So sang
Katja Ebstein 1970, also vor 45 Jahren. Am Ende des Liedes hieß es: ‚Wenn
sie Dir begegnen, musst Du sie auch sehn‘. Wieviel Wahrheit und Lebensklugheit
in diesem Text steckt, ist erstaunlich. Am letzten Donnerstag sprach Gert Scobel bei
3SAT mit drei Experten über dieses Thema. Seine Gesprächspartner waren der Philosoph Volker Gerhardt,
der Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera und der Soziologe Detlef Pollack. Der
Titel der Sendung hieß Glaubenssache.
Am
Morgen nach der Sendung tauschten mein hiesiger Freund und Blog-Partner Hans
Diel und ich uns kurz aus. Nach unserer Meinung werden Wunder viel zu schnell
mit dem Begriff des Transzendenten, also dem Religiösen, in Verbindung
gebracht. Wunder vollkommen zu leugnen, halten wir ebenfalls für falsch. Nach
unserer Ansicht gibt es mindestens zwei Gründe für unerklärliche Phänomene:
(1) Es gibt Koinzidenzen, bei denen keine
Kausalität besteht.
Ein
Beispiel hatte ich einige Stunden zuvor selbst erlebt. Ich hatte ein Problem
mit meinem Rechner. Ich rief einen Kollegen an in der Hoffnung, dass er mir
helfen könnte. Er war nicht zuhause. Deshalb hinterließ ich meinen Hilferuf auf
seinem Anrufbeantworter. Eine Stunde später war das Problem wie von selbst
verschwunden. Bei vielen Erzählungen von Wunderheilungen verläuft es ähnlich.
Entscheidend ist, dass man etwas tut. Man betet zu einem Heiligen oder macht
sogar eine Wallfahrt. Das versetzt vermutlich die körpereigenen Heilungskräfte
in die Lage tätig zu werden.
(2) Es gibt eine Realität auch außerhalb
dessen, was wir messen können.
Wie
viele Dinge wurden in früheren Jahrhunderten als Wunder angesehen, die wir
heute rein naturwissenschaftlich erklären können. Dazu gehören Blitz und
Donner, Erdbeben und Pandemien. Nur besonders naive Menschen sind der Ansicht,
dass wir heute alles wissen. Wer etwas über den Stand der Naturwissenschaften
weiß, wird zugeben, dass unser Wissen noch große Lücken enthält. So wie unsere
menschlichen Sinne nicht in der Lage waren, Kräfte wie Magnetismus und Radioaktivität
zu messen, so gibt es heute viele Phänomene, die wir noch nicht messen können. In
diesem Blog hatte ich darüber berichtet, wie unser vor kurzem verstorbene
Kollege Karl Ganzhorn sich bemühte, das
Phänomen Wünschelrute naturwissenschaftlich zu erklären. Auch bei dem oft
zitierten Blutwunder von Neapel halten Hans Diel und ich es für möglich, dass
dabei unbekannte chemische Prozesse im Spiel sind.
Peter Hiemann aus Grasse schrieb am selben
Tag dazu:
Ich
habe die Diskussion verfolgt und war gespannt, ob Einsichten zur Sprache
kommen, in wieweit religöse Dogmen eine Rolle spielen, heutige kulturelle
Auseinandersetzungen zu erklären. Der Einfluss der weltweit agierenden religiös
orientierten Institutionen auf gesellschaftliche Verhältnisse ist nicht zu
übersehen, vor allem in Staaten des Nahen Ostens. Ich vermute, bei den
Auseiandersetzungen zwischen schiitisch und sunnitisch orientierten Regimen
werden religiöse Argumente nur als "Mittel zum Zweck" verwendet. In
Israel werden die religiösen "Fundamentalisten" als Koalitionspartner
"gebraucht". Meine Einschätzung der Diskussion: Der einzige
interessante Gesprächspartner Scobels war der Kultursoziologe Detlef Pollack.
Durch Wikipedia habe ich gerade erfahren, dass Pollack über die
Religionstheorie Niklas Luhmanns und ihre systemtheoretischen Voraussetzungen
promoviert hat. Welch ein "Zufall" und kein Wunder, dass der Mann mir
was zu sagen hat. Die Beiträge von Gerhardt und Kutschera über das Verhältnis
"Wissen" vs. "Glaube" kann man getrost vergessen.
