Als
mein Alterskollege und einstiger Dorfnachbar Bernhard S., der heute in Wertheim
am Main lebt, den Band 3 meiner Eifelbücher [1] las, fühlte er sich veranlasst,
mich an einige Erlebnisse und Ereignisse unserer gemeinsamen Jugendzeit zu erinnern,
die mir teilweise entfallen waren. Wir geben diese Geschichten im Folgenden
wieder. Sie wurden vom Blog-Verwalter leicht überarbeitet und werden von ihm in
der Ichform kommentiert.
Dorfansicht mit
Gasthaus Zillien (als Ausschnitt) um 1938
Bernhard
S. war mit seinen Eltern um 1938 in mein Heimatdorf Niederweis verschlagen
worden. Es war die Zeit des Westwallbaus. Wie ich in [2] berichtete, war dies
eine Zeit des wirtschaftlichen und sozialen Umbruchs. Während die meisten Beschäftigten
des Westwallbaus 1940 unsere Region verließen, blieben einige für immer. So
Bernhard und seine Eltern. Aus der Distanz von über 70 Jahren ist Bernhard heute
in der Lage offen über die Diskriminierung zu sprechen, die sowohl er wie auch seine
Familie erfuhren. Diese hatte zwei Gründe. Die S. waren nicht nur Zugreiste aus
einer nicht-bäuerlichen Welt, sie waren zudem Protestanten. Das was Bernhard erzählt,
charakterisiert zwar die Eifel von vor 70 Jahren, es ist aber nicht typisch. Ähnliches
passierte auch in vielen andern Gegenden Deutschlands. Ich gebe Bernhard das
Wort zwecks Darstellung seiner Sicht. Kleine Ergänzungen habe ich in eckigen Klammern
hinzugefügt.
Warum
hatten wir in Niederweis, wenn über die Familie S. gesprochen wurde, den
Schmähnamen „der Jude“. Auch ich wurde als Kind so genannt. Mein
Vater, der Bäcker, Konditor und Küchenmeister war, übernahm 1938 die
Westwallküche im Haus Zillien in Niederweis. Hier wurde für die vielen Arbeiter
am Westwall ein Essen gekocht. Er hatte die Erfahrung einer Großküche in
Düsseldorf im größten und ersten Hotel [der Stadt] und auch in der Küche der
Pferderennbahn Düsseldorf-Grafenberg als Küchenchef erworben. Matthias Zillien,
der Vater von Gustav und Franziska, verstarb 1938. Seine Frau verkraftete
diesen Schicksalsschlag nicht. Sie wurde [seelisch] krank. Sein Bruder, der
Onkel Michel, hat dann die Gaststätte, in der auch die Großküche war, an meinen Vater verpachtet. Gustav und
Franziska kamen zu Pflegefamilien nach Wolsfeld. [Zwei jüngere Kinder kamen
nach Pickließem bei Dudeldorf]
Mein
Vater holte meine Mutter und mich nach Niederweis, wo ich dann auch in die
Volksschule ging. Aus der Betreibung der Gaststätte baute mein Vater eine Essen-
und Gebrauchswarenverkauf für die Westwallarbeiter auf und fuhr damals mit
einem Bauer-DKW die Baustellen ab und verkaufte sein Angebotssortiment. Er
machte viel Geld, was natürlich den Bauern nicht gefiel. Somit hatten wir dann
unseren Spitznamen. Der brachte uns natürlich im dritten Reich Probleme. Erst
nachdem mein Vater den Arier-Nachweis über seine Familie vorzeigte, hatten wir
Ruhe. Die väterliche Ahnenlinie geht zurück bis 1700 und es waren Schullehrer,
Poststellenleiter, Chorleiter und Ärzte darunter. Die mütterliche Ahnenlinie geht
zurück bis 1200 und auch hier waren Persönlichkeiten vorzuweisen. Unter anderem
war ein Vorfahr persönlicher Generaladjutant Friedrich des Großen, Karl Theophil
Guichard,
genannt Quintus Icilius. Oder ein anderer Familienzweig, der zur damaligen Zeit
eine der bedeuteten Porzellanmanufakturen in Magdeburg betrieb.
