Gerhard
Oswald ist seit 1996 Mitglied des Vorstands
der SAP AG, heute SAP SE. Zu seinem Verantwortungsbereich
„Scale, Quality & Support“ gehören unter anderem die weltweite Support-Organisation
(SAP Active Global Support), Rapid Deployment Solutions sowie die
Zusammenarbeit mit Universitäten und der Wissenstransfer in die Märkte u.v.m.
Oswald
studierte in den 1970ern in Mainz Wirtschaftswissenschaften und schloss mit dem
Diplom ab. Anschließend war er bei Siemens als Anwendungsberater für SAP-R/2-Geschäftsprozesse
tätig. 1981 ging er sozusagen „direkt zum R/2“, also zur SAP. Seine 1980er
Jahre bei SAP waren weiter durch R/2 geprägt. So war er, nun schon in
Leitungsposition, mit dem Auf- und Ausbau der Qualitätssicherung betraut, damals
„Qualitätssicherungsausschuss“
(QSA). Früh begleitete und gestaltete Oswald auch die SAP-R/3-Entwicklung mit,
teils wieder die Qualitätssicherung betreffend, teils in Leitung für
R/3-Konzeption, -Entwicklung und -Auslieferung. 1993
wurde er Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung der SAP und 1996 erfolgte
die Ernennung zum Vorstandsmitglied. Mit 18 Jahren kontinuierlicher
Vorstandstätigkeit ist er eines der dienstältesten Vorstandsmitglieder im Kreis
der DAX-Unternehmen. Oswald ist bis Ende 2016 zum Vorstand bestellt.
Klaus
Küspert (KK): Herr Oswald, Sie haben bisher 33 Jahre die
Entwicklung des Unternehmens SAP miterlebt und mitgestaltet, mehr als die
Hälfte davon als Vorstandsmitglied. Auf die Idee, zur SAP zu gehen, kamen Sie
vermutlich durch Ihre vorherigen Siemens-Jahre und die dortigen SAP-Fachbezüge?
Wäre man auch sonst damals als junger Hochschulabsolvent schon auf den Namen
SAP gestoßen? Und gibt es neben Ihrer Person in SAP weitere solch frühe
Mitarbeiter, die noch an Bord sind? Das wird sicher eine sehr überschaubare,
einstellige Zahl sein.
Gerhard
Oswald (GO): Als ich meine Diplomarbeit verfasste, stieß
ich zufällig auf eine kleine, achtseitige Broschüre der damals gerade ein paar
Jahre alten SAP – ein IT-Unternehmen,
das zu dieser Zeit kaum jemand kannte. Ich war begeistert von der Idee jener
Standardsoftware für Unternehmen. So nahm ich Kontakt zu den Gründern auf – per
Post! Dies war der Beginn meiner 33-jährigen Karriere bei SAP und ich bereue
keine Minute.
Schon damals war SAP also ein interessanter
Arbeitgeber. Eine Firma in der, wie man heute sagt, Metropolregion
Rhein-Neckar, eine Branche, die bisher nicht so bekannt war – dies hat viele in
den Bann gezogen. Auch die Firmenkultur war – und ist heute noch – einzigartig und
wurde uns vor allem durch die Gründer vorgelebt. Einige Kollegen der
Anfangszeit sind heute noch bei SAP, aber der Großteil ist bereits im wohlverdienten
Ruhestand. Dennoch sind viele heute noch mit dem Unternehmen eng verbunden,
z.B. durch die jährliche Weihnachtsfeier oder durch das SAP-Atelier. Hier
treffen sich unsere Pensionäre und sind im Austausch mit aktuellen Führungskräften.
Weiterhin gibt es eine Golfer-Gruppe und viele andere Aktivitäten. Aber bereits
während meiner Zeit bei Siemens war ich ja mit SAP in Kontakt. Ich war für die
SAP-Beratung zuständig. Siemens war einer der ersten Kunden der SAP und eines
der ersten Unternehmen, das eine Lizenz für SAP-Produkte hatte und diese vertreiben
konnte. So hat mich die SAP in ihren Bann gezogen und nicht mehr losgelassen.