Übrigens
hat sich der zur Zeit sehr populäre französische Schriftsteller Michel
Houellebecq zum Thema Religion ausführlich in seinem Buch
"Unterwerfung" geäussert:
"Der Rationalismus wird von immer mehr Menschen als erstickend
empfunden. Es gibt eine spirituelle Macht, die noch aktiv ist. ....Wozu soll es
gut sein, autonom sein zu wollen, wenn man es nicht schafft. ... Ideologisch
ist die Religion das beste Unterwerfungssystem. Denn sie liefert die Grundlage
des Patriarchats: Der Mensch ist Gott unterworfen und die Frau dem Mann . ...
Die Aufklärung ist am Ende. Der Humanismus ist tot." Houellebecq hat obige
Aussagen in einem Spiegel Interview (Der Spiegel 10/2015) gemacht.
Darauf
erwiderte Hans Diel aus Sindelfingen:
mir hat
der Kultursoziologe Pollack überhaupt nicht gefallen, aus dem ganz banalen
Grund, weil ich ihn zu schlecht (akustisch) verstanden habe. Dagegen hat der
Philosoph Gerhardt mir eine interessante Sicht eröffnet, indem er meinte, dass
sich Glauben und Wissen ergänzen und beides auf einem spezifisch menschlichen
Streben nach Vertrauen basiert.
Mir
gefällt es, wenn dieser positive Aspekt von sowohl Wissen als auch Glauben
einmal erwähnt wird. Selbstverständlich muss danach darauf hingewiesen werden,
dass Vertrauen nie unbegrenzt sein sollte und immer wieder mit einer Korrektur
gerechnet werden muss. Beispiele für übertriebenes Vertrauen gibt es nicht nur
bei den Religionen und ihren Dogmen, sondern auch in den Wissenschaften. Wie
oft haben wir uns in diesem Blog gegen spekulative Theorien, voreilige Verallgemeinerungen,
und unausgegorene Theorien in der verschiedensten Wissenschaftsgebieten
ausgesprochen. Dabei glaube ich, dass oft nicht einmal die Erschaffer der
unausgegorenen Theorien, etc. zu kritisieren sind, sondern noch mehr das
„wissenschaftsgläubige“ (interessantes Wort im Kontext unseres Themas!)
Publikum, welches zu schnell diese Theorien als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse
betrachtet.
Ich
glaube (!), dass ein Grundübel womöglich darin besteht, dass wir
(Durchschnitts-)Menschen zu wenig bereit oder in der Lage sind, bei bestimmten
Themen mit Wissenslücken und Ungewissheiten zu leben. (Beispiel aus der Physik:
Viele Physiker "glauben" lieber an die Vielweltentheorie als dass sie
mit dem betreffenden Unwissen beim Messproblem der Quantenphysik leben können.)
Das hört sich jetzt so an, als würde ich den oben von mir bejahten Aspekt
Vertrauen und das Streben nach Wissen gering schätzen. Das ist nicht meine
Absicht. Vielmehr meine ich
‒ Es
geht nicht ohne ein gewisses Maß an Vertrauen (nicht nur bei Glauben und Wissen)
‒ Vertrauen
sollte aber nicht so weit gehen, dass es dogmatisch wird oder übertrieben wissenschaftsgläubig
‒ Wenn
das Vertrauen in eine bestimmte Sache nicht groß genug ist, das Gegenteil jedoch
auch nicht hinreichend begründet ist, bleibt immer noch die Alternative die Sache
als offen und ungeklärt zu betrachten.
