Freitag, 28. September 2018

Eifler Anekdoten und Legenden - eine Auswahl

Die Beschäftigung mit Eulenspiegel im vorhergehenden Blog-Beitrag erinnerte mich daran, dass es in meiner Heimat, der Eifel, eine Vielzahl von Quellen gibt, was Volkssagen, Schwänke und Anekdoten betrifft. Das Thema ist eigentlich unerschöpflich. Im Folgenden gebe ich eine Kostprobe.

Vorwort

Die in einer Region verbreiteten Volkssagen und Schwänke können wichtige Hinweise geben zum Charakter einer Volksgruppe. Da sie vorwiegend lokal erzählt werden, geben sie oft Auskunft über das Verhältnis zwischen den Orten untereinander. Fast immer tragen sie zum Selbstverständnis bei. Wer sich damit befasst, stößt auf eine Vielzahl von Quellen. Die nachfolgende Auswahl ist größtenteils dem Buch von Matthias Zender [1] entnommen. Das Buch entstand in der Zeit von 1920-1935 und enthält 300 Stückelchen. Einige Schwänke wurden mir von heute lebenden Eiflern erzählt. Nur diese sind besonders gekennzeichnet. Zender (1907-1993) entstammte einer alten Niederweiser Bauernfamilie und hatte an der Universität Bonn einen Lehrstuhl für Volkskunde inne. Ein Nachruf Zenders ist in [2]. Von ihm und meinem Volksschullehrer Peter Faber wurde mein Interesse für die Heimatkunde geweckt.

Matthias Zender um 1990



Aus der Neuerburg

Neuerburg ist eine traditionsreiche Kleinstadt und ein bei Touristen beliebter Kurort im Westen des Kreises Bitburg. Es ist der Sitz der Verbandsgemeinde Westeifel. Es verfügt über eine Burganlage und eine über 500 Jahre alte Pfarrkirche. Am berühmten Neuerburger Gericht liefen in früheren Zeiten die Prozesse oft sehr lang und hatten manchmal seltsame Ergebnisse. Es tagt entweder mittwochs oder mitten in der Woche, so hieß es. Aus Neuerburg erzählt Zender mehrere Geschichten. Hier und in andern Anekdoten taucht unter anderen der berühmte Schalk Till Eulenspiegel auf. Geschichten über Eulenspiegel werden in ganz Deutschland und in den Niederlanden und Belgien erzählt. Die historische Figur soll im 14. oder 15. Jahrhundert gelebt haben. Der Stoff wurde von vielen Autoren bearbeitet.

1.
Es war Eselsmarkt. Die Bauern aus Vianden und Diekirch hatten eindeutig die fetteren Tiere. Die Eifler waren besorgt, dass sie für ihre mageren Tiere keine Gebote bekämen. Eulenspiegel beschloss, ihnen zu helfen. Er sah, dass im Nachbarhaus ein Kessel voll Schweinekartoffeln gekocht wurde. Er nahm diesen und band den Luxemburger Eseln je eine heiße Kartoffel unter den Schwanz. Daraufhin ergriffen diese das Weite. Den von auswärts angereisten Händlern blieb nichts weiter übrig, als die mageren Eifler Esel zu kaufen.

2.
Eulenspiegel hatte sich in Neuerburg später durch seine Streiche sehr unbeliebt gemacht. Der Graf beschloss ihn dafür zu bestrafen. Er beauftragte den Kellermeister, ihn in den Keller zu locken und dort kräftig zu versohlen. Zunächst bekam er den dort gelagerten Wein zu kosten. Sobald er aber von der wahren Absicht Wind bekam, riss er aus dem besten Fass den Zapfen heraus. Der Kellermeister sprang hin und hielt den Daumen drauf. Eulenspiegel hat dann den Kellermeister verdroschen. Schließlich steckte er noch einen schönen Schinken in seinen Sack und verließ den Keller. Der Graf fragte ihn im Vorbeigehen, ob er genug bekommen habe. ‚Ja‘, sagte Eulenspiegel, ‚Hiermit kommt meine Mutter für acht Tage aus‘.

