Trier ist bekanntlich
Deutschlands älteste Stadt. Ihre Römerzeit dauerte 450 Jahre, und zwar von 50
vor bis 400 nach Christus. Nach der Einmündung der Saar bei Konz bildet die Mosel
eine Schleife zur Eifel hin, die eine etwa 10 km breite, überschwemmungsfreie
Talaue freigibt. Die römische Stadt bedeckte die gesamte Talaue, während die
mittelalterliche Stadt sich auf etwa ein Viertel zurückzog. Heute ist wieder
das ganze Tal überbaut, wobei die südlichen Anhöhen weitgehend mit einbezogen
sind. Im Norden berührt die Mosel die Ausläufer der Eifel in Form einer
steilaufragenden Felswand. Die Stadt hatte in ihrer damaligen Spitzenzeit etwa
80.000 bis 100.000 Einwohner ̶ also mehr als heute ̶ und
war doppelt so groß wie Köln.
In
einem Blogbeitrag aus dem Juni 2012
hatte ich vor allem meine Beziehungen zu Trier beschrieben. Heute möchte ich
einige nicht uninteressante historische Details nachtragen, die meistens nur
Experten oder Einheimischen bekannt sind. Der römische Teil der Trierer
Geschichte umfasst zwei grundverschiedene Phasen, die des Militärlagers und der
Kaiserstadt. Als einer der drei Hauptstädte des damaligen Römerreiches spielten
sich in Trier in der Kaiserzeit einige weltpolitische Ereignisse ab.
Von
Caesars Siegesparade bis zur späteren Kolonialstadt
In seinem Bericht über den Gallischen Krieg (58-50 vor Chr.) berichtete Caesar von einem Oppidum der Treverer. Der genaue Ort ist nicht überliefert. In Frage kommen Ausgrabungsstätten wie Ötzenhausen auf dem Hochwald, Wallendorf an der Sauer oder der Titelberg bei Differdingen in Luxemburg. Ein Oppidum (lat. für Befestigung, Schanzanlage) war eine befestigte, stadtartig angelegte Siedlung der Kelten. Im Gegensatz zu den römischen Städten verfügte ein Oppidum weder über feste Steinbauten noch über gepflasterte Straßen. Nach mehreren Auseinandersetzungen war Caesars Feldherr Labenus im Jahre 51 vor Chr. in einer Reiterschlacht gegen die Treverer erfolgreich, was die Treverer zwang sich den Römern zu unterwerfen. Anschließend soll Caesar eine Militärparade im Gebiet der Treverer abgehalten haben.
Planskizze des
römischen Trier
Die
Gründung einer römischen Stadt mit Namen Augusta
Treverorum
(lat. für Stadt des Augustus im Land der Treverer) erfolgte im Jahre 16 v. Chr.,
während der Regierungszeit von Kaiser Augustus. Auch der Bau der ersten
Moselbrücke fiel in diese Zeit. Außer der Stammesgemeinschaft der Treverer
wurde hier eine römische Kolonialverwaltung angesiedelt. Es ist überliefert,
dass auch Truppenteile in der Stadt selbst (auf dem Petrisberg) stationiert
waren. Das
Gros des römischen Heeres lag vermutlich auf der Hunsrückhöhe bei Hermeskeil, etwa
15 km südlich von Trier. Hier wurden in den letzten 10 Jahren Spuren eines 30
Hektar großes Heerlagers ausgegraben, in dem nach dem Gallischen Krieg über
10.000 Mann stationiert waren. Es gab mehrmals Aufstände der Treverer ̶ so in
den Jahren 29 vor Chr., 21 und 70 nach Chr.,
̶ die alle niedergeschlagen wurden. Um 180 nach
Chr. erhielt Trier eine Stadtmauer mit vier gewaltigen Torbauten, von denen nur
das Nordtor (die Porta Nigra) erhalten ist.
