Schon mehrmals habe ich mich mit dem
Erscheinungsbild und dem Selbstverständnis der modernen Physik befasst. Ich
berichtete sowohl über die Meinung von einigen prominenten Physikern (Rothman und andere) wie über die populistische Kritik eines Außenseiters
(Unzickers Tiraden). Es wirkt gerade zu erfrischend zu sehen, dass die moderne Physik
sehr inspirierend wirken kann für Autoren, die nicht aus der Physik stammen.
Manchmal können Insider von Außenstehenden lernen.
Eines Krakeelers angekratzte Platte
Wenn ich jedes Buch einzeln bezahlen
müsste, das mir im Rahmen meines Skoobe-Abos angeboten wird, würde ich viel
weniger lesen. Jetzt kostet es mich nur die Zeit. Bei Alexander Unzickers
zweitem Buch wollte ich nur hineinschnuppern. Dann las ich es doch vollends zu
Ende. Es heißt: Auf dem Holzweg durchs
Universum. Warum sich die Physik verlaufen hat. (Erschienen 2012, 253 Seiten).
Manche Fragen, die Unzicker stellt,
stellen sich alle Physiker. Sie sind halt unbeantwortet. Vier Beispiele vorweg:
Warum ist Gravitation so schwach? Können sich Naturkonstanten ändern? Woher
kommt Masse? Warum kann das Elektron nicht kugelförmig sein? Bei Unzicker
entsteht der Eindruck, dass er in der Physik eine Entwicklung vermutet, wie sie 1870 in der katholischen Kirche nach dem ersten vatikanischen Konzil eintrat. Es
setzte sich die Meinung einer Mehrheit durch. Die unterlegene Minderheit zog
sich zurück (oder löste sich von der Kirche). Das Ereignis, das die Physik
spaltete, war die berühmte (fünfte) Solvay-Konferenz von 1927. Es
setzten sich Niels Bohr, Max Born, Werner Heisenberg und andere durch, das so
genannte Kopenhagener Modell. Die Fragen, die Albert Einstein, Erwin
Schrödinger und Paul Dirac beschäftigten, wurden zur Seite geschoben. Einstein
wollte keinen Zufall, Dirac spekulierte über große magnetische Monopole, Schrödinger
sah nur Wellen, aber keine Partikel. Die Kopenhagener Gruppe sei Schuld daran,
dass es heute kein einheitliches Bild der Physik gäbe. Ein Beispiel für diesen
Irrweg sei die Stringtheorie.
Die Stringtheorie ist auf dem Weg zur
Esoterik. Sie erinnert mehr ans Messen lesen als ans Messen. Auch die ‚Loop
quantum gravity‘ eines Lee Smolin ist nicht besser.
Eine Aussage sei als Beispiel
herausgegriffen. Richard Feynmans Quantenelektrodynamik (QED) würde heute als
sehr erfolgreich angesehen. Sie gäbe aber keine Erklärungen, warum etwas
geschehe, etwa warum elektromagnetische Felder aus einem Elektron-Positron-Paar
spontan entstehen. Feynman habe diese Lücke in der Theorie der Elektrodynamik
selbst zugegeben. Die Quantenfeldtheorie (QFT) sei wie die Stringtheorie. Sie
sei nicht falsifizierbar. Als völlig offen sieht Unzicker die Frage: Wie wird
eine Welle zum Teilchen?
Wer Quantenmechanik und
Elektromagnetismus vereinigen will, muss beides besser verstanden haben als
Feynman.
Seit den 1930er Jahren würde für jeden
neuen Effekt ein neues Teilchen definiert bzw. gefordert. Kraft würde nur
erklärt als ein Austausch von Teilchen. Heute umfasst der ‚Teilchenzoo‘ 70-80
Teilchen. Zuletzt kam das Higgs-Teilchen dazu. Diese ganze Richtung gefällt
Unzicker nicht.
Der zweiter Hauptsatz der Thermodynamik
gilt vor allem in der Physik. Es gibt immer mehr Teilchen und immer mehr
Unordnung.
