Das
Thema Modellierung, also das Erstellen von Modellen, beschäftigt viele
Fachgebiete. Ein Modell ist eine Abbildung
oder Repräsentation eines natürlichen oder eines künstlichen Originals, wobei
dieses Original selbst auch wiederum ein Modell sein kann. Meist handelt es
sich um eine vereinfachte Rekonstruktion eines komplexen Originals mit dem
Ziel, gewisse Eigenschaften besser sichtbar zu machen, als dies bei der
Betrachtung des Originals möglich wäre. Es kann auch sein, dass das Original
nicht sichtbar oder (noch) nicht vorhanden ist. Dann ist das Modell das Beste,
mit dem wir uns beschäftigen können. Anhand von Beispielen aus den drei
Gebieten Geodäsie, Informatik und Physik soll hier diskutiert werden.
Geodäsie
Die
Geodäsie hat die Aufgabe, die Erde zu vermessen und darzustellen. Für Letzteres
benutzt sie Modelle (Globen, Karten). In diesem Falle ist das Original zwar
vorhanden, aber nicht von einem Menschen auf einen Blick erfassbar. Die Modelle
haben den Vorteil, dass sie meist anschaulich sind. Ein sehr bekanntes und
recht altes Beispiel ist der Behaim-Globus von 1492. Er befindet sich im Germanischen
Museum in Nürnberg. Es ist eine der frühesten Darstellung der Erde in
Kugelform. Deutlich ist die um 23,4 Grad geneigte Erdachse (Schiefe der Ekliptik) zu erkennen. Die
Abplattung der Pole ist nicht dargestellt, ebenso fehlen alle anderen
Abweichungen des Geoids von der Kugelform. Es gibt den Beheim-Globus und andere
Globen inzwischen auch in digitalisierter Form, u.a. als Abbild der
Kugeloberfläche in zweidimensionaler Darstellung.
Als krasser
Gegensatz sei die Mercator-Projektion erwähnt. In ihr wird
die Strecken- und Flächentreue aufgegeben zugunsten von Winkeltreue. Für den
Navigator auf See ist diese Darstellung sehr nützlich. Auch dieses Modell der
Erde ist konkret (also nicht abstrakt) und analog (also nicht digital). Auch daraus
kann eine digitalisierte Form gewonnen werden.
Mercator-Projektion
Vergleichen
wir diese Modelle mit einer modernen Weltdarstellung von Google (Google Earth),
dann werden Vor- und Nachteile der reinen Digitaldarstellung offensichtlich. Der
Detaillierungsgrad kann beliebig gesteigert werden, sie kann gleichzeitig an
verschiedenen Orten und auf unterschiedlichen Geräten angezeigt werden, usw. Vor
allem lassen sich viele neue Anwendungen denken, die von geografischen
Informationen, wie eigener Aufenthaltsort oder Entfernungen zwischen Orten, Gebrauch
machen. Anderseits entstehen Abhängigkeiten, die es vorher nicht gab (z.B.
Stromanschluss oder Batteriekapazität).
Informatik
Die
Informatik als konstruierende Wissenschaft macht ausgiebigen Gebrauch von
Modellen. Jeder Entwurf eines Systems ist ein Modell des zu bauenden Systems.
Das Anwendungssystem selbst kann ein Modell der Realität sein. Das gilt auch dann,
wenn keine vereinfachenden Annahmen gemacht werden. Besonders viel wird von
Modellen gesprochen, wenn die Anforderungen an das zu entwerfende System
ermittelt und dargestellt werden.
Ein
Beispiel eines nützlichen Modells ist die Darstellung eines zu entwerfenden
oder fertigen Transaktionssystems durch
ein System von Warteschlangen. Hier werden nur gewisse zeitliche Abhängigkeiten
besonders genau untersucht. Ist das Modell ausführbar, spricht man von einer
Simulation. Anstatt der Ergebnisse, die das echte System erzeugt oder
verändert, wird einzig und allein die dafür benötigte Zeit festgehalten. Sowohl
die Durchschnittswerte wie die Extremwerte für die Dauer einer Transaktion sind
von Interesse.
