Es
vergeht kaum eine Woche, ohne dass bei uns jemand darüber klagt, dass
Deutschland auf den aktuell führenden Gebieten der Technik abgehängt sei oder
dies zu werden drohte. Die Selbstzweifel bezüglich seiner Leistungsfähigkeit sind nicht zu überhören oder zu übersehen. Das Fachgebiet Informatik ist nur ein besonders eklanter Fall. Als jüngstes mir bekanntes Beispiel will ich auf den Podcast verweisen, in dem
der Journalist Gabor Steingard diese Woche Tim Höttges, den Chef der Deutschen
Telekom, interviewte.
Der Telekom geht es offensichtlich wirtschaftlich sehr gut. Sie versteht sich als der Digitalisierer Nummer 1 in Deutschland – also als führendes Informatik-Unternehmen. Gerade hat sie in den USA ein Gerichtsurteil erstritten, das es ihr erlaubt den Konkurrenten Sprint zu übernehmen. Ich will nur kurz einfügen: Nachdem ich über 50 Jahre Kunde der Telekom war, habe ich vor einem Jahr meine Geschäftsbeziehungen zur Telekom abgebrochen, weil mir ihre Leistung und ihr Verhalten Kunden gegenüber für mich unzumutbar geworden waren. Da ich auf die bei der Umstellung gemachten Erfahrungen gerne verzichte, werde ich diesen Schritt wohl kaum mehr rückgängig machen. Ehe ich auf die im Titel formulierte Frage eingehe, will ich die Position der Telekom näher skizzieren. Sie ist nicht untypisch für deutsche Unternehmen.
Der Telekom geht es offensichtlich wirtschaftlich sehr gut. Sie versteht sich als der Digitalisierer Nummer 1 in Deutschland – also als führendes Informatik-Unternehmen. Gerade hat sie in den USA ein Gerichtsurteil erstritten, das es ihr erlaubt den Konkurrenten Sprint zu übernehmen. Ich will nur kurz einfügen: Nachdem ich über 50 Jahre Kunde der Telekom war, habe ich vor einem Jahr meine Geschäftsbeziehungen zur Telekom abgebrochen, weil mir ihre Leistung und ihr Verhalten Kunden gegenüber für mich unzumutbar geworden waren. Da ich auf die bei der Umstellung gemachten Erfahrungen gerne verzichte, werde ich diesen Schritt wohl kaum mehr rückgängig machen. Ehe ich auf die im Titel formulierte Frage eingehe, will ich die Position der Telekom näher skizzieren. Sie ist nicht untypisch für deutsche Unternehmen.
Situationsbeschreibung
durch die Telekom
Die
Aussagen von Höttges lassen sich wie folgt zusammenfassen. Die erste Halbzeit
im Wettbewerb der Digitalisierung sei krachend verloren gegangen. Die
Konsumenten wanderten zu Diensten, wie sie von Amazon, Apple, Facebook und
Google angeboten werden. Für den zweiten Schritt der Digitalisierung, der die
Daten in Clouds sammelt, verfeinert und auswertet, bestehe im Moment eine
ähnliche Gefahr. Amazon, IBM und Microsoft sähen wie die möglichen großen
Gewinner aus. Kein europäisches Cloud-Angebot scheint zu überleben. Dabei
hatten wir Deutsche keine schlechten Startbedingungen, etwa die Datensicherheit
betreffend. Zusammen mit den andern Europäern sei Deutschland voll im Abstieg
begriffen. Es fehle der Wille, sich anzupassen oder gar neu zu erfinden. Das
geschehe jedoch, vor allem in Asien. Südkorea und Israel seien leuchtende
Beispiele. Wir pflegten stattdessen unsern Sozialstaat und den heimischen
Turbo-Individualismus.
In
einer Welt, in der sich die technische Entwicklung angeblich beschleunigt,
predigen wir den Menschen die Entschleunigung. Wir warnten vor Erschöpfung. Bei
der Angst, überwacht zu werden, mache sich die spezielle historische Erfahrung
von Nazi- und DDR-Zeit breit. In politischer Hinsicht herrsche die Meinung vor,
der Staat solle sich mit eigenen Investitionen möglichst stark zurückhalten.
Eine Grenze von 1-2 % sollte nicht überschritten werden. Umso mehr sollte er
sich um die Kontrolle von privaten Investitionen kümmern. Dabei spielten
Bürgerinitiativen und Bedenken eventuell Betroffener eine dominierende Rolle.
Fehlendes
fachliches Selbstbewusstsein
Das von
Höttges gezeichnete Bild muss jeden Informatiker in Deutschland irritieren.
Das ist Jammern auf hohem Niveau. Wir Deutschen erleiden passiv unser Schicksal. Entscheiden tun immer andere. Mal sind es die Amerikaner, mal die Chinesen. Wenn es um
Informatik-Kompetenz geht, scheinen wir in die Rolle eines Entwicklungslandes abgedrängt zu sein. Zweifellos gibt es Ausnahmen, so zum Beispiel Hasso Plattner. Der genießt in der Fachwelt
einen Ruf, der den aller anderen deutschen und vieler ausländischer Kolleginnen und Kollegen in den Schatten stellt. Er gilt sowohl als Techniker wie als Unternehmer als Klasse für sich.
