Mittwoch, 7. März 2018

Viele möchten, dass wieder regiert wird, Dorothee Bär und einige andere auch

Inzwischen ist es fast ein halbes Jahr her, seit das Wahlvolk gefragt wurde, von wem es regiert werden möchte. Bekanntlich war die Antwort nicht eindeutig. Sehr naheliegend erschien eine Farbkombination, die man Jamaika nannte. Als dieser Versuch an der unüberwindbaren Kluft zwischen Grünen und FDP scheiterte, empfahl der Bundespräsident, die Beziehung zwischen Union und SPD, Groko genannt, wiederaufleben zu lassen.

Groko, eine Art von Zwangsehe?

Die SPD sieht sich selbst als eine 150 Jahre alte Dame an. Mit ihr kann man nicht einfach herumspringen. Zuerst wurde sie von einem bärtigen Flagellanten dazu überredet, in sich zu gehen, um durch staatlich finanzierte Rehabilitation wieder zu Kräften zu gelangen. Nachdem sie ihren Freier des Wortbruchs überführt und abgeschüttelt hatte, befragte sie ihren Teil des Volkes, ob sie tun dürfe, was sie müsste. Rund 66 % reagierten vernünftig. Fast 34% taten es nicht. Sie folgten Kevin Kühnert, einem Jungsozi, dem das Land egal ist. Hauptsache die Partei vergnügt sich.

Jetzt kann die SPD aber immer noch nicht regieren. Sie muss weiter Nabelschau betreiben. Der amtierende Vorsitzende und die Designata müssen sich klarwerden, ob sie Sigmar Gabriel als Außenminister ertragen wollen. Der machte sich unbeliebt, als er seine 6-jährige Tochter zitierte. Er sei nicht teamfähig – so heißt es jetzt. Andrea Nahles meint damit, dass er sich von ihr nichts sagen lässt. Das muss jetzt aber in Ruhe geklärt werden. Deutschland darf warten, Europa auch.
Akteurin im Startloch

Andere Parteien haben diese Probleme nicht. Weder CDU noch CSU. Die CSU-Politikerin Dorothee Bär (*1978) ist Mutter dreier kleiner Kinder und Frau des Landrats von Hof. Sie ist designierte Staatsministerin für Digitales in der nächsten Bundesregierung. Als sie dieser Tage für die Heute-Nachrichten des ZDF interviewt wurde, legte sie so richtig los.

Auf die Frage der Journalistin Marietta Slomka nach dem lahmen Breitbandausbau in Deutschland, der insbesondere ländliche Regionen benachteilige, ging Bär nicht unmittelbar ein. Sie sagte vielmehr, dass man die Frage der Digitalisierung nicht auf die Breitbandfrage verengen dürfe. Man müsse weiter denken: "Kann ich mit dieser Infrastruktur, die wir dann haben, auch mal autonom fahren? Habe ich die Möglichkeit zum Beispiel auch mit einem Flugtaxi durch die Gegend zu können?"

Damit hatte sie natürlich die volle Aufmerksamkeit in den sozialen Medien erreicht. Programmieren müsse in die Lehrpläne der Grundschulen, es sei so wichtig wie Lesen und Schreiben. Ähnlich zu Sport und Musikgymnasien müsse es auch Digitalgymnasien geben. Wer wagt es da noch zu sagen, Doro Bär sei keine überzeugte, ja fanatische Digitalisiererin? Mir scheint es, dass da jemand vor lauter Enthusiasmus etwas den Blick auf die Realität verloren hat. Politikern sei dies verziehen. Ein paar Followers mehr ist doch ganz gut.

Sicht einer Fachgesellschaft

In dieser Situation ruht unsere ganze Hoffnung bei den Fachleuten. Sie sollten die Dinge richtig stellen. In einer Verlautbarung der Gesellschaft für Informatik (GI) von dieser Woche hieß es:

Denn digitale Bildung kommt nicht mit dem Möbelwagen. Der Fokus auf Ausstattung und Infrastruktur ist zu kurz gedacht. Die unangenehme Wahrheit ist: Der Handlungsbedarf bei der Lehrerqualifikation ist enorm. Die Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Bezug auf digitale Medien reicht nicht aus. Schulen brauchen auch Lehrkräfte mit fundierter informatischer Qualifikation. Wir können nicht erwarten, dass alle Lehrerinnen und Lehrer die gesellschaftlich erforderliche informatische Bildung zusätzlich in ihre Fächer integrieren können oder wollen.

