Bald
sind es 200 Jahre her, dass aus dem zerstückelten Streifen Land namens Preußen
ein deutscher Flächenstaat wurde. Diesen Vorgang habe ich in einer Eifler Publikation [1] aus der Sicht eines
Rheinländers beschrieben. Hier möchte ich einige Details nachtragen und die
Sicht anderer deutscher Landsmannschaften wie Badener, Bayern, Hessen, und
Thüringer hinzufügen. Aus der Retroperspektive erinnert Preußens damalige Rolle
etwas an die der Amerikaner unter Reagan und den beiden Bushs. Preußen war der
Polizist nicht der Welt aber Deutschlands, und es arbeitete mit politischen
Repressionen, mit Subventionen oder mit Militärschlägen. Preußen sah seine
historische Aufgabe darin, den Status quo zu sichern, politisch und
gesellschaftlich. Gemeint ist das alte Regime der Fürsten und des Adels. Als
Bedrohung galten selbstbewusste Bürger und fordernde Unterschichten.
Studenten-
und Bürgerfeste 1817 und 1832
Wie in
der erwähnten Arbeit ausgeführt, erhielt der Preußenkönig Friedrich Wilhelm
III. im Jahr 1815 statt der polnischen Bauern und sächsischen Grenadiere, die
er gerne gehabt hätte, französische Citoyens aus den ehemals geistlichen
Kurfürstentümern Köln und Trier zugesprochen. Oben drauf bekam er noch ein paar
Luxemburger, Oldenburger und Nassauer. Preußens Expansionsdrang und
Herrschaftsgelüste gingen jedoch weiter, wie ausführlich gezeigt. Nach den
Befreiungskriegen gegen Napoléon verlangte die Volksseele nach Freiheit und
Einheit. Dieser Drang verschaffte sich unter anderem in zwei volksfestähnlichen
Veranstaltungen hohe Aufmerksamkeit.
Im
Jahre 1817 trafen sich auf der Wartburg bei Eisenach rund 500 Studenten und ihre
Professoren. Jeder Teilnehmer musste versichern, dass unter seinen Vorfahren in
vier Generationen weder Franzosen, Juden oder Polen waren. Der bekannteste Teilnehmer
war Turnvater Jahn. In den Reden und Gesängen kam nichts wie Deutschtümelei zum
Ausdruck. Gewettert wurde gegen Kleinstaaterei und gefordert wurde ein großdeutscher
Nationalstaat mit eigener Verfassung und schwarz-rot-goldenen Flagge. Der Preußenkönig
Friedrich Wilhelm III. war sehr besorgt und verlangte von seinem Kultusminister
Karl Freiherr vom Stein, alle studentischen Verbindungen in seinem Lande zu
verbieten.
Über das
Hambacher Fest vom Mai/Juni 1832
enthält der Bericht Ludwig
Börnes viele Details. Dieses Fest war völlig anders. Die über 20.000 Teilnehmer
kamen nicht nur aus allen Teilen Deutschlands, sondern auch aus verschiedenen
Volksschichten. Dazu kamen in Frankreich lebende politische Dissidenten und
polnische Patrioten. Börne, der aus Paris angereist war, wurde angehimmelt und von
einfachen Leuten aus dem Volk gefragt, ob er nicht deutscher König werden
wolle. Ein junges Mädchen, das zuerst schüchtern seine Hand geküsst hatte,
wurde aufgefordert, ihn auf den Mund zu küssen. Dass ihm selbst eine wertvolle
Taschenuhr gestohlen wurde, erfüllte ihn mit Optimismus. Wo auch Diebe tätig
sind, da wird sicher etwas herauskommen. Aus der Ferne verlangten sowohl Österreich
wie die Preußen ein hartes Vorgehen gegen alle Teilnehmer dieser Veranstaltung.
Aufstand
Badener Demokraten 1848
Der im
Süden Badens beginnende Aufstand von 1848 hatte von Beginn
eine andere Stoßrichtung als die beiden erwähnten Aktivitäten. Es ging nicht
primär um die nationale Einigung, sondern um die Abschaffung der
Fürstenherrschaft und die Schaffung einer demokratischen Republik. Hier konnte
Preußen nicht mehr abseits stehen und andere zum Handeln drängen. Im Namen des
Deutschen Bundes wurde eine ‚Operationsarmee‘ unter preußischer Führung
gebildet. Sie zog von der Pfalz her nach Baden und schlug die zu den Revolutionären
übergewechselten Badener Truppen bei Waghäusel. Anschließend räumte man weiter
gegen Süden hin auf. Beim Einmarsch in Freiburg am 7.Juli und der
anschließenden Siegesfeier in Karlsruhe nahm neben dem Großherzog Leopold von
Baden auch der preußische Kronprinz teil, der spätere Kaiser Wilhelm I.