KK: Die
Software-Qualitätssicherung der SAP mit aufzubauen war eine Ihrer Aufgaben damals
im Unternehmen. Software-Qualitätssicherung ist ein Gebiet, das in der
universitären Informatikausbildung leider oft nur recht stiefmütterlich behandelt
wurde und wird, damals wie heute. Wie sehen Sie dies aus Ihrer Perspektive, wäre
aus SAP-Sicht damals bzw. heute mehr Know-how zum Thema
Software-Qualitätssicherung gewünscht bei SAP-Berufsanfängern von den
Hochschulen? Oder ist es ohnehin ein
Gebiet, wo das Lernen on-the-job das dominierende Element darstellt?
GO: Software-Qualitätssicherung
ist sicherlich auch heute meist kein Schwerpunkt der universitären Ausbildung.
Allerdings beobachten wir, dass im Gegensatz zu früher, Absolventen heute oft
bereits Wissen zu grundlegenden Konzepten mitbringen. Studenten haben es
heutzutage wesentlich leichter, aktuelles Fachwissen aufzubauen. Sogenannte Massive
Open Online Courses (MOOCs), wie
auch wir sie mit openSAP anbieten, ermöglichen es jedem
Interessierten, sich Wissen zu neuesten Themen, wie zum Beispiel SAP HANA, anzueignen.
Diese Kurse sind rund um die Uhr verfügbar und gänzlich unabhängig von
klassischen Lehrplänen und festgelegten Vorlesungszeiten. Wenn die Studierenden
hierfür Interesse zeigen und initiativ werden plus dann noch zusätzlich erste
praktische Erfahrungen im Rahmen von Praktika oder Werkstudententätigkeiten mit
Themen rund um Software-Qualität erworben haben, ist das in vielen Fällen eine
gute Basis, auf die wir aufsetzen können. Bei der weiteren Einarbeitung setzen
wir dann auf eine bewährte Mischung aus Lernen on-the-job, Mentoring und
Trainingsmaßnahmen. Somit können wir die neuen Mitarbeiter schnell an die
vielfältigen Herausforderungen heranführen.
KK: Um noch kurz bei
Ihren frühen SAP-Jahren zu bleiben, den 1980ern: Welches waren die markantesten
SAP-Ereignisse dieser Periode aus Ihrer Sicht: Internationalisierung des
Unternehmens, R/3-Einführung, Börsengang, weiteres wichtiges?
GO: Wenn ich darüber
nachdenke, fällt mir auf, dass jedes Jahrzehnt bei SAP den Erfolg und auch den
technischen Fortschritt widerspiegelt. Wir steckten damals noch in den Kinderschuhen.
So denke ich an die Errichtung des ersten eigenen Rechenzentrums. Wir zogen von
Weinheim nach Walldorf. Im Jahr 1982 hatten wir bereits 100 Mitarbeiter und
über 250 Firmenkunden. Der Umsatz stieg damals auf rund 24 Millionen Mark. Nach
dem Erfolg in Deutschland expandierten wir: 1986 entstand die erste
internationale Niederlassung in der Schweiz. Im gleichen Jahr stellten wir unsere
Produkte zum ersten Mal auf der CeBIT in Hannover vor. Niederlassungen in
Frankreich, Großbritannien, Niederlande und Spanien kamen hinzu. Kurz darauf im
Oktober 1988 war das „Unternehmen aus Walldorf (Baden)“ an der Börse notiert.
Die Bilanz: Im ersten Börsenjahr erwirtschafteten wir fast 70 Millionen Mark
Gewinn bei 340 Millionen Mark Einnahmen. Gegen Ende der 1980er Jahre waren wir
über 1.300 Mitarbeiter.
Aber nicht zu vergessen ist unser erstes
eigenes Gebäude in der Walldorfer Max-Planck-Straße, das wir damals bezogen
haben. Es ist heute noch eines unserer Gebäude, nun aber eher unscheinbar am
Rande unseres SAP-Campus befindlich. Anfangs hatten wir dort auch einen eigenen
Fußballplatz, aber der ist eines Tages dem Platzmangel zum Opfer gefallen – und
weil wir durch unser wöchentliches Freitagsnachmittags-Fußballspiel so viele
Scheiben eingeschossen haben!