Moselbrücke von Osten
Ausbau
zur römischen Kaiserstadt
Drei
Jahrhunderte lang war Trier eine von Beamten und Militär bestimmte Kolonialstadt
̶
etwa vergleichbar mit Augsburg oder Köln. Von 271 bis 273 war die Stadt die
Residenz eines gallo-römischen Gegenkaisers namens Tetricus I. Nach der im Jahre
273 von Kaiser Diocletian angeordneten Teilung des Reiches wurde Trier der Sitz
des für den gesamten Westen zuständigen Regenten. Diese Funktion hatte Trier
über 100 Jahre lang und wurde nun Treveris genannt. Zehn römische Kaiser hinterließen
mal weniger, mal deutlicher ihre Spuren. Ab 318 war Trier Sitz der Gallischen
Präfektur, einer der zwei obersten Behörden im Westen des Römischen
Reiches.
Römische Kaiser in
Trier
Wie
jede römische Kolonialstadt so verfügte auch Trier über ein rasterartiges Straßennetz
mit zwei Hauptstraßen (Decumanus und Cardo genannt), die die Stadt in vier Quadranten
aufteilte. Viele der großen Gebäude belegten einen ganzen Straßenblock (lat.
insula). Trinkwasser wurde von außerhalb über spezielle Bauwerke (so genannte Aquädukte)
zugeführt. Abwässer wurden in die Mosel geleitet. Die heutigen Verkehrsstraßen
der Stadt liegen etwa einen Meter über dem Niveau der Römerzeit. Der Grund ist kein
Absinken der alten Gebäude, sondern der sich auftürmende Trümmerschutt der Jahrhunderte.
Kaiserthermen
Fast
alle heute noch erkennbaren Monumentalbauten stammen aus der Kaiserzeit. Der kaiserliche
Palast selbst befand sich an der Stelle des heutigen Domes. Eine große Rolle im
Leben der Bürger spielten die der Körper- und Kontaktpflege dienenden Thermen. Das zum Baden
erforderliche warme Wasser wurde durch Verbrennen von Holz erzeugt. Als älteste
Therme gelten die zentral in der Stadtmitte gelegenen, erst in letzter Zeit
ausgegrabenen Thermen am Viehmarkt. Zu den größten Themen des Reiches gehörten die
Barbara- und die Kaiserthermen. Letztere wurden erst gegen Ende der Kaiserzeit
errichtet, wobei ein früher vorhandener Wohnbezirk abgerissen wurde.
Keine
steinernen Spuren hinterließen Einrichtungen wie die Palastschule (lat. schola
palatina). Sie war innerhalb des Kaiserpalastes untergebracht. Sie zog sowohl
Schüler wie Lehrer aus ganz Westeuropa an. Für die Ausbildung des Nachwuchs für
die Verwaltung war sie unentbehrlich. Gelehrt wurde in erster Linie Grammatik
und Rhetorik. Für die juristische Ausbildung erhielten italienische Schulen und Lehrer den
Vorzug, für Philosophie die griechischen. Gelesen wurden die Werke römischer
Klassiker wie Vergil, Ovid und Horaz. Ein sehr bekannter Schüler war Ambrosius (339-397), der
spätere Bischof von Mailand, der in Trier geboren wurde. Auch der spätere Mönch
und Kirchenlehrer Hieronymus (347-420) war um 375
für einige Jahre in Trier. Von ihm stammt die interessante Feststellung, dass
die Galater in Kleinasien die gleiche Sprache sprachen wie die Trierer.
Neumagener Weinschiff
Neben
dem Handel erlangten die Trierer Töpfereien (insbesondere die Terra Sigillata-Manufakturen)
einen beachtlichen Ruf. Auch in der Umgebung der Stadt Trier war römisches
Leben und römische Kultur präsent. Es gibt kaum einen Ort im Umkreis von 30 km
von Trier, wo nicht Ruinen römischer Landhäuser zu finden sind. Die Spuren
römischer Landwirtschaft stellen manches in den Schatten, was in den nächsten
Tausend Jahren in unserer Gegend zu sehen war. Gleiches gilt für Handwerk und
Verwaltung. Ehe die Fähigkeit des Lesens und Schreibens wieder denselben Grad
in der Bevölkerung erreichte, dauerte es noch wesentlich länger. Die größte bleibende
Bedeutung für die Region hatte die Einfuhr des Weinbaus im Moseltal. Das Weinschiff
aus Neumagen ist ein sehr eindrucksvolles Erinnerungsstück.
