Donnerstag, 20. Dezember 2012

In Memoriam des Soziologen Albert Hirschman

Am 19.12.2012 schrieb Hartmut Wedekind aus Darmstadt:


Zum Tode von Albert O. Hirschman (1915-2012)

Da geht einer hin und reduziert den Kern  großer sozialer Systeme wie z.B. von Staaten, Kirchen, Firmen, Vereinen und Familien auf eine  Triade (Dreiheit) 

                                       {Exit, Voice, Loyalty},

und setzt eine Welt in Erstaunen. Wer war dieser Mann und was bedeutet seine Triade?

Albert O. Hirschman war Professor für Sozialwissenschaften an diversen bedeutenden Universitäten der USA. 1915 in Berlin geboren, machte er 1932  das Abitur am französischen Gymnasium  seiner  Heimatstadt. Dann musste er vor den Nazis fliehen. Wie viele Amerikaner deutscher Herkunft verlor er  das zweite ‚n‘ in seinem Namen. Er kam insbesondere nach der Wende gerne wieder in seine Heimatstadt zurück und war einige Zeit Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin. Weltberühmt wurde er 1970 durch sein Buch „Exit, Voice und Loyality: Response to Decline in Firms, Organizations, and States,“ Cambridge, Mass., Harvard University Press. “Exit” wird am besten mit “Abwandern” und „Voice “ mit „Widerspruch“ oder „Protest“ übersetzt.  Viele, die schon einmal in Organisationen gearbeitet haben,  kennen die drei Phasen:  Zunächst loyal zum Unternehmen, dann beklagt man Missstände (Voice), um schließlich, wenn alles  nicht hilft und die Missstände nicht beseitigbar sind, Adieu (Exit) zu sagen. Das ist das Großartige am Werk von Hirschman, scheinbar triviale, sozial-psychologische  Zusammenhänge präzise und im großen Stil beschrieben zu haben. Prägnanz ist die Hauptauszeichnung, die  er verdient.

Schauen wir uns die Abwanderungen (Exit) aus den Kirchen an. Anfängliche Loyalität und das Beklagen von Missständen führt in bestimmten Konstellationen zum Austritt, zur Auflösung der organisatorischen Bande. Und wie war die Situation in der DDR „Abwanderung, Widerspruch und das Schicksal der Deutschen Demokratischen Republik“ lautet das erste Kapitel im lesenswerten Buch von 1996 mit dem Titel „Selbstbefragung und Erkenntnis“ (A Propensity to Self-Subversion), Carl Hanser Verlag.

Es wäre müßig, hier die vielen Beispiele auch aus dem Arbeitsleben aufzuführen, die Hirschman untersucht hat. Erstaunlich ist, was  Triaden schon  bewirkt haben. Wir finden unter dem Stichwort „Triade“ im Mittelstraßschen Lexikon  die folgende Erklärung: Triade (auch: Trias, Dreizahl, Dreiheit), Bezeichnung für ein vielfältig angewendetes Gliederungsschema, das sich in Dreiteilungen  wie memoria – intelligentia - voluntas, Geist - Seele – Leib, Himmel - Erde - Hölle, Thesis- Antithesis-Synthesis etc. wiederfindet.

Triaden sind halt phänomenal im menschlichen Geistesleben. Am Montag, dem 10. Dezember 2012, ist Albert O. Hirschman im Alter von 97 Jahren  in New Jersey gestorben. Er war u.a. auch  Ehrendoktor  der Freien Universität Berlin (1988).


1 Kommentar:

  1. In career, church, family, and life long friends my parents knew no "exit" ... and "voice" would not characterize their interactions in those areas ... "loyalty" and knowledge of who they were DID. Ganz so standhaft bin ich nicht - Sie eher glaube ich -aber ich habe durch diese "veraltete Festigkeit" sehr gewommen .

    Calvin Arnason

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.