Die Beschäftigung mit Eulenspiegel im vorhergehenden Blog-Beitrag erinnerte mich daran, dass es in meiner Heimat, der Eifel, eine Vielzahl von Quellen gibt, was Volkssagen, Schwänke und Anekdoten betrifft. Das Thema ist eigentlich unerschöpflich. Im Folgenden gebe ich eine Kostprobe.
Vorwort
Die in
einer Region verbreiteten Volkssagen und Schwänke können wichtige Hinweise
geben zum Charakter einer Volksgruppe. Da sie vorwiegend lokal erzählt werden,
geben sie oft Auskunft über das Verhältnis zwischen den Orten untereinander.
Fast immer tragen sie zum Selbstverständnis bei. Wer sich damit befasst, stößt
auf eine Vielzahl von Quellen. Die nachfolgende Auswahl ist größtenteils dem
Buch von Matthias Zender [1] entnommen. Das Buch entstand in der Zeit von
1920-1935 und enthält 300 Stückelchen. Einige Schwänke wurden mir von heute
lebenden Eiflern erzählt. Nur diese sind besonders gekennzeichnet. Zender (1907-1993)
entstammte einer alten Niederweiser Bauernfamilie und hatte an der Universität
Bonn einen Lehrstuhl für Volkskunde inne. Ein Nachruf Zenders ist in [2]. Von
ihm und meinem Volksschullehrer Peter Faber wurde mein Interesse für die Heimatkunde
geweckt.
Matthias Zender um 1990
Aus der
Neuerburg
Neuerburg
ist eine traditionsreiche Kleinstadt und ein bei Touristen beliebter Kurort im
Westen des Kreises Bitburg. Es ist der Sitz der Verbandsgemeinde Westeifel. Es
verfügt über eine Burganlage und eine über 500 Jahre alte Pfarrkirche. Am berühmten
Neuerburger Gericht liefen in früheren Zeiten die Prozesse oft sehr lang und
hatten manchmal seltsame Ergebnisse. Es tagt entweder mittwochs oder mitten in der Woche, so hieß es. Aus Neuerburg erzählt Zender mehrere Geschichten.
Hier und in andern Anekdoten taucht unter anderen der berühmte Schalk Till Eulenspiegel
auf. Geschichten über Eulenspiegel werden in ganz Deutschland und in den
Niederlanden und Belgien erzählt. Die historische Figur soll im 14. oder 15.
Jahrhundert gelebt haben. Der Stoff wurde von vielen Autoren bearbeitet.
1.
Es war
Eselsmarkt. Die Bauern aus Vianden und Diekirch hatten eindeutig die fetteren
Tiere. Die Eifler waren besorgt, dass sie für ihre mageren Tiere keine Gebote
bekämen. Eulenspiegel beschloss, ihnen zu helfen. Er sah, dass im Nachbarhaus
ein Kessel voll Schweinekartoffeln gekocht wurde. Er nahm diesen und band den
Luxemburger Eseln je eine heiße Kartoffel unter den Schwanz. Daraufhin
ergriffen diese das Weite. Den von auswärts angereisten Händlern blieb nichts
weiter übrig, als die mageren Eifler Esel zu kaufen.
2.
Eulenspiegel
hatte sich in Neuerburg später durch seine Streiche sehr unbeliebt gemacht. Der
Graf beschloss ihn dafür zu bestrafen. Er beauftragte den Kellermeister, ihn in
den Keller zu locken und dort kräftig zu versohlen. Zunächst bekam er den dort
gelagerten Wein zu kosten. Sobald er aber von der wahren Absicht Wind bekam,
riss er aus dem besten Fass den Zapfen heraus. Der Kellermeister sprang hin und
hielt den Daumen drauf. Eulenspiegel hat dann den Kellermeister verdroschen.
Schließlich steckte er noch einen schönen Schinken in seinen Sack und verließ
den Keller. Der Graf fragte ihn im Vorbeigehen, ob er genug bekommen habe. ‚Ja‘,
sagte Eulenspiegel, ‚Hiermit kommt meine Mutter für acht Tage aus‘.