Auch
die Interaktion zwischen System und Nutzer kann separat modelliert werden.
Dafür wird quasi nur eine ‚grafische Fassade‘ des Systems benötigt. Die
Aktionen erfolgen ohne Wirkung etwa auf den Datenbestand. Oft wird auch davon
gesprochen, dass mit Modellen des Nutzers gearbeitet wird. Das ist nicht selten
gefährlich und fragwürdig.
Viele
Computerprogramme erreichen ihre Komplexität durch die Vielgestaltigkeit der
Abläufe, die sie realisieren. Es gibt verschiedene Notationen, um einzelne
Programme oder Systeme von Programmen als Abläufe zu beschreiben. Oft ist es
auch sinnvoll den Ablauf von Prozessen in der Wirtschaft oder im Betrieb in
einem Umfang zu beschreiben, der weit über eine einzelne geplante Anwendung
hinausgeht. Solche Modelle ermöglichen es, eine ganze Familie von Anwendungen
nacheinander zu planen und zu implementieren. Die Gefahr besteht, dass solche
Modelle Selbstzweck werden. Jedenfalls ist es nicht leicht, sie synchron zu
halten mit den Anwendungen, die bereits implementiert sind. Versuche, Objekte
oder Systeme ‚abstrakt‘ darzustellen, sollen hier nicht beschrieben werden. Darauf
wird später kurz eingegangen.
Physik
In der Physik gibt
es eine Vielzahl von Modellen und Modellierungen. Oft ist das Original (d.h.
das wovon ein Modell erstellt wird) die physikalische Realität. Das bedeutet,
dass Theorien zu einem bestimmten Teilgebiet der Physik oft als Modell
bezeichnet werden. Man spricht zum Beispiel von dem „Bohrschen Atommodell“ oder
dem „Standardmodell der Kosmologie“ oder dem „Standardmodell der
Teilchenphysik“. Man sagt auch, dass eine Theorie der Physik durch ein
mathematisches Modell repräsentiert wird. Es gibt auch spezielle Modelle für
bestimmte Teilgebiete der Physik. Beispielsweise zeigt das Ising-Modell wie die
Phasenübergänge bei der Magnetisierung von Eisen entstehen.
In der
Quantenphysik wird viel über „(lokal) kausale Modelle“ diskutiert. Der
experimentelle Nachweis der Quantenverschränkung wird von vielen
Quantenphysikern als Hinweis gesehen, dass es nicht möglich ist lokal kausale
Modelle der Quantentheorie zu erstellen. Bei seinem Versuch ein Computermodell
der Quantentheorie zu erstellen ist Hans Diel [1] zu dem Schluss gekommen, dass
Widersprüche und unsaubere Formulierungen in der Quantenphysik die Erstellung
von kausalen Modellen (lokal oder nicht-lokal) derzeit verhindern. Diese Ansicht wird durch
die Aussage des Physikers John Bell (1928-1990) bestätigt: ‘I think that conventional formulations of
quantum theory, and of quantum field theory in particular, are unprofessionally
vague and ambiguous. Professional theoretical physicists ought to be able to do
better.’
Es ist davon
auszugehen, dass es für jedes Gebiet der Physik möglich sein sollte, ein
kausales Modell zu erstellen. Die Vorhersagen des Modells dürfen auch
statistisch oder nicht-deterministisch sein. Bei den traditionellen
Physikgebieten (Newtonsche Mechanik, Elektrodynamik, Thermodynamik) ist die
Erstellung eines kausalen Modells trivial.
Vergleich
der drei Anwendungsgebiete
Die Eigenschaften
der für die drei Fachgebiete erwähnten Modelle lassen sich im Vergleich
darstellen. Sie haben unterschiedliche Verwendungszwecke und Nutzer.
