Sonntag, 17. Juni 2018

Kalifornien bevor die Hippies kamen (August/September 1956)

Vorbemerkung: Nach einem Jahr als Austauschstudent in Ohio machten ein deutscher Studienkollege und ich eine 6-wöchige Reise durch den Westen der USA. Sie wurde im Zusammenhang mit andern Weltreisen ausführlich beschrieben. Im Folgenden wird der Ausschnitt wiedergeben, der durch Kalifornien führte. Die Reise erfolgte im eigenen PKW. Vom Grand Canyon und Las Vegas kamen wir übers Death Valley nach Los Angeles, fuhren zur mexikanischen Grenze in Tijuana und dann nordwärts.

Spanische Missionsstationen in Süd-Kalifornien

Zwischen San Diego und San Francisco lag einst eine Kette von 21 spanischen Missionsstationen. Nur ein Teil von ihnen ist erhalten. Sie wurden in der Zeit von 1769 (San Diego de Alcala) bis 1823 (San Francisco de Solano), hinter einander von Süden nach Norden, von Franziskanern gegründet und dienten der Missionierung der Indianerbevölkerung. Die Straße, die sie verbindet, heißt Königsweg (El Camino Real). Wir besuchten zuerst San Juan Capistrano zwischen San Diego und Los Angeles, danach San Luis Obispo nördlich von Santa Barbara, und schließlich das Kloster Carmel bei Monterey. Später hatte ich Gelegenheit, Missionsgründungen aus derselben Zeit in Texas zu besuchen, so in San Antonio. Fast alle Anlagen sind nach demselben Plan gebaut. In einem großen ummauerten Hof konnten sich die Indianer mit ihren Familien versammeln.

Abb. 1: San Juan Capistrano

An einer Ecke lag das Gotteshaus, in dem Messen abgehalten wurden. Der Glockenturm stand oft in einiger Entfernung von der Kirche. Ein Flügel des Gebäudes diente als Konvent der Patres. Unter überdachten Arkaden wurde gegessen. Auch konnten hier Handwerker ihrem Gewerbe nachgehen. Als Kalifornien von den USA übernommen wurde, mussten sich die spanischen Mönche zurückziehen. Die missionarische Betreuung der Indianer wurde eingestellt. Aus einigen Missionsstationen wie Los Angeles und San Francisco wurden Großstädte.
Abb. 2: Innenhof von Juan Capistrano

Abb. 3: Glockenturm von San Luis Obispo

Die erhaltenen Gebäude befinden sich eher in Kleinstädten. So hat die Stadt Carmel-by-the-Sea etwa 5000 Einwohner. Die Missionsstation wurde im Jahre 1770 von Junípero Serra errichtet. Er wurde im Jahre 1988 von Johannes Paul II. selig gesprochen. Das Kloster gehört seit 1863 wieder der Katholischen Kirche. Die verfallenen Gebäude wurden restauriert und dienen heute als Pfarrkirche für den Ort. Außerdem gibt es darin ein Museum.

Abb. 4: Kloster Carmel

Landschaft an der Pazifikküste

Die Küstenstrecke von Los Angeles nach San Francisco gehört zu den reizvollsten Landschaften der Erde. Es ist nicht nur die Geografie, die dafür verantwortlich ist, also das Meer und die Berge. Die Vegetation trägt sehr stark mit dazu bei. Es sind die Kalifornischen Zypressen, die mit ihren weit ausladenden Ästen jedem Ausblick einen dramatischen Akzent verleihen. Während es etwa bis Santa Barbara noch ausgedehnte Sandstrände gibt, verschwinden diese fast völlig. Stattdessen dominiert die Steilküste. Die direkt an der Küste entlang führende US Highway One ist sehr kurvenreich, bietet aber immer wieder herrliche Ausblicke. Höhepunkte der Strecke sind die Landspitze von Big Sur (Großer Süden) und die Halbinsel von Monterey.
Abb. 5: Steilküste bei Big Sur

Abb. 6: Felsen im Meer

Abb. 7: An der 17-Mile Drive

Einen geradezu legendären Ruf hat der so genannte 17-Mile Drive. Das ist eine Straße, die entlang der Küste westlich von Monterey führt. Hier sind die vom Wind zerzausten Zypressen am schönsten. Hier gibt es auch berühmte Golfplätze. Die Straße befindet sich in Privatbesitz und das Befahren ist gebührenpflichtig. Dass es in Monterey auch einmal eine Zeit gab, wo hier arme Fischerei-Arbeiter mühselig ihrem Broterwerb nachgingen, davon erzählt John Steinbeck in seinem Roman „Cannery Row“.