3.
Eulenspiegel
war zu Fuß unterwegs in Richtung Neuerburg. Vor dem Görgenhof kam auf dem
holperigen Feldweg und in einer großen Staubwolke eine Kutsche heran. Der
Kutscher hielt an und fragte: ‚Wie lange brauche ich noch bis zur Neuerburg?
Mein Herr muss in einer Stunde da sein‘. Vom Görgenhof bis zur Neuerburg sind
es etwa 5 km. Eulenspiegel sagte daher: ‚Wenn du langsam fährst, packst du das
gut‘. Der Kutscher dachte: ‚Was für ein Narr‘, schnalzte mit der Zunge und ließ
die Peitsche knallen. Als ob der Böse hinter ihr her sei, stieb die Kutsche
wieder, in eine Staubwolke gehüllt, davon. Am Friesborner Hof, da wo der Weg
zur Neuerburg abbiegt, traf Eulenspiegel wieder auf die Kutsche. Sie lag mit
einem gebrochenen Rad am Wegesrand. Sagte Eulenspiegel: ‚Ich hab' dir doch
gesagt, wenn du langsam fährst, kommst du rechtzeitig an.‘ [überliefert von
Manfred Nusbaum, Körperich]
Aus
Niederweis
Fast
alle Geschichten aus Niederweis betreffen den ‚geckigen‘ Baron. Das war der als
Junggeselle verstorbene Clemens Wenzeslaus von der Heyden (1774-1840). Er war
sehr belesen und verfügte über eine große Hausbibliothek. Mehr darüber finden
Sie in [3]. Bei den Bauern war er als weltfremd und schrullig verschrien.
Manche hielten ihn für verrückt, auf Platt heißt das ‚geckig‘.
1.
Der
Baron führ mit seinem Kalfaktor Schleder nach Trier um einen neuen Hut zu
kaufen. Sie gingen in ein Geschäft und ließen sich Hüte zeigen. ‚Was kostet
dieser Hut?‘ fragte der Baron. ‚Fünf Taler‘ sagte der Verkäufer. ‚Und der?‘ –
:Sechs Taler‘. ‚Das ist sind keine Hüte für mich‘, sagte der Baron. ‚Habt Ihr
keinen teureren?‘ – ‚Nein‘ meinte der Verkäufer. Dann gingen beide hinaus. Draußen
meinte Schleder: ‚Der wusste nicht, wer wir waren. Lasst mich noch einmal hinein
gehen‘, Alsbald kam er zurück und sagte, man habe jetzt noch weitere Hüte
gefunden. Als er und der Baron zurück im Geschäft sind, bot der Verkäufer einen
Hut an für 30 Taler. Da sagte der Baron: ‚Den kaufe ich‘. Es war einer von den
beiden Hüten, die ihm beim ersten Besuch angeboten worden waren.
2.
Der Baron
war einmal über einen Graben gesprungen und hatte sich am Bein wehgetan. Er
ließ zuerst den alten Thies (einen Heilpraktiker aus dem Dorf) daran doktoren. Nach
ein paar Tagen meinte der Baron, es sei doch wohl besser einen Arzt zu holen.
Als der Arzt kam, musste der alte Thies zuerst gerufen werden. Der Baron wusste
nämlich nicht mehr, an welchem Bein er sich wehgetan hatte. Der Doktor schrieb
ein Rezept und kassierte eine Menge Geld.
3.
Der
Baron wollte heiraten. Deshalb sollte am Sonntag die Ausrufung in der Messe
erfolgen. Die Bauern gaben dem Scheinehirt des Dorfes Geld, damit er sich auch
ausrufen lassen sollte. Der Pfarrer verkündete: ‘Zum ersten Male zum Sakrament
der Ehe verkündet werden Baron Clemens Wenzeslaus von der Heyden und Baroness
Sowieso. Des Weiteren werden zum heiligen Sakrament der Ehe verkündet Matthias
Bettendorf, Schweinehirt in Niederweis und Maria Müller aus Alsdorf‘. Da stand
der Baron in seiner Kirchenbank auf und sagte: ‚Wenn Schweinehirten, Korbmacher
und Zigeuner heiraten, dann heirate ich nicht‘. Er ist als Junggeselle
gestorben.