Vergleich von
Modellen
Sehr bestimmend
ist in den Fachgebieten die zeitliche Ausrichtung. Darin drückt sich aus,
welche Aufgaben oder Fragestellungen ein Nutzer verfolgt. Die Antworten, die
anhand eines Modells gewonnen werden können, sind sehr unterschiedlich in ihrer
Qualität. Wichtig ist, dass man sich der Grenzen des Modells bewusst ist. Je
beschränkter ein Modell ist, und je mehr sein Eigenschaften vom Original
abweichen, umso größer ist die Gefahr einer Missdeutung.
Mehr zu abstrakten
Modellen
Auch in
der Modellierung kommt der Begriff Abstraktion manchmal vor. Abstrakte Modelle arbeiten nicht nur mit
konkreten Ingredienzen und Entitäten. In ihnen können auch abstrakte Begriffe
und Elemente vorkommen. Beispiele sind Zahlen (anstatt von Ziffern), Phantome
und Geister (anstatt oder zusätzlich von Lebewesen oder Naturkräften), Engel
und Nymphen (anstatt oder zusätzlich von Menschen). Der Gegensatz von abstrakt
ist bekanntlich konkret. Konkret setzt
meist real voraus.
Der
oben erwähnte Behaim-Globus wird auch oft als Behaims Erdapfel bezeichnet. Dies
ist wesentlich besser als ihn als Kugel zu bezeichnen. Eine Kugel ist nämlich
eine mathematische Abstraktion. Das Wort Erdapfel vermeidet jedoch die mit
mathematischen Begriffen stets verbundene Idealisierung. Abstraktionen sind
zwar bei Leuten mit Mathematik-Hintergrund äußerst beliebt. Für Geodäten, Ingenieure
und Informatiker sind sie aber eher gefährlich (engl. considered harmful). Man
sollte sie daher tunlichst vermeiden.
In
einem früheren Beitrag dieses Blogs warnte der Kollege Hartmut Wedekind praktisch arbeitende
Informatiker vor modell-verliebten Wirtschaftsinformatikern, die mittels
leichtfertig erstellter Modelle oft Unheil anrichten. Wie bei einem Restaurant,
das Huhn und Schwein gemeinsam betreiben, sind die Informatiker meist die
‚armen Schweine‘. Das Risiko wird umso größer je schöner die Werkzeuge (wie
BPMN) sind, die das Modellieren unterstützen. Es ist übertrieben davon
auszugehen, dass Modellräusche immer tödlich enden. Einen ordentlichen Kater
hinterlassen sie doch.
Mehr zu
digitalen Modellen
In
Geodäsie und Kartografie lässt sich exemplarisch der Effekt der Digitalisierung
zeigen. So hat Google durch die erfolgreiche Digitalisierung gewisse geodätische
Modelle ungeheuer populär gemacht. Google hat folglich einer Vielzahl von Kartografen
und Informatikern Arbeit verschafft; es wurden aber auch alternative Modelle aus
dem Markt verdrängt. Ich bin immer wieder überrascht zu sehen, welche der von
mir genutzten Anwendungen auf geografische Informationen Bezug nehmen, die Google bereitstellt. Fast
sind die Anwendungen, die es nicht tun, eine aussterbende Minderheit. Als
Google durch die massenhafte Retro-Digitalisierung von Büchern und Bibliotheken
einen ähnlichen epochalen Wandel einleiten wollte, wurde dies von der
Verlegerseite aus gestoppt.
Referenz
1.
Diel, H.: Models in physics. Zur Veröffentlichung eingereicht. 2017
Nachtrag am 21.9.2017
Nachtrag am 21.9.2017
Die
drei Beispiele dieses Beitrags sollten andeuten, wie vieldeutig der Begriff
Modell ist. Täglich begegnen einem andere Bedeutungen. Hier eine kleine Auswahl:
Auslaufmodell, Brillenmodell, Bezahlmodell, Datenbankmodell, Erfolgsmodell, Flugzeugmodell,
Fotomodell, Metamodell, Modellbauer,
Modelleisenbahn, Steuersparmodell, Vorjahresmodell, V-Modell. In dem folgenden Essay ‚Amadeus
Modellperspektiven‘ benutzt Peter Hiemann drei andere Beispiele, nämlich
Geschäftsmodell, Operationsmodell und IT-Systemmodell.
