Freitag, 23. März 2012

Studieren ja, aber was und wo?

Ehe ich auf die Themen eingehe, die ich früher in meinen Vorlesungen mit meinen studentischen Zuhören diskutierte, will ich einen Fragekomplex aus dem Weg räumen, der für Studierende keine Relevanz mehr hat, dafür aber umso mehr für Abiturienten. Es beginnt mit der Frage, soll man überhaupt studieren. Erst daran ergibt sich die Frage des Studienfaches und des Studienorts.

Das Abitur ist keine Berufsausbildung. Die gewinnt man in praktischen Fächern bei uns durch eine Lehre. Es gibt einige Berufe, bei denen die Lehre (fast) das Abitur voraussetzt. Die so genannte gehobene Laufbahn im Staatsdienst (Inspektor) hat diesen Charakter. Wer lieber gleich Geld verdienen will, kann dies natürlich auch tun. Ich rate jedoch nicht dazu. Die 25 beliebtesten Ausbildungsberufe hat der Gewerkschaftsbund (DGB) im Netz gelistet. Falls die Abi-Noten gut genug zum Studieren (also besser als 3.0 im Schnitt) sind und man bereit und in der Lage ist, drei bis fünf Jahre lang auf eigenes Einkommen zu verzichten, dann sollte man studieren. Man beachte die beiden Bedingungen!

Über das Was, also die generelle Entscheidung, ob Arzt, Ingenieur oder etwas anderes, habe ich bereits ausführlich vor einigen Wochen diskutiert. Ich möchte daher nur einige Details nachtragen.

Ingenieure (oder Ingenieurinnen) gibt es in Elektrotechnik, Maschinenbau (dazu gehören Fahrzeug + Flugzeugbau), Verfahrenstechnik und anderem. Die Informatik nennt sich zwar nicht so, ist aber im Grunde auch Ingenieurtechnik. Sie hat sich bei uns einen Namen gegeben, der mehr an Mathematik als an Ingenieurwesen anklingt. Nur die Uni Stuttgart hat dies zu korrigieren versucht und hat neben der Informatik den Studiengang Softwaretechnik eingerichtet. Es ist ein schlechter Name (da ein Bautechniker etwas anders ist als ein Bau-Ingenieur) und ein Einzelfall geblieben.

Wer glaubt, dass man als Informatiker auch etwas von Betriebswirtschaft (BWL) verstehen sollte, der sollte Wirtschaftsinformatik studieren. Neben Wirtschaftsingenieuren (einer Kombination von allgemeiner Technik und BWL) beziehen sie die Spitzengehälter von allen akademischen Berufen. Die Gehälter sollten aber nicht den Ausschlag geben, sondern die Überzeugung, dass man es schafft, zwei Fächer zu beherrschen. Man steht dann zwar auf ‚zwei Beinen‘, sitzt aber leicht zwischen zwei Stühlen. Wer es aushält, profitiert davon.

Großes Interesse finden zurzeit Fächer wie Umwelttechnik und Biotechnik. Sie profitieren von einer gewissen Angst, die die Menschen ergriffen hat, dass viele Techniken auch schlechte Folgen haben können, etwa die Nukleartechnik. Um nicht ganz als Technik-Freak verschrien zu werden, liste ich noch einige Fächer, die man auch studieren kann. Beginnen möchte ich mit Betriebswirtschaft, ohne die kein Betrieb existieren kann. Daneben gibt es Volkswirtschaft, nur interessant, wenn man Politiker zum Beruf machen will. Dasselbe gilt für Soziologie. Für naturwissenschaftlich Interessierte gibt es Physik, Chemie und Biologie, die man von der Schule her kennt. Für Physiker gibt es kaum Berufe (seit die optische und die nukleare Technik ausgewandert bzw. in Verruf geraten sind), für Chemiker gibt es keine schönen Berufe. Ein verwandtes Studium, das da besser dran ist, ist das der Pharmakologie. Die Lehrberufe sind wichtig und (da generell im Staatsdienst) auch relativ sicher. Spezialisieren kann man sich auf Mathematik, Physik, Deutsch, Sprachen, Musik, Geschichte oder Sport. Soviel dazu.

Bei der Frage des Wo gibt es zunächst drei Antworten: Unis, Fachhochschulen (FH) oder Duale Hochschule. Beginnen wir von hinten.

