Freitag, 26. September 2014

Informatik und Informatiker in der Innen- und Außenansicht (GI-JT Stuttgart)

In der Woche vom 22. bis 26. September fand die diesjährige Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik (GI) in Stuttgart statt. Das Tagungsthema hieß ‚Big Data – Komplexität meistern‘. Die Hauptveranstaltungen waren in einem ‚Tag der Wirtschaft‘ und einem ‚Tag der Informatik‘ zusammengefasst. Daneben gab es Tutorien und Workshops. Parallel zur Jahrestagung fanden drei weitere Fachtagungen statt, was die hohe Teilnehmerzahl von über 1200 erklärt. Es waren dies die KI 2014 über Künstliche Intelligenz, und MATES 2014 über Multiagent Systems Techology, sowie der Integrata-Kongress der Integrata-Stiftung.

Informatik ist angekommen

Eine Jahrestagung ist für den Vorstand und den Präsidenten der GI eine Gelegenheit, über den Stand des Fachgebiets zu reflektieren. Im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten steht heute außer Frage, dass die Informatik in der Öffentlichkeit angekommen ist. Damit erübrigt sich der Teil der Arbeit der GI, der dazu diente aufzuklären, was Informatik überhaupt ist. Jeder Erwachsene, ja jeder Schüler, benutzt heute Informatiksysteme. Sie heißen zwar Navi, Notebook, Tablet oder Smartphone, jeder weiß jedoch, dass die alles entscheidende Komponente ein Computer ist, und dass kein Computer ohne Software funktioniert. Oft ist es die Software, die den Unterschied zwischen den Fabrikaten macht. Viele Probleme, die Nutzer haben, sind durch Software bedingt. Bessere Systeme gibt es in Zukunft nur, wenn auch die Software verbessert wird. 

Die Repräsentanten der GI laufen geradezu offene Türen ein, wenn sie mit Politikern oder den Bundesbehörden sprechen wollen. Der Wirtschaftsminister übernimmt die Schirmherrschaft über den Innovations- und Entrepreneurpreis der GI und die Wissenschaftsministerin tut das Gleiche für den Dissertationspreis. Niemand in unserem Lande redet mehr über Arbeitslosigkeit, die durch die Digitalisierung verursacht wird. Dass ganze Branchen, wie das Druck- und Pressewesen, vor einem Wandel stehen, wird als unvermeidbar angesehen. Andere Branchen, wie der Maschinenbau oder das Verkehrswesen, sind bemüht, die Chancen zu nutzen, die sich ergeben. Immer noch ist die GI vorwiegend ein Akademikerverein. Das Interesse unter Praktikern lässt sehr zu wünschen übrig. Durch die Einrichtung eines Industrie- und Wirtschaftsbeirats soll – mal wieder – versucht werden, bei diesem Problem Abhilfe zu schaffen. Da bereits über 50.000 Absolventen des Studiengangs Informatik im Berufsleben stehen, ist vermutlich schon bei vielen Studierenden die Chance versäumt worden, die entsprechende Saat auszulegen. 

Einzelne Aktionen der GI 

Hatte das BMBF 2006 zum Jahr der Informatik erklärt, so stand 2014 die ‚Digitale Gesellschaft‘ im Blickpunkt der Politik. Die GI beteiligte sich unter anderem durch die Auswahl und Nominierung von 39 ‚Digitalen Köpfen‘. Darunter sind Praktiker und Hochschullehrer. Sie sollen durch Innovationen und Leistungen die digitale Zukunft unseres Landes prägen. Beim jährlichen IT-Gipfel mit der Bundeskanzlerin ist die GI in Arbeitsgruppen vertreten. In einer Poster-Aktion stellte die GI bereits im letzten Jahr international bekannte Informatiker vor. Begonnen wurde mit Alan Turing. Jüngere Kollegen wie Tim Berners-Lee oder Jerry Page und Sergey Brin gehörten auch dazu. Fünf Nachwuchs-Wissenschaftler wurden zu Junior Fellows ernannt. 

Eine Aktion, auf die ich bereits in diesem Blog hinwies, diente der Definition von großen Herausforderungen (engl. grand challenges). Aus der Vielzahl von Vorschlägen wurden fünf ausgewählt. Sie lauten:
  • Digitales Kulturerbe
  • Internet der Zukunft, sicher, frei, vertrauenswürdig
  • Systemische Risiken in weltweiten Netzen
  • Allgegenwärtige Mensch-Computer-Interaktion
  • Verlässlichkeit von Software
Sie sind jetzt in einer Broschüre beschrieben. Sie sollen in etwa zwei Jahren fortgeschrieben werden.

Vom Treffen der GI-Fellows

Etwa 40 Fellows trafen sich am ersten Tag, dem Montag, mit dem GI-Vorstand. Außer der Erledigung von Formalitäten wie der Verabschiedung einer Art Satzung gab es einige Themen, die allgemein interessieren dürften. Die GI will in Zukunft eine Kommunikations-Plattform im Internet einrichten, nur für die Kommunikation der Fellows untereinander. Obwohl nicht klar ist, ob dieses so genannte Fellow Forum nur eine andere Netzleiche oder aber ein Medium zur Selbstdarstellung einzelner wird, taucht die Frage auf, ob es von Vornherein eine Sparten-Struktur ähnlich der FAZ haben sollte. 

Das Fellow-Treffen vor einem Jahr hatte ganz im Zeichen  der NSA-Affäre gestanden. Damals gab es vor allem von Seiten des Kollegen Bayer konkrete Vorschläge, was die GI tun könnte, um die Verschlüsselung von E-Mails populärer zu machen. Entsprechende Empfehlungen wurden im Laufe des Jahres veröffentlicht. Dieses Jahr verabschiedeten die Fellows einen Antrag an den Vorstand, stärker als bisher politisch zur Verletzung des Art 10 GG durch Geheimdienste Stellung zu nehmen. In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass die bekannten Verfahren zur asymmetrischer Verschlüsselung und Zertifizierung durch CAs meist als zu schwer und zu unsicher angesehen würden, und daher kaum Chancen haben von der Mehrheit der GI-Mitglieder akzeptiert zu werden. Demgegenüber gäbe es andere Verfahren, die leichter zu nutzen seien. Ein Beispiel böte der Chat-Dienst Threema (der Konkurrent von WhatsApp). Außerdem hätte eine Meinungsumfrage ergeben, dass etwa 97% der deutschen Bevölkerung der Ansicht ist, dass die ganze NSA-Affäre zu sehr aufgebauscht wurde und sie überhaupt nicht berühre. Ein anwesender GI-Fellow hielt dem entgegen, dass Revolutionen sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen dürfen, auch wenn nur 3% der Bevölkerung sie unterstützen. 