3.
Eulenspiegel war zu Fuß unterwegs in Richtung Neuerburg. Vor dem Görgenhof kam auf dem holperigen Feldweg und in einer großen Staubwolke eine Kutsche heran. Der Kutscher hielt an und fragte: ‚Wie lange brauche ich noch bis zur Neuerburg? Mein Herr muss in einer Stunde da sein‘. Vom Görgenhof bis zur Neuerburg sind es etwa 5 km. Eulenspiegel sagte daher: ‚Wenn du langsam fährst, packst du das gut‘. Der Kutscher dachte: ‚Was für ein Narr‘, schnalzte mit der Zunge und ließ die Peitsche knallen. Als ob der Böse hinter ihr her sei, stieb die Kutsche wieder, in eine Staubwolke gehüllt, davon. Am Friesborner Hof, da wo der Weg zur Neuerburg abbiegt, traf Eulenspiegel wieder auf die Kutsche. Sie lag mit einem gebrochenen Rad am Wegesrand. Sagte Eulenspiegel: ‚Ich hab' dir doch gesagt, wenn du langsam fährst, kommst du rechtzeitig an.‘ [überliefert von Manfred Nusbaum, Körperich]

Aus Niederweis

Fast alle Geschichten aus Niederweis betreffen den ‚geckigen‘ Baron. Das war der als Junggeselle verstorbene Clemens Wenzeslaus von der Heyden (1774-1840). Er war sehr belesen und verfügte über eine große Hausbibliothek. Mehr darüber finden Sie in [3]. Bei den Bauern war er als weltfremd und schrullig verschrien. Manche hielten ihn für verrückt, auf Platt heißt das ‚geckig‘.

1.
Der Baron führ mit seinem Kalfaktor Schleder nach Trier um einen neuen Hut zu kaufen. Sie gingen in ein Geschäft und ließen sich Hüte zeigen. ‚Was kostet dieser Hut?‘ fragte der Baron. ‚Fünf Taler‘ sagte der Verkäufer. ‚Und der?‘ – :Sechs Taler‘. ‚Das ist sind keine Hüte für mich‘, sagte der Baron. ‚Habt Ihr keinen teureren?‘ – ‚Nein‘ meinte der Verkäufer. Dann gingen beide hinaus. Draußen meinte Schleder: ‚Der wusste nicht, wer wir waren. Lasst mich noch einmal hinein gehen‘, Alsbald kam er zurück und sagte, man habe jetzt noch weitere Hüte gefunden. Als er und der Baron zurück im Geschäft sind, bot der Verkäufer einen Hut an für 30 Taler. Da sagte der Baron: ‚Den kaufe ich‘. Es war einer von den beiden Hüten, die ihm beim ersten Besuch angeboten worden waren.

2.
Der Baron war einmal über einen Graben gesprungen und hatte sich am Bein wehgetan. Er ließ zuerst den alten Thies (einen Heilpraktiker aus dem Dorf) daran doktoren. Nach ein paar Tagen meinte der Baron, es sei doch wohl besser einen Arzt zu holen. Als der Arzt kam, musste der alte Thies zuerst gerufen werden. Der Baron wusste nämlich nicht mehr, an welchem Bein er sich wehgetan hatte. Der Doktor schrieb ein Rezept und kassierte eine Menge Geld.

3.
Der Baron wollte heiraten. Deshalb sollte am Sonntag die Ausrufung in der Messe erfolgen. Die Bauern gaben dem Scheinehirt des Dorfes Geld, damit er sich auch ausrufen lassen sollte. Der Pfarrer verkündete: ‘Zum ersten Male zum Sakrament der Ehe verkündet werden Baron Clemens Wenzeslaus von der Heyden und Baroness Sowieso. Des Weiteren werden zum heiligen Sakrament der Ehe verkündet Matthias Bettendorf, Schweinehirt in Niederweis und Maria Müller aus Alsdorf‘. Da stand der Baron in seiner Kirchenbank auf und sagte: ‚Wenn Schweinehirten, Korbmacher und Zigeuner heiraten, dann heirate ich nicht‘. Er ist als Junggeselle gestorben.

