Es war
der gestrige Kommentar von Hans-Hermann Tiedje
in der NZZ,
der mich zu diesem Blog-Beitrag anregte. Er war überschrieben mit ‚Augen zu,
CDU. Angela Merkels Wohlfühldeutschland‘.
Tiedje war früher einmal Chef der Bildzeitung und Wahlkampfberater von Helmut
Kohl. Seine Sichtweise drückt ein Politikverständnis aus, dem ich nicht nahe
stehe. Aber selbst aus den kuriosesten Aussagen vermag man Dinge herauszulesen,
die man beachten sollte. Anschließend werde ich ein paar eigene Gedanken zur bevorstehenden
Wahl zum Besten geben, die ich für mitteilenswert halte.
Politikerklärung
für den Boulevard
Es ist
schon erstaunlich, wenn ein Ex-Chef der ‚Bildzeitung` uns Politik erklärt. Fünf
Aussagen des Beitrags sollen dies illustrieren:
(1) ‚Die vergangenen zwölf Merkel-Jahre sind einfach so dahingeplätschert. Ein Volk hat sich entpolitisiert.‘ Die
jetzige Regierung habe es versäumt, wichtige Zukunftsfragen zu lösen, z.B.
Maschinenintelligenz, Auswirkungen von Industrie 4.0 auf den Arbeitsmarkt,
Elektromobilität und Digitalisierung. Wieso
müssen diese Fragen alle von der Politik gelöst werden? Wieso hat hier die Bundespolitik
versagt? Wer solche Erwartungen hegt, kann meines Erachtens nur enttäuscht
werden.
(2) Ein
echter Politiker muss in seiner Jugend auf der Straße ‚Ami, go home‘ geschrien
haben ̶
oder entsprechendes auf Russisch gegen die Russen (wie einst Viktor
Orban). Physik oder BWL zu studieren, disqualifiziert geradezu einen späteren Politiker.
(3)
Angela Merkel sei lahm und ohne Phantasie. Sie greife nur Ideen anderer Leute
auf, z. B. Mindestlohn, AKW, Ehe für alle. 'Eigene Ideen hat sie keine.' So lautet
eine lapidare Feststellung.
(4) Über
Martin Schulz heißt es: ‚Er hat die falschen Themen, kommt damit meist zu spät
und wirkt wie ein Mann von vorgestern.‘ Er sollte sagen, Ausländer raus! Traut
sich aber nicht, ‚stattdessen predigt er, Migranten über Europa zu verteilen.'
Zum Glück gibt es ja noch die AfD ̶ muss man wohl daraus folgern.
(5)
Egal was am 24.9. 2017 in Deutschland entschieden wird, ein Ergebnis sei schon jetzt
klar. ‚Aus No-Bail-out wird die Vergemeinschaftung der Schulden Europas mit
Deutschland als Schuldenpatron, alles für die Bevölkerung natürlich eingepackt
in eine Sprache aus Watte.‘ Damit wird gesagt: Nicht was der Wähler will,
passiert, da große Mächte längst über unser Schicksal entschieden haben.
Ein
Pressevertreter, der solche Thesen verbreitet, verdient Kritik, nicht nur von
rechts. Seine Darstellung fördert ein seltsames Staatsverständnis, nämlich das des
Alleskönners und Vollumsorgers, und führt geradewegs zur Politikverdrossenheit.
Im Folgenden gebe ich einige weitere Hinweise zu Wahlthemen und Prognosen. Es
sind jeweils nur kurze Gedankenanstöße. Natürlich ließe sich viel mehr dazu sagen.
Migration
und Flüchtlinge
Es fällt
uns schwer zu trennen zwischen den Migranten, die aus wirtschaftlichen Gründen
nach Europa drängen, und den Flüchtlingen, die um Asyl bitten. Derzeit wird
versucht, mit Libyen, dem Tschad und Niger ähnliche Vereinbarungen zu treffen
wie mit der Türkei. Es soll erreicht werden, dass diese Länder Migranten, die aus ihnen stammen
oder durch sie zogen, wieder zurücknehmen. Viele Gesinnungspolitiker im Lande
finden diesen Akt der Verantwortungspolitik beschämend.
Im
Jahre 2015 hat sich Deutschland rund eine Million arbeitsloser junger Männer
ins Land geholt. Dass das nicht ohne Probleme bleiben würde, liegt auf der Hand.
Nicht alle kamen in der Absicht, den Rest ihres Lebens in Deutschland zu
verbringen. Nach drei Jahren darf angenommen werden, dass diejenigen, die
bleiben wollen, die deutsche Sprache einigermaßen beherrschen. Es bleiben dann
drei Gruppen übrig, nämlich die für anspruchsvolle professionelle Tätigkeiten
geeigneten (15%), die in handwerkliche Berufe tendierenden (50%) und die auf
Hilfstätigkeiten beschränkten (35%). Eine Eingliederung in die
Erwerbswirtschaft wird zum Familiennachzug führen.