Dass wir
unseren protestantischen Mitschüler, wenn es zum Streit kam, als Juden
bezeichneten, hatte ich in [2] erwähnt. Sehr aufschlussreich ist folgende
Geschichte:
Meine
Mutter und ich wohnten [um 1950] in Alsdorf [dem Nachbardorf]. Meine Schwester Gertrud
kam mit Ihrem Sohn Horst zu Besuch. In Alsdorf war gerade der Weihbischof zu
Gast und meine Schwester traf Ihn auf der Straße. Der Weibischof ging mit
erhobenen Armen auf meine Schwester Gertrud zu und nahm das Kind auf den Arm.
Dieses griff umgehend nach seinem Kruzifix. Eine ältere Frau aus Alsdorf fiel
fast in Ohnmacht, und sagte zum Weihbischof: „Aber Herr Hochwürden, wie können
Sie dieses Kind auf den Arm nehmen. Es ist doch evangelisch“. Empört klärte er
die Frau auf, indem er sagte "Alle
Menschen, die an Gott glauben, sind gleich, egal ob katholisch oder
evangelisch.“ Beschämend ging die Frau nach Hause. So sind wir, die Familie
S., in Niederweis [und Umgebung] angesehen worden.
Kleidersammlung für
Winterhilfswerk 1941
Die
nächste Geschichte war mir vorher nicht bekannt. Sie regt zum Nachdenken an.
Weißt
Du auch, dass wir während des Kriegs jedem Niederweiser Soldaten immer wieder
etwas aus Niederweis über Feldpost geschrieben haben und immer wieder waren die
Kuverts mit Zigaretten gefüllt. Bis heute hat sich keiner in Wort und Schrift
bedankt. Stattdessen musste meine Mutter bei den Bauern betteln gehen, um ein
paar Eier, Mehl oder Milch zu erhalten. Wir sind nie anerkannt gewesen, weil
wir evangelisch und faule Städter waren.
Über
den Einzug der Amerikaner am 27. Februar 1945 erzählt Bernhard die folgende
Geschichte:
Alfred
Thies [ein Alterskollege], ein Verwandter aus Ralingen, der bei Disch gewohnt hat, und ich, wir drei
standen mit einer weißen Flagge auf der Hauptstraße zwischen Deinem Elternhaus
und Zillien (Wir konnten ein paar Worte Englisch. die wir auf der Oberschule
gelernt hatten). Wir waren die ersten im
Ort, die Amerikaner 1945 mit den Worten auf Englisch "In diesem Ort sind
keine deutschen Soldaten mehr" empfingen. Daraufhin sind die wie eine
Traube um uns gestanden und wir wurden mit der berühmten Blockschokolade und
Zigaretten beschenkt. So war es, und alles andere stimmt nicht.
Hier darf
ich Bernhard geringfügig korrigieren. Wie an anderer Stelle [2, S.87] berichtet,
gingen Alfred Thies und ich den Amerikanern entgegen, schon ehe sie das Dorf
Niederweis betreten hatten. In den Gärten auf der anderen Seite der Nims zeigten
wir ihnen nämlich, wo Minen lagen. Das folgende Ereignis hatte ich in [4] erwähnt.
Mir war allerdings ein etwas anderer Ablauf berichtet worden.
Nach
dem Verlassen der amerikanischen Soldaten kamen die Luxemburger Soldaten zur
Bewachung. Diese alle waren im Schloss (also bei Broich [dem damaligen
Pächter]) stationiert. Wir die Jugend und auch die Einwohner sind sehr gut mit
den Soldaten ausgekommen und hatten ein gutes Verhältnis. Nach einem
Wachwechsel auf der Einicht-Brücke (unterhalb von Niederweis) haben sich die
abgelösten Soldaten in die Wachstube zurück in ihr Quartier begeben. Dort ereignete
sich ein Unfall. Einer der Soldaten sagte zu seinem Kameraden so im Spaß „Jemp,
stell dich in den Ecken. Ich erschieße dich“. In dem Glauben ̶ was
auch Vorschrift ist ̶ die Munition ist nach Diensteinsatz entfernt,
stellte er sich in den Ecke, der Kamerad legte an und ein Schuss löste sich und
er fiel tot um. Es war sehr tragisch. Wir haben nur dieses erfahren. Die
Untersuchungen wurden aufgenommen, ein Ergebnis wurde nicht bekannt.
