Freitag, 24. Mai 2019

War der Europa-Wahlkampf doch kein Langweiler?

Der Wahlkampf zur bevorstehenden Europa-Wahl erschien vielen Kommentatoren ein Nicht-Ereignis zu sein. Da ich nicht draußen herumlaufe oder herumfahre, konnten mir keine plakatierten Stadtstraßen und Alleen auffallen. Ob diese Art der Geldverschwendung und Umweltverschmutzung überhaupt stattfand, entging mir. Außerdem ging ich zu keiner einzigen Wahlveranstaltung, etwas was ich in den letzten 50-60 Jahren ohnehin nie tat. Dennoch habe ich nie eine Wahl ausgelassen.

Klassisches TV-Geplänkel

Was etwas dahinplätscherte, waren ein paar Fernseh-Diskussionen, in denen nationale Politiker ihre allseits bekannten Meinungen von sich gaben. Eine gewisse Ausnahme bildete das Paar der europäischen Spitzenkandidaten. Manfred Weber für die Konservativen und Frans Timmermanns für die Sozialisten stellten sich mehrmals den Fragen von Journalisten oder Zuschauern. Weber schlug sich brav und provozierte kaum. Timmermanns wirkte engagierter, etwa so wie seinerzeit Martin Schulz. Er beeindruckte mit einem akzentfreien Hochdeutsch und stellte damit sein bayrisches Gegenüber oft in den Schatten. Manchmal variierte er das Tempo und die Lautstärke und verriet seine Leidenschaft für einige der Themen, mit denen er als Stellvertreter von Jean Claude Juncker schon bisher zu kämpfen hatte. Viktor Orban war ein Beispiel.

In den letzten Wochen hat der Wahlkampf mindestens zwei Höhepunkte gebracht, mit denen wohl kaum jemand gerechnet hatte. Sie fielen medientechnisch etwas aus dem Rahmen. Sie betrafen zuerst unser Nachbarland Österreich, dann die jungen Deutschen.

Austria-Krimi

Der eine Vorfall wurde durch ein Video ausgelöst, das im Jahre 2017 in einer Finca auf Ibiza aufgenommen wurde. Darin ließ sich Heinz-Christian Strache, der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) schon vor den Wahlen in feucht fröhlicher Runde zu markanten, aber ungeschickten Aussagen verleiten. Wer diesen Plot ausgeheckt und durchgezogen hatte, ist bisher unbekannt. Da das Material nicht schon vor zwei Jahren veröffentlicht worden war, erschien die Europawahl als die wohl letzte Gelegenheit, um noch Wirkung zu erzielen.

Die Wirkung blieb nicht aus. Alle FPÖ-Politiker mussten die Regierung von Sebastian Kurz verlassen. Ihre Ämter wurden mit parteilosen Experten besetzt und Neuwahlen für September angekündigt. Alle an der Affäre nicht beteiligten Parteien erhoffen sich Vorteile bei der Europa-Wahl.

Macht der Blogger

Für Deutschland hat der Youtube-Blogger Rezo mit seinem Video Die Zerstörung der CDU den Europa-Wahlkampf in letzter Minute noch angeheizt. Das Video wurde bereits mehr als eine Million Mal angeklickt. Es fand in allen namhaften klassischen Medien Erwähnung und provozierte einige Youtube-Videos mit Gegendarstellungen.

Rezo war mir, dem Grufti, kein Begriff. Sein Video dauert eine Stunde. Das ist selbst für jugendliche Zuschauer eine Zumutung. Er hatte offensichtlich sehr viel Material analysiert und wollte Einiges davon unterbringen. Als Seelenverwandter von Greta Thunberg schien Klima sein Hauptanliegen zu sein. Die Bundesregierung, getragen von Union und SPD, habe viel versprochen und wenig davon gehalten. Dabei sorgt das Pariser Klimaabkommen dafür, dass man sich nicht auf andere beziehen kann, wenn man selbst versagt. Beim CO2-Ausstoß stünde Großbritannien um Klassen besser da als Deutschland. Den beiden Koalitionsparteien wird nur die Unfähigkeit vorgeworfen, den Worten auch Taten folgen zu lassen, so liegt es bei der Alternativen für Deutschland (AfD) anders. Ihre Vertreter bestreiten, was Tausende von Wissenschaftlern als Fakten ermittelt haben. Eines ihrer prominentesten Mitglieder wird als echt bescheuert dargestellt. Wer glaube, dass die Erde zu warm würde, solle die Sonne bitten, etwas weniger stark zu strahlen.

