
(‚Die Randbedingung des Universums besteht darin, dass es keinen Rand hat‘).
Nach Ansicht einiger Physiker „verschlucken“ Schwarze Löcher nicht
nur Materie, sondern auch Information. Die einzige „Information“ dabei ist ihre
Temperatur und ihre Entropie, die proportional zu ihrer Oberfläche ist. In der
Quantenmechanik entspricht das einer „nicht unitären“, die Wahrscheinlichkeiten
nicht erhaltenden Zeitentwicklung, was den Prinzipien der Quantenmechanik
entgegenlaufe. Die Frage ist dann, ob es nicht doch einen Ausweg gibt, der die
Informationen erhält. John
Preskill hatte 1997 mit Hawking (und seinem Freund Kip
Thorne) eine Wette abgeschlossen, dass es in der Quantengravitation
einen solchen Ausweg gebe, Hawking hatte dagegen gehalten. In seiner Rede auf einem
Kongress 2004 in Dublin wechselte Hawking jedoch seinen Standpunkt und meinte,
dass Information doch erhalten bleibe, was er mit einer Pfadintegral-Formulierung
in nichttrivialen Topologien bewiesen zu haben glaubte. Gegner von Hawking
waren unter andern Leonard
Susskind und Gerardus ’t Hooft, die im Gegensatz zu Hawking für
eine Gültigkeit der Quantenmechanik auch im Bereich Schwarzer Löcher eintraten.
Kip Thorne weigerte sich im Gegensatz zu Hawking, den Verlust der Wette anzuerkennen.
Populärwissenschaftliche Schriften
Im Jahre 1981 nahm Hawking an einer Kosmologietagung im Vatikan
teil, auf der er sein Konzept vorstellte, laut dem das Universum keine Grenzen
haben solle. In diesem Vortrag stellte er das All zugleich als ein Phänomen
dar, das einfach vorhanden ist und dementsprechend keines Schöpfergottes
bedarf. ‚Wenn das Universum einen Anfang hatte, können wir von der Annahme
ausgehen, dass es durch einen Schöpfer geschaffen worden sei. Doch wenn das
Universum wirklich völlig in sich selbst abgeschlossen ist, wenn es wirklich
keine Grenze und keinen Rand hat, dann hätte es auch weder einen Anfang noch
ein Ende; es würde einfach sein. Wo wäre dann noch Raum für einen Schöpfer?‘ So
formulierte er.
Im Jahre 1988 erschien mit Eine kurze Geschichte der Zeit
das erste populärwissenschaftliche Buch Hawkings, in dem er die Theorien zur
Entstehung des Universums, zur Quantenmechanik und zu Schwarzen Löchern
darstellt. Das Buch wurde weltweit ein Bestseller und verkaufte sich in
Millionenauflage. Als wissenschaftlicher Autor schrieb Hawking zudem weitere
erfolgreiche populärwissenschaftliche Werke. Im April 2010 äußerte sich Stephen
Hawking über mögliche Risiken, die die Suche nach außerirdischem Leben für die
Menschheit haben könnte. Hawking sah jedoch die Notwendigkeit, den Weltraum zu
besiedeln.
Im September 2010 sagte Hawking, dass für die Entstehung des
Universums kein Gott notwendig gewesen war. Es sei unnötig, zur Erklärung die Hand
Gottes ins Spiel zu bringen. In seinem Buch The Grand Design (dt. Der große Entwurf – Eine
neue Erklärung des Universums) schrieb er: ‚Weil es ein Gesetz wie das der
Schwerkraft gibt, kann und wird sich ein Universum selber aus dem Nichts
erschaffen. […] Spontane Schöpfung ist der Grund, warum es statt des Nichts
doch etwas gibt, warum das Universum existiert, warum wir existieren.‘
In einer Vortragsreihe für die BBC 2016 meinte Hawking, dass die
Menschheit vor großen Gefahren stehe, die langfristig ihre Existenz stark
gefährdeten. So hätten gentechnisch veränderte Viren, Atomkriege, künstliche
Intelligenz und die globale Erwärmung das Potenzial, die Menschheit in
absehbarer Zeit auszulöschen. Über lange Zeiträume von tausenden Jahren
betrachtet sei dies sogar fast sicher. Die größte Gefahr für die Menschheit sei
die Menschheit selbst. In diesem Zusammenhang erneuerte er seine Forderung,
weitere Himmelskörper im Sonnensystem zu besiedeln, um das Aussterben der
Menschen zu verhindern. Diese Kolonien könnten aber frühestens in einem
Jahrhundert unabhängig von der Erde existieren, deshalb sollte die Menschheit
in diesem Zeitraum besonders vorsichtig sein.