Über den Tag der Informatik 

Der Vortrag des Kollegen Manfred Broy von der TU München war der Höhepunkt des Tages. ‚Cyber-Physical Systems – digital vernetzt in die physikalische Wirklichkeit‘ hieß der Titel seines Referats. Der Ausdruck cyber-physische Systeme wurde in Deutschland durch eine Studie der acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, populär gemacht. Es sind ‚software-intensive Systeme, die unmittelbar mit der physikalischen Wirklichkeit verbunden sind, aber im Gegensatz zu klassischen eingebetteten Systemen tief und umfassend über globale Netzstrukturen, wie das Internet und damit verfügbare Daten und Dienste, vernetzt sind.` Weiter heißt es: ‚Bisher zielten die Modelle der Informatik eher auf den Lösungsraum (die abstrakte Rechenmaschine) und weniger auf den Problemraum (die Welt der organisatorischen oder physikalischen Prozesse). … Von besonderer Bedeutung sind letztlich Modelle von Zeit und Raum. Eine Informatik, die diese Konzepte harmonisch integriert und in einen Engineering-Ansatz umsetzt, ist das geeignete Vehikel, um die Cyber-Physischen Systeme der Zukunft zu erschließen.‘ Dass für Informatiker und Informatik-Systeme jetzt plötzlich eine ‚Real World Awareness‘ gefordert wird, mag manchen Praktiker, der nie ohne Realitätsbezug auskam, etwas überraschen. Wenn außerdem gefordert wird, Zeit und Raum als real anzusehen, kann es sein, dass Kollegen sich wundern, die ein Berufsleben lang Echtzeit-Datenverarbeitung betrieben haben. Mit theoretischen Physikern mag Broy sich allerdings Probleme einhandeln, die weder Zeit noch Raum als unverrückbar anerkennen. Es ist dem Kollegen Broy hoch anzurechnen, dass er sich bemüht, die Kluft zwischen Theorie und Praxis nicht als unveränderlich hinzunehmen. Wenn immer die Praxis fortschreitet, sollte die Theorie aufholen. In Anlehnung an das Schlagwort Industrie 4.0 definierte Broy die Informatik 4.0. Die ganze Geschichte der Informatik wurde neu strukturiert. 

Smart Big Dataso hatte Karl-Heinz Streibich, der CEO der Software AG, seinen Vortrag überschrieben. Ich zitiere aus seinem Abstrakt; ‚Die intelligente Nutzung von digitalen Daten spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, Antworten auf zukünftige wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen zu geben. Software ist hierbei der fundamentale Werkstoff für innovative Produkte und Dienstleistungen. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wird entscheidend von der Fähigkeit abhängen, softwarebasierte Produkte und Dienstleistungen mit höchster Qualität zu erstellen.‘ Dass alles, was auch Software enthält, gleich als ‚smart‘ gilt, ist ein Klischee, das wir irgendwann aufgeben müssen. Es gab halt lange keine Software-Skandale mehr. 

Peter Schaar, der frühere Datenschutz-Beauftragte der Bundesregierung, hatte das Thema ‚Big Data mit Datenschutz - Mission impossible?‘ gewählt. Nach seiner Meinung stellt Big Data ‚wesentliche Datenschutzprinzipien auf den Kopf‘. Es bestünde ein Widerspruch zu den Anforderungen der Erforderlichkeit, Zweckbindung und der Datensparsamkeit. Vorkehrungen zur Anonymisierung und Pseudonymisierung und ein Höchstmaß an Transparenz würden helfen. Ich konnte es mir nicht verkneifen, darauf zu verweisen, dass demnächst ein Informatiker, nämlich Jaron Lanier, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten wird, in dessen bekanntestem Buch der Satz steht. 'Wir Informatiker machen sehr oft den Fehler, dass wir Daten und Information Rechte zubilligen. Daten und Information haben null Rechte. Rechte haben nur Personen oder Körperschaften'. Was er davon hielte? Die Antwort von Schaar war sinngemäß. 'Natürlich hat Jaron Lanier Recht. Dummerweise hat sich in Deutschland eine andere Terminologie eingebürgert.' Gedacht, aber nicht gesagt, habe ich mir: Terminologie führt oft zu Denkweisen. 'Information muss frei sein'  heißt es z.B. bei den Piraten. Auch müsste das Gerede über Datensparsamkeit nicht nur einem Informatiker kalt über den Rücken laufen. Da mehr Daten oft auch mehr Wissen bedeutet, fordern Schaar und Gleichgesinnte – hoffentlich unbewusst – eine Einschränkung des Wissenserwerbs. Soviel zu den Vorträgen, die ich besucht habe. 

Festveranstaltung im Mercedes-Benz-Museum 

Als Festredner hatte man den Stuttgarter Technik- und Umweltsoziologen Ortwin Renn eingeladen. Er spannte den Bogen zwischen den Urmenschen auf der Schwäbischen Alb, die sich glücklich fühlten, wenn sie 30 Jahre leben konnten, und den heutigen Kindern, die mit einer Lebenserwartung von über 90 Jahren geboren werden. Man brauche nur daran zu denken, um sich klar zu machen, was die Technik bewirkt hat. Sehr entscheidend sei zwar die medizinischer Technik gewesen. Aber unserer Technik, der Informatik, falle zunehmend die Rolle zu, das verlängerte Leben lebenswert zu machen. Wir können nicht nur das Gehen, das Hören und das Sehen unterstützen. Wir können die Teilhabe an geistigem Leben ermöglichen und sicherstellen. Auch dieses Thema war schon einmal Gegenstand dieses Blogs. Als Soziologen bedrückt Renn die Ungleichheit der Möglichkeiten, die Menschen haben. Ob die von ihm favorisierte Umverteilung aller Reichtümer alle Weltkonflikte löst, wage ich zu bezweifeln. 

Eines Teilnehmers Anregungen an die GI 

Zum Schluss möchte ich zwei Punkte aufgreifen, die ich teilweise in Gesprächen mit Kollegen diskutiert habe. Sie mögen Leser dazu anregen, eine Meinung zu äußern.

So erfreulich es ist, dass der Vorstand der GI so viele Kontakte knüpft und Dinge anstößt, besteht leider die Gefahr, dass nach einem Wechsel der Personen wieder am Punkt Null begonnen werden muss. Die Organisation der GI ist nicht auf Nachhaltigkeit der politischen und fachlichen Arbeit angelegt. Zusätzliche Personalstellen in der Geschäftsstelle sind nicht die einzige Lösung.

Eine Fokussierung der GI auf die Jugend ist für ihr Überleben wichtig. Es darf jedoch nicht in einen Jugendwahn ausarten. Hat man sich Gedanken gemacht, was aus Junior Fellows oder Digitalen Köpfen wird, wenn sie sich nicht zu Leistungsträgern der Gesellschaft entwickeln? Mit Gesellschaft ist hier die GI gemeint, oder die Informatik (was nicht gleich GI ist), die Ausbildung des Nachwuchses für Wirtschaft und Wissenschaft, die Wirtschaft oder die Wissenschaft und das Land als Ganzes.

Donnerstag, 18. September 2014

Unsere Welt erklärt von Peter Scholl-Latour

Beginnend in den 1950er Jahren erklärten das Radio und später das Fernsehen uns das aktuelle Geschehen in der Welt. Davor waren es nur Bücher, Zeitschriften und Zeitungen. Ein Fernseh-Reporter, an den ich mich sehr lebhaft erinnere, war Peter von Zahn. Er berichtete fast jede Woche aus Washington. Später waren es Thilo Koch und Gerd Ruge. Ein anderer Welterklärer, dem ich schon früh immer wieder zuhörte, war der im August verstorbene Peter Scholl-Latour (1924-2014). Nicht nur aufgrund seines Alters galt er als der Nestor der deutschen Auslandskorrespondenten. 

Lebenslauf

Scholl-Latous Leben ist ein wahrer Abenteuer-Roman. Nur so viel: Er wurde 1924 in Bochum geboren. Seine Eltern hatten vor dem ersten Weltkrieg in Zabern (heute Saverne) im Elsass gelebt. Sein Vater war Arzt. Seine Mutter war jüdischer Abstammung. Peter Scholl-Latour wuchs zweisprachig auf. Kurz nach dem Abitur 1943 in Kassel versuchte er sich den jugoslawischen Partisanen anzuschließen, wurde aber in Kärnten abgefangen. Im Gestapo-Gefängnis erkrankte er an Flecktyphus. Kaum genesen, meldete er sich 1945 zu einer französischen Fallschirmjägereinheit in Indochina.

