Es sind inzwischen 10 Jahre her, seit
ich mich zuletzt mit dem Thema Software als Industrie [1] befasste. Zehn Jahre
sind in unserer Branche eine lange Zeit, in der sich nicht nur technisch
Einiges geändert hat. Vor allem haben wir die 2008 durch die Banken ausgelöste
große Wirtschaftskrise hinter uns. Das Jahr 2006 wurde von der Bundesregierung
als Informatik-Jahr besonders hervorgehoben. Das motivierte die Kollegen
Manfred Broy, Matthias Jarke, Manfred Nagl und Dieter Rombach dazu, in der Form
eines Manifestes auf die Bedeutung von Software [2] hinzuweisen. Beide
Veröffentlichungen sollen quasi als Bezugsbasis gelten.
Software überall
Man kann kaum noch sagen, wo uns
Software nicht begegnet [3]. Die Schätzung in meinem Artikel von 2006 [1] über
die Anzahl von Software-Firmen dürfte um eine Größenordnung zu niedrig sein.
Allein in Deutschland gibt es vermutlich rund 50.000 Software-Unternehmen. Etwa
85% von ihnen bestehen aus einem Mitarbeiter, weitere 10% haben weniger als 10
Mitarbeiter. Sowohl die Zusammensetzung der Branche als auch die jeweilige
Spitzenformation ist sehr unstabil. Pro Jahr melden etwa 500 Software-Firmen
Konkurs an. Die Zahl der Neugründungen liegt in derselben Größenordnung,
vielleicht sogar höher. Der Vergleich, der in der nachfolgenden Tabelle
versucht wurde, leidet darunter, dass unterschiedliche Kriterien für die
Auswahl zur Anwendung kamen.
Führende deutsche Software-Häuser (nach Lünendonk)
Offensichtlich dominieren in der Liste
von 2003 die Firmen, die sich auf Software-Projekte konzentrieren. Im Jahre
2013 überwiegen die Firmen, die Software-Produkte anbieten. Firmen, die
vorwiegend Online-Dienste anbieten (wie Google und Facebook) fehlen in beiden
Jahren. Auch die Firma Apple ist ausgeschlossen, da sie ihre Software vorwiegend
mit Hardware gebündelt vertreibt. Es macht daher keinen Sinn, aus den Zahlen einen
Trend ablesen zu wollen. Auch die aktuellen Zahlen stellen nur einen kleinen
Bruchteil der Software dar, die heute im Markt angeboten wird.
Software-Cluster am Beispiel Jena
Dass Deutschland im Software-Geschäft
alles andere als eine zweite Geige spielt, ist weltbekannt. Niemand anderes als
Jim Cook, der CEO von Apple, sagte dieser Tage in einem Interview in der Washingten Post,
dass er sich gerade bemüht, besseren Kontakt zu SAP zu etablieren. Wörtlich sagte er: ‘They own three-quarters of the world’s
transactions, in terms of it running on their products’. Nur so viel zur Erklärung: Transaktionen sind ein
Pseudonym für ernsthafte Datenverarbeitung, bei der es um wertvolle Daten geht.
Durch meinen Kollegen Klaus Küspert wurde ich vor
einiger Zeit auf eine Veröffentlichung (von Guido Buenstorf·und Dirk Fornahl) hingewiesen, in der die Geschichte von Intershop
aufgearbeitet wurde. Wer es bereits vergessenen hat: Stephan Schambach und
Intershop waren nur eine von Deutschlands Raketen im Internet-Boom. Intershop
erreichte den Gipfel seines Aktienkurses und seiner Mitarbeiterzahl im März/April
2000. Ihr Börsenkurs stürzte von über 1400 auf unter 200 Euro. Die Firma existiert
weiter in Jena. Schambach ist weiter daran beteiligt, hat aber auch schon zwei
Nachfolgefirmen gegründet. In der Untersuchung werden 40 Firmen gelistet, die
von ehemaligen Mitarbeitern von Intershop gegründet wurden. Die Tabelle drückt
den Stand von 2008 aus.