Auf dem Pferdebalken
(vorne Bernhard, hinten Gertrud) 1943
Hier
wie auch im Folgenden wird das gute Verhältnis zu den Luxemburger Soldaten betont,
an das ich mich auch erinnere.
Wir
waren sehr oft mit den [Luxemburger] Soldaten zusammen. Unter andrem haben wir
mit den Soldaten in der Nims Fische gefangen. Dazu verwendeten wir Dynamitwürfel,
die wir Seifenstücke nannten. Es wurde ein Sprengkapsel mit Zündschnur in die
Seifenstücke geklemmt. Wir alle wussten, wie lange wir Zeit hatten bis zu
Explosion. Wir zählten die Zeit ab und warfen den Sprengsatz in die Nims. Nach der Explosion holten wir die toten Fische
aus der Nims. Das gleiche wollte dann auch einer der Soldaten machen. Wir waren
dabei, offensichtlich aber in Entfernung, als der Sprengsatz in der Hand des
Soldaten explodierte und ihm die Hand abriss.
Nach
Abschluss seiner Volksschulzeit ging Bernhard in eine Lehre bei Thomas Eppers,
dem Mechanikermeister im Dorf. Seine Werkstatt lag in der Dorfmitte. Der
‚Tommes‘, wie wir ihn nannten, war ein Unikum. Ich hatte in [3] an ihn
erinnert.
Während
meiner Lehrzeit wurde das durch Kriegseiwirkung zerstörte Kreuz auf dem
Kirchturm erneuert. Für den Wetterhahn musste wetterfestes Material verwendet
werden. Das wurde in Form einer Artillerie-Kartusche gefunden. Die kann man
natürlich nicht wie Blech verwenden. Das Material ist sehr hart und hat die
Form eines Rohres mit Boden. Wir wollten das Material bearbeitungsfähig machen.
Wir legten die Kartusche in ein Schmiedefeuer und brachten sie auf
dunkelrotglühende Temperatur. Dann kam die Kartusche in kaltes Wasser zum
Entspannen. Nun konnten wir arbeiten. Zuerst wurde der Boden abgesägt, dann der
Länge nach aufgeschlitzt und dann aufgewickelt und flach geklopft. Immer wieder
musste der obige Entspannungsvorgang wiederholt werden. Als wir dann das Blech
flach und eben hatten, wurde der Wetterhahn darauf gezeichnet und
ausgearbeitet. Es wurde dann noch auf dem Mittelpunkt der Drehpunkt festgelegt
und eine Drehachse angebracht. Soweit der Wetterhahn. Das Kirchenkreuz wurde
von Thomas Eppers, der auch die Arbeiten am Wetterhahn begleitete und half,
persönlich hergestellt und mit der dazugehörigen Kunstschmiedearbeit ausgestattet.
Nun war alles fertig und es ist Brauch, das Kreuz der Gemeinde zu zeigen. Wir
zogen dann durchs Dorf, unterstützt durch einen Bewohner aus der Burg mit
Musik. Wir wollten auch dem ganzen Dorf das Kreuz zeigen, aber die Spenden der
Bewohner waren zu stark und wir schafften es nicht. Die Brennereien [der
Niederweiser Bauern] haben in der 45er und 50er Jahren den Schnaps so um die
50-52% gemacht.