Die Definition von MP3 durch die Fraunhofer-Gesellschaft ist sicherlich eine
herausragende Leistung, um die uns andere Länder beneiden.
Über diese beiden Einzelfälle hinaus habe ich mit den Listen von Juni 2011 und Juli 2011 versucht zu zeigen, dass es eine etwa 50 Personen umfassende Leistungsgruppe gibt, die allerdings primär eine landesinterne Ausstrahlung besitzt. Einige von diesen Personen sind inzwischen durch Tod von uns gegangen (Ganzhorn, Jessen, Roux, Tschira), dafür sind neue hinzugekommen. Hinweisen möchte ich, dass der erste Name auf der Juni-Liste der von Andreas von Bechtolsheim ist. Er ist ein Absolvent der TU München, ohne den das Silicon Valley nicht vorstellbar ist.
Über diese beiden Einzelfälle hinaus habe ich mit den Listen von Juni 2011 und Juli 2011 versucht zu zeigen, dass es eine etwa 50 Personen umfassende Leistungsgruppe gibt, die allerdings primär eine landesinterne Ausstrahlung besitzt. Einige von diesen Personen sind inzwischen durch Tod von uns gegangen (Ganzhorn, Jessen, Roux, Tschira), dafür sind neue hinzugekommen. Hinweisen möchte ich, dass der erste Name auf der Juni-Liste der von Andreas von Bechtolsheim ist. Er ist ein Absolvent der TU München, ohne den das Silicon Valley nicht vorstellbar ist.
Geblieben
ist seit 2011 die Situation, dass über Erfolge auf dem Fachgebiet Informatik
weniger gesprochen wird, als über Misserfolge. Mit daran schuld sind Fachgesellschaften wie die GI. Man könnte meinen, diese sähen ihren zentralen Auftrag quasi in der dauernden Suche nach Pannen und Skandalen, wo
angeblich Fachleute versagt haben. Man könnte auch meinen, es sei ihr eigentliches Anliegen, die Ausbreitung und Weiterentwicklung der Informatik als Technik zu verhindern.
Nicht geändert hat sich bis heute die Situation, dass die internationale
fachliche Anerkennung deutscher Ingenieure und Informatiker zu wünschen übrig
lässt. Weder bei der IEEE noch bei der ACM ist die Anzahl deutscher Preisträger
den internationalen Zahlen entsprechend. Besonders auffallend ist das bisherige
Fehlen eines deutschen Turing-Preisträgers. Nur wenn wir über die Gründe
nachdenken, besteht eine Chance, dass sich die Dinge ändern. Dieser Beitrag
soll einen Anstoß geben.
Fehlendes
technisches Gewicht
Dass es
für das Entstehen einer starken Wirtschaft gesunder und leistungsfähiger
Unternehmen
bedarf, ist wohl kaum zu bestreiten – wenn wir einmal die utopischen
Vorstellungen gewisser Idealisten außer Betracht lassen. Dabei bilden
diejenigen Unternehmen den Grundstock, die diejenigen Güter fertigen, die es
bisher im Markt nicht gibt. Natürlich ist Industrie mehr als nur Entwicklung
und Fertigung. Das gilt auch für die Informatik. Die zusätzlichen Dienste einer
Branche können bezüglich Umfang und Vielfalt derart wachsen, dass die
eigentliche Fertigung zu einer Maus degeneriert. So streben Länder wie England,
die Benelux und andere schon seit langem eine Industrie ohne Fertigung an.
Was die
Hardware-Seite der Informatik-Fertigung betrifft ist Europa weitgehend
industriefrei. Anders ist es bei Software. Nur hat außer SAP kaum jemand
internationale Bedeutung. Rein nationale Informatik-Produkte sind jedoch
Produkte zweiter Klasse. Man kann sie vergessen. Es ist schlecht für den, der
darauf Zeit und Mühe verwendet. Es wäre eine wichtige Aufgabe für die GI, ihre
an Hochschulen tätigen Mitglieder zu dieser Einsicht zu verhelfen.
Ignoranz
von Marktgeschehen und Marktrelevanz
Unternehmen
blühen nur da, wo man sie auch blühen lässt. Sie müssen in der Lage sein, ihr
Geschäft aufzubauen und die Liefer- und Vertriebsketten zu formen. Auch muss es
Käufer mit Kaufkraft geben, die sich für die angebotenen Produkte und Dienste
interessieren. Nur dann lohnt es sich zu investieren, nur dann gibt es ein
Geschäftspotential (engl.: business
opportunity). Ein Markt kann Güter günstiger anbieten als bisher, er kann
sie aber auch verändern oder völlig neugestalten. Die Anzahl unterschiedlicher
Güter ist nicht beschränkt. Wie gesagt, das gilt in der Informatik nur für Produkte
im Weltmarkt.