Spin-offs der Firma Intershop aus Jena
Eine solche Cluster-Bildung ist nicht
untypisch für die Software-Industrie. Sie gibt es in Ballungsräumen wie
München, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt, Frankfurt, Aachen, Dortmund, Hamburg
und Berlin. Sie löst im Falle Deutschlands nicht das Problem, dass es deutschen Software-Firmen - mit der Ausnahme von SAP - sowohl an Finanzkraft wie an internationalem Ansehen fehlt.
Erfolgten im Falle von Jena einige der Spin-offs unfreiwillig, ist die Trennung einzelner Gruppen von großen Firmen oder die Kooperation zwischen mehreren kleinen Firmen meist freiwillig. Es drückt sich oft eine Form von Spezialisierung aus, indem wertvolle Spezial-Skills mehreren Unternehmen im Umkreis angeboten werden.
Erfolgten im Falle von Jena einige der Spin-offs unfreiwillig, ist die Trennung einzelner Gruppen von großen Firmen oder die Kooperation zwischen mehreren kleinen Firmen meist freiwillig. Es drückt sich oft eine Form von Spezialisierung aus, indem wertvolle Spezial-Skills mehreren Unternehmen im Umkreis angeboten werden.
Viele Diskussionen befassen sich mit der
Frage, welche Rolle Start-ups spielen, also Neugründungen von Firmen. Hier
machte die Stadt Berlin in letzter Zeit viel von sich reden. Viele
Branchenkenner aus Süddeutschland können darüber nur schmunzeln. Angeblich
sucht Wagniskapital in den letzten Jahren vor allem nach Anbietern von neuer Finanz-Software
(auch Fintech genannt). Was dabei für Berlin sprechen sollte, ist mir ein
Rätsel. Eine Sonderkonjunktur scheint es aber bei Computerspielen aus Berlin zu
geben. Laut Angaben des Wall Street Journals gingen allerdings in Berlin von 2014 auf 2015 das eingesammelte
Wagniskapital von 1,5 Milliarden Euro auf 520 Millionen zurück.
Software als Gut mit Wert
Wird in der Wirtschaft von Werten
gesprochen, landet man alsbald bei Geschäftsmodellen.
Als Basis für die folgenden Erläuterungen soll eine Definition aus dem Gabler Wirtschaftslexikon dienen:
Das Geschäftsmodell bestimmt, (1) was
eine Organisation anbietet, das von Wert für Kunden ist, (2) wie Werte in einem
Organisationssystem geschaffen werden, (3) wie die geschaffenen Werte dem
Kunden kommuniziert und übertragen werden, (4) wie die geschaffenen Werte in
Form von Erträgen durch das Unternehmen „eingefangen“ werden, (5) wie die Werte
in der Organisation und an Anspruchsgruppen verteilt werden und (6) wie die
Grundlogik der Schaffung von Wert weiterentwickelt wird, um die Nachhaltigkeit
des Geschäftsmodells in der Zukunft sicherzustellen.
Hier ist meine Liste mir bekannter
Geschäftsmodelle für die Software-Branche. Mit der Nummer 9 höre ich auf.
- Überlassung von Produkt-Lizenzen (mit/ohne Service) für Installation beim Nutzer. Microsoft und SAP haben dieses Modell perfektioniert und wurden groß damit.
- Ditto für Online-Nutzung (engl. Access only). SalesForce ist ein bekanntes Beispiel.
- Planungs-, Entwicklungs-, Installations- und Wartungs-Projekte nach Vorgabe durch andere Unternehmen. Nach diesem Modell operieren die meisten der 50.000 Firmen im deutschen Markt.
- Ausbildung und Beratung von Nutzern. Das schaffen nur Firmen mit anerkannter Kompetenz.