4.
Wenn Kinder miteinanderspielen, versuchen sie manchmal sich gegenseitig hereinzulegen. Hier ein Beispiel: ‚Hier hast Du 10 Pfennige. Geh in Schneddisch (einen von zwei Dorfläden) und kauf Dir Haumichblau‘ [mündlich von Magdalena Schmitt, Morbach]

Aus Dahnen

Die Einwohner des Eifeldorfs Dahnen, nördlich von Prüm gelegen, genießen etwa den gleichen Ruf wie die berühmten Schildbürger, die Bürger der fiktiven Stadt Schilda. Die Orte Dahnen, Dasburg und Daleiden gehören zum Islek, dem am höchsten gelegenen, schnee- und regenreichen Teil der Eifel und waren daher klimatisch etwas benachteiligt. Die Gegend gilt als rauh und karg.

1.
Eines Tages kam Eulenspiegel nach Dahnen. Er bat darum, einen Teil der Gemeindeflur beackern zu dürfen. Er würde die Hälfte des Ertrags an die Gemeinde abliefern. Die Dahnener stimmten freudig zu. Er pflanzte Weizen an. Als das Getreide reif war, schnitt er die obere Hälfte aller Halme ab. Den Dorfbewohnern überließ er den Rest. ‚Das müssen wir ändern‘, sagten die Dahnener. ‚Das nächste Jahr bekommen wir die obere Hälfte‘. Eulenspiegel stimmte zu und baute Kartoffeln an.

2.
Die Dahnener hatten früher viele Verwandte auf der Luxemburger Seite der Our in Hosingen. Deshalb gingen immer ganze Gruppen zur Hosinger Kirmes. In einem Jahr hatte die Our Hochwasser. Auch die Brücke war nicht passierbar. Daher beschlossen die Dahnener ein paar Tage am Ufer auszuharren, bis das Hochwasser verflossen war. Als sie zur Hosinger Kirmes kamen, war diese vorbei.

3.
Als das Korn (Eifler Bezeichnung für Roggen) fast reif war, ging der Wind so stark, dass das Korn in Wellen wogte. Da bekamen die Bauern Angst, ihr Korn liefe davon. Da beschlossen die Dahnener, ihr Korn mit Knüppeln niederzuschlagen. damit es bleibe. Obwohl sie darum gebeten hatte, vergaßen sie das Feld einer alten Frau niederzuprügeln. Diese hatte später Körnerfrüchte, alle andern Bauern hatten keine.


Eulenspiegel-Briefmarken

Über die Luxemburger

Der südliche Teil des heutigen Kreises Bitburg kam erst 1815 von Luxemburg zu Preußen. Die Luxemburger entwickelten fortan eine etwas andere Lebensart als der preußische Teil der Eifel, was dazu führte, dass man sich schon mal gegenseitig mit kleinen Sticheleien traktierte.

1.
Der Herr Pfarrer hielt im Eifeldorf Katechismusunterricht. Es ging heute um die Jünger Jesu. Sehr ausführlich, ja anschaulich, war unter anderem der Verrat des Judas Ischariot, d. h. des Mannes aus Karioth, besprochen worden. Schließlich fragte der Herr Pfarrer, ob jemand wüsste, woher der Jünger war, der Jesus verraten hat. Der kleine Mätti meldete sich und gab dann die Antwort: "Der war Luxemburger!“ Der Pfarrer war etwas verdutzt und fragte zurück: "Wie kommst Du denn darauf?“ Mätti erwiderte: "Sie haben doch eben erzählt, dass Jesus beim letzten Abendmahl vorhergesagt hat: 'Einer von Eich wird mich verraten'". Zur Erklärung für die Orts- und Geschichtsunkundigen: Esch (auf Platt Eich) an der Alzette ist die zweitgrößte Stadt im Großherzogtum Luxemburg. [aufgeschnappt während meiner Volksschulzeit beim Lehrer Peter Faber aus Ferschweiler]