4.
Wenn
Kinder miteinanderspielen, versuchen sie manchmal sich gegenseitig
hereinzulegen. Hier ein Beispiel: ‚Hier hast Du 10 Pfennige. Geh in Schneddisch
(einen von zwei Dorfläden) und kauf Dir Haumichblau‘ [mündlich von Magdalena
Schmitt, Morbach]
Aus
Dahnen
Die
Einwohner des Eifeldorfs Dahnen, nördlich von Prüm gelegen, genießen etwa den
gleichen Ruf wie die berühmten Schildbürger, die Bürger der fiktiven Stadt
Schilda. Die Orte Dahnen, Dasburg und Daleiden gehören zum Islek, dem am
höchsten gelegenen, schnee- und regenreichen Teil der Eifel und waren daher
klimatisch etwas benachteiligt. Die Gegend gilt als rauh und karg.
1.
Eines
Tages kam Eulenspiegel nach Dahnen. Er bat darum, einen Teil der Gemeindeflur
beackern zu dürfen. Er würde die Hälfte des Ertrags an die Gemeinde abliefern.
Die Dahnener stimmten freudig zu. Er pflanzte Weizen an. Als das Getreide reif
war, schnitt er die obere Hälfte aller Halme ab. Den Dorfbewohnern überließ er den
Rest. ‚Das müssen wir ändern‘, sagten die Dahnener. ‚Das nächste Jahr bekommen
wir die obere Hälfte‘. Eulenspiegel stimmte zu und baute Kartoffeln an.
2.
Die
Dahnener hatten früher viele Verwandte auf der Luxemburger Seite der Our in
Hosingen. Deshalb gingen immer ganze Gruppen zur Hosinger Kirmes. In einem Jahr
hatte die Our Hochwasser. Auch die Brücke war nicht passierbar. Daher
beschlossen die Dahnener ein paar Tage am Ufer auszuharren, bis das Hochwasser
verflossen war. Als sie zur Hosinger Kirmes kamen, war diese vorbei.
3.
Als das
Korn (Eifler Bezeichnung für Roggen) fast reif war, ging der Wind so stark,
dass das Korn in Wellen wogte. Da bekamen die Bauern Angst, ihr Korn liefe
davon. Da beschlossen die Dahnener, ihr Korn mit Knüppeln niederzuschlagen.
damit es bleibe. Obwohl sie darum gebeten hatte, vergaßen sie das Feld einer
alten Frau niederzuprügeln. Diese hatte später Körnerfrüchte, alle andern
Bauern hatten keine.
Eulenspiegel-Briefmarken
Über
die Luxemburger
Der
südliche Teil des heutigen Kreises Bitburg kam erst 1815 von Luxemburg zu
Preußen. Die Luxemburger entwickelten fortan eine etwas andere Lebensart als
der preußische Teil der Eifel, was dazu führte, dass man sich schon mal
gegenseitig mit kleinen Sticheleien traktierte.
1.
Der
Herr Pfarrer hielt im Eifeldorf Katechismusunterricht. Es ging heute um die
Jünger Jesu. Sehr ausführlich, ja anschaulich, war unter anderem der Verrat des
Judas Ischariot, d. h. des Mannes aus Karioth, besprochen worden. Schließlich
fragte der Herr Pfarrer, ob jemand wüsste, woher der Jünger war, der Jesus
verraten hat. Der kleine Mätti meldete sich und gab dann die Antwort: "Der
war Luxemburger!“ Der Pfarrer war etwas verdutzt und fragte zurück: "Wie kommst
Du denn darauf?“ Mätti erwiderte: "Sie haben doch eben erzählt, dass Jesus
beim letzten Abendmahl vorhergesagt hat: 'Einer von Eich wird mich
verraten'". Zur Erklärung für die Orts- und Geschichtsunkundigen: Esch
(auf Platt Eich) an der Alzette ist die zweitgrößte Stadt im Großherzogtum
Luxemburg. [aufgeschnappt während meiner Volksschulzeit beim Lehrer Peter Faber
aus Ferschweiler]
2.