Unzickers zweites Gebiet ist die
Astrophysik. Er habe das Gefühl etwas nicht verstanden zu haben, sobald von
Dunkler Energie, Quarks, Schwarzen Löchern und Neutrinos geredet würde. Die Kosmische
Inflation, die eine zentrale Rolle für die Erklärung der Entstehung des Kosmos
spiele, sei ein Ereignis gewesen, das 10 hoch minus 35 Sekunden nach dem Urknall
stattfand. Es sei daher völlig unbeobachtet gewesen.
Die Vorstellung, dass die Welt einfach
sein muss, war einmal weit verbreitet. Sie ist es nicht mehr. …Eine Theorie ist
umso besser, je weniger freie Variable sie benötigt (Ernst Mach)…Auf den
Autobahnen der Wissenschaft wächst nicht viel Kreativität. In Big Science fehlen
die Geistesblitze; es wird zuviel nachgeplappert.
Ernst Mach (1838-1916)
wollte alle kosmischen Kräfte berücksichtigt haben, um den Begriff der Masse zu
erklären. Was hat die Gravitationskonstante G mit der Masse im Universum zu
tun? So fragt Unzicker. Die Dunkle Materie sei sehr seltsam definiert. Bei der Kollision
von Galaxien kollidiere die Dunkle Masse nicht. Sie verklumpe im Zentrum der
Galaxie. Die Dunkle Energie sei genau passend definiert, dass die Gravitation
nicht zu stark wird. Das klinge nicht sehr überzeugend. Schon Einstein fragte
sich, ob die Lichtgeschwindigkeit wirklich konstant sei. Der amerikanische
Physiker Robert Dicke
(1916-1997) hatte 1957 vorgeschlagen anzunehmen, dass Licht sich im gekrümmten
Raum mit variabler Geschwindigkeit bewege. Alle Massen des Weltraums trügen zum
Brechungsindex bei. Je mehr Masse im Raum, je langsamer wäre Licht. Was aus
dieser Idee wurde, verrät Unzicker uns nicht.
Unzicker glaubt, dass viele
physikalische Fragen überzeugendere Antworten fänden, wenn Experimente reproduziert
werden könnten, oder, wo dies nicht geht, zumindest die Ergebnisse von
Experimenten frei im Netz verfügbar seien. Das scheint nichts als Wunschdenken
zu sein.
Nachdem ich das Buch gelesen hatte, wies
mich mein Freund und Nachbar Hans Diel auf eine Rezension im
Spektrum der Wissenschaft hin. Sie
ist sehr kritisch und deckt sich weitgehend mit meiner Meinung. Der letzte Satz
lautet:
[Ich] hoffe nur, dass die angekratzte Platte nicht ein drittes Mal
aufgelegt wird. Nicht nur in der Physik, sondern auch in anderen
Fachgebieten, wird die Auswahl von Forschungszielen dadurch beeinflusst, was
gerade als Modethema gilt, wofür es öffentliches oder privates Geld gibt, und
was im Hinblick auf eine akademische oder sonstige Karriere als erfolgversprechend
angesehen wird. Daran wird Alexander Unzicker so schnell nichts ändern.
Einer Philosophin ultimative Hoffnung
Eigentlich wollte ich Unzickers zweites
Buch hier gar nicht mehr erwähnen. Als ich einige Wochen später Natalie Knapps
Buch las, drängte es sich auf quasi als Gegenstück. Knapp (*1970) hat in
Freiburg Philosophie studiert. Sie war einige Zeit in der Kulturredaktion des SWR
in Baden-Baden tätig, ehe sie nach Berlin zog. Das Buch heißt Der Quantensprung des Denkens. Was wir von
der modernen Physik lernen können. (Erschienen 2011, 275 Seiten).
Es faszinierte mich zu sehen, wie
jemand, der aus der Philosophie kommt, sich bemüht, eine Brücke zu bauen
zwischen Philosophie einerseits und Physik andererseits, ja zwischen Geistes-
und Naturwissenschaften. Auch das Thema hat mich schon öfters beschäftigt.
Besonders an die Sicht von Manfred Eigen und Friedrich Dürrematt werde ich hier erinnert. Die Berührungspunkte von
Philosophie und Biologie, die meinen Freund Peter Hiemann
so sehr interessieren, sollen hier außen vorbleiben.
Seit es die Kopenhagener Interpretation
der Quantenphysik gibt, ist für viele den Naturwissenschaften zuneigende
Menschen eine Grenze überschritten worden – nicht nur für Alexander Unzicker.