- Verbesserung der Absatzchancen für andere Produkte (z.B. Rechner-Hardware). So begann es bei Firmen wie IBM, Bull und Siemens. Nur Apple blieb diesem Prinzip treu und bündelt Hardware mit Software. Es wurde auf diese Weise die erfolgreichste Firma der Branche. Es wurden Spitzenumsätze und –gewinne erreicht. Man lieferte soeben das milliardste Gerät eines Typs (des iPhone) aus. Viele andere Branchen verbessern die Attraktivität ihrer Produkte durch ‚eingebettete‘ Software. Positive Beispiele sind die Werkzeugmaschinen- und die Flugzeugindustrie. Zum Mißkredit von Software sorgte in letzter Zeit die Automobilindustrie, insbesondere VW und Bosch.
- Erschließung neuer Vertriebs-, Verteilungs- und Wartungsmöglichkeiten. Die Firma Amazon begann mit dem Buchversand und ließ danach eine Einzelhandelsbranche nach der anderen alt aussehen.
- Verbesserung des Informationsflusses zwischen Kaufinteressenten und Warenanbietern, also zielsichere Werbung. Google hat erkannt, dass dank der Internet-Technik hier ein riesiges Potential erschließbar ist und hat sich darauf spezialisiert und weltweit konsequent durchgesetzt. Google verdiente dabei derart viel Geld, dass es jeden andern Software-Hersteller durch kostenlose Angebote aus dem Markt vertreiben kann, sofern es nur wollte.
- Ermöglichung von Folgegeschäften. Da Google Microsoft aus seinem ursprünglichen Geschäft (Nummer 1 dieser Liste) zu vertreiben scheint, sucht Microsoft Zugang zu neuem Umsätzen durch Verschenken von Betriebssystem-Software. Das Betriebssystem seinerseits informiert Microsoft, was auf dem Rechner läuft und bei welchen Anwendungen noch Geld zu verdienen ist.
- Verkauf von Firmenanteilen. Das ist der Weg, wie viele Wagniskapitalgeber Gewinn machen. Es hat auch die Firmengründer von Microsoft und SAP zu Milliardären gemacht. Meist wird der Schritt schon nach wenigen Jahren unternommen. Dann kommt es darauf an, ob die Personengruppe der Gründer Talent bewiesen hat, ob ihre technischen Ideen wirtschaftliches Potenzial haben und ob geschützte intellektuelle Rechte existieren. Das Beispiel der Göppinger Firma TeamViewer beweist, dass in Deutschland auch dieses Modell zum Tragen kommen kann (Die Firma wurde 2014 von dem Investor Permira für 870 Mio. Euro aufgekauft).
Ich möchte zunächst unterscheiden
zwischen dem intellektuellen und dem wirtschaftlichen Wert, den ein
(lauffähiges) Software-Produkt darstellt. Beide sind wichtig und sollten jeden
Informatiker interessieren. Der intellektuelle
Wert eines Software-Produkts wird bestimmt durch den Grad seiner
Originalität. Die Frage, die man stellen muss, lautet: Enthält das Produkt
Ideen, die den Stand der Technik weiterbringen? Der wirtschaftliche Wert ergibt sich aus der Beantwortung der Frage:
Was sind potentielle Nutzer willens dafür auszugeben, dass es ihnen ermöglicht
wird, die durch das Produkt geschaffenen Vorteile auszunutzen. Beide Werte
liegen auf unterschiedlichen Ebenen. Sie stellen verschiedenen Dimensionen dar.
Es gibt noch weitere Wertdimensionen, die in Frage kämen, die hier aber nicht in
Betracht gezogen werden sollen. Als Beispiele seien der gesundheitliche, der
erzieherische oder der unterhaltende Wert genannt.
Werden nur Qualität (im Sinne von
Fehlerfreiheit oder Zuverlässigkeit) oder Produktivität (bei der Erstellung)
diskutiert, kann man leicht perverse Ergebnisse erzielen. Qualität ist am
einfachsten zu erreichen, wenn es keine fremden Nutzer gibt. Die Produktivität ist
leicht zu steigern, indem man dasselbe macht, was man schon 100 Mal gemacht
hat. Kunden sind leichter zufrieden zu stellen, wenn sie ein Produkt geschenkt bekommen
als wenn sie dafür bezahlen müssen.