Ein Luxemburger
lag im Sterben. Da sagte er, dass er noch einen letzten Wunsch habe, den man ihm erfüllen möchte. Was das denn sei,
fragten die Angehörigen. Da erwiderte er. Man solle ihn auf die andere Seite
der Sauer bringen. Wenn er dann stürbe, würde wenigstens ein Preiss verrecken. [erzählt
in Niederweis]
3.
In
Luxemburg waren die Steuern auch früher wesentlich niedriger als auf der
deutschen Seite. Ein Grund war, dass Luxemburg geringere Militärausgaben hatte.
Die mit dem strengen preußischen Kommandoton vertrauten Eifler fragten sich,
wie das Exerzieren bei den Luxemburgern wohl ablaufen würde. Anstatt ‚Still
gestanden!‘ hieß es dort wohl: ‚Schang, stih an d’Reih!‘. Zur Ausrüstung machte
man sich auch Gedanken. Sie führten zu den folgenden Aussagen. (a) Die Luxemburger
haben eine lederne Kanone. Warum? Weil sie um die Ecke schießen muss. (b) Alle Luxemburger
brachten letztes Jahr ihre Schuhe nach Trier zum Flicken. Warum? Alle ihre Schuster
waren an der Reparatur der Kanone beschäftigt. Die hatte nämlich einen Schuss
abgefeuert.
4.
Die
folgende Geschichte könnte sich auch auf Luxemburger beziehen. Als die
Deutschen in Kiautschou waren, da waren auch zwei Bauernjungen aus dem Bekof
(der Bidgau grenzt an Luxemburg) dabei. Nach einem Marsch ruhte sich die
Kompanie auf einer Wiese aus. Da sagte der eine von beiden: ‚Schang, d’Sonn
schengt schung sching‘. Der andere sagte darauf: ‚Jo, schung sching schent
d’Sonn‘. Das hörte der Hauptmann und bemerkte: ‚Das sind ja Teufelskerle. Kaum
sind sie vierzehn Tage hier und schon sprechen sie perfekt Chinesisch.
Peter Faber um 1950
Aus
Speicher
So wie Neuerburg
im Westen bildet Speicher einen Schwerpunkt im Osten des Kreises Bitburg. In
Speicher gibt es seit der Römerzeit ein Töpfergewerbe. Über die Niederweiser
Flur führte der Aulenweg (nach lt. olla = Steintopf). Auf ihm wurden Tonwaren
aus Speicher in Richtung der Niederlande und Frankreichs transportiert. Der
Hausierhandel war eine weitere Einnahmequelle für die Speicherer.
1.
Den
Herforstern gefiel die Fastnacht so gut, dass sie gar nicht damit aufhören
wollten. Schließlich schickten sie einige Leute nach Speicher, um nachzusehen,
wie dort die Fastnacht verlief. Das ganze Dorf schien leer. Alle Menschen waren
in der Kirche. Der Pfarrer trug ein verhülltes Kruzifix herum – es war nämlich
Karfreitag. Da sind sie heimgegangen und haben erzählt, in Speicher sei auch
noch Fastnacht. Der Pastor wäre mit dem Fosbock (Fastenbock) durch die Kirche
gezogen. Zur Erklärung: Herforst liegt etwa 5 km östlich von Speicher.
2.
Die Speicherer
betrieben stets Handel mit Frankreich. Das änderte sich nicht, als wir 1815 zu
Preußen kamen. Im Krieg von 1870 hofften viele Speicherer, die Franzosen würden
gewinnen. Der Pastor ließ einen Rosenkranz für ‚unsere‘ Truppen beten. Der
Bürgermeister sprach den Pastor auf der Straße an: ‚Dieser Patriotismus der
Speicherer hat mich wirklich überrascht. Ich hätte es nicht für möglich
gehalten, dass die Leute so inständig für den Sieg unserer Truppen beten‘. ‚Ja,
ja‘, sagte der Pastor, ‚man versieht sich hinter niemandem mehr als hinter den
Leuten‘. Und er schaute, dass er weiterkam. Der Bürgermeister hatte gemeint,
die Leute beteten für die Preußen, die Speicherer aber hatten für die Franzosen
gebetet.
