Das nachfolgend zitierte Schreiben
schickte Hartmut Wedekind heute an den Sächsischen Landesbischof Bohl, den er gestern
im Fernsehen gesehen hatte.
An den Landesbischof der Landeskirche Sachsens
Jochen Bohl
Sehr geehrter Herr Bischof Bohl,
Ich bin der Überzeugung, dass sich auch
die Kirchen das Problem PEGIDA zu leicht
machen. Ein einfaches PEGIDA-Beschimpfen ist darüber hinaus auch geistig wenig
anspruchsvoll und wird von jedermann heute leicht aus der Tasche gezogen. Der
Schuss geht dann auch, wie zu erwarten, nach hinten los. Die Zahlen steigen.
Das Flüchtlings-und Asylantenproblem ist
primär ein europäisches Problem, und dann in zweiter Linie ein nationales. Wenn
Sie das bestreiten, dann brauche ich gar nicht weiter zu reden. Bedenken Sie,
dass wir keine für die ganze EU geltende Flüchtlings- und Asylantenordnung
haben, weil die Politiker in Straßburg unfähig sind, eine solche zu generieren.
Hätten wir eine, wäre es zweifelhaft, ob sie überhaupt eingehalten wird. Eine
Ordnung mit Wirkung und einem rationalen Kern würde PEGIDA den Wind aus den
Segeln nehmen. Schauen Sie auf die Maastricht-Verträge mit ihren Defizit- und Verschuldungsgrenzen,
über die man heute nur milde lächelt.
Schauen Sie z.B. auf die Zuwanderungsregel, die besagt, dass Flüchtlinge zunächst in dem Aufnahmeland
registriert werden müssen. Flüchtlinge werden wie der Schwarze Peter herumgeschoben
und man streitet sich auch in Deutschland heftig um die Kosten. Das sind
„bashende“ Heuchler, die als Typ in der Bibel häufig vorkommen. „Phoney guys“
sagt man in Amerika, fast auch im Deutschen
selbsterklärend. „Wie fangen wir das an?“, heißt eine Frage in einem berühmten Text. Die gereimte Antwort:“ Wir stellen die Regel auf und
halten uns dran“.
Wo man hinschaut, eine Europäische
Ordnung in großen, wirklich essentiellen Fragen gibt es nicht. Europa ist etwas
für Kleinkram, z.B. Mautgerechtigkeit. Europa ist zentral-ordnungspolitisch
eine Trauerveranstaltung und ein Versager und kein Licht der Aufklärung mehr,
sondern ein Licht der Polit-Götter.
Jetzt kommt es, knüppeldick für die
einfachen Beschimpfer und Polit-Götter:
Wo es keine Ordnung gibt, gibt es auch
keine Gerechtigkeit und alles wandert sofort in die Barmherzigkeit ab. Nun
gelten aus dem Aspekt der logischen Begriffsbildung die Sätze „Wer gerecht ist,
ist nicht barmherzig“ und auch konträr „Wer barmherzig ist, ist nicht gerecht“. Der hochgebildete Thomas von
Aquin (Logiker und Theologe), der auch wusste, dass der biblische Satz „Gott ist gerecht und barmherzig“ als
Konjunktion logisch falsch ist, sagte in seinem Kommentar zum Matthäus-Evangelium
(5,2) auch in konträrem Sinne: „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist
Grausamkeit; Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung“.
Der hl. Thomas sagt uns Ordnungslosen, Modernen also, dass wir von
der Mutter der Auflösung begleitet werden. Es
dürfte klar sein, dass PEGIDA diese Auflösung nicht will, Sie
(hoffentlich) und ich übrigens auch nicht. Da haben wir schon eine wichtige
Gemeinsamkeit. Und die „Basher“ stehen im Regen, sogar logisch. Als ich Sie
gestern im Fernsehen sah, war ich tieftraurig. Eigentlich gilt der Satz “Wo Weihnachtslieder
gesungen werden, da ist das Abendland“. Bischöfliche Verdächtigungen lässt man
am besten vor der Tür, weil sie schlicht betrachtet unchristlich sind.