Für andere rücken Physiker und Philosophen endlich etwas zusammen – so sieht es
Natalie Knapp. Die Quantentheorie vereinige die reale Welt mit der immateriellen,
also der 'geistigen' Welt. Als Kronzeuge wird Werner Heisenberg bemüht. Seine
Unschärfe-Relation reiße endgültig die Mauer herunter zwischen Physik und
Geist, zwischen toter Materie und dem Lebendigen, zwischen vergangener materialistischer
Erstarrung und dem modernen Heute. Das klingt mir alles reichlich euphorisch. Daher
das Ganze nochmals im Detail.
Nicht alles, mit dem sich Physiker
beschäftigen, setzt Materie voraus. Lange meinten auch Physiker Wellen
benötigten Äther als Träger, da wo es weder Wasser noch Luft gibt. Sie haben
sich davon gelöst. Es gibt immaterielle Felder, wie schon Michael Faraday
erkannte. Elektromagnetische Wellen breiten sich auch im Vakuum aus. Sind sie
deshalb Geist? Wohl doch kaum. Niels Bohrs Komplementaritätsprinzip verlangt,
dass einzelne Teilchen sich angeblich frei entscheiden, ob sie lieber Welle
oder Partikel sein wollen. Ihr Zustand reflektiert eine Wahrscheinlichkeit.
Wenn sie nicht beobachtet sind, verhalten sie sich wie der Teil eines Systems.
Beim Messen kollabiert die Welle der theoretischen Möglichkeiten. Es tritt ein
‚reales‘ Teilchen in Erscheinung. Ist das eine Form von freiem Willen? Verfügen
Teilchen über einen ̶ wie auch immer
gearteten Willen?
Die Quantentheorie hat es Natalie Knapp
angetan. Quanten heißen auch Photonen. Im Gegensatz zu Elektronen besitzen sie keine
Masse, sind also keine Materie im engeren Sinne. Photonen erzeugen beim Doppelspaltexperiment
Streifen. Diese verschwinden bei der Beobachtung. Durch die Quantentheorie würde
der Materialismus endlich überwunden, meint Knapp. Alles sei nur Gewebe; alles sei
mit allem verwoben. Das Atom stelle ja nur eine Ansammlung von Bewegungen im
leeren Raum dar, ein Schwanken zwischen Existenz und Nicht-Existenz, ein
energetisches Gewebe. Was ist es dann anders als unsere Gedankenwelt? Eine
Brücke zwischen Materie und Geist würde sich auch in einem Zitat von Anton Zeilinger (*1945) andeuten: Materie ist
Information. Es erschließt sich nur das, wonach wir fragen. Da schon Plato
Ideen höher schätzte als Realität, seien auch wir nicht an den Materialismus
gebunden. Die Idee einer Sache sei die Abstraktion ihrer Eigenschaften. Dieser
Gedanke des Aristoteles erscheint plötzlich wie eine neue Offenbarung. Träume
stellen rund ein Drittel unseres Lebens dar. Ob es daher nicht berechtigt sei,
sie als Teil der Wirklichkeit anzusehen? Das
Immaterielle bestimme unser Leben.
Sehr mutig, ja teilweise provokant ist,
was Natalie Knapp zum Thema Denken sagt. Denken sei die Fähigkeit,
Wahrnehmungen angemessen zu strukturieren. Um Neues zu denken, muss man
rechnendes Denken aufgeben (ein Begriff von Martin Heidegger). Es sei denkendes
Denken erforderlich. Damit sei geisteswissenschaftliches Denken gemeint. Man
müsse bereit sein, den Raum des Nicht-Wissens zu betreten. Die reine
Verarbeitung von Informationen sei eine kümmerliche Form des Denkens. Der Instinkt
sei auch beim Denkens entscheidend. Ahnung und Intuition seien nicht zu
vernachlässigen. Ein Schachmeister habe unbewusste Denkstrukturen entwickelt,
die ihn Stellungen als Ganzes schnell bewerten lassen. Vom Unterbewussten würden
mehr Daten verarbeitet als vom Bewusstsein, außerdem parallel. Es öffnen sich
Türen, die rationalem Denken verschlossen sind
Einige gute Gedanken bringt Knapp beim
Thema Sprache zum Ausdruck. Sie zitiert unter anderem Ludwig Wittgenstein mit
dem Satz: Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt. Begriffe seien
am Anfang immer Metapher (oder Analogien). Die Sprache sei mehr als das, was
sich als geschriebener Text vermitteln lässt. Das wusste ja Sokrates bereits.