Duale Hochschulen, früher Berufsakademien genannt, gibt es nur in Baden-Württemberg und Sachsen. Sie wurden von Firmen der Region gegründet, um jüngere und besser ausgebildete Leute zu bekommen als von den traditionellen Hochschulen (FH und Unis). Hinter vorgehaltener Hand sagt man noch, dass die Leute weniger verdorben sind. Es ist ein Erfolgsmodell. Die Firmen lernen die Leute gleich nach dem Abitur kennen. Man hat genügend Bewerber und nimmt nur die Besten. Für die Studenten hat es den großen Vorteil, dass sie ab 18 Jahren einen festen Arbeitgeber haben und nicht erst ab 23 Jahren. Gegenüber Leuten, die mit 23 Jahren von der Uni kommen, kennt man das Berufsleben bereits fünf Jahre lang. Man hat schon fünf Dienstjahre, wenn andere am Punkt Null anfangen. Die Firmen machten beste Erfahrungen mit dieser Ausbildungsform. Die Leute sind zielstrebig und praktisch. Die Nachteile sind dieselben wie bei FHs.

In allen technischen Fächern haben Abgänger von Fachhochschulen denselben, ja fast einen besseren Ruf als die Absolventen von Unis. Sie werden daher bei der Einstellung bevorzugt. Ein großes Problem besteht für die Absolventen darin, dass sie nicht promovieren können. Dies ist für Ingenieure weniger wichtig als für Mediziner oder Chemiker. Weniger als 10% aller Ingenieure promovieren. Es gibt trotz vieler Reformen immer noch keine Durchlässigkeit. Eine FH nennt sich heute meistens ‚Hochschule für Angewandte Wissenschaften‘, englisch ‚University of Applied Science‘. Der Name verrät zweierlei: Sie wären sehr gerne Universitäten. Sie machen keine (reine) Wissenschaft.

Zu den Unis gehen im Grunde alle unsicheren Kandidaten sowie die wissenschaftlich veranlagten. In den technischen Fächern ist dies etwa ein Drittel der Abiturienten. Für Medizin, Jura, Soziologie und Philosophie ist es die Mehrzahl. Außer in Medizin ist die Ausbildung nicht primär auf die praktische Berufstätigkeit ausgerichtet. Diese wird nur nebenher erwähnt. Der Schwerpunkt liegt auf Forschung (was immer man darunter versteht) und der akademischen Lehre. Dazu muss man wissen, dass Unis nicht nur ihren eigenen Nachwuchs ausbilden müssen, sondern auch den für Duale Hochschulen und Fachhochschulen. Für beide nimmt man als Dozenten gerne Leute mit Promotion. Um es überspitzt zu sagen: Das Uni-Studium ist die schlechteste Berufsvorbereitung, ist aber im Gegensatz zu den beiden Alternativen nach oben offen. Wer möchte schon gerne gegen eine (wenn auch künstliche) Wand rennen?

Die besten Technischen Hochschulen liegen in Süddeutschland, und zwar in München und Karlsruhe. Aachen und Darmstadt haben ebenfalls einen guten Ruf, aber nicht unbedingt in allen Fächern. Dortmund, Dresden und Berlin sind recht groß, haben aber nicht den Ruf der zuerst genannten. Der Ruf einer Uni hängt davon ab, wen man frägt. Hier war es die Sicht von Professoren. Diese beachten vor allem die wissenschaftliche Anerkennung ihrer Kollegen, aber auch die Zahl und die Ausstattung der Lehrstühle. An diesen Unis ist der Andrang von Studenten am größten. Die Zimmer sind knapp und teuer. Urteilen Studenten, kommt eine ganz andere Reihenfolge heraus. Es zählen dann die Studienbedingungen, nämlich das Verhältnis von Professoren zu Studenten (vor allem das Zahlenverhältnis), die Ausstattung der Bibliothek und des Rechenzentrums sowie das Wohnungsangebot. Dabei schneiden kleine Unis in kleinen Städten am besten ab, etwa Eichstätt und Ilmenau. Ostdeutsche Hochschulen haben oft beides, gute Professoren und gute Studienbedingungen.

Das Thema, wie man sich auf eine Stelle bewerben soll, kommt als Nächstes. Es ist eine Frage, die auch für das Studium sehr wichtig ist. Man muss nämlich alle Dinge von hinten denken. Bekanntlich kann Angela Merkel, die studierte Physikerin, das besser als viele andere Leute.

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