Amadeus
Modellperspektiven
Peter Hiemann, Grasse
9/2017
Das
Airline Reservierungssystem Amadeus entstand Ende der 1980er-Jahre: Am 17. Juni
1987 unterzeichneten Air France, Iberia, SAS und die Deutsche Lufthansa in
Paris Verträge zur Gründung des CRS (Computerized Reservation System) Amadeus. Das Ziel des neugegründeten
Unternehmens Amadeus war, ein international vermarktungsfähiges CRS auf
europäischer Basis zu entwickeln, um die US-amerikanische Vormachtstellung zu
brechen, die unter anderem durch das CRS Sabre bestimmt wurde. Am 20. April
1989 unterzeichneten IBM und Amadeus einen Vertrag zur Herstellung des Amadeus
„Global Distribution Systems“ (GDS). Die erste Phase der Entwicklung dieses
Systems war 1991 abgeschlossen, die erste Buchung mittels des Amadeus GDS erfolgte am 7. Januar 1992. Das
Amadeus „Global Distribution Systems“ hatte drei Modellvorstellungen zu
befriedigen: das Amadeus Geschäftsmodell, das Amadeus Operationsmodell und das
Amadeus IT Systemmodell.
Amadeus
Geschäftsmodell
Unternehmensstrategie: Anders als das Sabre
Airline Reservierungssystem, basiert die Architektur des Amadeus GDS und die
Amadeus Software Development Organisation auf einem Modell, GDS-Funktionen und
die Amadeus Entwicklungskapazitäten durch das Unternehmen Amadeus und Airlines
gemeinsam zu nutzen. In das Amadeus GDS-System eingebundene Airlines und Reisebüros
benutzen ein einheitliche Amadeus Reservierungsfunktionen. Sie können sich auf
gemeinsame Prozesse, Praktiken und Daten verlassen und komplexe
Synchronisationen von IT-Systemen vermeiden. Reisende profitieren von einer
einheitlichen, umfassenden Sicht auf eine Reise. Durch die Modularität kann
das Amadeus GDS eine breite Palette von Reisesektoren
bedienen bzw. daran anpassen. Dieser evolutionäre Ansatz ist entscheidend,
damit das Amadeus System auch zukünftige globale Anforderungen der
Tourismusindustrie befriedigen kann. Amadeus ist in der Position, wesentliche
Trends der Tourismusindustrie zu erkennen und ihrem GDS System Innovationen
hinzuzufügen. Amadeus prägt die Funktionalität der Tourismusindustrie, indem es
die Kooperation mit ihren Partnern und Kunden unterstützt. Sowohl Airlines als
auch Reise Agenturen profitieren von einer gemeinsamen Perspektive hinsichtlich
Investitionen und Organisation.
Umsatzquellen: (a)
direkte Gebühren für erfolgte Transaktionen, Buchungen (b)
Gebühren für ergänzende Funktionen einer Airline, die sich auf den Buchungsprozess beziehen. (c) Gebühren, um Amadeus' Kosten für Airline
Services wie Anpassungen oder 'application hosting' abzudecken.
Amadeus
Operationsmodell
Operationsstrategie: Amadeus 'Global Operation' versorgt Amadeus Kunden mit
Amadeus Technologie Services. Die Amadeus Research and Development (R&D)
Organisation entwickelt Technologie Services und transformiert sie in Systeme,
Databases und Netzwerke für Airlines, Hotels,
Airports, und Reiseagenturen. Diese Services werden von einer globalen
Organisation mittels verteilter Verarbeitungszentren bereitgestellt. 'Global
Operations' etabliert Standards für die Nutzung von Amadeus Services für
das gesamte von Amadeus unterstützte
Environment. Diesen Standards wird sowohl innerhalb der Amadeus Organisation
als auch für 'third-party suppliers.'