3.
Als
Columbus in Amerika landete, kamen ihm Leute aus Speicher entgegen, die ihm
irdenes Geschirr anboten.
Sonstige
Orte
Die
folgenden Geschichten sind einem Ort außerhalb des Kreises Bitburg oder keinem
bestimmten Ort zuzuordnen.
1.
In
Wintersdorf führte die Sauer mal wieder Hochwasser. Ein Mann fuhr in einem
Nachen, um noch irgendetwas zu retten. Da die Strömung stark war, kippte der
Nachen um. Im Wasser treibend rief der Mann: ‚Liebe Muttergottes von Klausen,
hilf mir!‘. Ein Freund lief am Ufer auf und ab und wusste nicht wie zu helfen.
Schließlich schrie der: ‘Ruf doch nach der Muttergottes von Girst. Die ist
näher‘. – ‚Nein‘, rief der andere zurück, ‚die kennt mich zu gut‘. Zur
Erklärung: Klausen und Girst sind bekannte Marienwallfahrtsorte. Klausen liegt
an der Mosel, flussabwärts von Trier. Girst auf der Luxemburger Seite der
Sauer, direkt gegenüber von Wintersdorf.
2.
Ein
Mädchen hatte zwei Freier, einen reichen Rothaarigen und einen etwas ärmeren,
aber sehr angenehmen Burschen, Das Mädchen ging in die Kirche und fragte am
Marien-Altar die Muttergottes: ‘Wen soll ich heiraten?‘ Darauf antwortete das
Jesuskind, das Maria auf dem Arm trug, mit etwas gekünstelter Stimme: ‚Den
Roten‘. Das Mädchen wurde misstrauisch, denn sie wusste, dass einer ihrer
Freier gerade beim Küster aushalf. Sie sagte: ‚Liebes Jesulein, sei bitte nicht
so vorlaut. Ich hatte Dich überhaupt nicht nach Deiner Meinung gefragt‘. Offensichtlich
mochte sie den ärmeren Burschen mehr.
3.
Ein
Bauer kommt in den Himmel. ‚Willkommen‘, sagt Petrus, ‚geh dahinten in die
Ecke. Da gibt es noch mehr Bauern‘. Dann kommt ein Städter. Petrus ruft alle
Engel zusammen. Sie sollen singen und tanzen. Da kommt der Bauer zurück und
fragt, was das soll. Da sagt Petrus: ‚Bauern kommen hier jeden Tag mehrere an,
Städter nur jedes Schaltjahr einer. Die müssen wir besonders schön empfangen‘.
Da war der Bauer zufrieden.
4.
Ein
Sohn der Eifel, der an einer fernen Universität studierte, brachte irgendwann
einen Kommilitonen aus der Stadt mit zu Besuch auf den elterlichen Hof. Für den
Städter waren viele Dinge, die herumstanden oder herumlagen unbekannt, so dass
der Eifler Studiosus laufend Erklärungen geben musste. Offensichtlich hatte
auch er das Problem, dass ihm nicht bei allem sofort der richtige Begriff aus
dem Hochdeutschen einfiel. Vor allem neigte er aber bei seinen Erklärungen
dazu, Formulierungen zu verwenden, die der damaligen Studentensprache angepasst
waren und die den Kommilitonen etwas beeindrucken sollten. Als erstes fiel dem
Besucher eine große Heugabel auf. "Das ist meines Vaters Heuladegerät!“
erklärte der Gastgeber. Bei einem Holzscheit, das in der Nähe des Ofens lag,
gab er die Erläuterung: "Das, das ist meines Vaters Fidibus!“ Ein Fidibus
in der Studentensprache war ein Papierstreifen oder Holzstäbchen zum
Pfeifenanzünden. Da es offensichtlich Kartoffelerntezeit war, stand auch eine
Hacke aus zwei Zinken irgendwo an eine Wand angelehnt. Der Besucher frug, was
denn das sei. Der Gastgeber war jetzt ehrlich um einen entsprechenden Ausdruck
aus dem Hochdeutschen verlegen und entschloss sich, dem Städter halt irgendwas
vorzumachen. "Das ist meines Vaters Karstibus!" sagte er rasch.