Volkszirkus
und Kaiserkult
Eine große
Anziehungskraft für die Masse der Bürger übten Sport und Unterhaltung aus. Dazu
dienten vor allem das Amphitheater und eine Pferderennbahn, auch Zirkus genannt.
Ihre Kapazitäten an Zuschauerplätzen lagen bei 20.000 bzw. 50.000, also etwa
der Hälfte der Stadtbevölkerung. Beide lagen westlich der Stadtmauern. Für die
Beamten am Hofe, also für die Elite der Stadtbevölkerung, spielte die kultartige
Verehrung des Kaisers eine besondere Rolle. Einige der namentlich bekannten
Einwohner des römischen Triers seien in diesem Zusammenhang erwähnt.
Rennfahrer Polydus
An
erster Stelle soll der Rennfahrer Polydus genannt werden. Seinem Andenken diente
ein monumentales Mosaik. Es stammt aus dem 3. Jahrhundert und befand sich in
einem Trierer Stadthaus, das im 4. Jahrhundert beim Bau der Kaiserthermen
abgerissen wurde. Es zeigt den jugendlichen Rennfahrer als Sieger eines Wagenrennens.
Sein Name deutet auf eine griechische Abstammung hin. Polydus lenkte ein
Quadriga-Gespann. Sein Leitpferd, ein Schimmel mit Namen Compressore, läuft beim
Rennen innen in der Kehre. Das schnellste Pferd läuft außen. Polydus ist bei
der Ehrenrunde dargestellt, die Siegestrophäen schwingend. Er hält nur die
Zügel des Leitpferds in der Hand. Die der übrigen Pferde sind um den Bauch
gebunden. In Rom und in anderen römischen Städten wurden Pferderennen von
kommerziell tätigen Rennställen bestritten. Sie fanden teilweise im
wöchentlichen Turnus statt. Die Parallelen zu heutigen Formel-1-Autorennen sind
verblüffend. Reste eines Pferdestalls und einer Rennbahn, die vermutlich
Trainingszwecken dienten, wurden erst vor kurzem bei Dudeldorf entdeckt, etwa 30
km von Trier entfernt [1].
Konstantinbasilika
Die von
Konstantin I. (dem Großen) erbaute Palastaula ist das einzige der übrig gebliebenen
Bauwerke, die direkt dem Dienst des Kaiserhofes dienten. Sie wird heute nach
ihrer Bauform als Basilika bezeichnet. Eine typische Veranstaltung umfasste
öffentliche Vorträge, bei denen die Verdienste des Kaisers herausgestellt wurden.
Eine solche Lobrede (ein so genannter Panegyrikus) auf Kaiser Konstantin aus
dem Jahre 311 ist überliefert, ebenso die Dankrede, die Ausonius im August 379
auf Kaiser Gratian hielt. Ausonius stammte aus Bordeaux und war 15 Jahre lang
in Trier tätig, zuerst als Erzieher des kaiserlichen Prinzen und später als
dessen Ratgeber und Hofbeamter. Sein Aufenthalt in Trier endete, als der erst
24 Jahre alte Gratian in Lyon bei einem Essen ermordet wurde. Dem Decimus
Magnus Ausonius war im August 2011 ein eigener Blogeintrag gewidmet.
Frühe Christen
in Trier
Sicher
nachgewiesen ist die Anwesenheit von Christen in Trier in der zweiten Hälfte
des dritten Jahrhunderts. Die Missionierung des Trierer Landes durch Schüler
des Apostel Petrus gehört ins Reich der Sagen und Legenden. Bischof Agritius (260-329), ein Zeitgenosse Kaiser
Konstantins I., war Teilnehmer einer Synode in Arles im Jahre 314. Nachdem Konstantin
im Jahre 313 das Christentum durch das Mailänder Edikt zur Staatsreligion
erhoben hatte, wurden römische wie keltische Kultstätten systematisch in
christliche Kirchen umgewandelt. Die ältesten Teile des Trierer Doms datieren
aus dem Jahre 326.