Im Gegensatz zu Lyrik und
schriftstellerischer Prosa kann Software seinen Wert innerhalb von Monaten oder
Jahren total einbüßen. Ein Software-Produkt muss zwei Formen von Lebendigkeit
besitzen. Es muss sich an die anvisierte oder vorgefundene Nutzerumgebung anpassen. Vor allem muss es angemessen reagieren in Bezug auf Ausdrucksform, Antwortzeit, Sprache und intellektuelles Niveau. Nutzer passen sich, im Falle eines für sie wertvollen Produkts in gewissem
Rahmen freiwillig an. Das Produkt muss sich auch verändern können, sobald sich die
Umgebung ändert, etwa durch neue Gesetze.
Selbstverständnis der Softwaretechnik
Einige Ideen bezüglich Software-Entwicklung, die sich bei mir herauskristallisierten,
habe ich in einen Blog-Eintrag im Februar diesen Jahres zusammengefasst. Ich nannte es meine 10 Grundthesen.
Eine davon geht auf die NATO-Tagung von 1969 in Rom zurück, über andere habe
ich in den 1990er Jahren veröffentlicht und vorgetragen. Auch bei meinem
eingeladenen Vortrag in Leipzig anlässlich der ICSE
2008 stand eine solche Idee im
Mittelpunkt. Dort sagte ich unter anderem:
Cost and productivity are key issues only where the value
of a product is ignored.
Das im Oktober 2005 anlässlich eines
Dagstuhl Workshops entstandene Manifest [2] ist außer von den vier Autoren noch
von weiteren 30 Kollegen unterschrieben. Das sind fast alle anwesenden Inhaber
von deutschen Universitätslehrstühlen in Softwaretechnik bzw. Software
Engineering. Wenn man berücksichtigt, dass Software Engineering erst seit der 1968er
Konferenz in Garmisch die Würde eines eigenen Studienfachs besitzt, ist diese
Zahl beachtlich. Die Klage der Unterzeichner, dass eine Stärkung der
akademischen Präsenz dringend erforderlich sei, ist durchaus verständlich. Wichtiger
ist es für mich, über eine Neuausrichtung nachzudenken. [Im nächsten Beitrag gehe ich auf dieses Manifest im Detail ein.]
Der Hauptgrund aber, warum ich dieses Manifest überhaupt erwähne, ist die Tatsache, dass darin der Begriff Wert überhaupt keine Rolle spielt. Das dort Gesagte gilt für Hobby- und Spiel-Software wie für ernsthafte Software gleichermaßen. Das Spektrum dessen, was Software umfasst, ist weiter enorm gewachsen. Den mathematischen Algorithmen oder Beispiel-Programmen, die bestenfalls 50 Zeilen oder eine Schreibmaschinenseite umfassten, stehen Programmsysteme im Bereich von Mega- oder Gigabytes gegenüber. Die Software, wie sie etwa von Google täglich genutzt und verwaltet wird, umfasst etwa zwei Milliarden Programmzeilen oder 50-100 Gigabytes. Ich überlasse es dem Leser abzuschätzen, wie vielen Buch- oder Bildschirmseiten dies entspricht. Dasselbe gilt für den Wert. Der Marktwert der Firma Alphabet (früher Google) liegt glatt eine Größenordnung über General Motors, der größten Autofirma Amerikas. Er wird im Kern durch dieses eine Programm bestimmt.
Der Hauptgrund aber, warum ich dieses Manifest überhaupt erwähne, ist die Tatsache, dass darin der Begriff Wert überhaupt keine Rolle spielt. Das dort Gesagte gilt für Hobby- und Spiel-Software wie für ernsthafte Software gleichermaßen. Das Spektrum dessen, was Software umfasst, ist weiter enorm gewachsen. Den mathematischen Algorithmen oder Beispiel-Programmen, die bestenfalls 50 Zeilen oder eine Schreibmaschinenseite umfassten, stehen Programmsysteme im Bereich von Mega- oder Gigabytes gegenüber. Die Software, wie sie etwa von Google täglich genutzt und verwaltet wird, umfasst etwa zwei Milliarden Programmzeilen oder 50-100 Gigabytes. Ich überlasse es dem Leser abzuschätzen, wie vielen Buch- oder Bildschirmseiten dies entspricht. Dasselbe gilt für den Wert. Der Marktwert der Firma Alphabet (früher Google) liegt glatt eine Größenordnung über General Motors, der größten Autofirma Amerikas. Er wird im Kern durch dieses eine Programm bestimmt.