KK: Ich möchte das oben
schon kurz berührte Thema „Berufsanfänger“ noch einmal aufgreifen: SAP war und
ist ja bekannt für eine große Breite an Fachrichtungen, mit der (Hochschul-) Absolventen
zur SAP kamen und kommen. Die Physiker waren in großer Zahl darunter. Ich nehme
an, das ließ dann etwas nach dem stärker werdenden Hochschulangebot an
Informatikern und Wirtschaftsinformatikern gemäß (plus natürlich schon immer
Betriebswirte und jeweils branchennahe Absolventen). Wie sehen Sie dieses
Spektrum aus heutiger Sicht: Ein wesentlicher Pluspunkt für SAP vermutlich,
dass man so breit aufgestellt war und ist die Ausgangsqualifikationen der
Mitarbeiter betreffend?
GO: Damals stellten wir
viele Mitarbeiter ein, die IT-Kenntnisse hatten, programmieren
konnten und analytische Fähigkeiten aufwiesen. Das
Hochschulstudium und dessen genaues Fachgebiet waren zu dem Zeitpunkt eher nebensächlich.
Viele Physiker, aber auch Geisteswissenschaftler
hatten Berührung mit Informationstechnologie
und waren außerdem hoch interessiert und
engagiert. Dann änderte sich das Hochschulangebot: Der Schwerpunkt wurde mehr
und mehr auf Informationstechnologie
gelegt. Über die Jahre hinweg haben wir dann natürlich überwiegend
Absolventen
aus diesen Studiengängen wie Informatik, Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftsingenieurwesen,
Betriebs- und Volkswirtschaft eingestellt.
Für uns als SAP ist weiterhin wichtig, dass
wir eine Mitarbeiterschaft mit unterschiedlichen
Ausbildungen und Qualifikationen haben. Sie trägt zur
Kreativität und zum langfristigen Erfolg der SAP bei. Sie hilft uns auch, die
Bedürfnisse unserer Kunden zu verstehen und innovative Lösungen zu entwickeln.
Das ist insofern wichtig, weil wir gerade unser Geschäft mehr und mehr in die
Cloud verlagern. Dieser neue Weg der Cloud-Angebote bewirkt einen grundlegenden
Wandel in der Art und Weise, wie Software genutzt und entwickelt wird. Daher
benötigen wir den richtigen Mix aus Mitarbeitern
und Fähigkeiten, um die Anforderungen unserer Kunden zu unterstützen und
unsere Geschäftsstrategie erfolgreich umsetzen zu können. Um diesen Mix garantieren
zu können, haben wir vor Jahren schon eine erfolgreiche
Mitarbeiterstrategie entwickelt. Sie ist
die tragende Säule für die Gewinnung, Bindung und Weiterentwicklung
unserer Mitarbeiter.
KK: Von einem lokalen
Unternehmen in Jena ̶ wir sind hier ja seit fast zwei Jahrzehnten eine
Hochburg des E-Commerce in den regionalen Firmen ̶ hörte
ich kürzlich die Aussage oder Klage neue Mitarbeiter betreffend: „Die
programmieren können, wollen nicht reisen. Und die zu Reisen bereit sind,
wollen oder können nicht programmieren.“ Gerade im Bereich Consulting und
generell der kundennahen Betreuung ist das dann ja ein Problem. Stellt SAP auch
solches fest bei seinen Bewerbern aus den Hochschulen und leidet man darunter?