Am 30.3.2015 schrieb Peter Hiemann:
Vertrauen können alle Wesen mit einem hinreichend komplexen Gehirn empfinden. Es ist keine spezifische menschliche Eigenschaft. Vertrauen gehört nach dem Neurowissenschaftler Antonio Damasio in die Kategorie „Emotionen“, die sich auf Sozialverhalten auswirken (wie Scham, Schuld, Kompassion, Verachtung, Stolz, Ehrfurcht, Bewunderung). Darüber hinaus sind Neurowissenschaftler der Ansicht, dass das menschliche Gehirn die Fähigkeit besitzt, Situationen nicht nur mittels erinnerter Erfahrungen einzuschätzen, sondern intuitiv „Wissenslücken“ durch plausible Vermutungen zu „überbrücken“. Diese Fähigkeit wird im limbischen System des Mittelhirns vermutet, das entscheidende Funktionen für das Erleben von Emotionen, für Lernprozesse und vermutlich auch für Kreativität bereit stellt. Der Neurowissenschaftler Vilayanur S. Ramachandran vermutet sogar Funktionen im menschlichen Kortex, die bei religiösen Vorstellungen aktiv sind. Der Spiegel hatte 2003 in einem Artikel darüber berichtet.
Die Hypothese, „dass sich Glauben und Wissen ergänzen“ ist gerechtfertigt, wenn mit „Glauben“ plausible Vermutungen im Sinne ungeklärten Wissens gemeint sind oder Vorstellungen, die man als kreative Eingebungen bezeichnen kann. Die Hypothese, „dass sich Glauben und Wissen ergänzen“ ist nicht gerechtfertigt, wenn „Glauben“ sich auf Vorstellungen bezieht, die niemals verifiziert oder falsifiziert werden können.
Übrigens hat sich Einstein in seinem Essay „Wie ich die Welt sehe“ sehr präzis über seine Religiosität geäußert: „Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen. Das Erlebnis des Geheimnisvollen - wenn auch mit Furcht gemischt – hat auch die Religion gezeugt. Das Wissen um die Existenz des für uns Undurchdringlichen, der Manifestation tiefster Vernunft und leuchtendster Schönheit, die unserer Vernunft nur in ihren primitivsten Formen zugänglich sind, dies Wissen und Fühlen macht wahre Religiosität aus; in diesen Sinn und nur in diesem gehöre ich zu den tief religiösen Menschen. Einen Gott, der die Objekte seines Schaffens belohnt und bestraft, der überhaupt einen Willen hat nach Art desjenigen, den wir an uns selbst erleben, kann ich mir nicht einbilden. Auch ein Individuum. das seinen körperlichen Tod überdauert, mag und kann ich mir nicht denken; mögen schwache Seelen aus Angst oder lächerlichem Egoismus solche Gedanken nähren. Mir genügt das Mysterium der Ewigkeit des Lebens und das Bewusstsein und die Ahnung von dem wunderbaren Bau des Seienden sowie das ergebene Streben nach dem Begreifen eines noch so winzigen Teiles der in der Natur sich manifestierenden Vernunft.“
Ein bekennender Ungläubiger staunt über die unglaublich vielfältigen Resultate der biologischen Evolution ähnlich wie Einstein. Er glaubt aber nicht, dass sich in evolutionären Entwicklungen der Natur etwas wie „Vernunft“ manifestiert. Er hofft (vielleicht vergeblich), dass menschliche Denk- und Verhaltensweisen letztlich von „Vernunft“ geprägt sind.
Ausblick und Anregung
Zweifellos ist der Bezug zwischen Glauben und Wissen sehr interessant. Dass uns Einstein mal wieder tolle Zitate liefern kann, ist nicht mehr überraschend. Nur führt es etwas weg von der aktuellen gesellschaftlichen Betrachtung, die Michel Houellebecq so zusammenfasste: 'Die Aufklärung ist am Ende.'
Vertrauen können alle Wesen mit einem hinreichend komplexen Gehirn empfinden. Es ist keine spezifische menschliche Eigenschaft. Vertrauen gehört nach dem Neurowissenschaftler Antonio Damasio in die Kategorie „Emotionen“, die sich auf Sozialverhalten auswirken (wie Scham, Schuld, Kompassion, Verachtung, Stolz, Ehrfurcht, Bewunderung). Darüber hinaus sind Neurowissenschaftler der Ansicht, dass das menschliche Gehirn die Fähigkeit besitzt, Situationen nicht nur mittels erinnerter Erfahrungen einzuschätzen, sondern intuitiv „Wissenslücken“ durch plausible Vermutungen zu „überbrücken“. Diese Fähigkeit wird im limbischen System des Mittelhirns vermutet, das entscheidende Funktionen für das Erleben von Emotionen, für Lernprozesse und vermutlich auch für Kreativität bereit stellt. Der Neurowissenschaftler Vilayanur S. Ramachandran vermutet sogar Funktionen im menschlichen Kortex, die bei religiösen Vorstellungen aktiv sind. Der Spiegel hatte 2003 in einem Artikel darüber berichtet.