Gesprochene Sprache wird durch unsere Atemtechnik beeinflusst. Dass wir
Menschen Schwierigkeiten haben, uns mehr als vier Dimensionen vorzustellen, läge
auch daran, dass wir dafür (noch) keine Sprache haben.
Ein Nachtrag
Einige dieser Gedanken werden in einem späteren
Buch derselben Autorin aufgegriffen und weiterentwickelt. Es ist das Buch: Kompass neues Denken. Wie wir uns in einer
unübersichtlichen Welt orientieren können. (Erschienen 2013, 336 Seiten).
Nur ein paar Highlights.
Ein Hermeneutischer Zirkel drückt sich
laut Martin Heidegger darin aus, dass ein Text ohne Leser gar nichts bedeutet.
Eine Dekonstruktion im Sinne Jacques Derridas tritt dann ein, wenn
Überzeugungen der Vergangenheit verändert werden, um die Zukunft zu verstehen. Sie
kämen heute hauptsächlich in den Geisteswissenschaften vor, noch zu wenig in
den Naturwissenschaften. Hermann Hakens Selbstorganisation ließe Neues entstehen
durch Beziehungen. Er nennt es Emergenz. Unser Gehirn emergiere aus den Nervenzellen.
Diese haben nur zwei Zustände Feuern/Nicht-Feuern. Emergenz geschähe ohne Plan.
Es entstehen komplexe Organismen. Das Internet bewirke eine virtuelle Evolution.
Wir reagieren schneller auf Wissenslücken und knüpfen leicht neue Beziehungen.
Es fänden mehr Rückkoppelungen statt. Beziehungen führten zum Denken und damit
zum Sprechen. Schriftsteller pflegten das analoge Denken, das Denken in Analogien.
Gene sind konservative Kräfte. Sie erhalten die erreichte Komplexität. Zellen
ändern sich laufend und passen sich der Umwelt an.
Zusammenfassung und Bewertung
In jeder Wissenschaft gibt es offene
Fragen. Sie sind kein Zeichen von Schwäche oder von Nachlässigkeit. Eine
Wissenschaft erzielt ihre Fortschritte oft dadurch, dass zunächst unbewiesene
Hypothesen oder Theorien formuliert werden. Karl Popper (1902-1994) hat
es geradezu zum Lackmustest einer Wissenschaft erhoben, dass sie nur Theorien
zulässt, die sich auch als falsch erweisen können, sollten die dafür benötigten
Beweise und Indizien auftreten. Eine so verstandene Wissenschaft ist das Beste,
was wir Menschen zurzeit haben.
Wenn wir zwischen zwei Theorien wählen
müssen, von denen wir noch keine falsifizierenden Messungen oder Beobachtungen
haben, dann kann es sinnvoll sein, derjenigen Theorie den Vorzug zu geben, die uns
einfacher erscheint. Das ist das berühmte Rasiermesser des William von Ockham
aus dem 14. Jahrhundert (engl. Occam’s rasor).
Sehr oft erwiesen sich die einfachen Lösungen als nicht haltbar. So erging es
auch René Descartes
(1596-1650), der die Welt zwischen Materie und Geist aufteilte. Dass man Geist
leugnete und alles zur Materie erklärte, war in gewissen Kreisen lange die
vorherrschende Doktrin. Der Zusammenbruch des Kommunismus hat diese
Weltanschauung desavouiert.
Geradezu naiv mutet es an, wie Natalie
Knapp sich bemüht, gewisse Ergebnisse der Physik so zu interpretieren, als ob jetzt
eine Inbesitznahme der Realität durch den immateriellen Geist erfolgt sei. Was
wirklich nottut, ist eine bessere Differenzierung. Es müssen unter anderem klare
Worte dafür gefunden werden, was die immateriellen Ausdrucksformen der Natur
von dem unterscheidet, was der menschliche Geist an Gedanken oder Gefühlen
formuliert. Dass unsere Gedanken und Gefühle ein Korrelat in der realen Welt haben,
liegt zwar nahe, ist aber noch lange nicht bewiesen. Wie weit man heute noch
bei sehr grundlegenden Begriffen, selbst innerhalb von Naturwissenschaft und
Technik, auseinander liegt, zeigt der Begriff
der Information. Es ist dies eine wiederkehrende Melodie dieses Autors und
dieses Blogs.