Nach Beendigung des Feldzugs studierte er politische Wissenschaften an der ‚Sciences Po‘ in Paris und promovierte an der Sorbonne. Anschließend studierte er Hoch-Arabisch in Beirut. Über eine Stelle bei der Saarbrücker Zeitung gelangte er in den Stab von Johannes Hoffmann, der einen europäischen Status für das Saarland anstrebte. Nach der Volksabstimmung von 1956, die zum Anschluss an Deutschland führte, ging er zum Westdeutschen Rundfunk (WDR), später zum ZDF. Als erster Leiter des ARD-Studios Paris lernten ihn die meisten Leute kennen. Bei seiner Beerdigung in Rhöndorf ließ er  ̶  wohl zur Erinnerung an seine Jugendzeit  ̶  einen Gregorianischen Choral spielen. 

Seine zwei letzten Bücher 

Ich habe unter anderem das vorletzte und letzte seiner über 30 Bücher gelesen. Das eine kam im Jahre 2012 heraus. Es ist eine Tour d’Horizon, eine Art von Vermächtnis des 87-jährigen Globetrotters, dessen Alter ihn nicht vom Reisen abhielt. Der Titel heißt Die Welt aus den Fugen. Ob beabsichtigt oder nicht, erinnert der Titel an das berühmte Shakespeare-Zitat aus Hamlet (Akt 1, Szene 5) an: The time is out of joint. Das zweite, im September 2014, also posthum erschienene Buch heißt Der Fluch der bösen Tat. Auch dieser Titel lehnt sich an ein Literatur-Zitat an. Dieses Mal ist es Friedrich Schillers Wallenstein (Akt 5, Aufzug 1): Das eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortwährend immer Böses muss gebären. Auch diesem Buch liegen Augenzeugenberichte des 89-jährigen Privatreisenden zugrunde, etwa in das nordsyrische Kriegsgebiet. 

Anstatt zu versuchen, den Inhalt der beiden Bücher wiederzugeben, will ich nur einige Sichten und Thesen hervorheben, auf die Scholl-Latour immer wieder zurückkam. Er wiederholte sie, obwohl  ̶  oder weil  ̶  sie von der Allgemeinheit, d.h. von der Politik und der meinungsbildenden Presse nicht geteilt wurden. Scholl-Latour wagte es, eine Außenseiter-Meinung zu vertreten. Er stellte dabei eine realistische Betrachtungsweise den idealistischen Wunschvorstellungen vieler Politiker gegenüber. Vor allem räumte er dem Westen nicht das Recht ein, dem Rest der Welt besserwisserisch gegenüberzutreten, und ihm eine Wirtschafts- oder Staatsform aufzudrängen, die dort keine Chancen haben akzeptiert zu werden. Auch wenn die Welt wegen ihrer Multipolarität nicht immer leicht zu verstehen ist, sei dies kein Grund, es nicht zu versuchen. Das Denken in globalen Blöcken und Schwarz-Weiß-Malerei reiche nicht aus. Natürlich könnten auch minimale Kenntnisse der Geschichte einer Region von Nutzen sein. Bei Diplomaten sollte man sie voraussetzen. 

Irak, Iran, Saudi-Arabien und Syrien 

Diese Weltregion lag Scholl-Latour besonders am Herzen. Er sah sie als das größte Problem für den Westen an. Es ist das Stammland des Islam, aber nicht dessen bevölkerungsreichste Region. Das ist Indonesien. Im Nahen Osten (und Nordafrika) verbindet sich politische Instabilität mit einer Explosion der Bevölkerung. Es besteht ein Überdruck verursacht durch den hohen Anteil junger Menschen. 

Das Urereignis zum Verständnis dieser Region (sowie die im Titel des zweiten Buches gemeinte böse Tat) sei 1953 der Sturz Mossadeqs durch Mitwirkung des amerikanischen Geheimdienstes CIA gewesen. Mossadeq hatte es gewagt, die Anglo-Iranian Oil Company zu verstaatlichen und Kontakte zu Moskau aufzunehmen. Nach der Vertreibung des Schahs und der Gründung der islamischen Republik Iran durch Ayatollah Khomeini kam es 1979 zur Besetzung der US-Botschaft in Teheran, die insgesamt 444 Tage andauerte. Jedes dieser beiden Ereignisse hätte sich bei der betroffenen Nation als eine Art Trauma im kollektiven Gedächtnis eingeprägt. Zwischen 1980 und 1988 kam es zum ersten so genannten Golfkrieg, in dem Saddam Hussein mit Unterstützung des Westens dem Iran sehr große Verluste zufügte. Als der Irak dann das reiche Ölland Kuweit überfiel, wurde er 1991 zum ersten Mal von den Amerikanern und ihren Verbündeten besiegt. Im dritten Golfkrieg von 2003 bis 2007 fanden Saddam Hussein und seine Baath-Partei schließlich ein trauriges Ende. 

Während der Iran sich langsam erholte und stabilisierte, blieb der Irak ein Krisenherd. Schuld dran seien die Amerikaner gewesen, die dem Land Wahlen verordneten. Die Wahlen zerrissen das Land entlang ethnischen und religiösen Grenzen. Die Mehrheit der Schiiten erreichte eine Aussöhnung mit dem schiitischen Nachbarn Iran und unterdrückte die Minderheit der Sunniten. Es kam zu einer de facto Loslösung des kurdischen Nordens. Die Rivalität von Schiiten und Sunniten sei deshalb so gefährlich, weil in Wirklichkeit ein regionaler Konflikt um die Vorherrschaft am Persischen Golf zwischen Iran und Saudi-Arabien dahinter stecke. Bei den Saudis existiere eine extreme Form der Sunniten, Wahhabiten genannt. Nicht nur finanzierten Wahhabiten ‚Gotteskrieger‘ wie die Al Qaida, sie behandeln in ihrem Lande Frauen und Nichtgläubige auf eine Art und Weise, dass dem gegenüber der Iran geradezu ein ‚demokratischer und toleranter Staat‘ sei. Im Iran seien an den Universitäten mehr Frauen als Männer. 

Syrien unter Hafez al Assad schlug sich auf die Seite des Iran und suchte die Verbindung mit Moskau. Diese Orientierung hat sein Sohn Bashar beibehalten. Die Mehrheit des Landes sind Sunniten, mit einer zahlenmäßig schwachen Minderheit der Alawiten. Assad als Alawit kann sich nur dank der Unterstützung seiner Verbündeten an der Macht halten. Nach dem Ausbruch des ‚Arabischen Frühlings‘ in Nordafrika habe der Westen in Syrien einen Aufstand gegen Assad ‚herbeigewünscht‘. Der Aufstand brach nicht in der Hauptstadt des Landes aus wie in den andern Ländern, sondern an der Grenze zu Israel. Von dort  aus pflanzte er sich nach Norden bis nach Aleppo fort. Obwohl ursprünglich auch von Saudis unterstützt, schwächele er inzwischen, da radikale Kräfte, die sich als ‚Islamischen Staat‘ (IS) bezeichnen, die Oberhand gewannen. Bei der IS sammeln sich todesbereite Veteranen aus früheren Kämpfen, so aus Afghanistan, Kaschmir, Libyen und Tschetschenien. Wie das verkündete neue Kalifat aussehen soll, kann sich niemand vorstellen. Diese Gruppe provozierte die Weltöffentlichkeit durch Angriffe auf christliche Minderheiten und die öffentliche Hinrichtung westlicher Journalisten. [Dazu sei bemerkt: Das bewegte Präsident Obama und die USA zum verstärkten Eingreifen und zur Bildung einer Gruppe von Verbündeten. Es gehören alle Parteien dazu außer Assad und Iran.]