Reparatur des zerstörten Kirchturms 1945
Reflektionen
Das
Gesagte wirft die Frage auf, ob die angeschnittenen Probleme alle einer entfernten
Vergangenheit angehören. Wegen der verstärkten Durchmischung der deutschen
Bevölkerung sind konfessionelle Konflikte heute kaum noch erkennbar. Auch der abnehmende
Einfluss der Kirchen spielt dabei eine Rolle. In den Jahren nach dem Zweiten
Weltkrieg nahm fast jedes Eifeldorf Flüchtlingsfamilien aus den verlorenen
Ostprovinzen Deutschlands auf und integrierte sie. So auch unser Heimatdorf. Verkehr
und Tourismus sorgten dafür, dass Stadt- und Landmenschen sich immer häufiger
begegneten und austauschen konnten. Auch führten immer mehr Urlaubs- und
Geschäftsreisen über Landesgrenzen hinaus. Die Vereinigung Europas schien die
Bindung an Nationalstaaten zu lockern oder zurückzudrängen. Wirtschaft, Wissenschaft,
Kultur, Sport und Unterhaltung orientieren sich global.
Im Augenblick
scheint es, als ob die Gefahr bestünde, dass sich Völker oder gesellschaftliche
Gruppen wieder auseinanderlebten. Es wird von gespaltenen Gesellschaften und
von nationalen Egoismen gesprochen. Radikale und Extreme lehnen sich allerorts gegen
Ausgleich und Toleranz auf. Möge die Erinnerung an Vergangenes dabei helfen,
dass Gefahren erkannt und bekämpft werden. Abschottung, Fremdenhass, Isolation
und Misstrauen sind Sackgassen. Wir sollten sie vermeiden.
Referenzen
- Endres, A.: Geschichten aus der Eifelheimat. Band 3, 2016
- Erinnerungen an eine Eifler Jugendzeit. Ibidem. Band 1, 2008, 76-93
- Zehn Persönlichkeiten aus fünf Jahrhunderten Niederweiser Geschichte. Ibidem. Band 1, 2008, 136-147
- Bitburg und Echternach im Blick oder das deutsch-luxemburgische Grenzland. Ibidem, Band 3, 13-18
Bernard lieferte dieser Tage die folgende Ergänzung.
e
Meine Lehrzeit bei Thomas Eppers war vom Juli 1945 bis Dezember 1949. Ich habe den Wiederaufbau sehr nah miterlebt, zumal auch die Firma Eppers alles [was durch den Krieg zerstört war] erneuern musste. Die Jugend weiß vieles nicht.
Die Westwallbunker lieferten vieles, was benötigt wurde. Es wurde demontiert, was nicht niet- und nagelfest war. Gesucht wurden u.a. Ventilatorengebläse (für eine Schmiedeesse), Stromkabel, sowohl für Licht- wie Starkstrom. Es waren natürlich auch die ganzen Dächer kaputt. Die erste Hilfe lieferten uns die Hinterlassenschaften der Ami-Soldaten in Form der verbrauchten Geschosskartuschen. Wir legten diese in ein Sandbett und trennten mit Hammer und Flachmeißel den Boden ab. Dann wurde der Zylinder sehr mühevoll aufgerollt und flach geklopft. Es ergab dann ein Trapezblech. Diese wurden dann zum Abdecken von Dächern verwendet. [Unser ganzes Scheunendach entstand auf diese Art]. Zum Aufbau [von Gebäuden] wurden auch Mörtel und Bauholz benötigt.
Holz lieferte der Wald. Alle durch Beschuss beschädigten Bäume durfte man holen. In diesen Bäumen waren natürlich auch Granatsplitter, die man nicht immer gesehen hatte. Ich kann mich erinnern, bei Disch im Hof stand eine Kreissäge von circa einem Meter Durchmesser, angeschlossen an ein Geleis mit Schlitten. Auf die Schlitten wurde der Baum gelegt und in Form gesägt. Wenn man einen [Granat-] Splitter erwischt hatte, musste das Sägeblatt wieder neu gefeilt, also geschliffen werden.
Zwischen Niederweis und Irrel war eine Sägemühle mit einem Holzgatter, auch stark beschädigt. Sie steht jetzt in einem Museum in der Eifel [in Kommern bei Mechernich]. Um Bretter zu sägen, hat mein Lehrmeister dieses Gatter während meiner Lehrzeit wieder gangbar gemacht. Als alles fertig war zum Probelauf, wartete man auf die Lieferung des Antriebsriemens. In der Nachkriegszeit waren diese schwer zu bekommen. Abhilfe kam [endlich] und zwar machte Romika [in Trier] solche Flachriemen. Der war blau mit einem Gewebe etwa 10-12 mm stark und etwa 20 cm breit. Der wurde auf Länge passend gemacht, montiert und es konnte losgehen. Das Gatter lief.