Eine Reflexion persönlicher Art
Ein Kollege, der mich gut kannte, meinte
einmal: ‚Sie haben oft gute Ideen, nur dauert es meist etwas lange, bis Sie
draufkommen‘. Ich empfand dies im Prinzip als Kompliment. Ich bin mir der im
Nachsatz formulierten Einschränkung durchaus bewusst. Selbst 20 Jahre nach Ende
meiner Berufskarriere kommen mir manchmal Ideen, von denen ich sage, ach, wären
die mir doch früher gekommen. Um dieser Situation Rechnung zu tragen, begann
ich damit diesen Blog zu führen.
Weitere Referenzen
- Endres, A.: Geschäftsmodelle und Beschäftigungspotenziale der Software-Industrie. Informatik Forsch. Entw. 21,1/2 (2006), 99-103
- Broy, M., Jarke, M:, Nagl, M., Rombach, D.: Manifest: Strategische Bedeutung des Software Engineering für Deutschland. Informatik Spektrum 29.3 (2006), 210-221
- Broy,M., Endres,A.: Informatik überall, jederzeit und für alle. Informatik-Spektrum 32,2 (2009), 153-162
Klaus Küspert aus Jena schrieb:
AntwortenLöschenJena ist in der Tat eine der recht wenigen "Wirtschaftsperlen" in den östlichen Bundesländern und das beruht zumindest teilweise auf der Rolle als IT- und insbesondere als E-Commerce-Standort. Letzteren wiederum gäbe es nicht ohne die Intershop-Gründung vor knapp 25 Jahren (NetConsult, daraus wurde dann Intershop).
Intershop selbst hat sich bis heute nicht völlig erholt von den schwierigen Zeiten ab 2001, aber über 300 Mitarbeiter - vorwiegend in Jena - sind nicht zu vernachlässigen. Mittlerweile ist Jena, oftmals E-Commerce-veranlasst, auch ein Standort von T-Systems, Accenture, Salesforce, Adesso und weiteren Bekannten geworden - von den vielen direkten Spin-offs aus Intershop, wie im Blogtext erwähnt, ganz zu schweigen (mehrere von ihnen liegen heute jeweils bei 100+ Mitarbeitern).
Stadt und Region haben somit die wirtschaftlichen Einbrüche nach 1990/91 (Kombinat Carl Zeiss) und 10 Jahre später - in wesentlich bescheidenerem Maße - bei Intershop gut überstanden und zur Grundlage neuen wirtschaftlichen Durchstartens gemacht. Politische Kontinuität (nur zwei OBs über die letzten 25 Jahre) und erfolgreiche externe Engagements (Lothar Späth u. a.) trugen und tragen ebenfalls dazu bei.
Einer der höchsten prozentualen Akademikeranteile unter deutschen Städten und dies natürlich nicht erst seit der Wende: Vor allem Zeiss, Schott, die Universität sowie DDR-Akademieinstitute legten hierfür schon vorher über Jahrzehnte und teilweise länger die Grundsteine. Als "Zugereister" erst der 1990er Jahre kann ich es vielleicht so sagen, ohne dabei allzu sehr in den Verdacht der Voreingenommenheit aufgrund lokaler Wurzeln zu geraten.
Hartmut Wedekind aus Darmstadt schrieb:
AntwortenLöschenSoftware Engineering ist doch fast so vielfältig und variantenreich wie der Maschinenbau. Für den Maschinenbau finde ich Klassifikationen (von Hebezeugen bis zum Fahrzeugbau, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben), für Software Engineering nicht. Wie kommt das? Leute von Bitcom müssten doch so etwas leisten. Was hat ERP-Programmierung mit Netzmanagement zu tun? Nichts, es sei denn man kann beides in einem Klassifikationsbaum ableiten.