Geltung verschafft. In den meisten Fällen testet 'Global Operations' Anwendungen, um sicherzustellen, dass sie
in einem 'live context' funktionieren. Danach
werden Anwendungen in Server Systeme, Datenspeicher und Kommunikationsnetzwerke
übernommen (build process). 'Global Operations'
arbeitet rund um die Uhr (24/7).
Amadeus
IT-Systemmodell
Anwendungssystem-Strategie: Amadeus kooperiert
mit bewährten Technologie Unternehmen, um Amadeus GDS Kapazität zu erweitern.
Amadeus kooperiert mit Start-up Unternehmen, um 'niche functionalities' schnell
bereitzustellen. Amadeus erhält und entwickelt seine technische
Führungsposition mittels seiner speziellen
Fähigkeiten:
- Alle Anwendungen evolvieren, während Services kontinuierlich sichergestellt sind. Amadeus Services erfüllen extreme Anforderungen an 'high-performance' Transaktionsverarbeitung, bei zwingender System Verfügbarkeit und Sicherheit.
- Amadeus managt sehr großer Datenbasen bei Wahrung vollständiger Integrität hinsichtlich Transaktionsverarbeitung.
- Amadeus garantiert zügige Antwortzeiten für alle Funktionen an allen Terminals, die von hunderttausenden professioneller Nutzern gleichzeitig aufgerufen werden.
- Amadeus bietet einen wahrhaftigen Nachrichtenkanal, der alle Funktionen an einer Vielfalt von Geräten und unterschiedlichen Interaktionsmethoden verfügbar macht.
Das
Global Distribution Netzwerk umfasste eine Vielzahl von IBM Communication
Controllers und High Speed Telekommunikationskanäle für die Verbindung mit
Nationalen Reservierungssystemen von Air France, Lufthansa und Iberia, sowie
für die Verbindung zu Netzwerken von
drei Reiseagenturen. Die Amadeus Anwendungssoftware war System One
Standardsoftware, die im Rahmen des Vertrags mit IBM modifiziert wurde, um dem
Amadeus Geschäftsmodell zu genügen. Bestandteil des Vertrags zwischen IBM und
Amadeus war die umfassende Dokumentation von Spezifikationen der System One
Anwendungssoftware, der Amadeus Modifikationen der System One Software, der
Amadeus System Architektur, der Amadeus System Interface Kontrolle (API), des
Subsystem Design (um Kapazität Anforderungen zu genügen), des 'Communication
Transport Control Program' und
Spezifikationen für 'Communication Transport
Control Program Development'. IBM verpflichtete sich zu demonstrieren,
dass das TPF Produktion Subsystem 1000 Basistransaktionen per Sekunde
verarbeiten kann. Diese Performance Anforderung konnte nicht mit 'moderner' IBM
Systemsoftware befriedigt werden, es bedurfte der Verwendung des mehr oder
weniger 'überholten' TPF Operating Systems und
'Direct Access Storage Device' Speichertechnologie.
Entwicklungsbesonderheiten
der Software
Die
Entwicklung umfassender System Software
für eine Computer Hardware durchläuft Phasen: Design → Spezifizierung →
Programmierung (Codierung) → Modultests → Integration → Systemtests →
Feldtests → Release. Komponenten eines Operating Systems durchlaufen die
gleichen Phasen, bis sie in ein Operating System integriert werden. Typische
Beispiele für Komponenten sind ein Datensystem, ein Transaktionssystem, eine Komponente zum Benutzen eines Netzwerks
oder Programme zur Unterstützung von Eingabe/Ausgabe Geräten.