Robert Ottohall aus Tübingen schrieb:
AntwortenLöschenSkoobe macht's möglich, man liest Bücher, die man wahrscheinlich nicht kaufen würde.
Peter Hiemann aus Grasse schrieb:
AntwortenLöschenEs existiert ein entscheidender Unterschied zwischen Theorien, die physikalische bzw. biologische Strukturen betreffen. Physikalische Strukturen werden mittels physikalischer Grundkräfte erklärt. Biologische Strukturen werden mittels biologischer Programme erklärt.
Erwin Schrödinger hat auf diesen Unterschied schon 1943 hingewiesen, als er vermutete, dass lebendige Strukturen auf auf einem biologischen Code beruhen. Bei allen bekannten Arten von Lebewesen ist einem Triplett aufeinanderfolgender Basenpaare (genannt Codon) eine bestimmte Aminosäure zugeordnet: Die Zuordnungen Codons zu Aminosäuren wird heute als genetischer Code bezeichnet. Die Verwendung des Wortes 'Code' geht auf Erwin Schrödinger zurück, der die Begriffe „hereditary code-script“, „chromosome code“ und „miniature code“ in einer Vortragsreihe 1943 prägte. Der genaue Sitz oder Träger dieses Codes war zu diesem Zeitpunkt unbekannt. Schrödingers Büchlein „Was ist Leben?“ enthält viele andere interessante Überlegungen eines Physikers, der sich mit Fragen der Biologie auseinandersetzte.
Mein Interesse gilt auch heute Physikern, die Arbeitshypothesen hinsichtlich dynamischer Phänomene 'lebendiger' Strukturen verfolgen. Ich erwarte nicht, dass Philosophen zu derartigen Überlegungen beitragen können.
Hans Diel aus Sindelfingen schrieb:
AntwortenLöschenIch stimme Alexander Unzicker in drei wichtigen Punkten zu,
(1) dass die Peer-Reviews bei den Zeitschriften und Konferenzen der Physik sehr fragwürdig sind. Es werden oft Beiträge mit zweifelhaften oder gar lächerlichen Argumenten zurückgewiesen. Beiträge, die gegen den Mainstream sind, haben nur geringe Chancen angenommen zu werden.
(2) dass der "Physikbetrieb" an den Universitäten und Forschungsinstituten sich (fast?) ausschließlich auf Mainstream-Themen konzentriert. Themen, bei denen die mittelfristigen Erfolgsaussichten relativ gering sind, werden nicht adressiert.
(3) dass Probleme und offene Fragen in den existierenden Theorien nicht ausreichend als solche benannt werden oder mit zweifelhaften Theorien, die nicht falsifizierbar sind, erklärt werden.
Zu allen drei Punkten könnte ich Beispiele nennen. Trotzdem halte ich die in Unzickers beiden Büchern geäußerte Kritik für stark überzogen. Deshalb verstehe ich auch die geradezu vernichtende Rezension im 'Spektrum der Wissenschaft'.
Zum Buch der Philosophin Natalie Knapp: Das was Sie daraus zitieren, scheint mir doch ziemlich abgehoben zu sein. Den Bezug zur Quantenphysik sehe ich nur noch sehr entfernt. Ich habe eine zwiespältige Erfahrung mit Physikphilosophen (und ihren Büchern). Auf der einen Seite kenne ich welche (wie z.B. Tim Maudlin), die schwierige Physikthehmen sehr sauber und logisch strukturiert erklären und analysieren können und logische Widersprüche in den Theorien identifizieren. Wenn dagegen die Philosophen anfangen, Physiktheorien noch weiter zu abstrahieren oder zu extrapolieren, dann ist nach meiner Erfahrung das Ergebnis meistens sehr fragwürdig. Das Buch von Natalie Knapp scheint in die zweite Richtung zu gehen.