Der Punkt ist das Versagen unserer
Politiker, die wie Götter im Himmel schweben. Straßburg lebt im „himmlischen
Licht“ der irdischen Götter, nicht im Licht der Aufklärung oder des „lumen“ der
christlichen Kirchen. Das erinnert mich an Hölderlins wunderschönes, berühmtes
Gedicht „Hyperions Schicksalslied“, das eigentlich in gestaffelter Schreibweise
notiert werden muss, was mir aber beim Kopieren aus Wikipedia
nicht gelingt. Dichter sehen „verdichtet“ und manchmal auch genauer, was ja
neben der Schönheit der Sprache seit alters her den Wert der Dichtkunst
ausmacht.
Friedrich
Hölderlin (1770-1843)
Hyperions Schicksalslied
Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.
Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.
Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.
Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.
Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.
Wäre ich Pfarrer und stünde auf einer
Kanzel, ich würde zum Politiker-Bashing übergehen. Ich darf „die Politiker“
sagen und meine „die Europa-Politiker“. Die nämlich haften mir in
zivilrechtlicher Terminologie „gesamt-schuldnerisch“, d.h. ich darf mir einen
von ihnen herausgreifen und ihn „bashen“. Der Beschimpfte darf sich
dann, ganz im zivilrechtlichen Sinne, im Innenverhältnis der Politiker
in Straßburg und Brüssel um Ausgleich bemühen, was von mir ja auch beabsichtigt
wird, weil es dringend notwendig ist. Das Gesamtschuldnerische ist eine
wunderbare Rechtskonstruktion, sehr beliebt und auch in der Lehre von der
Erbsünde (peccatum originale) der Kirchen deutlich wiederzufinden.
Frohe und gesegnete Weihnachten, Ihr H. Wedekind
PS: Ich bin Mitglied
der katholischen Pfarrei Liebfrauen in Darmstdt-Bessungen und emeritierter Professor
für Informatik an der Universität
Erlangen–Nürnberg.
Einige Erläuterungen
des Blog-Verwalters
PEGIDA
heißt Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes. Es
ist die am meisten diskutierte Bürgerbewegung unserer Tage. Sie macht montags
Umzüge, vor allem in Dresden, an denen jeweils über 10.000 Menschen teilnahmen,
mit bisher steigender Tendenz. Sie ist das Thema aller im Fernsehen
inszenierten Talkschauen. Deutsche Politiker, die sich dazu äußerten,
erschienen etwas ratlos. Von ‚Nazis in Nadelstreifen‘ war die Rede. Alle sind
bemüht, die Gruppierung einzuordnen, entweder rechts oder links von der eigenen
Position. Die jüngste aller deutschen Parteien, die AfD, droht an der Frage der
Annäherung zu zerbrechen. Ein Vorstandsmitglied (Gauland) war in Dresden, um
aus entsprechender Nähe die Luft zu schnuppern. Ein anderes Vorstandsmitglied
(Henkel) rät dazu, alle Papiere und Teilnehmerlisten genau zu analysieren.
Da
deutsche Politiker von dem inhaltlichen Thema, das die PEGIDA-Leute bewegt, offensichtlich
überfordert sind, versucht Wedekind das Phänomen den Kirchen ans Herz zulegen
oder gar den Europa-Politikern. Bei der Katholischen Kirche wäre Hoffnung angebracht,
da Papst Franziskus schon in Lampedusa war. Die Mitglieder der EU-Kommission
sind leider gerade erst dabei ihre Büros einzurichten. Die EU-Parlamentarier
sind zu besorgt, dass ihnen die Papierzeitungen wegsterben, da eine Firma aus
Kalifornien (Google) denen seit Jahren die Anzeigenkunden abjagt. Früher dienten
Zeitungen auch den berühmten hinterlistigen Zwecken. Das kann aber nicht mehr
als Motiv der EU-Politiker dafür angesehen werden, dass sie sich mit großer Mehrheit
für das Wohlergehen von Papierzeitungen engagieren.
Heute schickte Hartmut Wedekind folgenden Nachtrag:
Ich bin nicht alleine auf der Welt. Der Daniel Decker in der FAZ heute mit „Schutz in Deutschland“ redet genauso. Wir müssen zu einem Politiker-Bashing übergehen. Selbstverständlich wird Pegida unterwandert, wie alle politischen Vereinigungen.
Heute schickte Hartmut Wedekind folgenden Nachtrag:
Ich bin nicht alleine auf der Welt. Der Daniel Decker in der FAZ heute mit „Schutz in Deutschland“ redet genauso. Wir müssen zu einem Politiker-Bashing übergehen. Selbstverständlich wird Pegida unterwandert, wie alle politischen Vereinigungen.
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