GO: Wir stellen das
nicht fest. Das liegt sicher daran, dass wir ein weltweit tätiges Unternehmen
sind mit vielen Aufgabenbereichen. So ist SAP für viele Absolventen die Chance,
beides zu verbinden: programmieren und reisen. Ich merke auch
immer wieder, dass unsere Mitarbeiter großen Wert darauf legen, mit ihrem Tun
etwas zu bewirken. Sie wollen sich in einer kreativen, teamorientierten und
flexiblen Umgebung entfalten. Gerade die
Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten oder Aufgaben in verschiedenen Bereichen
(Consulting, Sales, Development und Service) zu übernehmen,
ist für viele ein attraktives Angebot. Diese Arbeitskultur fördern wir, denn im
Umkehrschluss stärkt sie zugleich unsere Innovationskraft und hilft unseren
Kunden. Ich selbst kann jedem Einzelnen raten, weiterhin offen für
Aufgabengebiete sowie für fremde Länder und Kulturen zu sein. Auch ich lerne täglich
immer Neues dazu!
KK: Sie sind insbesondere
für die gesamten Servicefunktionen der SAP von Vorstandsseite verantwortlich.
Wir hatten ja gerade schon etwas das Thema Consulting und kundennahe Betreuung. Es gibt, über das zuvor genannte Detail mit
der Reisebereitschaft hinaus, von Firmen teils die Anmerkung, für die spätere
Tätigkeit im Servicebereich werde in der Hochschulausbildung zu wenig getan.
Also, etwa: Die Hochschulinformatik bilde primär Softwareentwickler aus,
wohingegen die Berufsanforderungen viel breiter seien und heute eben auch sehr
stark den Servicebereich umfassen. So hat etwa die IBM vor einigen Jahren
deshalb gemeinsam mit dem KIT in Karlsruhe – früher Universität Karlsruhe (TH) – einen informatiknahen
Studiengang begründet, der Service stärker in den Vordergrund stellt. Wie sehen
Sie aus Sicht der SAP diese Thematik oder ggf. Problematik?
GO: Ich habe früher einmal denselben Eindruck
gehabt und darum initiiert, dass in die Dualen Studiengänge
der Informatik/Wirtschaftsinformatik in ganz Baden-Württemberg die
Vertiefungsrichtung IT-Servicemanagement aufgenommen wird. Als Mitglied der Dualen
Hochschulen können wir einen wesentlichen Einfluss auf die Studieninhalte,
Prüfungsordnungen usw. ausüben, also unsere Ideen dort einbringen.
Nach Umstellung der Studienabschlüsse auf Bachelor und Master sind die Inhalte
dieser Vertiefungsrichtung fester Bestandteil im regulären Studienplan geworden.
Inzwischen glaube ich, dass jeder Student in der Ausbildung auch selbst
erkennt, wie wichtig
Service und Servicemanagement geworden sind.
Außerdem sind wir weltweit mit
unserem University-Alliances-Programm sehr gut unterwegs, um unser Unternehmen
für Hochschulabsolventen attraktiv zu machen – egal ob für die Softwareentwicklung oder den
Servicebereich. Mit dem SAP-University-Alliances-Programm fördern wir als SAP
weltweit eine praxisnahe und zukunftsorientierte
Ausbildung mit Zugang zu neuen SAP-Technologien. Das Programm
richtet sich an Hochschulen sowie berufliche Schulen, die SAP-Software aktiv in
die Lehre integrieren wollen.
Wie schon gesagt, die Internationalität
ist ein großer Pluspunkt, und wir führen noch viele weitere Programme und
Veranstaltungen durch, um die Hochschulabsolventen und jungen Talente zu
erreichen. Weltweit arbeiten wir mit zahlreichen Top-Universitäten zusammen: Sehr,
sehr viele – und sehr gute – Studenten kommen dort folglich mit SAP in
Berührung. Umgekehrt kommen die Universitäten zu uns ins Haus, um unseren
Mitarbeitern neueste wissenschaftliche Erkenntnisse nahe zu bringen.
KK: Wir hatten jenen
Cloud-Aspekt ja schon vorhin kurz: Für SAP hat das Thema der in der Cloud angebotenen
Software und Dienstleistungen für den Kunden in den letzten Jahren enorm an
Bedeutung gewonnen. Dies spätestens mit dem Zukauf von Unternehmen wie SuccessFactors
und Ariba, aber auch schon zuvor. Sie sind vom Vorstandsbereich her auch
wesentlich mit beteiligt und verantwortlich. Würden Sie das für unsere Leser etwas
darlegen, vielleicht auch dabei auf den Einfluss kurz eingehen, wie sich die
Cloud-basierten Angebote auf den Geschäftsbetrieb und das Geschäftsmodell der
SAP auswirken?