Dazu ist zu bemerken: Manche Kollegen scheinen nicht akzeptieren zu wollen, dass unsere Technik ihre Anwendung und Verbreitung dadurch vergrößert, dass sie inzwischen Nutzer gewinnt, ohne dass Lehrer im Lieferwagen mit eingepackt werden müssen. Früher, d.h. vor 50 Jahren, da mussten Stöße von Büchern mit geliefert werden. Wo es ohne gute Ausbildung partout nicht geht, das ist bei der Entwicklung neuer Technik. Das scheint aber nicht gemeint zu sein. Das Bild des Möbelwagens ist auch etwas unpassend, da es sich in der Informatik heute um Produkte handelt, die man im Ohr tragen kann.

Realistische Perspektiven

Alle Versuche, einer bestimmten Technik durch staatliche Maßnahmen einen entscheidenden Impuls zu geben, sind meistens fehlgeschlagen. Das betrifft sowohl deren Akzeptanz wie ihre Breitenwirkung. Technik wird dann akzeptiert, wenn sie eine genügende Reife hat, um einen Bedarf verlässlich genug abzudecken. Die einschlägige Industrie muss dies machen. Eine reife Technik macht Investitionen in die Schulung von Nutzern überflüssig. Sie passt sich ihren Nutzern an. Entschließt sich die Industrie die gesamte Produktion in den Norden Chinas zu verlegen, wie es bei allen Smartphones geschehen ist, darf die politische Gesamtwetterlage dem nicht entgegenstehen. Wer viel mehr von der Politik erhofft, verplempert nach meiner Meinung nur seine Zeit.

Eine Technik kann für Spiele früher akzeptabel sein als für Anwendungen, von denen Leib und Leben abhängen. Betrachten wir als Beispiel die oben erwähnten ferngesteuerten Lufttaxen. Als Drohnen dienen sie heute vor allem als Spielzeuge. Als Träger von Kameras können sie auch sonst unzugängliche oder gefährliche Gebiete überfliegen und Erkundungsdaten liefern. Sie können auch Waffen oder Sprengladungen transportieren und zum Einsatz bringen. Ehe sie in großem Umfang für den Transport von Personen eingesetzt werden, können noch Jahrzehnte vergehen. Es sei denn, eine geschickte Propaganda betört den Verstand. Es wäre nicht das erste Mal, wie weiter unten ausgeführt.

Auch staatlich gesteuerte Schulungsmaßnahmen sind kein sicherer Faktor, was die Verbreitung einer neuen Technik betrifft. So sollen Länder wie Tunesien, aber auch Russland und Indien die Informatik-Ausbildung in Schulen weit vorangetrieben haben. Die so qualifizierten Menschen finden in ihrem Land jedoch nicht die Beschäftigung, die sie erwarten. In Tunesien löste ein Informatiker eine Revolution aus, indem er sich öffentlich verbrannte, da er keine adäquate Beschäftigung fand. Details beschrieb ich im März 2011 in diesem Blog. Anders ist es in Industrieländern, wo staatliche Bildungsmaßnahmen der dort aktiven Industrie helfen können. Bildungsapostel mögen mir diese ketzerische Sicht verzeihen.

Nächste zu erwartende Klagewelle

Der Gedanke an Flugtaxis ist auch deshalb für mich so beunruhigend, da er von derselben Blindheit geschlagen zu sein scheint, die das Anhimmeln des Automobils bewirkte. Derzeit wird ein Skandal nach dem andern ans Licht des Weltbewusstseins gebracht. Im letzten Jahrzehnt war es Kohlendioxid, dann der Feinstaub, jetzt sind es die Stickoxide.

Ein Problem, um das seltsamerweise noch keine Kläger sich kümmern, drückt sich in den folgenden Zahlen aus. In Deutschland sterben jeden Tag 10 Menschen in Verkehrsunfällen. Im Jahre 2016 waren es 3.214. In Europa waren es 25.500. Das waren 7% weniger als im Jahr davor. Dazu kommen in Deutschland etwa 135.000 Schwerverletzte. Was ist dagegen schon der Effekt von ein bisschen Stickoxid?

Die Klugheit unserer Politiker scheint sich darin zu erschöpfen, immer wieder auf die Arbeitsplätze zu verweisen, die sie schaffen oder beschützen. Donald Trump ist nur insofern etwas Besonderes, weil er sich vorwiegend um Arbeitsplätze im Rostgürtel der USA und der Rüstungsindustrie kümmert. Das Silicon Valley interessiert ihn nicht. Die Leute dort wählen ihn ja nicht.

Nachtrag vom 10.3.2018

Da ist doch in den Medien eine echte Diskussion über Flugtaxis ausgebrochen. Wird es sie wirklich geben? Sind sie die Zukunft der Mobilität? Oder alles Quatsch? Wie gut, dass wir Doro, die Flugtaxen-Ministerin, haben.