Ihre Frage lässt sich auf zwei Arten beantworten: (1) Wie kam es zur heutigen Situation? (2) Wie könnte und sollte es sein? Zu beidem nur ein paar Gedanken.
Löschenzu (1): Neben der Computer Science (= Hardware) hätte man gerne eine Software Science gehabt. Den Namen hatte Maurice Halstead leider schon 1977 belegt. Engineering mögen Amerikaner nicht. Es sei Handwerk und keine Wissenschaft. FL Bauer setzte sich über diese Feinheiten hinweg.
Zu (2): Software ist das bearbeitete Material, genau wie bei der IG Metall oder der IG Chemie. Die einen tragen blaue Arbeitskittel, die anderen weiße. Besser ist es, sich am Zielprodukt auszurichten. Genau dafür plädiere ich ja. Eine gute Klassifizierung ist mir noch nicht begegnet.
Ein Vergleich, der mir oft einfällt, ist der mit dem Schreiben. Einst gab es Schreiber nur in Klöstern und auf Märkten. Damals zählte vor allem Produktivität und Qualität. Seiten pro Tag und Fehler pro Seite waren die Messkriterien. Mein Kollege Tom Simpson aus Maryland wunderte sich 1969, als diese Art von Metriken der letzte Schrei der Softwaretechnik werden sollte. Einige Uni-Professoren wollten es aber so.
LöschenKlaus Küspert aus Jena schrieb:
AntwortenLöschenIm Falle Berlins, so denke ich, geht es in der Tat ganz stark auch um die Attraktivität der Stadt, also ihre Anziehungskraft für die junge Generation und dabei nicht zuletzt aus dem Ausland. Da punkten natürlich etwa München, Berlin und (wenige) andere deutsche Städte. IBM hat ja sein neues Watson Kompetenzzentrum in München angesiedelt - das "zieht", trotz hoher Lebenshaltungskosten.
Die jüngste E-Commerce-Firma NewStore, die Stephan Schambach gründete, hat ihre Entwickler vorwiegend in Berlin und die meisten von ihnen kommen aus dem Ausland. Da tun sich Walldorf, Stuttgart oder Furtwangen naturgemäß vielleicht etwas schwerer in jenem Standortwettbewerb der 2010er Jahre.
Wer Software-Entwicklung nur als eine gehobene Form von Hippie-Unterhaltung ansieht, für den gilt Ihr Argument. Gute und originelle Ideen können auch von Walldorf, Böblingen oder Göppingen aus ihren Weg in die Welt finden.
LöschenDie Zahlen über Googles Software im Suchmaschinenbereich sind einem Beitrag [1] in den Communications der ACM entnommen. Ich habe 2 Mrd. LOC mit 25-50 Zeichen pro Zeile angesetzt und kam auf 50-100 GB. Das tatsächliche Datenvolumen beträgt allerdings 86 TB (Stand Januar 2015). Da gehören mehrere Backup-Versionen, die ganzen Änderungspfade sowie die ganzen Werkzeuge und Testdaten dazu. Die Software für das Betriebssystem Android ist nicht darin enthalten, weil diese später von außen dazugekauft wurde und in einem eigenen System verwaltet wird. Die Umrechnung in Seiten ist einfach, nimmt man 50 Zeilen pro Seite an: 2 Mrd. LOC durch 50 ergibt 40 Mill. Seiten. Ich möchte nicht auch noch berechnen, wie viele Bäume daran glauben müssten, wollte man diese Seiten nur ein einziges Mal auf Papier ausdrucken.
AntwortenLöschen1. Potvin, R., Levenberg, J.: Why Google stores billion lines of code in a single repository. CACM 59,7 (July 2016), 78-87
Der Marktwert von Alphabet (früher Google) liegt zurzeit bei rund 535 Mrd. US$, der von GM bei 49 Mrd. Die Firma Daimler ist 66 Mrd. US$ wert.
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