GO: Cloud Computing ist
für uns das Synonym für Einfachheit, Schnelligkeit und Flexibilität. Im
traditionellen IT-Modell setzt jedes Unternehmen seine eignen Geschäftsanwendungen
um und verwaltet sie später selbst. Das ist teuer. Unsere Kunden sagen uns das ganz
deutlich, dass Komplexität die größte
Herausforderung im Tagesgeschäft und für ihr weiteres Wachstum ist. Diese
Komplexität zu beherrschen, erfordert zunehmend höhere Investitionen in
Hardware und Services.
Hier steuern wir gegen, indem wir für unsere
Kunden die Nutzung unserer Lösungen vereinfachen und diese in die SAP-Cloud
verlagern. Wir bieten Anwendungen für Geschäftsbereiche wie Personalwirtschaft,
Vertrieb, Finanzwesen oder Einkauf in der öffentlichen (Public) Cloud, wo alle
Nutzer an dieselbe Lösung angebunden sind. Wir bieten unsere Lösungen daneben
in der privaten Cloud an, wo Kunden ihre eigene Version der Anwendungen haben
und ihre ganz individuellen Geschäftsprozesse abwickeln können. Außerdem
gewährleisten wir eine enge Integration zwischen allen unseren Cloud-Lösungen
ebenso wie mit den lokalen (On-Premise-) Anwendungen der Kunden.
Wir stellen fest, dass die Akzeptanz für
Cloud-Lösungen mehr und mehr wächst. Dies hängt damit zusammen, dass wir
unseren Kunden höchste Sicherheitsstandards – wie wir sie selbst auch haben –
anbieten. Die Verfügbarkeit, Sicherheit und der Datenschutz unseres
Cloud-Betriebs gehören zu den besten in der Branche. Derzeit betreiben wir 16
Standorte weltweit, also weit über Walldorf und St. Leon-Rot hinaus, und bauen
unser globales Netz weiter aus, sodass unsere Kunden weiterhin auf Wunsch
vertraglich festlegen können, wo ihre Daten gespeichert werden. Unser Angebot
zu Cloud Computing ist eine Form der bedarfsgerechten und flexiblen Nutzung von
IT-Leistungen. Diese werden in Echtzeit als Service über das Internet bereitgestellt
und nach Nutzung abgerechnet. Damit ermöglicht Cloud Computing den Nutzern eine
Umverteilung von Investitions- zu Betriebsaufwand.
KK: Sowohl bei den
Cloud-basierten Angeboten der SAP als auch generell spielt in den letzten
Jahren die Datenbanktechnologie SAP HANA eine wesentliche Rolle und die
SAP-HANA-Verwendung bei den Kunden ist stark am Anwachsen. Da muss ich als
„Datenbänkler“ natürlich nun anknüpfen. Sie haben als Unternehmen eine enorme
Datenbankkompetenz im Hause: SAP ist seit langem ja ohnehin auch Datenbankhersteller
(MaxDB, SAP DB), einige Ihrer Mitarbeiter, u.a. in Berlin, sind seit 30 und
mehr Jahren Entwickler von Datenbanksystemkernen. Aber erst durch HANA hat das
Datenbankthema nun einen bedeutend größeren Stellenwert in der SAP und für die
SAP erlangt mit Wirkung nach außen. Vermutlich hätte das noch vor fünf oder
sieben Jahren so niemand erwartet, weder intern noch extern. Würden Sie auf diesen
Datenbank/HANA-Schub für SAP etwas eingehen? Wie weit kann man sich die
Durchdringung auf dem Markt in den nächsten Jahren vorstellen?
