Dienstag, 23. Dezember 2014

PEGIDA und die Polit-Götter

Das nachfolgend zitierte Schreiben schickte Hartmut Wedekind heute an den Sächsischen Landesbischof Bohl, den er gestern im Fernsehen gesehen hatte. 

An den Landesbischof der Landeskirche Sachsens

Jochen Bohl 

Sehr geehrter Herr Bischof Bohl, 

Ich bin der Überzeugung, dass sich auch die Kirchen  das Problem PEGIDA zu leicht machen. Ein einfaches PEGIDA-Beschimpfen ist darüber hinaus auch geistig wenig anspruchsvoll und wird von jedermann heute leicht aus der Tasche gezogen. Der Schuss geht dann auch, wie zu erwarten, nach hinten los. Die Zahlen steigen. 

Das Flüchtlings-und Asylantenproblem ist primär ein europäisches Problem, und dann in zweiter Linie ein nationales. Wenn Sie das bestreiten, dann brauche ich gar nicht weiter zu reden. Bedenken Sie, dass wir keine für die ganze EU geltende Flüchtlings- und Asylantenordnung haben, weil die Politiker in Straßburg unfähig sind, eine solche zu generieren. Hätten wir eine, wäre es zweifelhaft, ob sie überhaupt eingehalten wird. Eine Ordnung mit Wirkung und einem rationalen Kern würde PEGIDA den Wind aus den Segeln nehmen. Schauen Sie auf die Maastricht-Verträge mit ihren Defizit- und Verschuldungsgrenzen, über die man heute nur milde lächelt.  Schauen Sie z.B. auf die Zuwanderungsregel, die besagt, dass  Flüchtlinge zunächst in dem Aufnahmeland registriert werden müssen. Flüchtlinge werden wie der Schwarze Peter herumgeschoben und man streitet sich auch in Deutschland heftig um die Kosten. Das sind „bashende“ Heuchler, die als Typ in der Bibel häufig vorkommen. „Phoney guys“ sagt man in Amerika, fast auch im Deutschen  selbsterklärend. „Wie fangen wir das an?“, heißt eine Frage  in einem berühmten Text. Die gereimte  Antwort:“ Wir stellen die Regel auf und halten uns dran“. 

Wo man hinschaut, eine Europäische Ordnung in großen, wirklich essentiellen Fragen gibt es nicht. Europa ist etwas für Kleinkram, z.B. Mautgerechtigkeit. Europa ist zentral-ordnungspolitisch eine Trauerveranstaltung und ein Versager und kein Licht der Aufklärung mehr, sondern ein Licht der Polit-Götter. 

Jetzt kommt es, knüppeldick für die einfachen Beschimpfer und Polit-Götter:  

Wo es keine Ordnung gibt, gibt es auch keine Gerechtigkeit und alles wandert sofort in die Barmherzigkeit ab. Nun gelten aus dem Aspekt der logischen Begriffsbildung die Sätze „Wer gerecht ist, ist nicht barmherzig“ und auch konträr „Wer barmherzig ist, ist  nicht gerecht“. Der hochgebildete Thomas von Aquin (Logiker und Theologe), der auch wusste, dass der biblische Satz  „Gott ist gerecht und barmherzig“ als Konjunktion logisch  falsch ist, sagte in  seinem Kommentar zum Matthäus-Evangelium (5,2) auch in konträrem Sinne: „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit; Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung“.  

Der hl. Thomas sagt uns  Ordnungslosen, Modernen also, dass wir von der Mutter der Auflösung begleitet werden. Es  dürfte klar sein, dass PEGIDA diese Auflösung nicht will, Sie (hoffentlich) und ich übrigens auch nicht. Da haben wir schon eine wichtige Gemeinsamkeit. Und die „Basher“ stehen im Regen, sogar logisch. Als ich Sie gestern im Fernsehen sah, war ich tieftraurig. Eigentlich gilt der Satz “Wo Weihnachtslieder gesungen werden, da ist das Abendland“. Bischöfliche Verdächtigungen lässt man am besten vor der Tür, weil sie schlicht betrachtet  unchristlich sind. 