Scholl-Latour sah die Politik des Westens als scheinheilig an. Obwohl Barack Obama versucht hatte eine Brücke zur arabischen Welt zu bauen (durch seine Rede in Kairo) und mit Iran ins Gespräch kommen wollte, sei dies bis heute gescheitert (oder verhindert worden). Stattdessen erfolgten Waffenlieferungen an Staaten wie Saudi-Arabien und Katar. In Katar wird eine schiitische Mehrheit von einer sunnitischen Herrscherfamilie unterdrückt. Sollte Assad gestürzt werden, gehe der letzte säkulare Staat der Region unter. Die Folgen für christliche Minderheiten wie Chaldäer und Maroniten seien katastrophal. Dass Saudis, USA und Israel gegen Assad seien, um eine Ausbreitung des iranischen und russischen Einflusses zu stoppen, sei eine Rechnung, die nicht aufgehen wird. Scholl-Latour schreibt dazu: 

Viele in Europa nehmen an, hinter dem Konflikt von Syrien steht der Ruf nach Freiheit und Menschenrechten. Das ist Unsinn. Bei diesem Konflikt geht es um die Frage, ob die Iraner eine Verbindung zum Mittelmeer bekommen und zwar über Irak, Syrien und den Libanon. Dies bildet den Hintergrund der Aktionen gegen den syrischen Präsidenten.


Israel und Palästina 

Es ist Israels Schicksal, dass es in eine Krisenregion eingebettet ist. Laut Scholl-Latour werden jedoch seine Probleme oft überbewertet. Die Hamas im Gaza-Streifen sei zwar lästig, aber an sich keine Gefahr. Anders sei es mit der Hisbollah im Libanon. Das seien Schiiten, die vom Iran ausgebildet und unterstützt werden. Solange Assad an der Macht ist, seien Israels Bedrohungen an der Libanon-Front wie an den Golan-Höhen jedoch gering. 

In der Westbank, also dem Transjordan-Gebiet, wohnen inzwischen 250.000 Israelis. Sollte es einmal einen eigenen Staat für die Palästinenser geben, dann wäre es ein wahrer Flickenteppich. Die Gefahr eines Atomkriegs mit dem Iran würde absichtlich hochgespielt, sowohl von Israel wie von den USA. Er wäre kollektiver Selbstmord, unabhängig davon, was der Hitzkopf Ahmadinedschad sagte. Entscheiden würden schließlich die Mullahs. Die möchten überleben. Israel und die Saudis fühlten sich von Obama hintergangen, weil er mit Iran reden will. Wenn Deutschland Israel U-Boote liefert, müssen wir davon ausgehen, dass sie mit Atomraketen bestückt im Indischen Ozean operieren. 

Ägypten, Tunis, Libyen 

Den so genannten ‚Arabischer Frühling‘, der In Tunesien seinen Anfang nahm, sieht nicht nur Scholl-Latour als gescheitert an. Dass die jungen Computer-Freaks auch Wahlen organisieren und gewinnen könnten, war eine Illusion, der man im Westen anhing. Bei freien Wahlen war mit dem Erstarken der Muslim-Brüder und der Salafisten zu rechnen. Die Salafisten werden von Saudi-Arabien aus unterstützt, da die Muslim-Brüder den Saudis als zu liberal gelten. Der Aufstand am Tahrir-Platz in Kairo sei offensichtlich vom Militär geduldet gewesen, um Mubarak los zu werden. Da die Muslim-Brüder die Wahl gewannen, aber später das Land entzweiten und den Tourismus zum Erliegen brachten, war nicht gewollt. Die Armee unter General Abd al-Fattah as-Sisi hat inzwischen das Wahlergebnis korrigiert.  

Libyens Muammar al-Gaddafi war zu Kreuze gekrochen, als er sah, was mit Saddam Hussein geschah. Später nutzte das ihm auch nichts. England und Frankreich fielen in die Rolle früherer Kolonialmächte. Im Unterschied zum Suez-Abenteuer von 1956 hatten sie dieses Mal die USA im Rücken. Deutschland sonderte sich jedoch ab. Heute versinkt das Land in Stammeskriegen. 

Türkei und Kurdistan 

Atatürk hatte dem Land eine laizistische Verfassung aufgezwungen und dem Militär die Aufgabe zugewiesen, nicht nur über die Landesgrenzen sondern auch über die Verfassung zu wachen. Während des Kalten Krieges war das Land ein wichtiger Partner am NATO-Südflügel. Die Türkei ist heute wieder wichtig für den Westen, allerdings an der syrischen Grenze. Recep Tayyip Erdogan ist dabei aus dem Schatten Atatürks herauszutreten. Das betrifft die Rolle des Militärs und die Haltung zum Islam. Er entmachtete die in den USA ausgebildeten Offiziere und ließ neben dem Mausoleum Atatürks eine Moschee bauen.  

Da die EU den seit 1987 vorliegenden Aufnahme-Antrag unbearbeitet lässt, orientiert sich Erdogan nach Osten um. Er hat den Kampf gegen die Kurden im eigenen Land heruntergefahren und sieht dem Entstehen eines Kurdenstaates im Irak entgegen. Er lässt die USA hängen, die zum Eingreifen gegen Assad drängen. Würde er dies tun, indem der die Grenzen der Türkei für die IS-Gotteskrieger öffnet, könnte dies ihm teuer zu stehen kommen. 

Afghanistan und Pakistan, China und Russland 

Obwohl die Welt wusste, wie es Engländern und Russen in Afghanistan ergangen war, versuchte die NATO in den Schluchten des Hindukusch der aus Saudi-Arabien und Ägypten stammenden Hintermänner des 9/11-Attentats habhaft zu werden. Nach 10 Jahren fand man schließlich Osama bin Laden, allerdings in Pakistan. Al Qaida hatte sich längst nach Jemen und Somalia verlagert. In Afghanistan wird wieder mit Opium Geld verdient, wie eh und je. 

Für den Westen ist Pakistan gefährlicher als Iran. Pakistan hat einen starken schiitischen Bevölkerungsanteil, und besitzt bereits die Atombombe. In wessen Hände sie gelangen kann, ist offen, sollte das Militär einmal die Kontrolle verlieren. Kein Land der Welt, das über Atombomben verfügt, ist zur Abrüstung bereit. 

Chinas Aufstieg ist phänomenal, seit Deng Xiaoping das Reichwerden wieder erlaubte. Die Minderheiten in Tibet und Sinkiang werden von Han-Chinesen an die Wand gedrückt. Dass China sich vom Westen belehren ließe, auf diese Idee kann nur jemand kommen, der nichts über China und Chinesen weiß. Ihre historischen Erfahrungen machten sie skeptisch gegenüber allen Annäherungsversuchen von Westlern. 