2.
Ein Luxemburger lag im Sterben. Da sagte er, dass er noch einen letzten Wunsch habe, den  man ihm erfüllen möchte. Was das denn sei, fragten die Angehörigen. Da erwiderte er. Man solle ihn auf die andere Seite der Sauer bringen. Wenn er dann stürbe, würde wenigstens ein Preiss verrecken. [erzählt in Niederweis]

3.
In Luxemburg waren die Steuern auch früher wesentlich niedriger als auf der deutschen Seite. Ein Grund war, dass Luxemburg geringere Militärausgaben hatte. Die mit dem strengen preußischen Kommandoton vertrauten Eifler fragten sich, wie das Exerzieren bei den Luxemburgern wohl ablaufen würde. Anstatt ‚Still gestanden!‘ hieß es dort wohl: ‚Schang, stih an d’Reih!‘. Zur Ausrüstung machte man sich auch Gedanken. Sie führten zu den folgenden Aussagen. (a) Die Luxemburger haben eine lederne Kanone. Warum? Weil sie um die Ecke schießen muss. (b) Alle Luxemburger brachten letztes Jahr ihre Schuhe nach Trier zum Flicken. Warum? Alle ihre Schuster waren an der Reparatur der Kanone beschäftigt. Die hatte nämlich einen Schuss abgefeuert.

4.
Die folgende Geschichte könnte sich auch auf Luxemburger beziehen. Als die Deutschen in Kiautschou waren, da waren auch zwei Bauernjungen aus dem Bekof (der Bidgau grenzt an Luxemburg) dabei. Nach einem Marsch ruhte sich die Kompanie auf einer Wiese aus. Da sagte der eine von beiden: ‚Schang, d’Sonn schengt schung sching‘. Der andere sagte darauf: ‚Jo, schung sching schent d’Sonn‘. Das hörte der Hauptmann und bemerkte: ‚Das sind ja Teufelskerle. Kaum sind sie vierzehn Tage hier und schon sprechen sie perfekt Chinesisch.

Peter Faber um 1950

Aus Speicher

So wie Neuerburg im Westen bildet Speicher einen Schwerpunkt im Osten des Kreises Bitburg. In Speicher gibt es seit der Römerzeit ein Töpfergewerbe. Über die Niederweiser Flur führte der Aulenweg (nach lt. olla = Steintopf). Auf ihm wurden Tonwaren aus Speicher in Richtung der Niederlande und Frankreichs transportiert. Der Hausierhandel war eine weitere Einnahmequelle für die Speicherer.

1.
Den Herforstern gefiel die Fastnacht so gut, dass sie gar nicht damit aufhören wollten. Schließlich schickten sie einige Leute nach Speicher, um nachzusehen, wie dort die Fastnacht verlief. Das ganze Dorf schien leer. Alle Menschen waren in der Kirche. Der Pfarrer trug ein verhülltes Kruzifix herum – es war nämlich Karfreitag. Da sind sie heimgegangen und haben erzählt, in Speicher sei auch noch Fastnacht. Der Pastor wäre mit dem Fosbock (Fastenbock) durch die Kirche gezogen. Zur Erklärung: Herforst liegt etwa 5 km östlich von Speicher.

2.
Die Speicherer betrieben stets Handel mit Frankreich. Das änderte sich nicht, als wir 1815 zu Preußen kamen. Im Krieg von 1870 hofften viele Speicherer, die Franzosen würden gewinnen. Der Pastor ließ einen Rosenkranz für ‚unsere‘ Truppen beten. Der Bürgermeister sprach den Pastor auf der Straße an: ‚Dieser Patriotismus der Speicherer hat mich wirklich überrascht. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass die Leute so inständig für den Sieg unserer Truppen beten‘. ‚Ja, ja‘, sagte der Pastor, ‚man versieht sich hinter niemandem mehr als hinter den Leuten‘. Und er schaute, dass er weiterkam. Der Bürgermeister hatte gemeint, die Leute beteten für die Preußen, die Speicherer aber hatten für die Franzosen gebetet.