Bildung
Wenn
Politiker Bildung sagen, denken sie heute primär an Kindertagesstätten (Kitas).
Nicht nur ihr zahlenmäßiges Angebot soll verbessert werden, sondern auch die Zahlenverhältnisse
zwischen Lehrer und Schüler; 1:6 wäre besser als 1:8. Schließlich soll noch das
Ansehen und das Einkommen der Kinderpädagogen angehoben werden.
Oft werden auch die desolaten Räumlichkeiten in einigen deutschen Schulen ins Blickfeld gerückt. Dass daran der Föderalismus schuld sei, ist doch wohl ein Märchen. Die Südländer sehen dabei halt besser aus als die Nordländer und die Stadtstaaten. Die Prioritäten sind verschieden. Da hilft auch kein Einmischungsrecht des Bundes.
Oft werden auch die desolaten Räumlichkeiten in einigen deutschen Schulen ins Blickfeld gerückt. Dass daran der Föderalismus schuld sei, ist doch wohl ein Märchen. Die Südländer sehen dabei halt besser aus als die Nordländer und die Stadtstaaten. Die Prioritäten sind verschieden. Da hilft auch kein Einmischungsrecht des Bundes.
Soziale
Gerechtigkeit
Namhafte
Wissenschaftler wie Thomas Piketty (*1971) haben
festgestellt, dass in langen Zeiten ohne Krieg das Vermögen die Tendenz hat,
sich immer ungleicher zu verteilen. Das ist in den USA noch viel extremer als
in Europa, weil dort der Zweite Weltkrieg für eine starke Nivellierung sorgte.
Da man Weltkriege nicht haben will, überlegen sich manche Leute, welche anderen
Methoden es gestatten, Vermögen und Einkommen umzuverteilen. Da man mit
Umverteilung bei uns keine Wahlen gewinnen kann, zieht man sich auf die
Schaffung gleicher Startbedingungen zurück. Man landet dann wieder bei den
Kitas.
Mit dem
Wort Rente kann man weder bei jungen Menschen (unter 30) noch bei älteren (über
60) Aufmerksamkeit wecken. Jüngere interessieren sich nicht dafür, bei den
älteren ist längst alles entschieden. Die Sorge, dass ab dem Jahre 2040 das Problem der Altersarmut
neue Dimensionen erreicht, passt nicht damit zusammen, dass bis dahin die mögliche Lebensarbeitszeit
ständig steigt.
Umwelt
Nach
dem Pariser Klimaabkommen schien in Umweltfragen die Vernunft weltweit zu
siegen. Dem ist leider nicht so. Deutschlands Beitrag zu einem geradezu massenhaften
Versagen manifestiert sich derzeit im Dieselskandal. Das drängt neu erkannte Probleme in den
Hintergrund. Ein solches ist die Verseuchung der Meere durch Polyester und
andere Kunstfasern.
Außenpolitik
In der
Weltpolitik sind heute drei Egomanen in aller Munde: Trump, Putin und Erdogan.
Sie näher zu charakterisieren, erspar ich mir. Mit allen dreien muss
Deutschland auskommen. Wird Angela Merkel nachgesagt, dass sie diesen
Politikern gegenüber zu tolerant sei, will ihr Opponent, Martin Schulz, Kante
zeigen. Was er wirklich tun wird, sollte er die Wahl gewinnen, steht in den
Sternen.
Deutschlands
Außenpolitik hat mehr als nur diese drei Fronten. Erwähnen möchte ich die EU,
Frankreich, Osteuropa, Afrika und China. Das Vereinigte Königreich (UK) hat
sich selbst verabschiedet. Wir sollten dies zur Kenntnis nehmen.
Prognose
zur Bundestagswahl
Vorhersagen
sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Nur wenige Wochen vor
der Bundestagswahl rechne ich nicht mehr mit einem Umschwung der Meinungen. Die
CDU/CSU steuert auf einen klaren Sieg zu, die SPD wird klarer Zweiter. Dass
dahinter vier Parteien (AfD, FDP, Grüne und Linke) mit fast Stimmengleichheit
auf dem dritten Platz liegen, ist eine einmalige Konfiguration. Sie wird am
Wahltag enden. Von dem Abschneiden der kleinen Parteien wird abhängen, wer
anschließend wie auftrumpft. Eine Fortsetzung der Großen Koalition wird man zu
vermeiden suchen.
‚25 führende Professoren präsentieren ein Positionspapier zur Mobilität. Fachleute fordern ganzheitliche und ehrliche Betrachtung von CO2-Emissionen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse.‘ So lautet ein Kommentar. Die zitierten Professoren vertreten alle das Fachgebiet Verbrennungsmotoren an so berühmten Hochschulen wie RWTH Aachen, TU München und KIT Karlsruhe.