GO: SAP HANA ist die
marktführende Technologie für Echtzeit-Computing. Wir haben seit der Einführung
mehr als 3.200 Kunden und mehr als 600.000 aktive Nutzer. Bisher ̶ zu "Vor-HANA-Zeiten"
also ̶ bestand ein typischer Datenspeicher aus einer
Vielzahl verschiedener Elemente: Datenbanken, Data Warehouses etc. Mit SAP HANA
werden diese zusammengeführt und damit einzelne Schichten eliminiert – das erforderliche
Speichervolumen wird verringert, ungewollte Redundanzen werden vermieden. Damit
eröffnet SAP HANA völlig neue Möglichkeiten und senkt die ‚Total Cost of
Ownership‘, sowohl in der Hardware als auch in der implementierten Software und
im Support. Wichtig sind vor allem Effizienzgewinne: So können zum Beispiel
Rechenoperationen, wie Mahnläufe, die bis dato über Nacht gemacht wurden, in
Minuten und Sekunden umgesetzt werden. Eine Analyse der menschlichen DNA und
der Vergleich multipler Analysen kann von früher drei Wochen jetzt auf unter
drei Minuten verkürzt werden. Anwendung findet dies z.B. in der
individualisierten Krebstherapie.
In der nächsten Zeit werden
wir unser gesamtes Produktportfolio – einschließlich der Produkte von
SuccessFactors und Ariba – auf der zentralen SAP-HANA-Plattform standardisieren
und damit eine durchgängige Integration ermöglichen. Mit der ‚SAP Business
Suite powered by SAP HANA‘ eröffnen sich Unternehmen zudem ganz neue
Geschäftsszenarien. Wir stehen hier in einem offenen Dialog mit unseren Kunden
und diskutieren bisher noch unbekannte Einsatzgebiete. Denn bei der ‚SAP Business
Suite powered by SAP HANA‘ handelt es sich nicht um ein Softwarepaket mit einem
geschlossenen Satz an Funktionen. Wir hören den Kunden genau zu und sind offen
für Ideen, deren Realisierung sich lohnt. HANA kann in allen Branchen eingesetzt
werden und der Einsatz wird sich immer lohnen.
Unser Partnernetz wird dabei eine wichtige
Rolle spielen, neue Lösungen auf Basis der SAP-HANA-Plattform zu entwickeln und
für unsere Kunden Mehrwert zu bieten. Mit unserem Angebot an Multikanal- und
CRM-Lösungen möchten wir gezielt die Kunden unserer Kunden ansprechen und
unsere Geschäftsmöglichkeiten im Segment Business-to-Business-to-Consumer (B2B2C)
erweitern. Daneben werden wir uns darauf konzentrieren, durchgängige
Branchenlösungen zu bieten, die unseren Kunden höheren Mehrwert und bessere
Geschäftsergebnisse ermöglichen.
KK: Wir hatten hier im
Interview also jeweils kurz die Themen Cloud und Datenbank/HANA. Somit „muss“
das Thema Mobiler Zugang, Mobile Apps und dgl. natürlich auch noch sein. Hier
kam der große Schub insbesondere durch den Zukauf von Sybase vor circa fünf
Jahren. Dieser war wohl auf die Mobilitätskompetenz und -marktbedeutung in
jenem Unternehmen abzielend. Wie stark ist jetzt schon auf Kundenseite die
Nutzung von SAP-Diensten über die mobilen Zugänge, wie zeigt sich die
Entwicklung?
GO: In unserer
vernetzten Welt spielen mobile Lösungen ihre Vorteile aus. Heutige Unternehmen
verbinden sich enger mit Lieferanten, Partnern und Kunden und schaffen so neue
Mehrwerte. Mitarbeiter der Unternehmen sind dank Smartphone und Co. online und
arbeiten produktiver – egal, wo sie gerade sind. Somit können Unternehmen mit
mobilen Anwendungen Kosten sparen und effizienter werden – Entscheidungen werden beschleunigt und die
Zufriedenheit der Nutzer steigt.