Nachtrag am 15.3.2018
 
Bei der gestrigen Ernennung der Regierungsmitglieder hat Bundespräsident Steimeier dazu aufgefordert, verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. „Es ist gut, dass die Zeit der Ungewissheit und Verunsicherung vorbei ist“, sagte er.  „Um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, wird ein schlichter Neuaufguss des Alten nicht genügen“, so Steinmeier.

7 Kommentare:

  1. Hartmut Wedekind schrieb: Ist die Doro Bär vom Typ „digitaler Utopist“ à la Richard David Precht? Mir sind digitale Konstruktivisten (schrittweise, zirkelfrei und alles explizit machen) lieber. Schwärmen ist etwas, wenn man in Wagner-Opern hört. Das ist aber eine ganz andere Kategorie.

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    1. Vielleicht will Doro Bär uns Techniker animieren, mehr zu wagen. War nicht auch John F. Kennedy in dieser Hinsicht aktiv, als er die Mondlandung zum nationalen Ziel erklärte?

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  2. Peter Hiemann schrieb: Die GI versucht, ihre Informatik-Vortellungen gleichberechtigt neben naturwissenschaftlch orientierte Themen in Schulen zu etablieren (nationale Bildungsstandards für Informatik). Nach meinem Verständnis sind Erkenntnisse des Fachs Informatik nicht vergleicbar mit naturwissenschaftlchen Erkenntnissen. Informatik ist eine technische Ingenieurtätigkeit vergleichbar mit Archtitektur, Bauwesen, Verkehrswesen, Medizintechnik etc. In Schulen kommt
    es darauf an zu verstehen, wie Computeranwendungen Ingenieurtätigkeiten und soziale Strukturen beeinflussen.

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    1. Im Prinzip gebe ich Ihnen Recht. Die Informatik bietet vor allem nützliche Fertigkeiten. Durch sie kann man leichter an Weltwissen gelangen. Für Orientierung oder Welterklärung geht man besser anderswo hin.

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  3. Neues aus der SPD: Deutschland bekommt einen neuen Außenminister. Heiko Maas (*1966) ist seit 2016 mit der Schauspielerin Natalia Wörner liiert. Außerdem nimmt er an Triathlonwettkämpfen teil. Amtsvorgänger Sigmar Gabriel verlässt die Politik. Franziska Giffey (*1978) bringt das ostdeutsche Element in die Regierung. Besondere Qualifikation: Bezeichnet Heinz Buschkowski als ihr Vorbild. Katarina Barley macht alles, was übrig bleibt.

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  4. Hier die langersehnte Regierung Merkel IV (Stand 9.3.2018, 10:00 Uhr):

    Kanzlerin (CDU, Dr. Angela Merkel)
    Auswärtiges, (SPD, Heiko Maas)
    Inneres plus Bau + Heimat, (CSU, Horst Seehofer)
    Justiz und Verbraucherschutz, (SPD, Dr. Katarina Barley)
    Finanzen, (SPD, Olaf Scholz, Vizekanzler)
    Wirtschaft und Energie, (CDU, Peter Altmaier)
    Arbeit und Soziales, (SPD, Hubertus Heil)
    Ernährung und Landwirtschaft, (CDU, Julia Klöckner)
    Verteidigung, (CDU, Dr. Ursula von der Leyen)
    Familie, Senioren, Frauen und Jugend, (SPD, Franziska Giffey)
    Gesundheit, (CDU, Jens Spahn)
    Verkehr und digitale Infrastruktur, (CSU, Andreas Scheuer)
    Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, (SPD, Svenja Schulze)
    Bildung und Forschung, (CDU, Anja Karliczek)
    Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, (CSU, Gerd Müller)

    CDU: 6 (inkl. Merkel), CSU: 3 SPD: 6
    Männer: 8 Frauen: 7

    Staatsminister: Digitales, (CSU, Dorothee Bär); Migration, Flüchtlinge und Integration, (CDU, Anette Wiedmann-Mautz); 2 Staatsminister Auswärtiges Amt (SPD ??)

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  5. Stefan Endres aus Frankfurt schrieb: Rein technisch betrachtet gibt es aktuell schon 2 produktreife Taxis eVolo aus Karlsruhe und eHang aus China. Ehang macht schon Personenflüge.

    Die Frage ist nur, ob es eine internationale Regelung der IATA geben wird, was die Versicherungen sagen werden und wie die Einbindung in der kontrollierten Luftraum erfolgt. Das kann schon kniffelig sein, weil die Taxis ja automom fliegen sollen. Ehang hat eine Art Mission Control, wovon sie die Taxis kontrollieren wollen.

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