Die
Entwicklung umfassender Anwendungssoftware erfordert spezielles
Anwenderwissen, wie etwa für
Textverarbeitung, Computer Assisted Design, Graphik Design, Musik Komposition
oder Sprachübersetzung. Der Entwicklungsprozess durchläuft die gleichen Phasen
wie die Entwicklung von Operating Systems Software Die Entwicklung eines umfassenden
Anwendungssystems für ein Unternehmens, wie etwa das Amadeus Global
Distribution System, erfordert das Verständnis der Strategie und Operationen
eines Unternehmens hinsichtlich des Betriebs einer Entwicklungsorganisation,
einer Produktionsorganisation, einer
Marketingorganisation oder Trainingseinrichtungen (transfer of
technology) für Mitarbeiter des Unternehmens und Nutzer des
Anwendungssystems. Die Freigabe einer neuen Version eines
umfassenden Anwendungssystems bedeutet
nicht einfach einen Release eines getesteten Systems, sondern die Umstellung
(Cut-off) auf ein neues Produktionssystem. Operationen der Nutzer der neuen
Version des Systems dürfen in deren Arbeit nicht unterbrochen werden.
Amadeus
wählte IBM als Vertragspartner, weil Amadeus ein existierendes Airline
Reservierungssystem (Eastern Airline), das mit IBM Software funktionierte, als
Basis für das Amadeus Global Distribution System auswählten. Die am Amadeus
Projekt beteiligten IBM Mitarbeiter,
Vertreter eines puren Technologieunternehmens, hatte große Schwierigkeiten, die
unterschiedlichen Modellvorstellungen eines anwendungsorientierten Unternehmen
nachzuvollziehen. IBM Mitarbeitern (Management und Entwicklern) mangelte es an
umfassenden Vorstellungen, um die Entwicklung eines umfassenden
Anwendungssystems für die Operationen eines Unternehmens zügig durchzuführen.
Als das IBM Team das geforderte Wissen beisammen hatte, wurde es nach Erfüllung
des Amadeus Vertrags aufgelöst. Amadeus
ist heute ein sehr erfolgreiches Unternehmen. Es verdankt den Erfolg
seinem umfassenden, weitsichtigen
Geschäftsmodell. Mit Amadeus kooperieren heute 709 Airlines in allen Kontinenten.
Nachtrag am 22.9.2017
Es mag am Umfang dieses Blogs oder einfach nur an meinem Gedächtnis liegen. Im Juni 2012, also vor über fünf Jahren, hatte ich das Thema Modellierung zum ersten Mal in diesem Blog behandelt. Anlass war ein Beitrag von Fisher, Harel und Henzinger in den Communications of ACM (CACM 54,10), der sich mit Modellierung in der Biologie befasste. Wie in der Geodäsie so ist in der Biologie das Original vorgegeben. Die Korrektheit des Modells muss nachgewiesen werden bezogen auf das Original. Das gilt so lange als Biologie nicht als Ingenieurwissenschaft (engl. bio-engineering) betrieben wird. 'Dann geht es der Biologie nicht anders als der Informatik' , das war meine Schlussfolgerung.
Nachtrag am 22.9.2017
Es mag am Umfang dieses Blogs oder einfach nur an meinem Gedächtnis liegen. Im Juni 2012, also vor über fünf Jahren, hatte ich das Thema Modellierung zum ersten Mal in diesem Blog behandelt. Anlass war ein Beitrag von Fisher, Harel und Henzinger in den Communications of ACM (CACM 54,10), der sich mit Modellierung in der Biologie befasste. Wie in der Geodäsie so ist in der Biologie das Original vorgegeben. Die Korrektheit des Modells muss nachgewiesen werden bezogen auf das Original. Das gilt so lange als Biologie nicht als Ingenieurwissenschaft (engl. bio-engineering) betrieben wird. 'Dann geht es der Biologie nicht anders als der Informatik' , das war meine Schlussfolgerung.
Hartmut Wedekind aus Darmstadt schrieb: Sie sind ein mutiger Mann. ‚Modellierung‘, das ist ein wissenschaftstheoretisches Thema. Und von Wissenschaftstheorie, so mein bisheriger Eindruck, halten Sie nicht viel. Das sind doch die Leute für Sie, die sich nicht die Hände schmutzig machen. Man nennt Sie spöttisch auch Meta-Meier, weil sie ja nicht nur Sprache benutzen (use), sondern sogar über (meta) Spreche reden (mention). Ein Modell ist eine Beschreibung, und plumps sind wir in der Sprache drin. Sie stürzen sich also mutig in ein Abenteuer. Das tat ich auch einmal (siehe Referenz [1]) vor vielen Jahren.
