Dienstag, 24. Juni 2014

Als die Preußen einst in ganz Deutschland für Ordnung sorgten

Bald sind es 200 Jahre her, dass aus dem zerstückelten Streifen Land namens Preußen ein deutscher Flächenstaat wurde. Diesen Vorgang habe ich in einer Eifler Publikation [1] aus der Sicht eines Rheinländers beschrieben. Hier möchte ich einige Details nachtragen und die Sicht anderer deutscher Landsmannschaften wie Badener, Bayern, Hessen, und Thüringer hinzufügen. Aus der Retroperspektive erinnert Preußens damalige Rolle etwas an die der Amerikaner unter Reagan und den beiden Bushs. Preußen war der Polizist nicht der Welt aber Deutschlands, und es arbeitete mit politischen Repressionen, mit Subventionen oder mit Militärschlägen. Preußen sah seine historische Aufgabe darin, den Status quo zu sichern, politisch und gesellschaftlich. Gemeint ist das alte Regime der Fürsten und des Adels. Als Bedrohung galten selbstbewusste Bürger und fordernde Unterschichten.

Studenten- und Bürgerfeste 1817 und 1832

Wie in der erwähnten Arbeit ausgeführt, erhielt der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. im Jahr 1815 statt der polnischen Bauern und sächsischen Grenadiere, die er gerne gehabt hätte, französische Citoyens aus den ehemals geistlichen Kurfürstentümern Köln und Trier zugesprochen. Oben drauf bekam er noch ein paar Luxemburger, Oldenburger und Nassauer. Preußens Expansionsdrang und Herrschaftsgelüste gingen jedoch weiter, wie ausführlich gezeigt. Nach den Befreiungskriegen gegen Napoléon verlangte die Volksseele nach Freiheit und Einheit. Dieser Drang verschaffte sich unter anderem in zwei volksfestähnlichen Veranstaltungen hohe Aufmerksamkeit.

Im Jahre 1817 trafen sich auf der Wartburg bei Eisenach rund 500 Studenten und ihre Professoren. Jeder Teilnehmer musste versichern, dass unter seinen Vorfahren in vier Generationen weder Franzosen, Juden oder Polen waren. Der bekannteste Teilnehmer war Turnvater Jahn. In den Reden und Gesängen kam nichts wie Deutschtümelei zum Ausdruck. Gewettert wurde gegen Kleinstaaterei und gefordert wurde ein großdeutscher Nationalstaat mit eigener Verfassung und schwarz-rot-goldenen Flagge. Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. war sehr besorgt und verlangte von seinem Kultusminister Karl Freiherr vom Stein, alle studentischen Verbindungen in seinem Lande zu verbieten.

Über das Hambacher Fest vom Mai/Juni 1832 enthält der Bericht Ludwig Börnes viele Details. Dieses Fest war völlig anders. Die über 20.000 Teilnehmer kamen nicht nur aus allen Teilen Deutschlands, sondern auch aus verschiedenen Volksschichten. Dazu kamen in Frankreich lebende politische Dissidenten und polnische Patrioten. Börne, der aus Paris angereist war, wurde angehimmelt und von einfachen Leuten aus dem Volk gefragt, ob er nicht deutscher König werden wolle. Ein junges Mädchen, das zuerst schüchtern seine Hand geküsst hatte, wurde aufgefordert, ihn auf den Mund zu küssen. Dass ihm selbst eine wertvolle Taschenuhr gestohlen wurde, erfüllte ihn mit Optimismus. Wo auch Diebe tätig sind, da wird sicher etwas herauskommen. Aus der Ferne verlangten sowohl Österreich wie die Preußen ein hartes Vorgehen gegen alle Teilnehmer dieser Veranstaltung.

Aufstand Badener Demokraten 1848

Der im Süden Badens beginnende Aufstand von 1848 hatte von Beginn eine andere Stoßrichtung als die beiden erwähnten Aktivitäten. Es ging nicht primär um die nationale Einigung, sondern um die Abschaffung der Fürstenherrschaft und die Schaffung einer demokratischen Republik. Hier konnte Preußen nicht mehr abseits stehen und andere zum Handeln drängen. Im Namen des Deutschen Bundes wurde eine ‚Operationsarmee‘ unter preußischer Führung gebildet. Sie zog von der Pfalz her nach Baden und schlug die zu den Revolutionären übergewechselten Badener Truppen bei Waghäusel. Anschließend räumte man weiter gegen Süden hin auf. Beim Einmarsch in Freiburg am 7.Juli und der anschließenden Siegesfeier in Karlsruhe nahm neben dem Großherzog Leopold von Baden auch der preußische Kronprinz teil, der spätere Kaiser Wilhelm I.