Zum Mauern [von Gebäudewänden] brauchte man Speiß [Mörtel]. Es ist dies ein Gemisch aus gelöschtem Kalk und Sand. Woher nehmen? Sand war vorhanden, aber der gebrannte Kalk fehlte. Hinter der Eisenbahn [im Nussbachtal] war ein alter Kalksteinbruch mit einem Zwillingsbrennofen. Die wurden wieder zum Leben erweckt und es wurde aus den gebrochenen Steinen Kalk gebrannt. Dieser Vorgang ging so ab: Die gebrochenen Kalksteine wurden nach bestimmten Regeln in dem gemauerten Ofen eingestapelt und dann abgedeckt. Dann wurde unten ein Feuer mit Buchenscheidholz gemacht und die ganzen Steine erhitzt. Es dauerte natürlich Tage. Nach dem Erkalten wurden dann die Steine, also der gebrannte Kalk, an der Baustelle in einem Trog mit Wasser begossen (‚gelöscht‘) und es entstand ein weißer Brei. Dieser wurde mit Sand vermischt und zum Maurer aufs Gerüst getragen. Ich persönlich habe über Wochen während meiner Lehrzeit beim Wiederaufbau [von Gebäuden] gearbeitet.
Was alles repariert und neu gebaut wurde: Eine Transmissionsanlage und ein Heuaufzug bei Billen in Kaschenbach, eine fest installierte Dreschmaschine [bei einem andern Bauern], Wiederinstandsetzung der Molkerei in Irrel, Umbau eines Schlüter-Bulldog [Schlepper] von Holzvergasen auf Dieselmotor, Elektroinstallation in der Kirche Alsdorf, Reparatur von Mähmaschinen, Dreschmaschinen, Milchzentrifugen usw., usw. Eigentlich alles, was so anfiel. Thomas Eppers half, wo er konnte. [Es gab kaum etwas, das er nicht konnte].
So war es nötig, die [zum Schloss gehörende] Mahlmühle unterhalb des Dorfes wieder gangbar zu machen. Der zuständige Müller war Herr Kiemes, der mit seiner Familie und den drei Kindern Theo. Gertrud (Trudi genannt) und Irmgard oben im Dorf wohnte. Die notwendigen Arbeiten waren, das Wasserrad, die Mühlsteine, alles musste auf Vordermann gebracht werden. Ein Problem gab es bei der 6- oder 8-eckigen Mehltrommel. Die musste mit einem ganz feinen Seidenstoff bespannt werden. Nach mehreren Versuchen konnte ein passender Stoff gefunden werden. In die laufende Trommel lief das Mahlgut ein und wurde getrennt in Mehl und Spleiß [Kleie]. Den Spleiß bekamen die Schweine. So kamen wir dann nach dem Krieg wieder zu Mehl. Später hat dann der Sohn Theo die Mühle betreut. Wir waren als Jugendliche viel unten an der Mühle, zumal Theo ein guter Freund von mir war. Ich hatte bis zu seinem Tode 2014 immer wieder Kontakt zu Ihm. Er arbeitete nach Schließung der Mühle bis zu seinem Ruhestand in Langsur bei Trier als Müller.
Nachtrag am 9.12.2013
Ich hatte
Bernhard nach den Umständen gefragt, wie sein Vater zu Tode gekommen war. Hier
sein trauriger und ergreifender Bericht.
