Am Schluss des vorhergehenden Beitrags stand der Hinweis, möglichst die Dinge vom Ende her zu denken. Das soll im Folgenden an einem Beispiel illustriert werden.
Hat man sich für ein Studium entschieden und einen Studienplatz erobert, neigt man dazu, zuerst einmal tief Luft zu holen und die neue Phase des Lebens zu genießen. Fast erscheint es einem übertrieben – wenn nicht überheblich, schon gleich an das Ende des Studiums zu denken. Das liegt ja noch vier oder fünf Jahre weg, also in ferner Zukunft. Aus der Sicht eines Erwachsenen sind fünf Jahre eher eine kurze Zeit. Rückblickend erscheinen sie sogar noch verkürzt. Jedenfalls ist es eine endliche Zeit und der Berufseintritt steht für fast alle unverrückbar im Raum. Natürlich gibt es die ‚ewigen‘ Studenten. Das ist jedoch die Ausnahme.
In der hier gewählten Betrachtungsweise dient ein Studium dazu, beruflich relevante Fähigkeiten zu erwerben sowie Fakten und Stoff zu liefern für den Lebenslauf. Gemeint ist der Lebenslauf, der als wichtigste Information über einen selbst der Bewerbung beigefügt wird. Dass für ein gutes Studium und einen spannenden Lebensabschnitt Zeit und Mühen erforderlich sind, ist klar. Allerdings – und hier kommt gleich der erste Fall von Wunschdenken vor – sollte der von einem jungen Menschen dafür zu erbringende Aufwand möglichst gering sein. Man soll möglichst keine Umwege oder Pausen einlegen. Man sollte gleich auf Anhieb klug sein und das Richtige tun. Alles, was ein Studium sonst noch bietet, – das Weg von zuhause, das Studentenleben, usw. – ist irrelevant. Es ist so zu sagen Privatsache. Mit gewissen Einschränkungen gilt dies auch für den Zugewinn an Allgemeinbildung, den ein Studium über das Abitur hinaus mit sich bringt. Dies ist – wie gesagt – das Ideal. Jeder vernünftige Mensch weiß aber, dass Ideale nicht von dieser Welt sind.
Fragt man sich, wer für die Bewertung von Lebensleistungen die Maßstäbe definiert, so lautet die Antwort: Es kommt darauf an, bei wem man sich bewerben will. Es ist nämlich ein himmelweiter Unterschied, ob man die Maßstäbe und Erwartungen eines Mittelständlers, einer Behörde oder einer Großforschungseinrichtung erfüllen will. Die Universitäten sind am besten, wenn es darum geht, ihre eigenen Anforderungen an den potentiellen Nachwuchs zu artikulieren. Will man nicht von der Schule wieder zur Schule zurück oder gar den Rest des Lebens an der Universität bleiben, dann muss man nach außen schauen. Man muss sich klar werden, welche potentiellen Tätigkeiten es für mich noch gibt. Anders ausgedrückt, man muss sich für seine Branche interessieren. Je früher man damit beginnt, umso besser.
Man kann sich dieses Wissen auf verschiedene Weisen besorgen. Der einfachste Weg: Man liest die Wirtschaftsteile von Zeitungen oder hört Nachrichten aus der Wirtschaft. Neben den traditionellen Medien (Papier und Fernsehen) spielt hier das Internet eine immer wichtigere Rolle. Man kann sehr selektiv die für einen selbst interessante Information abonnieren. Der nächste Schritt sind Firmen- und Messebesuche. Viele Lehrstühle organisieren Firmenbesuche. Die Informatik-Branche hat in Hannover in jedem Frühjahr einen festen Messetermin, die CeBit. Als Student gibt es ermäßigte Eintrittsgebühren. Die dritte Art, die Branche kennen zu lernen, erfolgt über Praktika. Man kommt für Wochen und Monate in eine Firma hinein und bekommt dafür noch Geld. Schließlich gibt es die Fachgesellschaften. Hier kann man sich von Fachmann zu Fachmann, oder von Fachfrau zu Fachfrau austauschen. Man ist nicht auf die offiziellen Kontakte und das besonders aufpolierte äußere Erscheinungsbild angewiesen.
Der Begriff einer Branche ist in jedem Falle genau definiert. Dafür gibt es Codes und Listen. Das gleiche gilt für Berufe. Wichtig ist es, genügend Unternehmen zu kennen, die Leute beschäftigen, die über die Qualifikation verfügen, die man selbst einst haben wird. Es können auch Behörden dazu gehören. Auch wenn man sich nicht einem Unternehmen anschließen will, – also als Selbständiger agieren will ̶ muss man dies wissen. Wenn man dies beherzigt hat, ist es unwahrscheinlich, dass man erst am Ende des Studiums damit beginnt sich klarzumachen, welche Firmen für einen in Frage kommen. Klären muss man nur, welche Firmen an einem selbst Interesse haben. Dazu muss man sich bewerben. Das gilt auch, wenn die Firma einen bereits kennt. Man hat dann lediglich einen Vorsprung.