Die Hypothese, „dass sich Glauben und Wissen ergänzen“ ist gerechtfertigt, wenn mit „Glauben“ plausible Vermutungen im Sinne ungeklärten Wissens gemeint sind oder Vorstellungen, die man als kreative Eingebungen bezeichnen kann. Die Hypothese, „dass sich Glauben und Wissen ergänzen“ ist nicht gerechtfertigt, wenn „Glauben“ sich auf Vorstellungen bezieht, die niemals verifiziert oder falsifiziert werden können.
Übrigens hat sich Einstein in seinem Essay „Wie ich die Welt sehe“ sehr präzis über seine Religiosität geäußert: „Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen. Das Erlebnis des Geheimnisvollen - wenn auch mit Furcht gemischt – hat auch die Religion gezeugt. Das Wissen um die Existenz des für uns Undurchdringlichen, der Manifestation tiefster Vernunft und leuchtendster Schönheit, die unserer Vernunft nur in ihren primitivsten Formen zugänglich sind, dies Wissen und Fühlen macht wahre Religiosität aus; in diesen Sinn und nur in diesem gehöre ich zu den tief religiösen Menschen. Einen Gott, der die Objekte seines Schaffens belohnt und bestraft, der überhaupt einen Willen hat nach Art desjenigen, den wir an uns selbst erleben, kann ich mir nicht einbilden. Auch ein Individuum. das seinen körperlichen Tod überdauert, mag und kann ich mir nicht denken; mögen schwache Seelen aus Angst oder lächerlichem Egoismus solche Gedanken nähren. Mir genügt das Mysterium der Ewigkeit des Lebens und das Bewusstsein und die Ahnung von dem wunderbaren Bau des Seienden sowie das ergebene Streben nach dem Begreifen eines noch so winzigen Teiles der in der Natur sich manifestierenden Vernunft.“
Ein bekennender Ungläubiger staunt über die unglaublich vielfältigen Resultate der biologischen Evolution ähnlich wie Einstein. Er glaubt aber nicht, dass sich in evolutionären Entwicklungen der Natur etwas wie „Vernunft“ manifestiert. Er hofft (vielleicht vergeblich), dass menschliche Denk- und Verhaltensweisen letztlich von „Vernunft“ geprägt sind.
Ausblick und Anregung
Zweifellos ist der Bezug zwischen Glauben und Wissen sehr interessant. Dass uns Einstein mal wieder tolle Zitate liefern kann, ist nicht mehr überraschend. Nur führt es etwas weg von der aktuellen gesellschaftlichen Betrachtung, die Michel Houellebecq so zusammenfasste: 'Die Aufklärung ist am Ende.'
Interessant
wäre es, darüber zu nachzudenken, warum westliche Gesellschaften wie etwa die
USA sich so stark von den Naturwissenschaften abwenden und ihr Heil bei
religiösen Agitatoren suchen. Ein Beispiel ist der Zulauf, den die Kreationisten,
also die Gegner der Evolutionslehre, erfahren. Dass im Nahen Osten der Schritt
in Richtung Aufklärung so stark bekämpft wird, ist m. E. ein davon zu trennendes
Phänomen. Es ist jedoch nicht weniger ernst zu nehmen.
Nicht das 'ob' und 'wie' interessieren mich dabei, sondern das 'warum'. Das eine ist Beobachtung und Statistik, das andere ist Begründung und Erklärung. Es ist so zu sagen der zweite Schritt.