Keine
deutsche Diözese hat die gleiche Anzahl frühchristlicher Heiliger aufzuweisen wie
Trier. Die Trierer Bischöfe dieser Zeit ergriffen Partei in theologischen
Streitfragen und Richtungskämpfen, die das ganze Christentum erschütterten. Es
war Bischof Maximinus (290-346). der dem
Kirchenlehrer Athanasius von 335 bis 337 in
Trier Asyl gewährte, als dieser von Arianern verfolgt wurde. Der in Trier sehr bekannte
Bischof Paulinus (300-358) starb in
Kleinasien in der Verbannung, als die Arianer in Trier das Sagen hatten.
Kopf einer Kolossalstatue Konstantins
Es war
keineswegs so, dass Kaiserhaus und Bürger auf einen Schlag zum Christentum
übertraten. Fast alle Trierer Kaiser und die meisten ihrer Beamten blieben nominell
Anhänger der alten Götter, obwohl sie sich gleichzeitig christlichem
Gedankengut gegenüber öffneten. Ausonius ist ein typisches Beispiel. Bezeichnend
ist die Situation, in die der letzte der Trierer Kaiser geriet. Dem Kaiser Magnus Maximus, der durch einen Aufstand der in Britannien stationierten Truppen an die Macht gelangt war, wurden religiöse Streitigkeiten zwischen Christen zur
Entscheidung vorgelegt. Das führte dazu, dass er im Jahre 385 den der Irrlehre des
Manichäismus angeklagten Bischof Priscillian aus Avila und fünf seiner Anhänger zum
Tode verurteilte und hinrichtete. Dass der in Tours lebende, hochangesehene Abt
Martin nach Trier kam, um gegen diese Maßnahme zu protestieren, half nichts.
Germaneneinfälle
und Ende der Römerzeit
Im Jahr
275 wurde Trier zum ersten Mal durch marodierende Alemannen und Franken zerstört.
Weitere Einfälle von Germanen folgten. Um das Jahr 400 verließen Kaiser und Hofstaat
sowie die meisten Bewohner die Stadt. Die römische Verwaltung wurde zunächst
nach Autun in Burgund verlegt, später
weiter südlich nach Arles an der Rhone. Zwischen 410 und 435 wurde Trier mehrmals
von fränkischen Heeren verwüstet, ehe im Jahre 485 die gesamte Region in das
fränkische Reich der Merowinger eingegliedert wurde. Wie Zeitzeugen berichteten,
verfielen die römischen Villen und Kulturdenkmäler sehr schnell. Nach Aussage des Salvian von Marseille (400-475), einem
Mönch von der Klosterinsel Lérin, gingen die Bürger der Stadt Trier wie immer ihren
Tagesvergnügungen nach, während überall ein Bild des Untergangs und des Todes herrschte. An den typischen Trierer gewandt fügte er hinzu: 'aber Du verlangst nach Spielen' (lat. et tu circenses rogas).
Hinweis: Jedem Besucher Triers empfehle ich das Rheinische Landesmuseum sowie das Dom- und Diözesanmuseum. Soviel
Anschauungsmaterial über die Römerzeit findet man nirgendwo in Deutschland.
Zusätzliche Referenz
1. Elsenbast, D.: Ein außergewöhnlicher römerzeitlicher Befund in Dudeldorf. In: Beiträge zur Geschichte des Bitburger Landes 98, Heft 1-2015, S. 5-27
Zusätzliche Referenz
1. Elsenbast, D.: Ein außergewöhnlicher römerzeitlicher Befund in Dudeldorf. In: Beiträge zur Geschichte des Bitburger Landes 98, Heft 1-2015, S. 5-27
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