Innerhalb Russlands gilt Gorbatschow nicht als Held. Putin sähe es als seine historische Aufgabe an, Russland wieder den Rang einer Großmacht zu verleihen. Die EU und die USA hintertrieben seine Idee einer eurasischen Union. Scholl-Latour sieht darin ein rein defensives Bündnis. Durch die Ausbreitung von NATO-Fähigkeiten nach Polen und in die baltischen Länder habe die USA ihren ‚Cordon sanitaire‘ vergrößert. Man könnte es den Russen nicht verübeln, das gleiche zu tun. Wovor Putin wirklich Angst haben müsste sei der Tag, an dem die NATO Afghanistan räumt. Die wahre Gefahr drohe nämlich vom Islamismus in GUS-Ländern wie Usbekistan, Tadschikistan und dem Fergana-Tal. Für ihn sei ‚Putin-Versteher‘ kein Schimpfwort. Es sei die Pflicht eines jeden Außenpolitikers, die Motive der Staatenlenker zu verstehen. 

Europa, USA und übrige Weltregionen 

Dass Victoria Nuland, die amerikanische Europa-Expertin, für die EU nur geringe Achtung habe, sei nicht verwunderlich. Ihr Zitat ‚Fuck the EU‘ fiel im Hinblick auf das Engagement in der Ukraine. Nicht nur Amerikaner sind unzufrieden mit dem Personal der EU, sowie mit der teilweise sehr unklaren Politik. Dass die Amerikaner sich in der Ukraine einmischen, muss man nicht gutheißen. Mit asymmetrischen Kriegen wird keiner fertig. Dass Putin sie sich zunutze macht, darf uns wundern, nicht jedoch ratlos machen. 

Mit Airbus und Euro hat Europa dazu beigetragen, die USA zu schwächen. Wenn amerikanische Käufer heute glauben, dass alles Minderwertige aus China und alles Wertvolle aus Europa käme, dann stimmt dies eventuell bei physikalischen Gütern. [Dazu möchte ich anmerken: Europa und Asien importieren ihre nicht-physischen Güter jedoch vorwiegend aus den USA. Dazu gehören Musik, Filme, Entwürfe, Baupläne und Software. Mit ihnen lässt sich auch Geld verdienen  ̶  entgegen der Meinung moderner Freibierdenker.] 

Brasilien und Indien sind Aufsteiger im Welthandel. Sie besitzen außer ihrer Land- und Bevölkerungsmasse auch Rohstoffe und Intelligenz. Ihr neu erworbener Stolz zeigte sich, als Brasiliens Präsident Lula da Silva nicht aufstand, als bei einer Konferenz der US-Präsident den Raum betrat. ‚Bei mir steht auch niemand auf‘ bemerkte er. Auch Indonesien verfügt über ein großes Potenzial. Bei vielen nicht genannten Ländern stehen die Dinge teilweise schlechter. 

Bewertung und Einordnung 

Ein älterer Mensch, der immer predigte, darf dies auch im biblischen Alter. Dass er sich dabei hin und wieder wiederholt, ist kein Unglück. Das Buch liest sich dann halt etwas schneller. Scholl-Latours Meinungen sind nicht aus der Luft gegriffen. Sie sind wohl überlegt und begründet. Meistens bemühte er sich vor Ort, also im Krisengebiet, beide Seiten zu hören. 

Jetzt wo er tot ist, wird er nicht mehr erleben können, bei welchen Aussagen er Recht behielt. Niemand ist gezwungen, ihm zu glauben. Da wo seine Meinung vom ‚main stream’ abweicht, regt sie zum Nachdenken an. Entwicklungen in der Politik sind nicht alternativlos oder vom Schicksal vorher bestimmt. Wie beim Entwurf technischer Güter oder Leistungen, ist es mal leichter, mal schwieriger, diskussionswürdige  Alternativen zu finden. Dennoch lohnt es sich fast immer, sie zu suchen.

Donnerstag, 11. September 2014

Gerhard Oswald zu 18 Jahren Vorstandstätigkeit bei SAP

Gerhard Oswald ist seit 1996 Mitglied des Vorstands der SAP AG, heute SAP SE. Zu seinem Verantwortungsbereich „Scale, Quality & Support“ gehören unter anderem die weltweite Support-Organisation (SAP Active Global Support), Rapid Deployment Solutions sowie die Zusammenarbeit mit Universitäten und der Wissenstransfer in die Märkte u.v.m. Oswald studierte in den 1970ern in Mainz Wirtschaftswissenschaften und schloss mit dem Diplom ab. Anschließend war er bei Siemens als Anwendungsberater für SAP-R/2-Geschäftsprozesse tätig. 1981 ging er sozusagen „direkt zum R/2“, also zur SAP. Seine 1980er Jahre bei SAP waren weiter durch R/2 geprägt. So war er, nun schon in Leitungsposition, mit dem Auf- und Ausbau der Qualitätssicherung betraut, damals „Qualitätssicherungsausschuss“ (QSA). Früh begleitete und gestaltete Oswald auch die SAP-R/3-Entwicklung mit, teils wieder die Qualitätssicherung betreffend, teils in Leitung für R/3-Konzeption, -Entwicklung und -Auslieferung. 1993 wurde er Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung der SAP und 1996 erfolgte die Ernennung zum Vorstandsmitglied. Mit 18 Jahren kontinuierlicher Vorstandstätigkeit ist er eines der dienstältesten Vorstandsmitglieder im Kreis der DAX-Unternehmen. Oswald ist bis Ende 2016 zum Vorstand bestellt.




  

Klaus Küspert (KK): Herr Oswald, Sie haben bisher 33 Jahre die Entwicklung des Unternehmens SAP miterlebt und mitgestaltet, mehr als die Hälfte davon als Vorstandsmitglied. Auf die Idee, zur SAP zu gehen, kamen Sie vermutlich durch Ihre vorherigen Siemens-Jahre und die dortigen SAP-Fachbezüge? Wäre man auch sonst damals als junger Hochschulabsolvent schon auf den Namen SAP gestoßen? Und gibt es neben Ihrer Person in SAP weitere solch frühe Mitarbeiter, die noch an Bord sind? Das wird sicher eine sehr überschaubare, einstellige Zahl sein. 

Gerhard Oswald (GO): Als ich meine Diplomarbeit verfasste, stieß ich zufällig auf eine kleine, achtseitige Broschüre der damals gerade ein paar Jahre alten SAP –  ein IT-Unternehmen, das zu dieser Zeit kaum jemand kannte. Ich war begeistert von der Idee jener Standardsoftware für Unternehmen. So nahm ich Kontakt zu den Gründern auf – per Post! Dies war der Beginn meiner 33-jährigen Karriere bei SAP und ich bereue keine Minute. 

Schon damals war SAP also ein interessanter Arbeitgeber. Eine Firma in der, wie man heute sagt, Metropolregion Rhein-Neckar, eine Branche, die bisher nicht so bekannt war – dies hat viele in den Bann gezogen. Auch die Firmenkultur war – und ist heute noch – einzigartig und wurde uns vor allem durch die Gründer vorgelebt. Einige Kollegen der Anfangszeit sind heute noch bei SAP, aber der Großteil ist bereits im wohlverdienten Ruhestand. Dennoch sind viele heute noch mit dem Unternehmen eng verbunden, z.B. durch die jährliche Weihnachtsfeier oder durch das SAP-Atelier. Hier treffen sich unsere Pensionäre und sind im Austausch mit aktuellen Führungskräften. Weiterhin gibt es eine Golfer-Gruppe und viele andere Aktivitäten. Aber bereits während meiner Zeit bei Siemens war ich ja mit SAP in Kontakt. Ich war für die SAP-Beratung zuständig. Siemens war einer der ersten Kunden der SAP und eines der ersten Unternehmen, das eine Lizenz für SAP-Produkte hatte und diese vertreiben konnte. So hat mich die SAP in ihren Bann gezogen und nicht mehr losgelassen. 