Details of a highly improbable event, different parts of which my wife, Ingrid, and I experienced. My wife professes to almost never dream, and I don't believe she ever shared a dream with me before this event. I in contrast dream a lot and sometimes share the dreams the next day with her if they are interesting. One morning around 1993, about an hour before we usually rose from bed, Ingrid awoke out of a quiet sleep with a sudden loud shout of alarm. She was very distressed. Upon calming down she told me that she had dreamed that she was on a deck [a wooden, often raised patio] with a large group of people, formally dressed. The deck began to collapse and fall to the ground. A woman was standing immediately next to her in a red dress drinking wine. The woman, directly in front of Ingrid, began to scream and grabbed Ingrid's arm as the deck began to fall. The screaming continued with the woman looking right into Ingrid's face. Then Ingrid awoke with a scream herself. She told me all this in the heat of the moment, directly upon awaking. It being so unusual, I remembered it very clearly, as did Ingrid. That evening Ingrid went to a season's end social party for the choir she sang in [Taghkanic Chorale] at a home she had never been in before - got something to drink, went out to the deck, where the dream sequence repeated itself in all the details she described to me earlier in the day.
AntwortenLöschenMy youngest son believes that this could only have happened based on a very rare coincidence. The event is not reproducible - of course it could be a coincidence. But the fact that it occurred to me [at least I am the proof that she had the dream before the fact] makes it hard for me to dismiss it as coincidence.
I have experienced other "wunder" but none positioned for verification as this one which attacks a most basic tenet of physics - the one way vector of time in the macro world. The other examples involve nonverbal exchange of information and premonitions which are much more difficult to verify.
Whether you want to believe the story of the collapsing deck or not - consider the thought experiment of a person [such as I] actually experiencing such an event. Practically it opens the door of imagination to all kinds of other breaches of physical "law". All of these kinds of experiences touch on the religious in the same way that astronomy and cosmology have been associated with the religious since the beginning of time - the basic rule of our world.
Isn't it peculiar that the decades long search for alien life in the universe has been fruitless up to now? I remember the Monod paper from the 1960s that predicted the spontaneous development of life with just sparks, methane, ammonia, and time.
I would like to add that my wife told me that night that the woman in the red dress had the "same face and dress" in the dream as in the real event. I can't verify that however, because she told me only what I related above.
AntwortenLöschenDas ist in der Tat eine unerklärliche Geschichte. Obwohl ich ein Anhänger naturwissenschaftlichen Denkens bin, räume ich ein, dass mit heutiger Naturwissenschaft längst nicht alles zu erklären ist, was wir beobachten, denken oder fühlen. Dass dies in 20 oder 100 Jahren in einigen Punkten anders sein kann als heute, schließe ich nicht aus.
LöschenSoeben schrieb Hartmut Wedekind aus Darmstadt:
AntwortenLöschenAbschied von der Aufklärung oder wieder hinein in die selbstverschuldete Unmündigkeit. Kant nennt in seiner Schrift die Gründe. „Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein.“ So einfach ist das.
Ich bin immer wieder beeindruckt, wie sehr Geisteswissenschaftler der Offenbarung mehr Bedeutung zu messen als ihrem eigenen Beobachtungs- und Beurteilungsvermögen. Ich dachte immer, dass die so genannte Aufklärung (engl. enlightment) darin bestanden hätte, letzteres zu empfehlen, also das eigene Beobachten und Denken, losgelöst von den üblichen Vordenkern der Antike oder des Mittelalters, ja sogar der frühen Neuzeit, also von Aristoteles, Thomas von Aquin und Immanuel Kant. So täuscht man sich.
LöschenMeine Frage.nach dem Ende der Aufklärung wurde deshalb wohl auch anders verstanden, als ich es erwartet hatte.
Ich wollte nicht darüber diskutieren, was haargenau mit Aufklärung gemeint ist, noch wem die Ehre gebührt, dass er Europa auf diesen Weg gebracht hat. Es war bestimmt nicht ein Einzelner. Ich gehe zunächst von Houellebecqs Diagnose aus, dass sich die Aufklärung dem Ende zu neigt. Ob ein jähes oder ein langsames Ende, ist mir auch nicht wichtig. Houellebecq hat seine Bemerkung m. E. nicht völlig aus der Luft gegriffen. Wer bestreitet, dass Houellebecq Recht hat, muss die anti-aufklärerischen Tendenzen im Westen (USA, Europa) oder im Rest der Welt (Nahost, China, Russland) ignorieren oder wegdiskutieren. Für den Moment interessiert mich eine Erklärung. Mit Erklären meine ich, zu versuchen einen Grund anzugeben, also das ‚Warum’ zu beantworten.
AntwortenLöschenIch mache mal den Versuch einer Antwort. Meine Formulierungen mögen leider etwas extrem erscheinen. Es ist sonst schwer, verstanden zu werden.