Abb. 8:  Bucht von Carmel

Abb. 9: Abendstimmung

Stanford − das Herz des Silicon Valley

Die Gegend um San Jose hat heute den Beinamen Silicon Valley. Von einer Computer- oder Chip-Industrie war damals noch nicht die Rede. Umso mehr beeindruckte uns damals der Ort, wo diese Entwicklung ihren Ausgang nahm, nämlich die Universität Stanford.


Abb. 10: Eingangstor zum Campus

Abb. 11: Hauptgebäude mit Bemalung

Die Gebäude sind dem Stil der spanischen Missionsstationen nachempfunden, strahlen aber einen Reichtum und eine Großzügigkeit aus, die ihresgleichen sucht. Die Bibliothek der Universität ist hier tatsächlich als Kathedrale gebaut und hat einen Glockenturm mit einem Kreuz drauf. Als Privatuniversität konnte sich Stanford ihre Studenten aussuchen. Sie hat auch die besseren Professoren.

Abb. 12: Universitätsbibliothek

Abb. 13: Campus-Ansicht mit Studenten

NB: Meine damalige Begeisterung für das amerikanische Bildungssystem fand hier eine besondere Form der Bestätigung. Ihre Ausstrahlung auf die amerikanische Wirtschaft ist enorm. In unserem Fachgebiet, der Informatik, muss man nur an die Namen William Hewlett und David Packard erinnern, die als Absolventen in einer Garage die Weltfirma HP gründeten. In neuerer Zeit waren es die Studenten Serge Brin und Jerry Page, die im Rahmen ihrer Studienarbeiten einen Suchalgorithmus erfanden und von ihrer Universität zum Patent anmelden ließen, auf dessen Basis später die Firma Google entstand. Mein einziger Besuch in den Innenräumen von Stanford im Jahre 1980 hat mich etwas ernüchtert. Ich besuchte einen weltbekannten Kollegen (John Mc Carthy), fand ihn in einem winkeligen, schlecht beleuchten Zimmer zwischen Bergen von Papier. Ich lud ihn zu einem Vortrag nach Deutschland ein. Er nahm die Einladung sofort an. Über den Vortrag, den er hielt, waren alle Zuhörer sehr enttäuscht.

Stadtlandschaft von San Francisco

Viele Menschen sehen San Francisco als die schönste Stadt der Welt an. Sie hat sich diesen Ruf durch mehrere Besonderheiten verdient. Einerseits liegt sie auf einer Landzunge, so dass man von vielen Stellen aus sowohl den Pazifik als auch die Bucht von San Francisco sehen kann. In der Stadt gibt es mehrere Hügel, von denen aus ein schöner Überblick über die Stadt und ihre Umgebung geboten wird. Die Stadt verfügt aber auch über Bauten und Einrichtungen, die ziemlich einmalig sind, so die Brücke über die Einfahrt zur Bucht, das Golden Gate (Goldenes Tor), oder die historische kabelgezogene Straßenbahn (Cable Cars). Schließlich muss man die Bevölkerung der Stadt erwähnen. So hat sie eines der größten und bekanntesten Chinesenviertel (Chinatown) der Welt.
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Abb. 14: Kabelgezogene Straßenbahn

Die Stadt war aber auch immer das Ziel westlicher Abenteurer und Aussteiger, die auf dem Weg nach Westen hier eine Endstation fanden. Von der Hippie-Bewegung, die erst Ende der 1960er Jahre in San Francisco ihre Hauptstadt etablierte, war bei unserem Besuch noch nichts zu merken.

Abb. 15: Im Chinesenviertel

Bei einem Aufenthalt von nur drei Tagen (10. bis 12. September) konnten wir natürlich nur einen Ausschnitt der vielen Sehenswürdigkeiten in Augenschein nehmen. Dazu gehörte natürlich die Fahrt mit einem Cable Car. Alle drei Strecken, die es noch gibt, verbinden die Stadtmitte mit einem Hügel der Stadt. Am Ende jeder Strecke wird der Wagen umgedreht. Die Produkte der Großsee-Fischerei kann man am Fischerkai (Fisherman’s Wharf) besichtigen und beriechen. Bevor man zur Golden-Gate-Brücke gelangt, muss man zuerst einen großen Park durchlaufen, in dem unter anderem japanische Bauwerke zu sehen sind.

Abb. 16: Am Fisherman’s Wharf

Abb. 17: Golden Gate Brücke

Aufgrund seiner Lage in der Nähe einer Bruchstelle zwischen zwei Erdschollen (Sankt-Andreas-Verwerfung) wurde San Francisco mehrmals von Erdbeben erschüttert. Bei dem Beben von 1906 kamen etwa 3.000 Menschen ums Leben und die halbe Stadt brannte ab. Nur noch wenige Häuserreihen stammen aus der Zeit vor diesem Beben.