Auf die Form der Bewerbung will ich hier nicht im Einzelnen eingehen. Dafür gibt es viele Anleitungen und Hilfen, unter anderem von der Bundesagentur für Arbeit oder vom Thieme-Verlag. Auffallend ist nur, dass sehr oft noch empfohlen wird, ein dickes Papierdokument zu erstellen. Wer das tut, hat sich in gewissen Branchen bereits disqualifiziert. Wenn eine Firma eine Bewerbung per Internet oder über ihre Homepage wünscht, ist jede andere Form ein Beweis dafür, dass man sich mit dieser Firma überhaupt nicht beschäftigt hat.
Um zu beschreiben, was eine Bewerbung enthalten muss, muss man sich in die Rolle dessen versetzen, der Bewerbungen liest. Das tun zunächst Sachbearbeiter einer Personalabteilung. Bei Firmen, die von Bewerbungen überschüttet werden, sortieren sie alle aus, die offensichtlich nicht näher geprüft werden müssen. Kommt eine Bewerbung in die engere Wahl, wird sie von einem Fachmann des betreffenden Arbeitsgebiets beurteilt. Der entscheidet dann, ob der Bewerber zum mündlichen Gespräch eingeladen wird. Diese Gespräche werden meist von mehreren Mitarbeitern geführt, entweder gleichzeitig oder getrennt. Bei manchen Neugründungen entscheidet der Firmengründer persönlich über alle Einstellungen.
Aus Sicht der Einstellenden soll ein Gespräch mit dem Bewerber bzw. der Bewerberin vor allem drei Fragen beantworten: (a) Kann er/sie die anstehende Aufgabe bewältigen? (b) Will er/sie das? (c) Passt er/sie zu uns?
Zu (a): Der Bewerber hat in den seltensten Fällen genau die anstehende Aufgabe schon einmal gelöst, höchstens eine ähnliche. Will man ihn nicht nur für eine Aufgabe sondern für länger einstellen, muss sein Können eine gewisse Breite verraten. Können setzt Wissen voraus, ist aber nicht dasselbe. Für einen Klavier- oder Tennisspieler ist klar, was damit gemeint ist. Eine Theorie für etwas zu kennen, heißt nicht, dass man die Sache auch beherrscht. Umgekehrt müssen wir viele Dinge können, für die wir keine Theorie besitzen, d.h. wir wissen nicht – oder brauchen nicht zu wissen ̶ warum es funktioniert. Das ist hart für manche Theorie-Fans und reine Akademiker, ist aber die Realität. Wissen kann nie allumfassend sein. Es veraltet oder wird ergänzt. Der Bewerber muss also bereit sein zu lernen. Lernen heißt Relevantes von Nicht-Relevantem (engl. nice-to-know) zu unterscheiden. Er muss analytisch denken können, d.h. er muss abhängige von unabhängigen Variablen unterscheiden können.
Zu (b): Man möchte niemanden zu einer Tätigkeit zwingen, die er nicht mag. Hat jemand eine natürliche Sympathie für die gewählte Tätigkeit, hat er einen großen Vorteil andern Menschen gegenüber. Diese Kollegen – so hieß es früher bei uns – sollten ihr Gehalt der Firma überweisen. Wessen Beruf auch sein Hobby ist, für den ist das Gehalt sekundär. NB: Bewerbern, die nicht nach dem Gehalt fragen, sollte man jedoch mit Skepsis begegnen. Entweder sind sie leicht so aufgeregt, dass ihnen derartige fundamentale Fehler passieren, oder sie werden von einem Geheimdienst oder Mitbewerber geschickt.
Zu (c): Jede Firma, die stolz auf sich ist, möchte ihren Stil beibehalten. Das drückt sich teilweise in Äußerlichkeiten aus. Mal ist es die Kleiderordnung, mal ist es der Sprachstil. Einem unbekannten Gegenüber das Du anzubieten, ist für einen Bewerber mehr als mutig. Hinter dem Stil verbergen sich sehr oft wichtige Überzeugungen, manchmal auch als Werte bezeichnet. Auch sie können sich ändern. Firmen möchten sich dafür aber die nötige Zeit nehmen und nicht Moden vom Markt einkaufen, d.h. durch Einstellung von Revolutionären.
Zum Schluss noch ein paar Ideen, was man gerne in seinen Lebenslauf schreiben möchte. Die Angaben sollten so konkret wie möglich sein, damit sie geglaubt werden. Hier soll nur die Art der Lebensleistungen angegeben werden. Neben den technischen Fachkenntnissen hat man auch einige betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse erworben. Man hat an einigen Projekten teilgenommen, bei denen Teamarbeit gefordert war. Die studentische Selbstverwaltung erforderte echte Interessenausgleiche. Politischen Themen gegenüber war man offen und nahm an Diskussionen teil. Demonstrationen und Straßenkämpfe waren damit nicht verbunden. Der Auslandsaufenthalt kostete zwar eine Verlängerung des Studiums, brachte aber wichtige Erkenntnisse. Vor allem die Sprachkenntnisse haben einen enormen Schub erfahren. Bei Leistungen in Sport und Kunst (inkl. Musik und Theater) sollte zu erkennen sein, dass das eigentliche Fachgebiet nicht unter dem Hobby zu leiden hat. Ansonsten sind Hobbies willkommen.
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