AntwortenLöschenReferenz
1. Wedekind, H., Görz, G., Kötter, R., Inhetveen, R.: Modellierung, Simulation, Visualisierung: Zu aktuellen Aufgaben der Informatik. Informatik-Spektrum 21:265–272 (1998).
Mit Wolfgang Kowalks dicken Buch ‚System, Modell, Programm‘ von 1996 konnte ich wenig anfangen. Genau wie Sie erklärt er ein Modell als Abstraktion. Behaims Erdapfel ist für mich konkret und keine Abstraktion. Zu sagen jede visuelle Darstellung eines Gegenstands sei Sprache oder gar Kunst hilft mir auch nicht weiter. Einen Streit um Worte betrachte ich nicht als wissenschaftliche Leistung. Das gilt übrigens (fast) für alles, das nicht dabei hilft technische Produkte zu bauen.
LöschenPeter Hiemann schrieb: Ich habe noch eine generelle Bemerkung zum Thema Modell. Ich halte es für wesentlich zu erklären, ob ein Modell realisierbar und wann es funktionsfähig ist.
AntwortenLöschenDas Design einer Modelleisenbahnanlage ist realisierbar. Ob das Modell funktioniert, stellt sich heraus, wenn Züge fahren ohne zu entgleisen oder zusammenzustoßen. Ein Flugzeugmodell ist realisierbar. Ob das Modell funktioniert, stellt sich heraus, wenn das Flugzeug gesteuert werden kann und fliegt ohne abzustürzen. Ein Systemdesign ist realisierbar. Ob ein System funktioniert, stellt sich heraus, wenn das System zur Zufriedenheit seiner Nutzer läuft und nicht abstürzt. Ein Geschäftsmodell ist realisierbar Ob das Modell funktioniert, stellt sich heraus, wenn ein Unternehmen floriert und nicht pleite geht.
Es wäre interessant zu erfahren, ob die Fregesche Metasprache mächtig und geeignet ist festzustellen, ob ein Modell bzw. Design funktioniert, ohne es realisieren zu müssen.
Hartmut Wedekind ging auf die Frage am Schluss ein: Ich kann eine spezielle Fregesche Metasprache in der Literatur nicht identifizieren. Frege (und damit auch sein Schüler Carnap), Russell und Tarski waren die herausragenden Figuren im 19. und 20. Jahrhundert, die sich mit dem Problem "Metasprache" befasst haben.
LöschenHelmut Seifert stellt in seiner "Einführung in der Wissenschaftstheorie 1" auf S.74 fest, dass die "Unterscheidung zwischen Objekt- und Metasprache eine philosophische Großtat ersten Ranges war". Erstaunlich: Vorher, vor dem 19. Und 20. Jht. wurde diese Unterscheidung nicht gemacht. Das führte dann aber zu klassisch unlösbaren Problemen.
Diese Großtat wurde von der Informatik übernommen. Am ausgeprägtesten ist für mich das bei der OMG (Object Management Group) und ihren Produkten UML (Uniform Modeling Language) und BPMN (Business Process Modeling and Notation) zu sehen. Es wird streng zwischen einer Objekt-Ebene, Meta- Ebene und Meta-Meta - Ebene unterschieden, wie die großen Logiker des 19. und 20. Jht. das auch schon taten. Eine 4. Ebene wäre bei der der OMG schon selbstbeschreibend und somit überflüssig. Was habe ich davon, wenn einer selbstbeschreibend sagt: "kurz" ist kurz? Er meint natürlich das Wort "kurz", das tatsächlich kurz ist. Selbstbeschreibungen (Autologien) haben den Touch eines "Blabla".
Erich Ortner aus Konstanz schrieb: ... und man schaue sich die "Begriffsschrift" (1879) von Frege einmal an. Der ist die Unterscheidung zwischen Objekt- und Metasprache immanent.