Nur der
USA-Markt war bisher der Maßstab des Weltmarkts. Inzwischen kommt der
chinesische Markt dazu. Deutsche, die als Investoren im Informatik-Markt
partizipieren wollen, tun dies über den amerikanischen oder chinesischen Markt
als Eintrittsschwellen. Dass es das Marktgeschehen ist, was bestimmt, was an
Ideen und Verfahren Relevanz hat, liegt auf der Hand. In den Kopf von
Ausbildenden und Lehrerenden scheint diese Einsicht jedoch nicht immer zu
gelangen.
Mangel
an kreativem und motiviertem Personal
Unternehmen
werden zwar von einzelnen Personen oder Familien gegründet, sehr schnell
überschreiten sie aber die Grenze, dass eine Familie ihr Unternehmer ohne
externes Personal betreiben kann. Es kommt zu der soziologisch so erwünschten
Schaffung sich kostenmäßig selbst tragender Arbeitsplätze.
Wer als
Informatiker kreativ arbeiten will, ist gut beraten, sich für die Fertigung und
Entwicklung von Informatik-Produkten zu interessieren. Er muss sich allerdings
einer internationalen Aktivität aschließen. Das kann sowohl im Inland wie im
Ausland geschehen. Dabei ist die Entwicklung der Fertigung gegenüber
vorzuziehen. Das betrifft vor allem die Software-Seite. Mitarbeiter werden
kreativ, sobald sie angehalten werden, vorhandene Produkte zu verbessern. Dies
kann ein fester Teil der Ausbildung sein. Vor allem aber muss es als ein Ziel
anerkannt sein. Mitarbeiter, die daran kein Interesse haben, fühlen sich
schnell überfordert.
Es mag
löblich sein, auch Gering- und/oder Minderqualifizierten den Zugriff zu
Tätigkeiten in der Informatik zu ermöglichen. Wird dies jedoch übertrieben,
wirkt sich das auf die Relevanz und Lebenskraft des Fachgebiets negativ aus.
Mögliche
Defizite in der technischen Ausbildung
Der
Stand von Technik und Wirtschaft macht es heute unattraktiv alle Mitarbeiter
von Grund auf auszubilden. Vor 50 Jahren war dies in der Informatik noch
anders. Erst danach gab es staatlich anerkannte Studiengänge. Die Unternehmen
können ihren Bedarf heute weitgehend mit Hochschulabgängern abdecken. Dabei ist
die Ausbildung, die von deutschen Hochschulen angeboten wird, durchaus
vergleichbar zu der Ausbildung an ausländischen Hochschulen.
Wo
diese Ausbildung eindeutig Defizite aufweist, ist in der Betonung der Bedeutung
der Entwicklung neuer und wettbewerbsfähiger Produkte. Sich nur auf die
Benutzung heutiger (oder gar gestriger) Produkte zu konzentrieren, ist eine
Verschwendung wertvoller Zeit und wichtiger Ressourcen.
Nicht-adäquate
Infrastruktur und gesellschaftliche Anerkennung
Es
fehlt in Deutschland an technischer Infrastruktur, etwa an leistungsfähigen
Netzen, wie sie die Telekom und ihre Mitbewerber zur Verfügung stellen sollten.
Es gibt keine Partei und keinen Politiker, der diese Forderung nicht schon
verbreitet hätte.
Die
Tätigkeit als Erfinder sollte von der Gesellschaft allgemein, aber insbesondere
von technischen Fachgesellschaften und Vereinen, ausdrücklich honoriert werden.
Das ist keine Selbstverständlichkeit und bedarf einer bewussten Vorgehensweise.
Ich kenne keine einzige deutsche Hochschule, die sich für Erfindungen und
Patente interessiert. Die GI hat vor Jahren versucht, ein von diesem Autor
vorgestelltes und dotiertes Konzept zu blockieren bzw.
zu verwässern. Ihr stand die Anwendung der Informatik näher als ihre technische
Weiterentwicklung.
Ausdehnung der Methode
Die in den vorangehenden Bemerkungen enthaltene leichte Kritik an Fachkollegen lässt sich auf eine größere Gruppe von Personen ausdehnen. Eine entsprecnende Haltung lässt sich bei vielen Menschen beobachten, namentlich bei Deutschen. Sie drückt sich folgendermaßen aus: Zuerst jammern, dann denken. Viel besser wäre es, man würde sich die Zeit nehmen, das Problem zu analysieren und eventuell eine Lösung zu schaffen oder zu besorgen. Danach ließe sich, mit Kenntnis verstärkt, noch intensiv reden und diskutieren.
Ausdehnung der Methode
Die in den vorangehenden Bemerkungen enthaltene leichte Kritik an Fachkollegen lässt sich auf eine größere Gruppe von Personen ausdehnen. Eine entsprecnende Haltung lässt sich bei vielen Menschen beobachten, namentlich bei Deutschen. Sie drückt sich folgendermaßen aus: Zuerst jammern, dann denken. Viel besser wäre es, man würde sich die Zeit nehmen, das Problem zu analysieren und eventuell eine Lösung zu schaffen oder zu besorgen. Danach ließe sich, mit Kenntnis verstärkt, noch intensiv reden und diskutieren.