Zurückdrängen Österreichs 1866

Im deutsch-deutschen Krieg von 1866 ging es Preußen darum, Österreich aus Nord- und Westdeutschland zu vertreiben. Die Entscheidung fiel im Juli bei Königgrätz, einem Dorf in der Nähe von Prag. Gleichzeitig wurde die bis dahin Freie Reichstadt Frankfurt besetzt. Sie wurde zu 30 Millionen Gulden Kriegskontribution verurteilt, die innerhalb von 24 Stunden aufzubringen waren. Frankfurts Vergehen war, dass es als Sitz des Deutschen Bundestages Partei für ein Kaiserreich unter der Führung Österreichs ergriffen hatte. Anschließend wurde Frankfurt zur Großen Kreisstadt degradiert und der preußischen Provinz Hessen-Nassau zugeschlagen.

Übrigens ist die Schlacht von Königgrätz in Frankreich als die Schlacht von Sadowa bekannt. Napoléon III. verlangte Rache für Sadowa. Das ist nur zu verstehen, wenn man weiß, dass die Franzosen  ̶  wie der Rest der Welt  ̶  mit einer Niederlage Preußens fest gerechnet hatten. Sie hofften dann als Friedensvermittler zwischen Preußen und Österreich aufzutreten und als Lohn das Rheinland zu bekommen.

Bayrische Subventionen 1870

Der Realpolitiker Bismarck kannte genau seine Grenzen. Einem Vertrauten gestand er ein, dass er nur soweit gehen kann, wie der Vorrat an preußischen Offizieren reicht. Dieses war ein besonderer Schlag von Menschen, nämlich die nachgeborenen Söhne ostelbischer Junker. Die Eroberung Bayerns lag für Bismarck jenseits dieser Grenze. Deshalb musste Geld helfen. König Ludwig II. benötigte für seine Bauvorhaben dringend Geld. Folglich stimmte er dem Aufgehen Bayerns im Deutschen Reich zu. Insgesamt soll Ludwig mehr als sechs Millionen Goldmark erhalten haben. Diese ‚Subventionszahlungen‘ wurden geheim unter Einschaltung Schweizer Banken abgewickelt und flossen in Ludwigs Privatvermögen. Auf preußischer Seite soll das Geld seinen Ursprung im Vermögen des Hauses Wettin gehabt haben. Das sind die ehemaligen Herrscher des Königreichs Hannover.

Rheinische Separatisten 1923

Während der Besetzung des Ruhrgebiets rumorte es im Rheinland. Wie 1945 bei den Saarländern gab es um 1923 in Teilen des Rheinlands eine Bewegung, die für einen Anschluss an Frankreich plädierte. Nach einem verlorenen Krieg hat es gewisse Vorteile auf der Seite des Siegers gelandet zu sein. Nicht zu verwechseln sind diese Leute mit den führenden Köpfen der damaligen Zentrumspartei. Konrad Adenauer und Ludwig Kaas waren zwei prominente Vertreter. Sie forderten eine ‚Entpreußung‘ des Rheinlands, d.h. die Aufwertung des Rheinlands zu einem eigenen Bundesstaat innerhalb des Deutschen Reiches. Preußen umfasste zuletzt praktisch ganz Norddeutschland bis zum Main. Seine Fläche und seine Bevölkerung waren so groß wie die aller übrigen Länder zusammen. 

Alsbald ging es garnicht mehr um Preußen. Extreme von der Linken und von der Rechten verprügelten sich auf der Straße, Kommunisten und Nazis. Preußen hatte ausgedient - um es militärisch zu sagen.

Ende dieser Geschichte

Die Leser wissen, wie diese Geschichte weiterging. Es kamen Hitler und der Zweite Weltkrieg. Es sollen preußische Tugenden wie Opferbereitschaft und Pflichtbewusstsein gewesen sein, die Hitler halfen sein teuflisches Werk zu vollbringen. Die immer etwas um die Ecke denkenden Berliner meinten, dieser Hitler sei Österreichs Rache für Königgrätz bzw. Sadowa gewesen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand Preußen. Im Westen haben Engländer und Franzosen die Landkarte neu gestaltet. Aus dem von den Preußen geschaffenen Rheinland wurden deren zwei, ein englischer und ein französischer Teil. Der nördliche Teil gehört zum heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen, der südliche zu Rheinland-Pfalz.

Referenz


1. Endres, A.: Die Preußenzeit in der Eifel und im Rheinland. Heimatkalender 2015 des Eifelkreises Bitburg-Prüm, 53-61

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