3.
Als Columbus in Amerika landete, kamen ihm Leute aus Speicher entgegen, die ihm irdenes Geschirr anboten.

Sonstige Orte

Die folgenden Geschichten sind einem Ort außerhalb des Kreises Bitburg oder keinem bestimmten Ort zuzuordnen.

1.
In Wintersdorf führte die Sauer mal wieder Hochwasser. Ein Mann fuhr in einem Nachen, um noch irgendetwas zu retten. Da die Strömung stark war, kippte der Nachen um. Im Wasser treibend rief der Mann: ‚Liebe Muttergottes von Klausen, hilf mir!‘. Ein Freund lief am Ufer auf und ab und wusste nicht wie zu helfen. Schließlich schrie der: ‘Ruf doch nach der Muttergottes von Girst. Die ist näher‘. – ‚Nein‘, rief der andere zurück, ‚die kennt mich zu gut‘. Zur Erklärung: Klausen und Girst sind bekannte Marienwallfahrtsorte. Klausen liegt an der Mosel, flussabwärts von Trier. Girst auf der Luxemburger Seite der Sauer, direkt gegenüber von Wintersdorf.

2.
Ein Mädchen hatte zwei Freier, einen reichen Rothaarigen und einen etwas ärmeren, aber sehr angenehmen Burschen, Das Mädchen ging in die Kirche und fragte am Marien-Altar die Muttergottes: ‘Wen soll ich heiraten?‘ Darauf antwortete das Jesuskind, das Maria auf dem Arm trug, mit etwas gekünstelter Stimme: ‚Den Roten‘. Das Mädchen wurde misstrauisch, denn sie wusste, dass einer ihrer Freier gerade beim Küster aushalf. Sie sagte: ‚Liebes Jesulein, sei bitte nicht so vorlaut. Ich hatte Dich überhaupt nicht nach Deiner Meinung gefragt‘. Offensichtlich mochte sie den ärmeren Burschen mehr.

3.
Ein Bauer kommt in den Himmel. ‚Willkommen‘, sagt Petrus, ‚geh dahinten in die Ecke. Da gibt es noch mehr Bauern‘. Dann kommt ein Städter. Petrus ruft alle Engel zusammen. Sie sollen singen und tanzen. Da kommt der Bauer zurück und fragt, was das soll. Da sagt Petrus: ‚Bauern kommen hier jeden Tag mehrere an, Städter nur jedes Schaltjahr einer. Die müssen wir besonders schön empfangen‘. Da war der Bauer zufrieden.

4.
Ein Sohn der Eifel, der an einer fernen Universität studierte, brachte irgendwann einen Kommilitonen aus der Stadt mit zu Besuch auf den elterlichen Hof. Für den Städter waren viele Dinge, die herumstanden oder herumlagen unbekannt, so dass der Eifler Studiosus laufend Erklärungen geben musste. Offensichtlich hatte auch er das Problem, dass ihm nicht bei allem sofort der richtige Begriff aus dem Hochdeutschen einfiel. Vor allem neigte er aber bei seinen Erklärungen dazu, Formulierungen zu verwenden, die der damaligen Studentensprache angepasst waren und die den Kommilitonen etwas beeindrucken sollten. Als erstes fiel dem Besucher eine große Heugabel auf. "Das ist meines Vaters Heuladegerät!“ erklärte der Gastgeber. Bei einem Holzscheit, das in der Nähe des Ofens lag, gab er die Erläuterung: "Das, das ist meines Vaters Fidibus!“ Ein Fidibus in der Studentensprache war ein Papierstreifen oder Holzstäbchen zum Pfeifenanzünden. Da es offensichtlich Kartoffelerntezeit war, stand auch eine Hacke aus zwei Zinken irgendwo an eine Wand angelehnt. Der Besucher frug, was denn das sei. Der Gastgeber war jetzt ehrlich um einen entsprechenden Ausdruck aus dem Hochdeutschen verlegen und entschloss sich, dem Städter halt irgendwas vorzumachen. "Das ist meines Vaters Karstibus!" sagte er rasch. Unglücklicherweise trat er dabei mit einem Fuß auf die von der Wand wegzeigenden Zinken. Im gleichen Moment sauste der Stiel der Hacke nach vorne und schlug dem Eifler Studiosus mit Vehemenz gegen den Kopf. Ganz entsetzt entfuhren ihm darauf die Worte: "Dou dommen Kooscht!“ Die Moral dieser Geschichte: Wer seine Muttersprache verleugnet oder verballhornt, den trifft die Strafe auf der Stelle! [Diese Geschichte erzählte mir mein verstorbener Vater. Zender erzählt eine ähnliche Geschichte aus Prümzurlay].

