Sonntag, 19. März 2017

Bitburger Eisenmeteorit kehrt heim, allerdings nur ein geschmolzenes Teilstück

Lange bevor die Menschen, die wir Kelten nennen, unsere Gegend besiedelten, fand in der Südeifel ein Naturereignis ungewöhnlicher Art statt. Ob es am Tage oder während der Nacht geschah, wissen wir nicht. Jedenfalls war  minutenlang der Himmel hell erleuchtet und ein knatterndes und zischendes Geräusch erfüllte die Luft. Es endete mit einem laut knallenden Aufschlag, der die Erde im Umkreis von Kilometern erschütterte.

Geschichte und Ort des Fundes

Es war im Jahre 1802, also acht Jahre nachdem französische Revolutionstruppen bei uns einmarschiert waren, im Jahre X des Revolutionskalenders, als  sich Napoléon in Paris zum Konsul auf Lebenszeit wählen ließ und Österreich im Frieden von Lunéville seine linksrheinischen Gebiete an Frankreich abtrat. Damals stieß der Bauer und Mühlenbesitzer Matthias Müller von der Albachmühle beim Anlegen eines Weges auf seinem Acker auf einen ungewöhnlich großen Metallklumpen. Er lag etwa einen Meter unter der Oberfläche. Die Albachmühle gibt es heute noch und liegt etwa 4 km östlich des Stadtkerns. Sie gehörte damals zur Gemeinde Mötsch und wurde inzwischen mit dieser zusammen ins Gebiet der Stadt Bitburg eingemeindet. Die den Fundort umgebende Flur hieß damals ‚auf Folkert‘. Nach der letzten Flurbereinigung heißt sie ‚im Lohberg‘.


Fundstelle im Albachtal (Tranchot-Karte um 1810)

Eigenschaften des Himmelskörpers

Der freigelegte Klumpen wurde eindeutig als Himmelskörper identifiziert, also als Meteorit. Die ursprünglich gefundene Eisenmasse muss etwa 80x50x50 cm groß gewesen sein, denn sie wog rund 1,6 Tonnen (circa 33 Zentner). Der erste Bericht darüber erfolgte durch den englischen Oberst Gibbs, der 1805 ein kleines Stück abgehauen hatte. Veröffentlicht hat er darüber erst 1814. Erst dadurch wurde der Fund auch bei deutschen Mineralogen bekannt. Eine im Jahre 1974 durchgeführte Analyse ergab neben Eisen die folgenden Bestandteile: Nickel 12,4%, Gallium 34,8 ppm, Germanium 140 ppm und Iridium 0,46 ppm [ppm = parts per million]. Damit ähnelt er anderen auf der Erde gefundenen Meteoriten. Besonders das Element Iridium weist auf den außerirdischen Ursprung hin.


Mikroskopischer Ausschnitt des Bitburger Meteoriten

Schicksal des Fundes und erste Wiederentdeckung

Im Jahre 1807 wurde der Fund für 16,5 Taler an Peter Jost, den Betreiber des Pluwiger Hammers verkauft. Der Transport muss per Pferdewagen erfolgt sein. Die an der Ruwer, einem südlichen Nebenfluss der Mosel, gelegene Eisenschmelze mit Hammerwerk und Mahl- und Sägemühle gehörte früher dem Trierer Domkapitel. Nach der Säkularisation hatte Jost 1806 Hammerwerk und Mühle ersteigert.


Gesamtansicht des Schmelzkuchens aus Pluwig,
 gefunden 2014 bei Wülfrath

Als man nach dem Schmelzen das Eisen schmieden wollte, fiel es wie Sand auseinander. Auch das Beifügen von normalem Eisen half nichts. Man entschloss sich daher, den Schmelzkuchen, also die abgekühlte Schmelzmasse, auf dem Gelände der Hütte zu vergraben. Durch Mitglieder der Trierer Gesellschaft für nützliche Forschungen wurden nach 1830, also während der Preußenzeit, rund 300 kg wieder ausgegraben. Sie wurden zersägt und an verschiedene Museen in Deutschland und im Ausland verschenkt. Größere Teile kamen nach Bonn und Berlin in die dortigen mineralogischen Sammlungen. Lothar Monshausen [1] hatte 1994 die in Berlin befindlichen Brocken fotografiert. Zwei bis drei Zentner, die nicht aufgeschmolzen worden waren, konnten bis heute nicht wieder gefunden werden.