Abb. 18: Im Golden Gate Park

Mein Auto hatte ich unweit des YMCA, in dem wir wohnten, geparkt. Da die Straße eine ziemliche Steigung hatte, hatten wir vorschriftsmäßig die Vorderräder so eingeschlagen, dass der Wagen sofort am Bordstein hängen blieb, sollte sich die Bremse von selbst lösen. Das half uns doch nicht dagegen, dass wir mehrere Protokollzettel erhielten, da wir drei Tage lang an einer Stelle parkten, an der man nur ein bis zwei Stunden hätte parken dürfen.

Abb. 19: Vorschriftsmäßig geparkt

Da man nicht zu Fuß über die Golden-Gate-Brücke gehen kann, machten wir eine Autofahrt darüber. Diese führte in den Stadtteil Sausalito, der auf der gegenüber liegenden Halbinsel liegt. Dieses Viertel ist nicht nur als exklusive Wohngegend beliebt, es bieten sich von hier auch phantastische Sichten der Stadt und der Bucht. Mitten in der Bucht liegt die Gefängnisinsel Alcatraz. Obwohl berüchtigt durch die Ganoven, die hier einsaßen, ist eine Besichtigung möglich. Wir hatten jedoch keine Zeit dafür.

Abb. 20: Blick von Sausalito

Mit umso größerem Interesse widmeten wir uns den beiden Stadtteilen Oakland und Berkeley auf der Ostseite der Bucht. In Berkeley befindet sich eine staatliche Universität, die University of California. Sie ist ein Zweig des Systems der kalifornischen Staatsuniversität. Andere Zweige sind zum Beispiel in Los Angeles, San Diego, Santa Barbara und Santa Cruz. Auch dieser Campus machte einen sehr gepflegten Eindruck. Die Universität konkurriert mit Stanford um den wissenschaftlichen Ruf. Berühmt wurde Berkeley dadurch, dass hier 1968 die Studentenunruhen ausbrachen, die sich über die ganzen USA und auch über Europa fortpflanzten. Ich habe San Francisco und auch Berkeley später noch mehrmals besucht. Ich empfand die Atmosphäre in diesem Teil Kaliforniens immer als besonders angenehm. Das mag sowohl am Klima liegen, aber auch an der Nähe zum Meer, und nicht zuletzt an den Menschen.

Abb. 21:  Campanile der Universität  Berkeley

Die Hippies haben nach meiner Meinung diese Atmosphäre nicht erst geschaffen. Sie fühlten sich jedoch von ihr besonders stark angezogen. „If you are going to San Francisco,“ so sang später Scott McKenzie, “be sure to wear some flowers in your hair.

Yosemite National Park

Fast alle Nationalparks der USA sind einen Umweg wert. Eindeutig in diese Kategorie fällt der Yosemite-Park. Er ist der älteste der von der US-Regierung ausgewiesenen Nationalparks. Er liegt etwa 300 km östlich von San Francisco, nahe an der Grenze zu Nevada. Er ist ein Teil der Sierra Nevada, jener alpinen Gebirgskette, die diese beiden Staaten trennt. Die Sierra Nevada hat nicht nur dem Nachbarstaat Kaliforniens (Nevada) seinen Namen gegeben; sie ist auch der Grund, dass kein Regen dorthin gelangt. Es zieht jedes Jahr mehrere Millionen Besucher in den Park, von denen der größte Teil nur das Haupttal besucht.

Abb. 22: Einfahrt in Yosemite Park

Abb. 23: Yosemite Falls

Abb. 24: Baumriese

Abb. 25: Waiwona-Baum

Zu den Hauptattraktionen dieses Parks gehören einerseits mehrere Wasserfälle, die bis zu 700 m hoch von der Hochebene der Sierra ins Tal stürzen, sowie die Jahrtausende alten Sequoia-Fichten. Die Sequoia, auch Riesenmammutbaum genannt, ist die älteste Baumart der Welt. Sie ist seit der letzten Eiszeit in Kalifornien vorhanden. Ein anderer Park, bei dem diese Bäume im Mittelpunkt stehen, ist der Muir Wood, nur 15 km nördlich von San Francisco. Hier gibt es Bäume, die über 100 m hoch sind.