Lebensende und posthume Wirkung
Stephen Hawking starb im Alter von 76 Jahren in seinem Haus in
Cambridge. Im Juni 2018 wurde die Asche Hawkings im Rahmen eines
Gedenkgottesdienstes in der Westminster Abbey in London beigesetzt. Sein Grab
liegt zwischen den Gräbern Isaac Newtons und Charles Darwins. Es ist dies die
höchste Ehre, die einem Wissenschaftler auf der Insel zuteilwerden kann.
Wie kein Wissenschaftler vor ihm, so hatte sich Hawking die
Freiheit genommen zu allen die Menschheit betreffenden Fragen Stellung zu
beziehen. Sein posthum kompiliertes Buch [3] greift 10 Fragen heraus und gibt
jeweils eine Antwort, der kein Naturwissenschaftler widersprechen kann. ‚Unleash
your imagination! Shape the future!‘, Mit diesem Aufruf endet dieses Buch.
Zehn
große Fragen und Hawkings Antworten
Meine Reaktion und mein Verständnisproblem
Die Person des Stephen Hawking muss für sein familiäres und
fachliches Umfeld eine große Belastung, ja eine Zumutung gewesen sein. Es ist
für mich daher gut verständlich, wie seine beiden Frauen reagierten. Gewundert
hat es mich vor allem, wie lange beide es mit ihm aushielten. Vermutlich war es
eine Mischung von Mitleid und Bewunderung. Andererseits wirkte er sehr
motivierend, nicht zuletzt durch sein Beispiel. ‚Behinderte sollen das tun, was
sie können‘, meinte er. Es gäbe noch sehr viel, was zu tun sei, um der
Menschheit weiter zu helfen. Es ist vor allem diese Einstellung, die meine
durchweg positive Erinnerung an Hawking als Person bestimmt.
Beim Thema Informationsverlust in Schwarzen Löchern scheint mir
Hawking einer Marotte von Physikern auf den Leim gegangen zu sein. Es ist dies
die unklare Auffassung der Beziehung von Information, Entropie und Energie. So
meinten Hawking und seine Freunde allen Ernstes, dass die in einer Enzyklopädie
enthaltene Information nicht verloren ginge, sollte die Papierversion
verbrennen. Alle Information sei aus der Asche wiederzugewinnen, wenn auch nur
mit großem Aufwand. Deshalb sollten die jeweiligen Gewinner der besagten Wette
auch je eine Enzyklopädie ihrer Wahl erhalten. [Hätte Hawking eine Enzyklopädie als Hörbuch oder in Multimediaform besessen, wären ihm diese etwas seltsamen Gedanken sicherlich erspart geblieben].
Hawking glaubte, dass beim Verdampfen eines Schwarzen Lochs die im Ereignishorizont vorhandene Information irgendwo bleiben würde. Mit ihrer Hilfe ließe sich feststellen, was in dem Schwarzen Loch verschwunden sei. Weil diese Frage ihm unlösbar erschien, bezweifelte er zeitweilig, dass es überhaupt Schwarze Löcher gibt [2]. Andere Physiker ließen sich davon jedoch nicht beirren. Sie glauben inzwischen Schwarze Löcher empirisch nachweisen zu können, nicht zuletzt dank Gravitationswellen.
Hawking glaubte, dass beim Verdampfen eines Schwarzen Lochs die im Ereignishorizont vorhandene Information irgendwo bleiben würde. Mit ihrer Hilfe ließe sich feststellen, was in dem Schwarzen Loch verschwunden sei. Weil diese Frage ihm unlösbar erschien, bezweifelte er zeitweilig, dass es überhaupt Schwarze Löcher gibt [2]. Andere Physiker ließen sich davon jedoch nicht beirren. Sie glauben inzwischen Schwarze Löcher empirisch nachweisen zu können, nicht zuletzt dank Gravitationswellen.
Für Physiker ist Information stets an Energie gekoppelt. Diese ist
ihrerseits in Materie umwandelbar oder aus Materie zu gewinnen. Eine Struktur,
die komplexer ist als eine andere, benötige mehr Information zu ihrer
Beschreibung bzw. mehr Energie, um sie zu schaffen und um sie aufrecht zu
halten. Dadurch seien Information und Energie irgendwie miteinander verknüpft. Dass
dies eine sinnvolle Betrachtungsweise ist, wage ich zu bezweifeln. Ein früherer
Blog-Beitrag
befasste sich mit der Problematik des Informationsbegriffs.
Diese Diskussion soll hier nicht vertieft werden.
Referenzen
- Stephen Hawking: Meine kurze Geschichte. 2013, 61 Seiten
- Stephen Hawking: Schwarze Löcher gibt es nicht. 2014, 27 Seiten
- Stephen Hawking: Kurze Antworten auf große Fragen. 2018, 255 Seiten
- Rüdiger Vaas: Tunnel durch Raum und Zeit. 12. A., 2012, 416 Seiten
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