Wir sind heute Marktführer
bei mobilen Geschäftsanwendungen mit einer Anzahl von über 130 Mio. mobilen
Nutzern. Dies kommt nicht von ungefähr! Wir haben seit 15 Jahren eine mobile
Strategie. Die Zukäufe von Sybase und Syclo haben einen ganz erheblichen Teil
zum Wachstum und Erfolg beigetragen. Sie ermöglichen es unseren Kunden, eine
umfassende End-to-End-Lösung anzubieten. So erreichen unsere Mobile-Lösungen bereits
heute potentiell Milliarden
Nutzer mobiler Geräte weltweit über SMS-Dienste. Täglich laufen 1,8 Mrd. SMS
über SAP-Systeme! Unsere Mobile- und Cloud-Lösungen haben großes
wirtschaftliches Potential und sind eine Riesenchance für Themen wie ‚Internet der Dinge‘
oder Industrie 4.0. Wir
sind hierzu gut aufgestellt und stehen mit unseren Kunden im regelmäßigen Austausch.
KK: Zum Schluss noch mal
die Brücke zwischen SAP und Hochschulen: Äußern Sie doch bitte drei Wünsche an
die Hochschulen Informatik-Bildungsinhalte betreffend – ich bin gespannt.
GO: Da kann ich mir
schon das eine oder andere vorstellen. Zum einen wünsche ich mir, dass noch mehr
sinnvoller Informatik-Unterricht bereits an den Schulen erteilt wird. Zum
anderen wünsche ich mir, dass den Studierenden neben einer soliden fachlichen
Grundlage auch die neuesten Technologien, wie Cloud- und In-Memory-Computing,
vermittelt werden. Dies zeigt den Arbeitskräften von morgen, wie die neuen
Technologien einen Mehrwert für Unternehmen und letztendlich für die Gesellschaft
bringen. So denke ich auch an die Ausbildung zum Data Scientist. Experten mit
diesem Profil machen in ihrem Unternehmen heute ungenutzte Daten nutzbar, indem
sie Daten mit wissenschaftlichen Verfahren analysieren und prädiktive Modelle
entwickeln.
Daneben sehe ich großes Potential, was Industrie
4.0 anbelangt. Wir
brauchen Studenten, die nicht nur Software verstehen, sondern auch die so genannten
Cyber-Physical
Systems. Solche sensorgestützten Systeme decken ein
breites Spektrum in unserem Alltag ab, z.B. altersgerechte Assistenzsysteme,
vernetzte Sicherheits- sowie Fahrerassistenzsysteme für Automobile u.v.m. Hier
sehe ich ein weiteres Handlungsfeld, das auch bereits im Studium mit
aufgegriffen werden muss.
KK: Lieber Herr Oswald,
herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben für das Interview über
eine solche Breite von Themen und zeitliche Spannweite von vier Jahrzehnten.
Mein eigener erster, loser SAP-Kontakt war übrigens 1979/80, auch in der
Diplomphase, da liege ich also in den frühen SAP-Fachberührungen nur ein Stück
hinter Ihnen zeitlich zurück – aber ich bin eben nicht so intensiv dort „drangeblieben“.
Am 11.9.2014 schrieb Volker Stiehl aus Darmstadt:
AntwortenLöschenIch bin begeistert! Ein äußerst aufschlussreiches Interview mit eine Vielfalt an Themen! Ich unterstütze die SAP übrigens ebenfalls in ihren Universitätskontakten. So bin ich gerade auf der Rückfahrt von der sogenannten SAP Academic Conference, die von der in Oswalds Verantwortungsbereich liegenden University Alliance organisiert wurde. Dort habe ich einen Workshop vorgestellt, der zukünftig in der Lehre für Wirtschaftsinformatiker eingesetzt wird und (natürlich) die Geschäftsprozessumsetzung "in the cloud" zum Thema hatte. Die Resonanz war überwältigend, da der Workshop die von Hrn. Oswald angesprochenen Fäden zusammenbringt. Denn was nützen die vielen Events aus den Fabriken eines IoT und den von den Data-Scientisten nutzbar gemachten Daten, wenn nicht entsprechend darauf reagiert wird? Sie sehen, das Thema BPM bleibt ewig jung :-)
NB (Bertal Dresen): Volker Stiehls Buch über Prozessmodellierung war eine Besprechung in diesem Blog gewidmet, und zwar durch Hartmut Wedekind am 4.12.2012