Zurückdrängen
Österreichs 1866
Im
deutsch-deutschen Krieg von 1866 ging es Preußen darum, Österreich aus Nord-
und Westdeutschland zu vertreiben. Die Entscheidung fiel im Juli bei
Königgrätz, einem Dorf in der Nähe von Prag. Gleichzeitig wurde die bis dahin Freie Reichstadt
Frankfurt
besetzt. Sie wurde zu 30 Millionen Gulden Kriegskontribution verurteilt, die
innerhalb von 24 Stunden aufzubringen waren. Frankfurts Vergehen war, dass es
als Sitz des Deutschen Bundestages Partei für ein Kaiserreich unter der Führung
Österreichs ergriffen hatte. Anschließend wurde Frankfurt zur Großen Kreisstadt
degradiert und der preußischen Provinz Hessen-Nassau zugeschlagen.
Übrigens
ist die Schlacht von Königgrätz in Frankreich als die Schlacht von Sadowa
bekannt. Napoléon III. verlangte Rache für Sadowa. Das ist nur zu verstehen,
wenn man weiß, dass die Franzosen ̶ wie der Rest der Welt ̶ mit
einer Niederlage Preußens fest gerechnet hatten. Sie hofften dann als
Friedensvermittler zwischen Preußen und Österreich aufzutreten und als Lohn das
Rheinland zu bekommen.
Bayrische
Subventionen 1870
Der
Realpolitiker Bismarck kannte genau seine Grenzen. Einem Vertrauten gestand er
ein, dass er nur soweit gehen kann, wie der Vorrat an preußischen Offizieren
reicht. Dieses war ein besonderer Schlag von Menschen, nämlich die
nachgeborenen Söhne ostelbischer Junker. Die Eroberung Bayerns lag für Bismarck
jenseits dieser Grenze. Deshalb musste Geld helfen. König Ludwig II. benötigte
für seine Bauvorhaben dringend Geld. Folglich stimmte er dem Aufgehen Bayerns
im Deutschen Reich zu. Insgesamt soll Ludwig mehr als sechs Millionen Goldmark
erhalten haben. Diese ‚Subventionszahlungen‘ wurden geheim unter
Einschaltung Schweizer Banken abgewickelt und flossen in Ludwigs
Privatvermögen. Auf preußischer Seite soll das Geld seinen Ursprung im Vermögen
des Hauses Wettin gehabt haben. Das sind die ehemaligen Herrscher des
Königreichs Hannover.
Rheinische
Separatisten 1923
Während
der Besetzung des Ruhrgebiets rumorte es im Rheinland. Wie 1945 bei den
Saarländern gab es um 1923 in Teilen des Rheinlands eine Bewegung, die für einen Anschluss
an Frankreich plädierte. Nach einem verlorenen Krieg hat es gewisse Vorteile
auf der Seite des Siegers gelandet zu sein. Nicht zu verwechseln sind diese
Leute mit den führenden Köpfen der damaligen Zentrumspartei. Konrad Adenauer und Ludwig Kaas waren zwei prominente
Vertreter. Sie forderten eine ‚Entpreußung‘ des Rheinlands, d.h. die Aufwertung
des Rheinlands zu einem eigenen Bundesstaat innerhalb des Deutschen Reiches.
Preußen umfasste zuletzt praktisch ganz Norddeutschland bis zum Main. Seine
Fläche und seine Bevölkerung waren so groß wie die aller übrigen Länder zusammen.
Alsbald ging es garnicht mehr um Preußen. Extreme von der Linken und von der Rechten verprügelten sich auf der Straße, Kommunisten und Nazis. Preußen hatte ausgedient - um es militärisch zu sagen.
Alsbald ging es garnicht mehr um Preußen. Extreme von der Linken und von der Rechten verprügelten sich auf der Straße, Kommunisten und Nazis. Preußen hatte ausgedient - um es militärisch zu sagen.
Ende dieser
Geschichte
Die
Leser wissen, wie diese Geschichte weiterging. Es kamen Hitler und der Zweite
Weltkrieg. Es sollen preußische Tugenden wie Opferbereitschaft und Pflichtbewusstsein
gewesen sein, die Hitler halfen sein teuflisches Werk zu vollbringen. Die immer
etwas um die Ecke denkenden Berliner meinten, dieser Hitler sei Österreichs
Rache für Königgrätz bzw. Sadowa gewesen.
Nach
dem Zweiten Weltkrieg verschwand Preußen. Im Westen haben Engländer und
Franzosen die Landkarte neu gestaltet. Aus dem von den Preußen geschaffenen
Rheinland wurden deren zwei, ein englischer und ein französischer Teil. Der
nördliche Teil gehört zum heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen, der südliche
zu Rheinland-Pfalz.
Referenz
Referenz
1. Endres, A.: Die
Preußenzeit in der Eifel und im Rheinland. Heimatkalender 2015 des Eifelkreises
Bitburg-Prüm, 53-61
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