‚Das
Sichere ist nicht mehr sicher. Was eigentlich Irrsinn ist, gilt als … geboten,
als alternativlos, als absolut notwendig, als noch nicht ausreichend. Corona
und die Angst davor schaffen selbst das, was der Krieg nicht geschafft hat:
Auch die Kirchen werden geschlossen. Hochzeiten fallen aus, Taufen fallen aus. …Gestorben
wird weiterhin, aber Beerdigungen dürfen nur noch im kleinsten Kreis
stattfinden.‘ So schrieb Heribert Prantl gestern in der Süddeutschen Zeitung in
seiner allwöchentlichen Kolumne, Prantls Blick genannt.
In
Virengewittern
Es ist
wie eine Naturgewalt, was über uns ausgebrochen ist. Der Schriftsteller Ernst
Jünger
(1896-1998) hatte seinem Erstlingswerk
den Titel ‚In Stahlgewittern‘ gegeben. Er beschrieb darin den Ersten Weltkrieg
als ein Erlebnis, das das Bewusstsein der Mitwirkenden schärfte und auf die
Bedeutung der Tatkraft des Einzelnen im Überlebenskampf hinweist. Diese
Betrachtungsweise scheint mir durchaus angebracht – obwohl etwas gewagt. Mit
den folgenden Stichworten und Fragen will ich zum Nachdenken anregen.
Ratschläge zu erteilen, das maße ich mir jedoch nicht an. Obwohl ich bei
ähnlichem Verhalten sehr kritisiert wurde, sündige ich ein weiteres Mal.
Wie bei
jedem Grippeausbruch handelt es sich bei COVID-19 − so der medizinische Name − um
eine Pandemie, also eine ansteckende Krankheit, die gleichzeitig Menschen in
verschiedenen Ländern und Kontinenten befällt. Ihre Dimensionen sind enorm, ihre Wirkungen tiefgreifend.
Unvorhersehbarkeit
des Ereignisses
Offensichtlich
haben wir Menschen es mit einem Ereignis zu tun, welches es so noch nicht gab,
weder in der jüngeren Geschichte, noch in grauer Vorzeit. Da es kaum Menschen
gibt, die es erwartet oder vorhergesagt haben, bleibt uns die Suche nach Schuldigen
erspart. Es gibt keine Regierung, die abdanken sollte, oder eine Gruppe, die
bestraft werden sollte, es sei denn, man nimmt ernst, was Bill Gates bereits
vor vier Jahren gesagt haben soll. Nicht Atombomben seien die größte Gefahr für
die Menschheit, sondern Viren.
Angriff
auf ganze Menschheit
Der
Angriff richtet sich gegen die Menschheit als Ganzes. Es geht nicht um eine
Gruppe gegen eine andere. Es kann sein, dass gewisse Gruppen stärker betroffen sein
werden als andere. So mag die Stadtbevölkerung mehr anfällig sein als die Landbevölkerung. Nicht Politiker oder Militärs sind gefordert,
den Widerstand oder die Gegenreaktion zu organisieren.
Dieses Mal
sind es die Virologen. Es ist dies ein Zweig der Medizin, mit dem ein einzelner
Patient kaum in Kontakt gerät. Normalerweise ist ihr Arbeitsplatz auf dem Kreisgesundheitsamt.
Bei ihnen lässt man sich impfen, will man in exotische Länder reisen.
Unbekannte
Ursachen und Abwehrmaßnamen
Was den
aktuellen Virenangriff auslöste, ist weitgehend unbekannt. Vermutet wird, dass
in China, und zwar in oder nahe der Stadt Wuhan, eine Übertragung aus dem
Tierreich stattfand. Manche Leute halten es für möglich, dass auch ein Labor in
dieser Gegend eine Rolle spielte. Hier werden an sich nur die Stämme früherer Erkrankungen
erforscht. Eine genetische Neuschöpfung, wie sie offensichtlich jetzt vorliegt,
deutet eher auf die Mutation in der Natur
hin.
Es ist fraglich,
welche konkreten Abwehrmaßnahmen sinnvoll sind, um eine Immunisierung der Bevölkerung
zu gewährleisten. Da es sich um ein bisher ungekanntes Virus handelt, gibt es
noch keine Impfstoffe. Es wird vielerorts an ihnen gearbeitet, und zwar mit Volldampf.
Ergebnisse sind in diesem Jahr jedoch kaum zu erwarten. Das Verhalten von Präsident
Donald Trump, der der Tübinger Gruppe CureVac den Transfer in die USA angeboten
haben soll, ist ein skurriles Beispiel dafür, zu welchen Maßnahmen die Unsicherheit
führen kann. Dass sich der SAP-Mitgründer Dietmar Hopp in Tübingen seit Jahren als primärer Finanzier engagiert
hatte, gibt dem Fall eine besondere Note.
