Sonntag, 4. September 2011

Erfahrungen mit der Spracheingabe am Computer

Zum Diktat bitte‘. Es gehört zum Stoff von Bürosagen, dass dies die Worte waren, mit denen einst ein Chef die Dame im Vorzimmer in seine Nähe holen konnte. Ich habe diese Zeit nicht mehr erlebt. Mit den diversen späteren Varianten, welche die leibhaftige Person durch Magnetfolien und Ton-Cassetten ersetzten, konnte ich mich nicht anfreunden. Erst vor ein paar Jahren habe ich als Ruheständler eine Lösung gefunden, mit der ich sinnvolle Arbeit leisten kann. 

Die Software, die ich dafür benutze, heißt Nuance Dragon Naturally Speaking und kam mit einem am Kopf fest zu klammerden Mikrofon (einem Headset). Ich installierte das Programm, wählte mir ein Namenskürzel, sprach einen vorgegebenen halbseitigen Übungstext und los ging es. Beim nächsten Mal musste ich mich demselben Namenskürzel zuordnen.

Man spricht den Text satzweise ins Mikrofon. In dem Moment, in dem man Luft holt, erscheint der Text in einem Arbeitsfeld am Bildschirm. Man kann ihn entfernen, indem man ‚Bitte löschen‘ sagt. Man kann auch weiter diktieren, bis das Bildschirmfeld voll ist. Das entspricht etwa einem Paragrafen im Text  oder einer drittel Schreibmaschinenseite. Dann schaltet man durch Anklicken das abgebildete Mikrofon aus. Man kann dafür auch die Worte ‚Mikrofon aus‘ verwenden. Anschließend leert man das Arbeitsfeld, indem man den aktuell erzeugten Textblock in eine Datei speichert. Und weiter geht es, indem man das Mikrofon wieder anschaltet. Nach Ende des ganzen Diktats sieht man sich das Ergebnis an und stellt fest, dass es durchaus brauchbar ist.

Natürlich sind Verbesserungen erforderlich. Aber das Gerippe des Textes steht. Das Überraschende dabei ist, dass alle langen und schwierigen Wörter auf Anhieb richtig sind. Wo sich am ehesten Fehler einschlichen, ist bei den Allerweltswörtern wie ‚sich‘, ‚mich‘, ‚mein‘, ‚sein‘, ‚schon‘ und ‚scheinen‘. Hier kommen vermutlich auch schlechte Angewohnheiten zum Vorschein, oder mein Nuscheln. Da meine Einzelfinger-Tipptechnik keine Konkurrenz zur mündlichen Eingabe darstellt, spare ich nicht nur mehr als 50% der Zeit, bin auch am Ende weniger gestresst. Voraussetzung ist allerdings, dass der Text schon weitgehend formuliert vorliegt, z.B. handschriftlich.

Ein Beispiel, bei dem sich diese Vorgehensweise sehr bewährte, war das gerade erschienene Interview mit Karl-Heinz Strassemeyer. Herr Strassemeyer hatte mir die sieben Antworten zu meinen Fragen per Post auf sieben handschriftlich ausgefüllten Blättern zugeschickt. Ich hatte den Text in weniger als einer Stunde im Rechner. Da ich eine Variante des Programms mit IT-Vokabular eingestellt hatte, waren folgende Wortungeheuer alle sofort richtig: CMOS-Technologie, Hardware-Plattform, IBM Executive, Mainframe-Architektur, Standard-Algorithmus und Server-Konsoldierungskonzept. Selbst Ortsnamen wie Böblingen, Göttingen und Karlsruhe kannte man. Der einzige, vom System generierte Fehler wäre uns fast entgangen. Statt ‚Entwicklungskultur‘ produzierte es zweimal das Wort ‚Entwicklungsskulptur‘. Aber Herrn Strassemeyers Nichte fiel dieser Fehler gottseidank auf.

A propos Software: Es gibt mehrere Software-Pakete im Markt, die – so schätze ich – ein vergleichbares Niveau erreicht haben wie das von mir benutzte. Zu nennen ist vor allem das Paket Linguatec Voice Pro, das auf dem ursprünglich von IBM entwickelten Programm ViaVoice basiert. IBM hat sich vor Jahren aus dem Markt zurückgezogen. Für Mac-Nutzer gibt es MacSpeech Dictate. Von ‚Dragon Naturally Speaking‘ gibt es inzwischen Version 11.5. Es gibt davon eine Home, eine Professional und eine Advanced Edition, mit entsprechend abgestuften Preisen. Bei der von mir benutzten Version 9.0 hieß die billigste Variante ‚Standard Edition‘. Ich habe auch die kostenlose App ‚Dragon‘ auf meinem iPhone installiert. Von seiner Leistung bin ich aber nicht beeindruckt. Vielleicht soll sie auch nur den Appetit anregen.

PS: Dieser Beitrag hat die Nummer 100 in diesem Blog. Im Januar schätzte ich, dass ich diese Anzahl vielleicht im ganzen Jahr erreichen könnte. Dass es schneller ging, liegt vor allem an zwei Dingen, der Resonanz und Unterstützung, die dieses Projekt bei Kollegen fand, sowie der Leichtigkeit, mit der sich Texte und Bilder publizieren lassen.

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