Löschen""Kunde" ist ein Prädikator." ist eine metasprachliche Aussage. "Prädikator" ist ein Wort (und Begriff) der Metasprache.
"Peter Müller ist ein Kunde." ist eine objektsprachliche Aussage. "Kunde" ist ein Wort (und Begriff) der (betriebswirtschaftlichen) Objekt- oder Fachsprache. Von Wörtern zu Begriffen kommt man durch Abstraktion: "Kund", "Client", "Customer", etc. sind als Wörter verschieden, aber sie stellen denselben Begriff dar.
Die eigentliche Erneuerer der (Sprach-)Logik, der deutsche Mathematiker Gottlob Frege (von vielen inzwischen moderner Aristoteles genannt), hat zwischen dem "Sinn" (heute "Intension" oder "Inhalt") und der "Bedeutung" (heute "Extension" oder "Umfang") eines Begriffsausdrucks wie "Kunde" oder "Prädikator" systematisch unterschieden. Nicht so systematisch kannten aber schon die altgriechischen Stoiker diese "Sinn"-Gebung eines sprachlichen Ausdrucks. Er ist das, was Griechen erfassen, aber nicht Barbaren, wenn griechisch gesprochen wird. "Barbar" kommt ursprünglich von Brrr, Brrr, Brrr, ... Die erfassen dabei nämlich nur Brrr, Brrr, Brrr, ... egal, was (Sinn) Griechen dabei auf Griechisch sagen.
Heute kennen wir ja bereits den Ausdruck "Digital Natives" (digitale Ureinwohner, die mit dem Fach "Informatik" groß geworden sind). Gibt es demnach auch "Digital Barbarians"? Und was verstehen diese nicht, wenn Digital Native miteinander reden?
Es ist das, was Digital Natives erfassen, aber nicht Digital Barbarians, wenn informatisch (z. B. über die Unterscheidung zwischen Objekt- und Metasprache in der Informatik) "dem Sinn nach" gesprochen wird.
Das man heute sowas (im 21. Jahrhundert) überhaupt noch erörtern muss? Als hätte es Frege, Carnap, Wittgenstein I und II, Lorenzen, etc., etc. nie gegeben. Dabei wird übrigens nirgends gegen oder für die Aussage: "Die Wissenschaft ist mittlerweile von einem Zeitalter des Reduktionismus in ein Zeitalter der Emergenz übergegangen" (Robert Laughlin) argumentiert. Solche "plötzlichen Neuerungen" können ja jederzeit auf einer objektsprachlichen oder metasprachlichen Ebene auftreten. Man kann den Kombattanten dann nur empfehlen, sich an den Regeln der Dialogischen Logik beim "Auseinandersetzen" über die Aussage zu orientieren.
Die Digital Natives wissen hingegen sehr wohl, dass sprachbasierte Informatiker (und Informatikerinnen) von einem metasprachlichen Ebene aus auf einer objektsprachlichen Ebene IT-Anwendungen (z. B. Apps) entwickeln. Dazu müssen sie natürlich in die Begriffswelt der Anwender (Objekt- oder Fachsprache) eine gewisse "Ordnung" oder "Richtigstellung" (Entwurf oder Spezifikation) hineinbringen, bevor entschieden werden kann, welche "Mensch-orientierten" Prozessanteile (z. B. bei Verwaltungsprozessen) sich automatisieren (Software) lassen und welche weiterhin physisch (psychisch) und geistig (anhand ihres Orientierungs- und Verfügungswissen) von den Menschen ausgeführt werden müssen.
Wer von einer Sprache in eine andere übersetzen muss, belastet sich am besten nicht mit Begriffen. Er übersetzt Worte in Worte e.g. air → Luft, blue → blau, cat → Katze. Manche mögen sagen, wer das tut, ist ein Banause, oder ein dummer Computer! Mir ist jemand lieber, der etwas tut, als jemand, der nur sagt, oh ist das schwer oder schön! Nach den Abstraktionen von Luft, blau und Katze mögen Philosophen suchen. Informatiker, die dies tun, würde ich auf der Stelle entlassen.
Löschen