Der Punkt ist das Versagen unserer Politiker, die wie Götter im Himmel schweben. Straßburg lebt im „himmlischen Licht“ der irdischen Götter, nicht im Licht der Aufklärung oder des „lumen“ der christlichen Kirchen. Das erinnert mich an Hölderlins wunderschönes, berühmtes Gedicht „Hyperions Schicksalslied“, das eigentlich in gestaffelter Schreibweise notiert werden muss, was mir aber beim Kopieren aus Wikipedia nicht gelingt. Dichter sehen „verdichtet“ und manchmal auch genauer, was ja neben der Schönheit der Sprache seit alters her den Wert der Dichtkunst ausmacht.   

Friedrich Hölderlin (1770-1843) 

Hyperions Schicksalslied
Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.

Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.
 

Wäre ich Pfarrer und stünde auf einer Kanzel, ich würde zum Politiker-Bashing übergehen. Ich darf „die Politiker“ sagen und meine „die Europa-Politiker“. Die nämlich haften mir in zivilrechtlicher Terminologie „gesamt-schuldnerisch“, d.h. ich darf mir einen von ihnen herausgreifen und ihn „bashen“. Der Beschimpfte  darf sich  dann, ganz im zivilrechtlichen Sinne, im Innenverhältnis der Politiker in Straßburg und Brüssel um Ausgleich bemühen, was von mir ja auch beabsichtigt wird, weil es dringend notwendig ist. Das Gesamtschuldnerische ist eine wunderbare Rechtskonstruktion, sehr beliebt und auch in der Lehre von der Erbsünde (peccatum originale) der Kirchen deutlich wiederzufinden. 

Frohe und gesegnete Weihnachten, Ihr H. Wedekind 

PS: Ich bin Mitglied der katholischen Pfarrei Liebfrauen in Darmstdt-Bessungen und emeritierter Professor für Informatik an der Universität Erlangen–Nürnberg. 

Einige Erläuterungen des Blog-Verwalters 

PEGIDA heißt Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes. Es ist die am meisten diskutierte Bürgerbewegung unserer Tage. Sie macht montags Umzüge, vor allem in Dresden, an denen jeweils über 10.000 Menschen teilnahmen, mit bisher steigender Tendenz. Sie ist das Thema aller im Fernsehen inszenierten Talkschauen. Deutsche Politiker, die sich dazu äußerten, erschienen etwas ratlos. Von ‚Nazis in Nadelstreifen‘ war die Rede. Alle sind bemüht, die Gruppierung einzuordnen, entweder rechts oder links von der eigenen Position. Die jüngste aller deutschen Parteien, die AfD, droht an der Frage der Annäherung zu zerbrechen. Ein Vorstandsmitglied (Gauland) war in Dresden, um aus entsprechender Nähe die Luft zu schnuppern. Ein anderes Vorstandsmitglied (Henkel) rät dazu, alle Papiere und Teilnehmerlisten genau zu analysieren. 

Da deutsche Politiker von dem inhaltlichen Thema, das die PEGIDA-Leute bewegt, offensichtlich überfordert sind, versucht Wedekind das Phänomen den Kirchen ans Herz zulegen oder gar den Europa-Politikern. Bei der Katholischen Kirche wäre Hoffnung angebracht, da Papst Franziskus schon in Lampedusa war. Die Mitglieder der EU-Kommission sind leider gerade erst dabei ihre Büros einzurichten. Die EU-Parlamentarier sind zu besorgt, dass ihnen die Papierzeitungen wegsterben, da eine Firma aus Kalifornien (Google) denen seit Jahren die Anzeigenkunden abjagt. Früher dienten Zeitungen auch den berühmten hinterlistigen Zwecken. Das kann aber nicht mehr als Motiv der EU-Politiker dafür angesehen werden, dass sie sich mit großer Mehrheit für das Wohlergehen von Papierzeitungen engagieren. 

Heute schickte Hartmut Wedekind folgenden Nachtrag:

Ich bin nicht alleine auf der Welt. Der Daniel Decker in der FAZ heute mit „
Schutz in Deutschland“ redet genauso. Wir müssen zu einem Politiker-Bashing übergehen. Selbstverständlich wird Pegida unterwandert, wie alle politischen Vereinigungen.

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