Niederweis war
das erste Dorf hinter der evakuierten Zone. Wir lagen in kontinuierlichem und regelmäßigem Artillerie-Beschuss der Amerikaner aus Luxemburg, das schon
erobert war. [Wie in [2] beschrieben, bestand diese Situation von September 1944
bis Februar 1945]
Wir
konnten nachts nicht in unseren Keller, weil er zu feucht war. Nur tagsüber
hielten wir uns dort auf. Zum Schlafen gingen wir in einen Futtervorratskeller
über die Straße zur Familie Disch. Eigentlich dachten wir, dass wir im Keller unter
der Scheune [von Disch] sicher seien. Über dem Gewölbekeller lag etwa 10 Meter
Stroh. Aber leider zündete eine Phosphorgranate dieses an, und es war unmöglich,
sich weiter dort in diesem Keller in Sicherheit zu begeben. Wir zogen um ins
Wohnhaus und bauten im dortigen Keller unser Matratzenlager auf. Um Splitterschäden
zu vermeiden bzw. zu verringern, hatte mein Vater für die unteren Fenster
jeweils aus starken Dielen [oder Bohlen] eine Füllung vors Fenster gebaut. Eine
von ihnen hielt aber nicht fest und er suchte nach einer Stütze. Gerade in
diesem Zeitraum gab es mal wieder einen Feuerüberfall.
Wir
waren auf den Abschussknall so fixiert, dass wir schon wussten, wohin gezielt
wurde. Ich stand in der Haustür und sah meinem Vater zu und sagte noch: ‚Vater
ein Feuerüberfall, komm‘. Seine Antwort war: ‚Die gehen alle unten ins Tal‘.
Die sind auch dort eingeschlagen, aber dank des aufgeweichten Bodens als
Blindgänger und kamen nicht zur Explosion. Ein Geschoss ist aber über den First
unseres Hauses direkt auf die befestigte Straße geflogen und krepiert. Die
Granate explodierte und riss nur ein etwa 10 cm tiefes und ein Meter im
Durchmesser großes Loch in die Straße. Dementsprechend sind die Splitter flach
in die Umgebung geflogen. Ein Splitter traf meinen Vater von links im linken Oberbauch
und riss eine etwa 20 mm breite Wunde. Mein
Vater lief trotzdem noch in den Keller und sagte: ‚Putzt mir doch das Blut ab‘.
Wir sahen aber kein Blut. Der herbeigerufene Stabsarzt und ein Offizier namens Reichert
(angeblich ein Bruder von dem aus dem SWR-Künstlerteam) brachten meinen Vater zu
einem Transportwagen, der ihn dann nach Helenenberg ins Lazarett brachte. Von
dort aus wurde er nach Schweich [bei Trier] transportiert, wo er auf dem
Transport starb. Er liegt dort auch auf dem Heldenfriedhof beerdigt.
Wie
uns mitgeteilt wurde, hat mein Vater als Katholik noch die letzte Ölung
erhalten. Als der Krieg vorbei war, ließen wir eine Messe lesen, die in der
katholischen Kirche in Alsdorf stattfand. Meine Mutter, meine Schwester und ich
waren evangelisch. Wir wurden vorher vom damaligen Pastor [Heinrich Hoffmann] von
der Kanzel angesagt, leider aber mit einem Misston [als Folge] der damaligen
Glaubenslehre. Er sagte: ‚Das Ehepaar war zwar nicht verheiratet, aber Franz S.
hat ja die letzte Ölung erhalten und ist somit wieder zum Glauben zurückgekehrt‘.
Angeblich führte zur damaligen Zeit eine Hochzeit mit einem Andersgläubigen zum
Ausschluss aus der katholischen Kirche. [Diese Aussage basiert auf einer zwar verbreiteten
Meinung, die aber nicht zutreffend war]
Leider
hatte unsere Familie jahrelang unter der damaligen Glaubenslehre leiden müssen,
und zwar deshalb: Mein Vater war katholisch, ging aber nicht in die Kirche, und
wir, der Rest der Familie, waren evangelisch. Niederweis war damals ein sehr
konservatives katholisches Eifeldorf. Ich muss aber auch sagen, der damalige
Pastor trug im höchsten Maß zu dieser Situation bei. Gott sei Dank hat sich
diese damalige Glaubenseinstellung durch Zuwanderung von Flüchtlingen usw. sehr
stark zum Positiven geändert.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.