In ihrer Sitzung am 4.7.2011 hat die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages ihre Handlungsempfehlungen zum Thema Urheberrecht verabschiedet. Allen Informatikerinnen und Informatikern möchte ich raten, diese Dokumente zu studieren.
Insgesamt kommt in ihnen sehr viel Rationalität und wirtschaftliche Vernunft zum Ausdruck. Einige der Internet-Puristen, vor allem aber die Anhänger der so genannten Piratenpartei dürften enttäuscht sein. Noch sind ja die Piraten nicht selbst im Bundestag vertreten. Möglicherweise hat ihre Agitation gegen das Urheberrecht in den Wahlkämpfen der letzten Monate sogar bewirkt, dass sich alle anderen Parteien bewusst von den Positionen der Piraten weg bewegt haben. Dass die so genannte Kreativwirtschaft (Filme, Musik, Software und Spiele) eine immer größere Bedeutung erlangt, wird voll anerkannt, ebenso dass sie meistens nicht ohne erhebliche Investitionen auskommt.
Die Empfehlungen sind in fünf Gruppen aufgeteilt, beginnend mit den Empfehlungen der Mehrheit der Kommission. Es folgen dann die Minderheitsempfehlungen der drei Parteien SPD, Grüne (zusammen mit Jeanette Hofman und Marcus Beckendahl) und Linke sowie Empfehlungen des Sachverständigen Padeluun. Hier die Überschriften der Mehrheitsempfehlungen:
- Bewusstsein für den Wert geistigen Eigentums fördern
- Regelung für die Privatkopie an die Herausforderungen des Internet anpassen
- Zurückhaltung bei regulatorischen Eingriffen üben
- Individuelle Lizenzierungsmodelle statt pauschaler Vergütung stärken
- Open Access für Wissenschaft und Forschung stärken
- Neue Vergütungsmodelle einführen
- Umgang mit Urheberrechtsverstößen angemessen und transparent regeln
Ohne auf diese Empfehlungen im Einzelnen einzugehen, möchte ich sagen, dass ich sie alle für sehr hilfreich halte und als angemessen ansehe. Gerade die erste Empfehlung kann ich nur begrüßen. Die Sensibilisierung für die Schutzbedürftigkeit und den Wert des geistigen Eigentums wird als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen. Deshalb sollen sowohl Schüler wie Studierende mit urheberrechtlichen Fragen konfrontiert werden, unter anderem durch die korrekte Darbietung urheberrechtlich geschützter Inhalte in Lehre und Forschung.
Von den Minderheitsvoten halte ich einige für sehr bemerkenswert, etwa die Empfehlung mit einer Kultur-Flatrate zu experimentieren (SPD), Remixes und Mash-ups zu entkriminalisieren (Linke) oder die Schutzdauer zu reduzieren (Grüne). Es ist jedoch kaum damit zu rechnen, dass sie in naher Zukunft geltendes Recht werden.
Dass die wahre Lösung nicht in schärferen Regeln gesehen wird, sondern in der Erprobung neuer Geschäftsmodelle durch die im Markt tätigen Partner, freut mich besonders. Das Google-Modell, alle Investitionen durch Werbeeinahmen zu finanzieren, ist zwar erfolgreich, es kann und sollte aber nicht das einzige bleiben. Dass der Zugang zu Informationen über die zur Anwendung kommenden Rechte vereinfacht werden muss, liegt auf der Hand. Auch sollte auf lizenzfreie Inhalte, wie sie durch Open-Source-Software und Creative-Commons-Lizenzen angeboten werden, verstärkt hingewiesen werden. Projekte wie Linux oder Wikipedia sollten auch weiterhin wohlwollende Unterstützung erfahren - und zwar auf der Basis des Urheberrechts und nicht im Widerspruch dazu.
Die generelle Richtung deckt sich auch mit den Empfehlungen der GI von 2006, in denen unter anderem den mit öffentlichen Mitteln finanzierten Forschern nahegelegt wird, verstärkt den Weg des ‚Open Acces‘ zu gehen, statt bei privaten Verlagen zu veröffentlichen.
Eine Neuerung im Verfahren gab es insofern, als im Februar 2011 eine Online-Plattform (Adhocracy) eingerichtet wurde. Über sie kamen insgesamt 30 Vorschläge für die Kommission von außen. Die Themen Netzneutralität und Datenschutz, die ebenfalls Teil der Kommissionsarbeit waren, wurden noch nicht abschließend beraten. Es soll in den nächsten Wochen geschehen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.