(a) Im Westen: Aus welchen Gründen auch immer, haben wir uns den Luxus erlaubt, unsere geistigen Eliten zu schwächen. Das 'gemeine Volk' wollte und brauchte noch nie eine geistige Befreiung. Man wollte primär Brot und Spiele. Im übertragenen Sinne sind damit auch Ruhe und Sicherheit gemeint, z.B. ein möglichst einfaches Weltbild. Komplexität ist dem Naturell der Mehrheit der Menschen zuwider. Sie suchen nach Vereinfachern und glauben diesen lieber als den 'spinnigen' Wissenschaftlern.
(b) Entwicklungsländer: Was die westlichen Eliten (ob aus Paris, Königsberg oder Oxford) ihnen einst predigten, wird nicht mehr als ein Ideal angesehen. Ihr eigener Weg ist gefragt, wo doch die noch herumhängenden Westler (Ethnologen und Soziologen) sie ohnehin dazu animieren, nach Selbstverwirklichung zu streben. Eine einzelne universelle Weltkultur wäre eine Verarmung, ebenso wie eine einzige Weltwirtschaftsordnung. Das gllt selbst dann, wenn Vernunft und Rationalität im Vordergrund stehen. Genauso wie das Wort Monokultur in der Landwirtschaft in Verruf geriet, so sucht man jetzt das Heil in der Diversität, der Vielfalt. Jede Ethnie, ja jede gesellschaftliche Gruppe soll seine eigene Spielwiese besetzen.
Heute schrieb Peter Hiemann:
AntwortenLöschenIch finde, Houllebecqs Ansichten sind nur mit großer Vorsicht zu „genießen“. Er scheint sich dessen sogar bewusst zu sein: „Der Intellektuelle, der für eine Sache plädiert, trägt Verantwortung, der Schriftsteller nicht“. Houellebeqcs Aussagen reflektieren die politische und wirtschaftliche Situation in Frankreich. Insbesondere hält er nichts von Frankreichs Eliten.
Die Aussage, dass „wir uns den Luxus erlaubt haben, unsere geistigen Eliten zu schwächen“, würde Houellebecq nicht unterschreiben. Er ist sich sicher, dass Frankreichs Eliten ihrer Verantwortung nicht gerecht werden.
Ob und wieweit Eliten in anderen Staaten ihrer Verantwortung gerecht werden, ist eine ganz andere Frage. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass „anti-aufklärerische Vorstellungen (Tendenzen?) im Westen (USA, Europa) oder im Rest der Welt (Naher Osten, China, Russland) ganz andere Ursachen haben, als sich das Houellebecq „ausgemalt“ hat.
Ich bin der Ansicht, dass eine der Hauptursachen für Unzufriedenheit und Unsicherheit des „gemeinen Volkes“ darin zu suchen ist, dass Eliten globalen politischen Zielsetzungen und globalen ökonomische Interessen Vorrang geben, anstatt regionalen kommunalen Erfordernissen des „gemeinen Volkes“ gerecht zu werden.
Der Ausdruck „panem et circenses“ wurde übrigens auch von einem Dichter in die Welt gesetzt. Juvenal kritisierte in einer Satire, dass das römische Volk in der Zeit des Prinzipats, entmachtet von den Kaisern Augustus, unter dem die Wahlen der Magistrate zur bloßen Formalität verkamen, und Tiberius, der sie völlig dem Volk entzog und dem Senat übertrug, sich nicht mehr für Politik interessierte (Wikipedia)
Heute schrieb Hartmut Wedekind:
AntwortenLöschenBildung ist ein Zentralbegriff der Aufklärung. J.G. Fichte in seinen Reden an die deutsche Nation:“ Ein Mensch gilt als gebildet, wenn er ganzheitlich aus sich selbst heraus will, was allgemein und sittlich erfordert ist“. Dann an anderer Stelle die Forderung nach Selbsttätigkeit: „Aus sich selbst heraus muss etwas geschehen“.
Prägnante Klassiker zu zitieren, geschieht in historischer, nicht in systematischer Absicht. Systematisch über Aufklärung zu reden, das tat ich häufig schon, mit und meistens ohne Erfolg.