Um die
Kapazität des medizinischen Systems nicht zu sehr zu strapazieren, wird dazu
geraten, das Ansteigen der Ansteckungszahlen nicht zu steil werden zu lassen. Wo
viele Menschen zusammenkommen, ist die Gefahr der schnellen Ausbreitung groß. Deshalb
kam es zu Absagen von Sportveranstaltungen und kirchlichen Zusammenkünften. Viele
Regionen oder Staatsgebilde versuchen sich abzuschotten oder einzuigeln. Sie
hoffen dadurch das Vordringen der Viren zu behindern.
Deutschlands bekanntester Virologe, Christian Drosten von der Berliner Charité, hält es für wahrscheinlich, dass das Corona-Virus bis zu Zweidrittel der Bevölkerung infiziert und das in einem Zeitraum von 2-3 Jahren.
Direkte
Folgen und nicht abschätzbare Auswirkungen
Von den
weltweit gemeldeten 175.000 Erkrankungen waren bis zum 15.3.2020 77.000 wieder
genesen. Es gab bisher mindestens 6.700 Todesfälle. In Deutschland gab es bisher
4.800 Erkrankungen und 12 Todesfälle. Die Zahlen sind bei uns noch sehr
dynamisch. So gab es an einem Tag ein Anwachsen der Erkrankungen um über 1000. Im
Vergleich zu anderen Grippeerkrankungen besitzt COVID-19 weltweit eine etwa mindest doppelt so
hohe Sterblichkeitsrate (etwa 1,0 anstatt 0,5%).
Natürlich schwankt die Sterblichkeitsrate auch mit dem Verhältnis der gemeldeten (also frühbehandelten) Fälle zu den nicht gemeldeten Erkrankungen. Das kann die folgenden Unterschiede zwischen den Ländern der EU erklären: Italien 6,2%; Frankreich 1,8%; Niederlande 1,0% und Deutschland 0,2%. Ähnlich gut wie Deutschland schneidet derzeit nur noch Südkorea ab. Hier kam es bei 7.500 offiziell Infizierten zu 54 Todesfällen – also deutlich
weniger als ein Prozent.
Die
genaue Auswirkung dieser Pandemie lässt sich weder erahnen noch abschätzen. Was
zuerst sichtbar werden wird, ist der Effekt der ergriffenen Vorsichtsmaßnahmen.
Welche Umsätze einbrechen, welche Lagerbestände zuerst zur Neige gehen, lässt
sich noch nicht absehen.
Mögliche
positive Effekte
Wie
jede Krise so wird auch diese ihre positiven Seiten haben. Es ist sicher
anzunehmen, dass sobald ein Impfstoff vorliegt, mehr Menschen sich impfen
lassen werden, als dies bei regulären Grippeimpfungen der Fall ist. Ob es zu
der allgemeinen Entschleunigung des Lebens führt, die ja manche herbeisehnen,
ist für mich fraglich.
Mögliches
Ende der Pandemie
Das Ende
der Pandemie wird erreicht, wenn die Anzahl der Heilungen die der Neuansteckungen
übersteigt. Für China insgesamt scheint dieser Punkt erreicht zu sein. Allerdings
genießen Zahlen aus China kein großes Vertrauen. Bei uns kann noch leicht ein Jahr
vergehen, bevor wir von einem Abklingen der Corona-Pandemie reden können.
Mögliche
Nach- und Nebenwirkungen, Lerneffekt
Es ist
für mich keine Frage, dass bereits die allerorts getroffenen Vorsichtsmaßnamen
nicht ohne Neben- oder Langzeitwirkung verbleiben werden. Wenn die Idee des
offenen Schengenraums monatelang ausgesetzt sein wird, werden die früheren Verhältnisse
sich nicht von einem Tag auf den anderen wieder einstellen. Es werden
Narben und Schrammen, Misstrauen und Desillusionen erkennbar sein.
Natürlich
haben die Menschheit, Europa oder einzelne Länder auch die Möglichkeit, mit
mehr Überzeugung auf den früheren Zustand zurückkehren. Es kommt dann darauf
an, das Erlernte festzuhalten, zu analysieren und zu überliefern.
PS: Einige Bemerkungen in diesem Beitrag wurden
angeregt von meinem in Vietnam geborenen ehemaligen Kollegen Tuan Ngo-Anh. Die
Krise veranlasste ihn, der in Noordwijk aan Zee lebt, wieder mit mir in Kontakt
zu treten.