Nachtrag am 3.10.2018

Eher den Charakter von Sagen als von Legenden haben die beiden folgenden Geschichten:

1.
Ein Junker ritt mit seinem Pferd auf der an einem Sumpf vorbeiführende Straße von Eisenach in Richtung Meckel. Vom scharfen Ritt ermüdet trabte es durstig auf die Wasserstelle zu. Der Edelmann war nicht gewillt sich zu beschmutzen und vom Pferd abzusteigen und ließ es, im Sattel sitzend, seinen Durst stillen. Als er die drohende Gefahr bemerkte, war es zu spät. Roß und Junker zog es immer tiefer und wurden nie mehr gesehen. Als Erinnerung an den Hochmut des Junkers erhielt die Flur den Namen Junkerwiese. (Erzählt von Werner Weber, Eisenach, mit der zusätzlichen wahren Geschichte: Mein Vater war mit unseren Kühen in der genannten Flur zum Viehweiden. Immer wieder zog es die Tiere zum Durst löschen an die Wasserstelle. Als nun eine Kuh "spielich" war [hochdeutsch: rinderte], nahm wohl eine Kuh den Namen "spiliesch" zu ernst und drückte eine andere Kuh ins Moor und diese wäre sicherlich ohne fremde Hilfe verendet. Mein Vater machte sich mit den restlichen Kühen auf den Heimweg. Als Retter schickte mein Großvater nun Männer mit Brettern und Leitern und sie befreiten die Kuh aus ihrer mieslichen Lage.)

2.
Vom Keller des Schlosses in Niederweis soll es eine unterirdische Verbindung zur Prümerburg  gegeben haben. Auf der Niederweise Seite sei der Eingang heute noch erkennbar. Er ist aber nach einigen Metern verschüttet. In früheren Zeiten sei das eine Fluchtmöglichkeit gewesen für den Fall, dass das Schloss belagert wurde. Auf der Prümzurlayer Seite gibt es mehrere Höhlen, die als Ausgänge in Frage kämen. Als Kind fragte ich immer, wie die Unterquerung des Flusslaufes der Nims gegen einbrechendes Wasser gesichert worden war. Da wussten die Erzähler keine Antwort. (Erzählt von alten Einwohnern von Niederweis) 

Referenzen

1. Zender, M.: Volksmärchen und Schwänke aus Eifel und Ardennen. Bonn 1984

2. Endres, A.: Rettete Erzählgut der Eifel vor Vergessenwerden: Zum Lebenswerk von Dr. Matthias Zender. In: Geschichten aus der Eifelheimat, Band 1, 2008, S. 111-115

3. Endres, A.: Der ‚geckige’ Baron und dessen Gelehrsamkeit: Über die ehemalige Bibliothek des Schlosses Niederweis. In Ibidem S. 102-110

1 Kommentar:

  1. Zwei Leser störten sich an dem von mir in der Überschrift zunächst verwandtem Wort *Volkssagen‘. Eigentlich seien das, was ich erzähle, keine Sagen, sondern Legenden, meinte der eine. Bei Sagen stünden immer Ereignisse im Mittelpunkt, bei Legenden aber Personen.

    Ein ganz überraschender Einwand kam von einem anderen Leser. Das Wort ‚Volkssagen‘ hätte er zunächst als Volkswagen gelesen. Vielleicht assoziiert man damit heute ausschließlich Mißliches.

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