Unglücklicherweise trat er dabei mit einem Fuß auf die von der Wand
wegzeigenden Zinken. Im gleichen Moment sauste der Stiel der Hacke nach vorne
und schlug dem Eifler Studiosus mit Vehemenz gegen den Kopf. Ganz entsetzt
entfuhren ihm darauf die Worte: "Dou dommen Kooscht!“ Die Moral dieser
Geschichte: Wer seine Muttersprache verleugnet oder verballhornt, den trifft
die Strafe auf der Stelle! [Diese Geschichte erzählte mir mein verstorbener
Vater. Zender erzählt eine ähnliche Geschichte aus Prümzurlay].
Nachtrag am 3.10.2018
Nachtrag am 3.10.2018
Eher den Charakter von Sagen als von Legenden haben die
beiden folgenden Geschichten:
1.
Ein Junker ritt mit seinem Pferd auf der an einem Sumpf
vorbeiführende Straße von Eisenach in Richtung Meckel. Vom scharfen Ritt ermüdet trabte es
durstig auf die Wasserstelle zu. Der Edelmann war nicht gewillt sich zu
beschmutzen und vom Pferd abzusteigen und ließ es, im Sattel sitzend, seinen
Durst stillen. Als er die drohende Gefahr bemerkte, war es zu spät. Roß und
Junker zog es immer tiefer und wurden nie mehr gesehen. Als Erinnerung an den
Hochmut des Junkers erhielt die Flur den Namen Junkerwiese. (Erzählt von Werner
Weber, Eisenach, mit der zusätzlichen wahren Geschichte: Mein Vater war mit unseren Kühen in der genannten Flur zum
Viehweiden. Immer wieder zog es die Tiere zum Durst löschen an die
Wasserstelle. Als nun eine Kuh "spielich" war [hochdeutsch: rinderte],
nahm wohl eine Kuh den Namen "spiliesch" zu ernst und drückte eine
andere Kuh ins Moor und diese wäre sicherlich ohne fremde Hilfe
verendet. Mein Vater machte sich mit den restlichen Kühen auf den
Heimweg. Als Retter schickte mein Großvater nun Männer mit Brettern und Leitern und sie befreiten die Kuh aus ihrer mieslichen Lage.)
2.
Vom Keller des Schlosses in Niederweis soll es eine
unterirdische Verbindung zur Prümerburg
gegeben haben. Auf der Niederweise Seite sei der Eingang heute noch
erkennbar. Er ist aber nach einigen Metern verschüttet. In früheren Zeiten sei das
eine Fluchtmöglichkeit gewesen für den Fall, dass das Schloss belagert wurde. Auf
der Prümzurlayer Seite gibt es mehrere Höhlen, die als Ausgänge in Frage kämen.
Als Kind fragte ich immer, wie die Unterquerung des Flusslaufes der Nims gegen
einbrechendes Wasser gesichert worden war. Da wussten die Erzähler keine Antwort.
(Erzählt von alten Einwohnern von Niederweis)
Referenzen
1. Zender, M.: Volksmärchen und Schwänke aus Eifel und Ardennen. Bonn 1984
2.
Endres, A.: Rettete Erzählgut der Eifel vor Vergessenwerden: Zum Lebenswerk von
Dr. Matthias Zender. In: Geschichten
aus der Eifelheimat, Band 1, 2008, S. 111-115
3.
Endres, A.: Der ‚geckige’ Baron und dessen Gelehrsamkeit: Über die ehemalige
Bibliothek des Schlosses Niederweis. In
Ibidem S. 102-110