Die CDU/CSU sei schuld, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer würden. Auch würde es die allerhöchste Zeit, die Amerikaner dazu zu bewegen, keine Drohnen mehr vom Stützpunkt Ramstein in der Pfalz aus durch die ganze Welt zu schicken. Die CDU habe jemand als Drogenbeauftragte ernannt, die sich fachlich nicht auskenne [die Forschungsministerin scheint ihn dagegen nicht zu interessieren. Hier verantwortet eine Hotelfachfrau das Milliardenprogramm]. Überhaupt sei Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit bei allen etablierten Parteien unübersehbar. Man könne daher keine von ihnen wählen, eventuell mit Ausnahme der Grünen.

Wahltag bringt Klarheit

In Deutschland und Österreich findet die Wahl am Sonntag statt, also Übermorgen. In den Niederlanden wurde gestern gewählt. Nach ersten Mitteilungen erreichte die Wahlbeteiligung einen neuen Tiefpunkt. Die Partei von Frans Timmermans soll als Sieger hervorgegangen sein.

Als notorischer Briefwähler habe ich vor der Anheizung der letzten Tage meine Stimme abgegeben. Das Besondere an der aktuellen Wahl ist, dass der Stimmzettel in unserer Region 40 Parteien anbietet. Wenn dort für Jungwähler nichts dabei ist, weiß ich nicht, wie man ihnen entgegenkommen kann. Warten wir ab! Am Montag wissen wir mehr.

3 Kommentare:

  1. Ich muss zugeben, Sensationsgier verleitete mich dazu, auf das Video mit dem verheißungsvollen Titel "Zerstörung der CDU" zu klicken. Nach der Strache Affäre waren die Erwartungen wohl zu hoch. Das Paket mit der Aufschrift "Achtung! Hochexplosiv" entpuppte sich als eine Schachtel Knallerbsen mit wenig Sprengkraft. Nichts desto trotz verbreitete es sich wie ein Lauffeuer, wodurch der Funken auch auf erhitzte Gemüter übersprang, welche das flammende Plädoyer als ideologische Brandstiftung verschrien. Leider reichten diese Knallerbsen, um das Löschkommando als unfähige Knalltüten zu entlarven. Die CDU zapft ihre Doppelmoral an und will das Flämmchen durch Diskreditierung ersticken. Von Fake News wird gesprochen, böswilligen, hetzerischen Absichten sowie blankem Populismus. Und das sagen jene, die Trumpsche Rhetorik kritisieren und AFD-Parolen öffentlich anprangern. Aber man kennt das ja schon, von Artikel 13, Fridays for Future Demos und allem was nicht der Meinung entspricht, bei dem aber eine mit Argumenten geführte Debatte zu kräftezerrend wäre. Die CDU schafft es abermals sich als bevormundenden, autoritären Elternteil zu inszenieren, der die Jugendlichen nicht ernst nimmt, sie gar nicht erst versteht, geschweige denn verstehen will. Die allergische Reaktion des (post-)pubertierenden Haufens darf da niemanden verwundern.
    Ich finde es schade, dass eine „Zerstörung“ mehr Beachtung findet als sachlich formulierte Kritik.
    Schade, dass unter all den Advokaten von Jugendinteressen, nur die Lauten gehört werden.
    Schade, dass als Antwort nur zurückgeschrien werden kann.
    Es wird Zeit, dass wir „Jungen“ bessere Fragen stellen und dass die „Alten“ besser antworten.
    Denn Antworten, die braucht das Land.

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  2. Die Wahlergebnisse für Deutschland sind folgende:

    28,7% CDU/CSU
    20,7% GRÜNE
    15,6% SPD
    10,8% AFD
    5,4% LINKE
    5,4% FDP
    13,4% SONSTIGE

    Damit haben die Grünen die SPD als zweitstärkste Kraft abgelöst.

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  3. Die Europawahl hat in Deutschland überraschende Wirkungen hinterlassen. Sie hat nicht nur das Parteiengefüge, sondern auch das aktive Personal in einen Strudel gerissen. Es wird einige Monate dauern, bis wieder Ruhe einkehrt. Andrea Nahles wurde dazu veranlasst, den Beruf zu wechsen.

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