Nördliches Kalifornien und die Sierra Nevada

Kommt man von der Pazifikküste ins Landesinnere, wird deutlich, dass Kalifornien an sich ein riesiger Garten ist, in dem alles wächst. Die Voraussetzung dafür ist jedoch meist die künstliche Bewässerung. Dass kein Mangel an Wasser besteht, dafür sorgen die schneebedeckten Berge der Sierra Nevada im Osten des Staates.

Abb. 26: Cathedral and Unicorn Peaks

Abb. 27: Mammoth Peak

Die Landschaft der Sierra Nevada erinnert sehr an die europäischen Alpen. Die Spanier, die zuerst hier waren, erinnerte sie an die Bergkette südlich von Granada, deren Namen sie übernahmen. Die Gipfel überragen die Waldgrenze. Die Wälder sind von großen Almwiesen unterbrochen. Nur das Klima ist freundlicher als in den Alpen.

Abb. 28: Kalifornische Landwirtschaft

Abb. 29: Viehzucht in der Sierra Nevada

Im Norden Kaliforniens beginnt, unabhängig von der Sierra Nevada, eine Kette von Vulkanen, die sich durch Oregon bis in den Staat Washington fortsetzt. Den Beginn dieser so genannten Kaskadenkette bilden einige herrliche Kraterseen, so der Lake Tioga und der Lake Tahoe. Beim Lake Tahoe ist das Wasser blau wie der Himmel darüber, seine Ufer sehen aus, als wären sie mit einem Messer herausgeschnitten und spiegeln sich im glasklaren Wasser. Nicht weit davon entfernt ist das Skigebiet Squaw Valley, wo 1960 die Olympischen Winterspiele stattfanden.

Abb. 30: Lake Tioga

Abb. 31: Lake Tahoe

Uns zog es damals zunächst wieder über die nahe Staatsgrenze nach Nevada. Hier liegt eine weitere Goldgräberstadt, die an eine der Pionierphasen des Westens erinnert.  Sie heißt Carson City und ist nach jenem Kit Carson benannt, der einst die Navajos im Canyon de Chelly eingeschlossen hatte. Die Autofahrer, die sich bereits an der Staatsgrenze drängten, hatten allerdings ein anderes Ziel. Sie wollten sich dem Glücksspiel widmen, das in Kalifornien verboten, aber in Nevada legal ist. Es ist in Reno, der Hauptstadt des Staates Nevada, genau so eine unentwegt sprudelnde Einnahmequelle wie in Las Vegas.


Abb. 32: Spielerparadies Reno, Nevada

Der Lassen Peak, auch Mount Lassen genannt, ist 10.000 Fuß (3000 m) hoch und erscheint auf meinem Bild höher als der Mount Shasta mit seinen 14.000 Fuß (4.200 m). Beides sind im Winter Skigebiete und laden im Sommer zu Wandertouren und Camping-Aufenthalten ein. Der Mount Lassen ist neben dem Mount St. Helens der einzige Vulkan in der Kaskadenkette, der während des 20. Jahr­hunderts aktiv war. Seine letzte Phase der eruptiven Aktivität dauerte von 1914 bis 1917.

Abb. 33: Lassen Peak

Am Mount Shasta befindet sich ein großes Sägewerk, das Holz für die Möbel- und Bauindustrie liefert. Wie ich bisher noch nicht erwähnte, wohnen Amerikaner typischerweise in Holzhäusern. Sie halten sie für gesünder als Steinhäuser. Außerdem sind sie schneller zu errichten und können beim Umzug sogar mitgenommen werden

Abb. 34: Mount Shasta

Indianer des Nordwestens

Kaum hatten wir die Grenze zu Oregon überfahren, als wir zum ersten Mal auf Indianer aus dem Nordwesten trafen. So sind die Klamath-Berge nach einem Stamm benannt, der hier schon seit Urzeiten zuhause ist. Sie gehören zur athabaskischen Sprachfamilie, die von Alaska bis nach Kalifornien reicht. Die Indianer des Nordwestens lebten in Dorf- oder Stammesgemeinschaften, teils in Holzhütten, teils in Zelten (Tipis).

Abb. 35: Tipi der Klamath-Indianer

An der Küste ernährten sie sich vom Fischfang, im Landesinnern von der Jagd auf Rotwild (Wapitis) und Bergziegen. Sie ergänzten ihr Nahrungsangebot durch das Sammeln von Beeren, Wurzeln und Knollengewächsen. Bekannt sind die ausdrucksvollen Holzschnitzereien. Dazu gehören die so genannten Totempfähle. Darunter versteht man große bemalte und mit Schnitzereien versehene Baumstämme, die bestimmte Vorfahren eines Clans oder mythologische Gestalten darstellen.

Abb. 36: Totem-Pfahl

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