Abgetrenntes Teilstück für Stadt Bitburg

Zweite Wiederentdeckung und weiterer Verbleib

Der in Stuttgart ansässige Heilpraktiker Yasar Kes, der als Hobby Mineralien sammelt, entdeckte im Jahre 1993 in Wülfrath (zwischen Düsseldorf und Wuppertal) ein über 150 kg (!) schweres Teilstück des Schmelzkuchens des „Bitburger Eisenmeteoriten“. Wie es dorthin gelangt war, ist nicht bekannt. Viele Jahre lagerte das Stück unbeachtet im Garten des Finders, bis Recherchen im Internet das Material auf meteorischen Ursprung  hinwiesen.

Einige Stücke wurden seither mit einem Wasserstrahl-Schneidegerät abgetrennt. Zurzeit finden im Institut für Petrologie und Mineralische Rohstoffe der Universität Tübingen (unter Leitung von Dr. Udo Neumann) wissenschaftliche Untersuchungen statt. Ein Teilstück des Schmelzrestes wurde von Yasar Kes im März 2017 dem Bürgermeister der Stadt Bitburg persönlich überreicht und wird später im Rathaus in einer Vitrine ausgestellt sein.



Weitere Teilstücke



Oberflächenstruktur

Danksagung: Für den Hinweis auf die Geschichte des ursprünglichen wie des erneuten Fundes danke ich Lothar Monshausen aus Bitburg. Alle Fotos hat er freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Referenz

1.  Monshausen, L., Schulze, H.: Das Rätsel des Bitburger Eisenmeteoriten. In: Beiträge zur Geschichte des Bitburger Landes, Nr. 15 (1994), 107-111


Nachtrag am 22.3.2017


Heute fand in Bitburg die feierliche Übergabe eines Teilstücks an Stadtbürgermeister und Stadtarchivar statt. Das Mitteilungsblatt der Stadt berichtet darüber. 

Nachtrag vom 29.3.2017


Auf Nachfrage hat Yasar Kes zu den Umständen des Fundes einige nicht allzu genaue Angaben gemacht. Im Jahre 1993 fuhr er am Stadtrand von Wülfrath mit dem Fahrrad entlang eines Wald- oder Radwanderwegs, an dem sich die Abraumhalde eines mit Kalksteinen handelnden Unternehmens befand. Er sah dort einen größeren, mit Dellen übersäten unförmigen Gegenstand. Er fuhr später erneut dort hin und es gelang ihm den Gegenstand mit Hilfe von Holzstücken freizulegen. Dann tat er zunächst nichts. Auf dem beigefügten Google-Foto ist die Fundstelle markiert und ihre Koordinaten vermerkt.


Fundort bei Wülfrath
  
Später entschloss er sich, den Gegenstand abzutransportieren. Der erwies sich allerdings als sehr schwer (152 Kilo). Mit mehreren Männern zusammen gelang es, den Gegenstand auf eine Karre zu laden. Er brachte ihn zu sich nach Hause in den Garten. Er machte Fotos und zeigte sie einigen Bekannten und diversen angeblichen Experten. Deren Meinungen schwankten zwischen Gullideckel und Verhüttungsabfall. 

Er begann schließlich selbst im Internet zu recherchieren. Dort stieß er auf das ‚Bitburger Eisen‘. Darauf begann er selbst zu forschen und wandte sich um Hilfe an einige Universitäten. Als niemand Interesse zeigte, kaufte er sich schließlich ein Mikroskop. Er machte Untersuchungen ähnlich wie von Jakob Nöggerath (1788-1877), dem Bonner Mineralogen, in seiner Veröffentlichung über den Fund [1] beschrieben. Schließlich kam er in Kontakt mit Dr. Neumann von der Uni Tübingen.

Referenz

1. Nöggerath, J. und Bischof, G.: Journal für Chemie. N. R. 12. Bd. 1, Heft. 1 (1817)


Nachtrag am 30.3.2017

Heute berichtet auch der Trierische Volksfreund, das meist gelesene Medium der Region, in seiner Bitburger Ausgabe über die Übergabe eines Bruchstücks an die Stadt Bitburg.

