Donnerstag, 15. März 2012

Keine Karriere ohne Hilfe Dritter

Mit dem letzten Blog-Eintrag habe ich möglicherweise bei einigen Lesern den Eindruck erweckt, als ob ich in meiner Jugend und in den frühen Berufsjahren ein wahrer Selfmademan – um nicht zu sagen Trotzkopf oder gar Dickschädel – gewesen sei, der jedweden Rat und jede Hilfe ablehnte. Dem war nicht so. Das wissen alle, die mich kennen. Ich möchte deshalb hier eher das Gegenteil betonen: Niemand kann Karriere machen, wenn ihm seine Umgebung nicht hilft. Man muss dabei allerdings eine saubere Linie ziehen und darf sich nicht korrumpieren lassen. Dann darf man sogar die Namen nennen. Da man diese nicht blamieren will, folgt zwangsläufig, dass man gewisse Maßstäbe an sich selbst legt. Auch der Fall Christian Wulff erinnert an dieses Problem.

Im Grunde wurde ich – um es ehrlich zu sagen - in meiner Jugend sogar mehr geschoben, als dass ich selbst initiativ wurde. Mir wurden Türen geöffnet, von denen ich manchmal nicht wusste, dass sich dort eine Tür befand. Hindurch gehen musste ich dann selbst, sogar auf die Gefahr hin, dass ich dabei stolpern könnte.

Es begann in der einklassigen Volksschule. Der Lehrer ließ mich, wenn Rechnen anstand, schon nach einem halben Jahr mit der nächsthöheren Jahrgangsgruppe zusammenarbeiten. Nach drei Jahren empfahl er meinem Vater, mich im Gymnasium anzumelden. Da ich einen jüngeren Bruder hatte, war mein Vater bereit, ein Opfer zu bringen. Für das Fortbestehen des Hofes gab es eine Lösung.

Während meine Gymnasiallehrer nur verhältnismäßig geringen Einfluss auf meine Berufswahl und meinen Berufsweg hatten, war dies bei meinen Professoren an der Universität ganz anders. In einem Bericht [1] über meinen Studienaufenthalt in den USA schrieb ich:

Nichts hat meinen beruflichen Werdegang und damit mein Leben mehr beeinflusst als mein Studienaufenthalt in Amerika. Auch behaupteten meine Bonner Professoren, ich sei dadurch ein ganz anderer Mensch geworden als der, den sie vorher kannten, viel freier im Auftreten und klarer bei der Verfolgung meiner Ziele. Da dieser Schritt nicht einmal von mir ausging, zeigt sich hier, welche Rolle das Schicksal oder die Vorsehung spielen können. Oder sind es wohlwollende Mitmenschen, die sich als „lenkende Hand“ betätigen?

Mir wurde als einzigem Studenten im Semester ein Stipendiatsplatz angeboten, auf den das Institut einen traditionellen Anspruch erhob. Eine Rolle spielten dabei meine Noten im Vordiplom und meine Leistungen als studentische Hilfskraft, sowie die übrigen Qualifikationen, die meine Bewerbung im bundes- und fächerweiten Wettbewerb als erfolgversprechend erscheinen ließ.

In der Firma, in der ich 35 Jahre lang tätig war, wurden wichtige Personalentscheidungen nicht nach den gleichen archaischen Methoden getroffen, wie damals an der Universität. Es gab für alle Mitarbeiter einen so genannten Entwicklungsplan. Auch wenn Entscheidungen möglichst nicht von Einzelnen getroffen wurden, waren es jedoch immer Einzelne, die Verantwortung übernahmen.

Nur so entschied es sich, an welchen Projekten ich teilnahm, welche Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ich genoss, welche Auslandsabordnungen in Frage kamen und welche Führungsaufgaben mir schließlich anvertraut wurden. Ich weiß, dass auch in meinem Falle bestimmte (meist ältere) Kollegen ‚ihren Kopf hinhielten‘. Sie haben mir dies nicht gesagt. Erst recht haben sie damit nicht geprahlt oder – da sie sich ja auch irren konnten – mir keine Vorwürfe gemacht. Ich kann nur Vermutungen anstellen. Einige von ihnen leben nicht mehr.

Ich bin heute der Auffassung, dass diejenigen Kollegen und Vorgesetzten mich am meisten förderten, diejenigen waren, mit denen ich mich fachlich am meisten auseinandersetzte. Ich hütete mich stets, bei fachlichen Entscheidungen mich zu sehr danach zu richten, was ‚man‘ (vor allem mein Chef) für gut und richtig hielt. Der Betreffende konnte ja seine Meinung ändern, ohne mir zu sagen warum. Dann hätte ich dumm da gestanden.

In einem Falle hatte ich drei Jahre lang um ein Produkt gekämpft. Die Mitarbeiter hatten sehr gute Arbeit geleistet. Als Software-Produkt stellte es den Stand der Technik dar. Auf die Qualität konnten wir stolz sein. Inzwischen hatte die Hardware-Entwicklung enorme Fortschritte gemacht, so dass die zu Beginn des Projektes bestandenen Speicherlimitierungen wegfielen. Obwohl die Entwicklerkosten weitgehend hinter uns lagen, lagen andere Kosten vor uns, die ebenso groß, wenn nicht größer waren. Am Schluss musste ich mich geschlagen geben. Ein Executive der Firma meinte: ‚Herr Dresen, Sie haben sehr schön gekämpft, jetzt reicht es. Es gibt noch andere interessante Projekte.‘ Ich brauchte einige Zeit, um meine ‚Niederlage‘ innerlich zu verdauen. Derselbe Executive rückte später zum Vizepräsidenten auf. Bei Niemandem hatte ich es leichter, Gehör zu finden, in welchen Angelegenheiten auch immer.

Einem Fachkollegen von einer süddeutschen Universität hatte ich sehr früh gesagt, dass ich in einer wesentlichen fachlicher Frage anderer Meinung sei als er. Wir blieben dennoch Jahrzehnte lang im Kontakt. Er schätzte mein Urteil und wir tauschten uns über alle möglichen Fragen und Probleme aus. Ich nehme an, er wollte nicht nur Meinungen hören, die er bereits kannte.

Übrigens fielen mir gerade meine Notizen in die Hände, in denen ich mir stichwortartig aufgeschrieben hatte, welche Berufsberatung ich meinen Studenten gab. Es sind neun Themen, von Bewerben über Gehaltsfindung bis Auslandsstudium. Ich griff immer eines auf, wenn ich mit dem geplanten Stoff der Vorlesung schneller als üblich fertig war. Meine Zuhörer schätzten dies sehr. Studierenden aller Fakultäten rate ich daher dran zu bleiben, also diesen Blog mal wieder zu besuchen. Es lohnt sich. Wie immer, versprechen tue ich nichts.

Referenz

1. Der Artikel ist einer von 70 auf der CD Gunst und Kunst des Reisens. Sie wurde in meinem Freundes- und Bekanntenkreis verteilt. 

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