KK: Die Software-Qualitätssicherung der SAP mit aufzubauen war eine Ihrer Aufgaben damals im Unternehmen. Software-Qualitätssicherung ist ein Gebiet, das in der universitären Informatikausbildung leider oft nur recht stiefmütterlich behandelt wurde und wird, damals wie heute. Wie sehen Sie dies aus Ihrer Perspektive, wäre aus SAP-Sicht damals bzw. heute mehr Know-how zum Thema Software-Qualitätssicherung gewünscht bei SAP-Berufsanfängern von den Hochschulen?  Oder ist es ohnehin ein Gebiet, wo das Lernen on-the-job das dominierende Element darstellt? 

GO: Software-Qualitätssicherung ist sicherlich auch heute meist kein Schwerpunkt der universitären Ausbildung. Allerdings beobachten wir, dass im Gegensatz zu früher, Absolventen heute oft bereits Wissen zu grundlegenden Konzepten mitbringen. Studenten haben es heutzutage wesentlich leichter, aktuelles Fachwissen aufzubauen. Sogenannte Massive Open Online Courses (MOOCs), wie auch wir sie mit  openSAP anbieten, ermöglichen es jedem Interessierten, sich Wissen zu neuesten Themen, wie zum Beispiel SAP HANA, anzueignen. Diese Kurse sind rund um die Uhr verfügbar und gänzlich unabhängig von klassischen Lehrplänen und festgelegten Vorlesungszeiten. Wenn die Studierenden hierfür Interesse zeigen und initiativ werden plus dann noch zusätzlich erste praktische Erfahrungen im Rahmen von Praktika oder Werkstudententätigkeiten mit Themen rund um Software-Qualität erworben haben, ist das in vielen Fällen eine gute Basis, auf die wir aufsetzen können. Bei der weiteren Einarbeitung setzen wir dann auf eine bewährte Mischung aus Lernen on-the-job, Mentoring und Trainingsmaßnahmen. Somit können wir die neuen Mitarbeiter schnell an die vielfältigen Herausforderungen heranführen. 

KK: Um noch kurz bei Ihren frühen SAP-Jahren zu bleiben, den 1980ern: Welches waren die markantesten SAP-Ereignisse dieser Periode aus Ihrer Sicht: Internationalisierung des Unternehmens, R/3-Einführung, Börsengang, weiteres wichtiges?  

GO: Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir auf, dass jedes Jahrzehnt bei SAP den Erfolg und auch den technischen Fortschritt widerspiegelt. Wir steckten damals noch in den Kinderschuhen. So denke ich an die Errichtung des ersten eigenen Rechenzentrums. Wir zogen von Weinheim nach Walldorf. Im Jahr 1982 hatten wir bereits 100 Mitarbeiter und über 250 Firmenkunden. Der Umsatz stieg damals auf rund 24 Millionen Mark. Nach dem Erfolg in Deutschland expandierten wir: 1986 entstand die erste internationale Niederlassung in der Schweiz. Im gleichen Jahr stellten wir unsere Produkte zum ersten Mal auf der CeBIT in Hannover vor. Niederlassungen in Frankreich, Großbritannien, Niederlande und Spanien kamen hinzu. Kurz darauf im Oktober 1988 war das „Unternehmen aus Walldorf (Baden)“ an der Börse notiert. Die Bilanz: Im ersten Börsenjahr erwirtschafteten wir fast 70 Millionen Mark Gewinn bei 340 Millionen Mark Einnahmen. Gegen Ende der 1980er Jahre waren wir über 1.300 Mitarbeiter.  

Aber nicht zu vergessen ist unser erstes eigenes Gebäude in der Walldorfer Max-Planck-Straße, das wir damals bezogen haben. Es ist heute noch eines unserer Gebäude, nun aber eher unscheinbar am Rande unseres SAP-Campus befindlich. Anfangs hatten wir dort auch einen eigenen Fußballplatz, aber der ist eines Tages dem Platzmangel zum Opfer gefallen – und weil wir durch unser wöchentliches Freitagsnachmittags-Fußballspiel so viele Scheiben eingeschossen haben!  

KK: Ich möchte das oben schon kurz berührte Thema „Berufsanfänger“ noch einmal aufgreifen: SAP war und ist ja bekannt für eine große Breite an Fachrichtungen, mit der (Hochschul-) Absolventen zur SAP kamen und kommen. Die Physiker waren in großer Zahl darunter. Ich nehme an, das ließ dann etwas nach dem stärker werdenden Hochschulangebot an Informatikern und Wirtschaftsinformatikern gemäß (plus natürlich schon immer Betriebswirte und jeweils branchennahe Absolventen). Wie sehen Sie dieses Spektrum aus heutiger Sicht: Ein wesentlicher Pluspunkt für SAP vermutlich, dass man so breit aufgestellt war und ist die Ausgangsqualifikationen der Mitarbeiter betreffend? 

GO: Damals stellten wir viele Mitarbeiter ein, die IT-Kenntnisse hatten, programmieren konnten und analytische Fähigkeiten aufwiesen. Das Hochschulstudium und dessen genaues Fachgebiet waren zu dem Zeitpunkt eher nebensächlich. Viele Physiker, aber auch Geisteswissenschaftler hatten Berührung mit Informationstechnologie und waren außerdem hoch interessiert und engagiert. Dann änderte sich das Hochschulangebot: Der Schwerpunkt wurde mehr und mehr auf Informationstechnologie gelegt. Über die Jahre hinweg haben wir dann natürlich überwiegend Absolventen aus diesen Studiengängen wie Informatik, Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftsingenieurwesen, Betriebs- und Volkswirtschaft eingestellt.  

Für uns als SAP ist weiterhin wichtig, dass wir eine Mitarbeiterschaft mit unterschiedlichen Ausbildungen und Qualifikationen haben. Sie trägt zur Kreativität und zum langfristigen Erfolg der SAP bei. Sie hilft uns auch, die Bedürfnisse unserer Kunden zu verstehen und innovative Lösungen zu entwickeln. Das ist insofern wichtig, weil wir gerade unser Geschäft mehr und mehr in die Cloud verlagern. Dieser neue Weg der Cloud-Angebote bewirkt einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise, wie Software genutzt und entwickelt wird. Daher benötigen wir den richtigen Mix aus Mitarbeitern und Fähigkeiten, um die Anforderungen unserer Kunden zu unterstützen und unsere Geschäftsstrategie erfolgreich umsetzen zu können. Um diesen Mix garantieren zu können, haben wir vor Jahren schon eine erfolgreiche Mitarbeiterstrategie entwickelt. Sie ist die tragende Säule für die Gewinnung, Bindung und Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter.  

KK: Von einem lokalen Unternehmen in Jena  ̶   wir sind hier ja seit fast zwei Jahrzehnten eine Hochburg des E-Commerce in den regionalen Firmen  ̶  hörte ich kürzlich die Aussage oder Klage neue Mitarbeiter betreffend: „Die programmieren können, wollen nicht reisen. Und die zu Reisen bereit sind, wollen oder können nicht programmieren.“ Gerade im Bereich Consulting und generell der kundennahen Betreuung ist das dann ja ein Problem. Stellt SAP auch solches fest bei seinen Bewerbern aus den Hochschulen und leidet man darunter? 