Nachtrag am 30.1.2019

Heute informierte mich Dr. Udo Neumann von der Uni Tübingen per E-Mail wie folgt:
 
'möchte Sie noch informieren, dass die Untersuchung der Eisenmasse (Finder Y. Kes) keinen meteorischen Ursprung nachgewiesen hat. Es handelt sich um eine künstliche Eisenmasse. ' Mit freundlichen Grüßen, Udo Neumann

6 Kommentare:

  1. Dr. Udo Neumann hat mir bestätigt, dass er eine Untersuchung eines von Yasar Kes erhaltenen Eisenstückes macht. Noch gibt es keine Ergebnisse.

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  2. Lothar Monshausen aus Bitburg schrieb:

    Ich kann zurzeit keine genaueren Angaben zu dem neuen Fund liefern, da noch einige Untersuchungen am Laufen sind. Allerdings deuten viele Parameter auf den Schmelzrest auf den "Bitburger Meteoriten" hin. Allein die Größe und das Beimischen von irdischem Eisen ist ein starkes Indiz. Es gibt nach meinen Recherchen kein anderes Material in Deutschland mit dieser Zusammensetzung. So weisen die "Wittmannstättschen-Figuren" von einigen Teilen auf einen meteorischen Ursprung hin. Entscheidend ist eine Analyse, ob die Metalle Iridium und Germanium enthalten sind. Wegen der stattgefundenen Schmelzungen kann die Feststellung eventuell sehr aufwendig werden.

    Auch ist das Alter des Aufschlags noch nie bestimmt worden. Irgendwie ist es auch nicht mehr möglich. Ich glaube, es war vor vielen Millionen Jahren.... Du musst bedenken, dass in den Weltmeeren noch unzählige Meteoriten vorhanden sind, aber wohl nie zum Vorschein kommen. Fest steht, dass außerirdisches Material auch auf der Erde vorkommt (mit einer anderen Zusammensetzung). Auch die Wittmannstatt-Figuren existieren nicht auf Erdgestein. Mondgestein besteht fast ausschließlich wie irdisches Gestein (meistens Lava) und wenig Schwermetalle, weil diese sich im Mondkern befinden, sonst könnten wir heute keinen Mond mehr sehen.

    In Deutschland sind eher nur faustgroße Stein-Eisen-Meteorite (Pallasite mit grünlichem Olivin) gefunden worden, die auch nie eingeschmolzen wurden, ähnlich wie der Meteorit von Brenham/USA. Ein kleines Stück vom Meteoriten aus Mbale (Uganda) neben anderen aus China und Argentinien habe ich selbst zuhause. Das sind alles "reine" Teile aus dem Weltraum zwischen Mars und Jupiter (so jedenfalls die Expertenmeinung).

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    1. Hallo Albert, Dein Bericht über den "Bitburger Eisenmeteoriten" finde ich, hast Du sehr gut in kurzer Form leserlich beschrieben. Ich hoffe, dass auch andere sich zu diesem Fund äußern. Von außerirdischen Objekten ist eigentlich nicht so viel veröffentlicht worden. Zum Beispiel existieren von vielen Meteoritenfunden nur wenige greifbare Informationen. Wie Du beschrieben hast, ist das Alter des Materials nicht bestimmt worden.

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    2. Laut Wikipedia werden als Widmanstätten-Strukturen die vorwiegend in meteoritischem Material nachweisbaren, charakteristischen Strukturen bezeichnet, die sichtbar werden, wenn Eisenmeteoriten angeschliffen, poliert und angeätzt werden. Die Erklärung liegt in der unterschiedlichen Beständigkeit der Nickel-Eisen-Minerale Kamacit und Taenit. Während der Ni-arme Kamacit stärker angegriffen und aufgelöst wird, bleiben die Ni-reichen Taenitkristalle stehen. Widmanstätten-Strukturen treten auch in der modernen Metallkunde auf. Benannt wurden die Strukturen nach dem österreichischen Naturwissenschaftler Alois von Beckh-Widmanstätten (1754–1849). Er hatte die Struktur 1808 in Wien an einer geätzten Fläche eines Eisenmeteoriten entdeckt.

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  3. Nach neuen Erkenntnissen von der japanischen Weltraumsonde „Hayabusa“ hatte man festgestellt, dass außerirdische Himmelkörper aus lockerem Sand bestehen, also keineswegs aus festem Steinmaterial. Die Oberfläche hatte keine Einschlagkrater! Die Sonde konnte Material zur Erde zurücksenden und auch analysiert werden.

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    1. Das stimmt sicherlich nicht immer. Der Brocken an der Albacher Mühle war ganz schön hart, als er runterkam.

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