GO: Wir stellen das nicht fest. Das liegt sicher daran, dass wir ein weltweit tätiges Unternehmen sind mit vielen Aufgabenbereichen. So ist SAP für viele Absolventen die Chance, beides zu verbinden: programmieren und reisen. Ich merke auch immer wieder, dass unsere Mitarbeiter großen Wert darauf legen, mit ihrem Tun etwas zu bewirken. Sie wollen sich in einer kreativen, teamorientierten und flexiblen Umgebung entfalten. Gerade die Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten oder Aufgaben in verschiedenen Bereichen (Consulting, Sales, Development und Service) zu übernehmen, ist für viele ein attraktives Angebot. Diese Arbeitskultur fördern wir, denn im Umkehrschluss stärkt sie zugleich unsere Innovationskraft und hilft unseren Kunden. Ich selbst kann jedem Einzelnen raten, weiterhin offen für Aufgabengebiete sowie für fremde Länder und Kulturen zu sein. Auch ich lerne täglich immer Neues dazu! 

KK: Sie sind insbesondere für die gesamten Servicefunktionen der SAP von Vorstandsseite verantwortlich. Wir hatten ja gerade schon etwas das Thema Consulting und kundennahe Betreuung. Es gibt, über das zuvor genannte Detail mit der Reisebereitschaft hinaus, von Firmen teils die Anmerkung, für die spätere Tätigkeit im Servicebereich werde in der Hochschulausbildung zu wenig getan. Also, etwa: Die Hochschulinformatik bilde primär Softwareentwickler aus, wohingegen die Berufsanforderungen viel breiter seien und heute eben auch sehr stark den Servicebereich umfassen. So hat etwa die IBM vor einigen Jahren deshalb gemeinsam mit dem KIT in Karlsruhe –  früher Universität Karlsruhe (TH) – einen informatiknahen Studiengang begründet, der Service stärker in den Vordergrund stellt. Wie sehen Sie aus Sicht der SAP diese Thematik oder ggf. Problematik? 

GO: Ich habe früher einmal denselben Eindruck gehabt und darum initiiert, dass in die Dualen Studiengänge der Informatik/Wirtschaftsinformatik in ganz Baden-Württemberg die Vertiefungsrichtung IT-Servicemanagement aufgenommen wird. Als Mitglied der Dualen Hochschulen können wir einen wesentlichen Einfluss auf die Studieninhalte, Prüfungsordnungen usw. ausüben, also unsere Ideen dort einbringen. Nach Umstellung der Studienabschlüsse auf Bachelor und Master sind die Inhalte dieser Vertiefungsrichtung fester Bestandteil im regulären Studienplan geworden. Inzwischen glaube ich, dass jeder Student in der Ausbildung auch selbst erkennt, wie wichtig Service und Servicemanagement geworden sind.  

Außerdem sind wir weltweit mit unserem University-Alliances-Programm sehr gut unterwegs, um unser Unternehmen für Hochschulabsolventen attraktiv zu machen –  egal ob für die Softwareentwicklung oder den Servicebereich. Mit dem SAP-University-Alliances-Programm fördern wir als SAP weltweit eine praxisnahe und zukunftsorientierte Ausbildung mit Zugang zu neuen SAP-Technologien. Das Programm richtet sich an Hochschulen sowie berufliche Schulen, die SAP-Software aktiv in die Lehre integrieren wollen.  

Wie schon gesagt, die Internationalität ist ein großer Pluspunkt, und wir führen noch viele weitere Programme und Veranstaltungen durch, um die Hochschulabsolventen und jungen Talente zu erreichen. Weltweit arbeiten wir mit zahlreichen Top-Universitäten zusammen: Sehr, sehr viele – und sehr gute – Studenten kommen dort folglich mit SAP in Berührung. Umgekehrt kommen die Universitäten zu uns ins Haus, um unseren Mitarbeitern neueste wissenschaftliche Erkenntnisse nahe zu bringen.   

KK: Wir hatten jenen Cloud-Aspekt ja schon vorhin kurz: Für SAP hat das Thema der in der Cloud angebotenen Software und Dienstleistungen für den Kunden in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Dies spätestens mit dem Zukauf von Unternehmen wie SuccessFactors und Ariba, aber auch schon zuvor. Sie sind vom Vorstandsbereich her auch wesentlich mit beteiligt und verantwortlich. Würden Sie das für unsere Leser etwas darlegen, vielleicht auch dabei auf den Einfluss kurz eingehen, wie sich die Cloud-basierten Angebote auf den Geschäftsbetrieb und das Geschäftsmodell der SAP auswirken? 

GO: Cloud Computing ist für uns das Synonym für Einfachheit, Schnelligkeit und Flexibilität. Im traditionellen IT-Modell setzt jedes Unternehmen seine eignen Geschäftsanwendungen um und verwaltet sie später selbst. Das ist teuer. Unsere Kunden sagen uns das ganz deutlich, dass Komplexität die größte Herausforderung im Tagesgeschäft und für ihr weiteres Wachstum ist. Diese Komplexität zu beherrschen, erfordert zunehmend höhere Investitionen in Hardware und Services.  

Hier steuern wir gegen, indem wir für unsere Kunden die Nutzung unserer Lösungen vereinfachen und diese in die SAP-Cloud verlagern. Wir bieten Anwendungen für Geschäftsbereiche wie Personalwirtschaft, Vertrieb, Finanzwesen oder Einkauf in der öffentlichen (Public) Cloud, wo alle Nutzer an dieselbe Lösung angebunden sind. Wir bieten unsere Lösungen daneben in der privaten Cloud an, wo Kunden ihre eigene Version der Anwendungen haben und ihre ganz individuellen Geschäftsprozesse abwickeln können. Außerdem gewährleisten wir eine enge Integration zwischen allen unseren Cloud-Lösungen ebenso wie mit den lokalen (On-Premise-) Anwendungen der Kunden. 

Wir stellen fest, dass die Akzeptanz für Cloud-Lösungen mehr und mehr wächst. Dies hängt damit zusammen, dass wir unseren Kunden höchste Sicherheitsstandards – wie wir sie selbst auch haben – anbieten. Die Verfügbarkeit, Sicherheit und der Datenschutz unseres Cloud-Betriebs gehören zu den besten in der Branche. Derzeit betreiben wir 16 Standorte weltweit, also weit über Walldorf und St. Leon-Rot hinaus, und bauen unser globales Netz weiter aus, sodass unsere Kunden weiterhin auf Wunsch vertraglich festlegen können, wo ihre Daten gespeichert werden. Unser Angebot zu Cloud Computing ist eine Form der bedarfsgerechten und flexiblen Nutzung von IT-Leistungen. Diese werden in Echtzeit als Service über das Internet bereitgestellt und nach Nutzung abgerechnet. Damit ermöglicht Cloud Computing den Nutzern eine Umverteilung von Investitions- zu Betriebsaufwand.  

KK: Sowohl bei den Cloud-basierten Angeboten der SAP als auch generell spielt in den letzten Jahren die Datenbanktechnologie SAP HANA eine wesentliche Rolle und die SAP-HANA-Verwendung bei den Kunden ist stark am Anwachsen. Da muss ich als „Datenbänkler“ natürlich nun anknüpfen. Sie haben als Unternehmen eine enorme Datenbankkompetenz im Hause: SAP ist seit langem ja ohnehin auch Datenbankhersteller (MaxDB, SAP DB), einige Ihrer Mitarbeiter, u.a. in Berlin, sind seit 30 und mehr Jahren Entwickler von Datenbanksystemkernen. Aber erst durch HANA hat das Datenbankthema nun einen bedeutend größeren Stellenwert in der SAP und für die SAP erlangt mit Wirkung nach außen. Vermutlich hätte das noch vor fünf oder sieben Jahren so niemand erwartet, weder intern noch extern. Würden Sie auf diesen Datenbank/HANA-Schub für SAP etwas eingehen? Wie weit kann man sich die Durchdringung auf dem Markt in den nächsten Jahren vorstellen? 

GO: SAP HANA ist die marktführende Technologie für Echtzeit-Computing. Wir haben seit der Einführung mehr als 3.200 Kunden und mehr als 600.000 aktive Nutzer. Bisher  ̶  zu "Vor-HANA-Zeiten" also  ̶  bestand ein typischer Datenspeicher aus einer Vielzahl verschiedener Elemente: Datenbanken, Data Warehouses etc. Mit SAP HANA werden diese zusammengeführt und damit einzelne Schichten eliminiert – das erforderliche Speichervolumen wird verringert, ungewollte Redundanzen werden vermieden. Damit eröffnet SAP HANA völlig neue Möglichkeiten und senkt die ‚Total Cost of Ownership‘, sowohl in der Hardware als auch in der implementierten Software und im Support. Wichtig sind vor allem Effizienzgewinne: So können zum Beispiel Rechenoperationen, wie Mahnläufe, die bis dato über Nacht gemacht wurden, in Minuten und Sekunden umgesetzt werden. Eine Analyse der menschlichen DNA und der Vergleich multipler Analysen kann von früher drei Wochen jetzt auf unter drei Minuten verkürzt werden. Anwendung findet dies z.B. in der individualisierten Krebstherapie.   

In der nächsten Zeit werden wir unser gesamtes Produktportfolio – einschließlich der Produkte von SuccessFactors und Ariba – auf der zentralen SAP-HANA-Plattform standardisieren und damit eine durchgängige Integration ermöglichen. Mit der ‚SAP Business Suite powered by SAP HANA‘ eröffnen sich Unternehmen zudem ganz neue Geschäftsszenarien. Wir stehen hier in einem offenen Dialog mit unseren Kunden und diskutieren bisher noch unbekannte Einsatzgebiete. Denn bei der ‚SAP Business Suite powered by SAP HANA‘ handelt es sich nicht um ein Softwarepaket mit einem geschlossenen Satz an Funktionen. Wir hören den Kunden genau zu und sind offen für Ideen, deren Realisierung sich lohnt. HANA kann in allen Branchen eingesetzt werden und der Einsatz wird sich immer lohnen. 

Unser Partnernetz wird dabei eine wichtige Rolle spielen, neue Lösungen auf Basis der SAP-HANA-Plattform zu entwickeln und für unsere Kunden Mehrwert zu bieten. Mit unserem Angebot an Multikanal- und CRM-Lösungen möchten wir gezielt die Kunden unserer Kunden ansprechen und unsere Geschäftsmöglichkeiten im Segment Business-to-Business-to-Consumer (B2B2C) erweitern. Daneben werden wir uns darauf konzentrieren, durchgängige Branchenlösungen zu bieten, die unseren Kunden höheren Mehrwert und bessere Geschäftsergebnisse ermöglichen. 

KK: Wir hatten hier im Interview also jeweils kurz die Themen Cloud und Datenbank/HANA. Somit „muss“ das Thema Mobiler Zugang, Mobile Apps und dgl. natürlich auch noch sein. Hier kam der große Schub insbesondere durch den Zukauf von Sybase vor circa fünf Jahren. Dieser war wohl auf die Mobilitätskompetenz und -marktbedeutung in jenem Unternehmen abzielend. Wie stark ist jetzt schon auf Kundenseite die Nutzung von SAP-Diensten über die mobilen Zugänge, wie zeigt sich die Entwicklung? 

GO: In unserer vernetzten Welt spielen mobile Lösungen ihre Vorteile aus. Heutige Unternehmen verbinden sich enger mit Lieferanten, Partnern und Kunden und schaffen so neue Mehrwerte. Mitarbeiter der Unternehmen sind dank Smartphone und Co. online und arbeiten produktiver – egal, wo sie gerade sind. Somit können Unternehmen mit mobilen Anwendungen Kosten sparen und effizienter werden –  Entscheidungen werden beschleunigt und die Zufriedenheit der Nutzer steigt.  

Wir sind heute Marktführer bei mobilen Geschäftsanwendungen mit einer Anzahl von über 130 Mio. mobilen Nutzern. Dies kommt nicht von ungefähr! Wir haben seit 15 Jahren eine mobile Strategie. Die Zukäufe von Sybase und Syclo haben einen ganz erheblichen Teil zum Wachstum und Erfolg beigetragen. Sie ermöglichen es unseren Kunden, eine umfassende End-to-End-Lösung anzubieten. So erreichen unsere Mobile-Lösungen bereits heute potentiell Milliarden Nutzer mobiler Geräte weltweit über SMS-Dienste. Täglich laufen 1,8 Mrd. SMS über SAP-Systeme! Unsere Mobile- und Cloud-Lösungen haben großes wirtschaftliches Potential und sind eine Riesenchance für Themen wie ‚Internet der Dinge‘ oder Industrie 4.0. Wir sind hierzu gut aufgestellt und stehen mit unseren Kunden im regelmäßigen Austausch. 

KK: Zum Schluss noch mal die Brücke zwischen SAP und Hochschulen: Äußern Sie doch bitte drei Wünsche an die Hochschulen Informatik-Bildungsinhalte betreffend  – ich bin gespannt. 

GO: Da kann ich mir schon das eine oder andere vorstellen. Zum einen wünsche ich mir, dass noch mehr sinnvoller Informatik-Unterricht bereits an den Schulen erteilt wird. Zum anderen wünsche ich mir, dass den Studierenden neben einer soliden fachlichen Grundlage auch die neuesten Technologien, wie Cloud- und In-Memory-Computing, vermittelt werden. Dies zeigt den Arbeitskräften von morgen, wie die neuen Technologien einen Mehrwert für Unternehmen und letztendlich für die Gesellschaft bringen. So denke ich auch an die Ausbildung zum Data Scientist. Experten mit diesem Profil machen in ihrem Unternehmen heute ungenutzte Daten nutzbar, indem sie Daten mit wissenschaftlichen Verfahren analysieren und prädiktive Modelle entwickeln.  

Daneben sehe ich großes Potential, was Industrie 4.0 anbelangt. Wir brauchen Studenten, die nicht nur Software verstehen, sondern auch die so genannten Cyber-Physical Systems. Solche sensorgestützten Systeme decken ein breites Spektrum in unserem Alltag ab, z.B. altersgerechte Assistenzsysteme, vernetzte Sicherheits- sowie Fahrerassistenzsysteme für Automobile u.v.m. Hier sehe ich ein weiteres Handlungsfeld, das auch bereits im Studium mit aufgegriffen werden muss. 

KK: Lieber Herr Oswald, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben für das Interview über eine solche Breite von Themen und zeitliche Spannweite von vier Jahrzehnten. Mein eigener erster, loser SAP-Kontakt war übrigens 1979/80, auch in der Diplomphase, da liege ich also in den frühen SAP-Fachberührungen nur ein Stück hinter Ihnen zeitlich zurück – aber ich bin eben nicht so intensiv dort „drangeblieben“.