Vor
genau drei Wochen schrieb ich zum ersten Mal über die möglichen Auswirkungen
der Corona-Krise auf das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben. Leider
ist die uns auferlegte Besinnungs- und Prüfungszeit noch nicht zu Ende.
Trotzdem möchte ich einige der damals aufgegriffenen Gedanken bereits heute vertiefen
und erläutern.
Soziale
Kontakte
Kontakte
zwischen Familienangehörigen und Freunden profitieren enorm von der
körperlichen Nähe. Es besteht kein Grund dies zu bezweifeln. Sie ist jedoch –
wie mal wieder klar wird – auch mit Gefahren verbunden. Elektronische Medien
wie Telefon, Videokonferenzen, E-Mails und Chats sind nur ein schwacher Ersatz.
Dennoch ist es gut, sie optimal einzusetzen und auszunutzen.
Beim
Telefon ist das Festnetz nur eine von mehreren Möglichkeiten. Seine Nachteile
werden überwunden einerseits durch Mobiltelefone (in Deutschland als Handys
bezeichnet), andererseits durch Internet-Telefonie (engl.: voice over IP). Ein bekanntes Beispiel
ist Skype, ein aus Estland
stammendes Angebot, das heute zu Microsoft gehört. Die ursprünglichen
Entwickler waren Ahti Heinla, Priit Kasesalu und Jaan Tallinn. Die
Kommerzialisierung erfolgte durch Firmen in Schweden und Luxemburg. Skype
erlaubt kostenloses Telefonieren weltweit zuzüglich einer Videoübertragung.
Der
Austausch von Nachrichten im Familienkreis erfolgt vorwiegend mittels WhatsApp. Dabei handelt es sich um einen sehr benutzerfreundlichen
Instant-Messaging-Dienst (auch Chat-Dienst genannt), den es seit 2009 gibt.
Seit 2014 gehört er zu Facebook. Benutzer können über WhatsApp Textnachrichten,
Bild-, Video- und Ton-Dateien sowie Standortinformationen, Dokumente und Kontaktdaten
zwischen zwei Personen oder in Gruppen austauschen. Im Frühjahr 2015 wurde den
Nutzern auch das internetbasierte Telefonieren über diese( App möglich gemacht.
Das Unternehmen hat seinen Sitz in Mountain View, Kalifornien. Ein aus der
Schweiz stammendes Gegenstück ist Threema.
Home
Office
Das
Thema Home Office (in Deutschland
meist als Telearbeit bezeichnet) brannte bei den meisten Firmen seit den 1980er
Jahren als Sparflamme im Hintergrund. Kein Protagonist träumte davon, dass es
einmal zur einzig möglichen Arbeitsform werden könnte.
Die
gerätemäßige Ausstattung einer für Büroarbeiten nutzbaren Wohnung ist heute
geradezu allgegenwärtig. Wie an anderer Stelle beschrieben, ist
dies typischerweise eine Dreierschicht, bestehend aus Desktop, Tablett und Smartphone.
Wenn von spezieller Software gesprochen wird, dann wird oft an Office von Microsoft gedacht. Sie bietet unter
anderem Textverarbeitung (Word), Tabellenkalkulation (Excel),
Präsentations-Software (PowerPoint), Mail-Programm (Outlook) und Internet-Telefonie
(Skype) an. Diese Programme bilden ein zusammenhängendes Paket, sie stehen aber
auch einzeln zur Verfügung. Sie sind die de facto Standards der Branche.
Firmen
Für
viele Firmen ist die Bewegung von Personen ein zentraler Teil des
Geschäftsmodells. Das gilt zum Beispiel für die gesamte Reisebranche. Dazu
gehören Fluggesellschaften, Eisenbahnen und Busunternehmen. Eine Firma, der die
Corona-Krise ins Herz trifft, ist die Lufthansa. Man muss damit rechnen, dass der
globale Reiseverkehr über Monate hinaus eingeschränkt sein wird. Es wird dies
zu einer Reduktion der Flotte und auf Dauer zu einer teilweisen staatlichen
Übernahme führen. Es gibt aber auch Gewinner. So erfährt der Versandhändler
Amazon ein Nachfragehoch, das einmalig ist. Andere Firmen stehen dem nicht
nach. Sie sind quer durch die Branchen verteilt.
Auch
wer nicht in seinem Geschäftsumsatz – seinem eigentlichen Sinn des Operierens − betroffen
ist, muss sein Geschäftsgebaren ändern. Klaus Küspert wies mich gerade
daraufhin, wie Firmen die Frage ihrer Aktionärsversammlung zu lösen versuchen:
In
Deutschland ist ja gerade spannend, wie die Firmen (DAX u. a.) in Sachen
Hauptversammlung verfahren. Der Gesetzgeber hat ja kürzlich nun für 2020
Internet-Durchführung prinzipiell ermöglicht. Bayer will diese Möglichkeit
wahrnehmen, die anderen scheinen sich noch bedeckt zu halten und schwanken bzw.
entscheiden zwischen Hoffnung aufs Festhalten des Termins im Präsenzmodus oder
Terminverschiebung in Sommer oder Herbst (was etliche schon getan haben).
Allianz und BMW haben sich mittlerweile ebenfalls für 2020 zur Durchführung im
Internet entschieden. Besonders interessiert auch der Branchen-Primus SAP. Die HV
in der SAP-Arena in Mannheim wäre in zweiter Maihälfte und man hat sich bisher
zur Modalität noch nicht extern geäußert. Auch Dividendenkürzungen oder
-streichungen haben ja einige Unternehmen schon angekündigt und damit die
avisierten Ausschüttungen teils oder ganz wieder einkassiert.
Behörden
oder Kanzleien
In
besonderer Weise macht gerade der britische Premier Boris Johnson Erfahrungen
mit dem Corona-Virus. Er musste ins Krankenhaus und mit Sauerstoff behandelt
werden. Allerdings leide er nicht an einer Lungenentzündung, sagte ein
Regierungssprecher. Die NZZ hat einen ausführlichen Bericht. Die Sitzungen des Bundeskabinetts finden inzwischen per
Videokonferenz statt. Da war es auch kein Problem, dass die Kanzlerin selbst zu
eine 10-tägigen Quarantäne verdonnert war.
Eine
Anwältin, die gerade für mich arbeitet, erkenne ich bisher lediglich an ihrer
Stimme. Unterlagen, die sie benötigte, erhielt sie per Post. Die meisten
Rückfragen und Zwischenberichte erfolgen anhand von E-Mails.
Ärzte,
Therapeuten und Berater
Mit
meinem Hausarzt verkehre ich schon länger meist telefonisch. Hausbesuche macht
er keine mehr. Meine Zugehfrau holt Rezepte ab und bringt Arzneien aus der
Apotheke mit. Meistens bringt diese der Apotheker selbst vorbei. Ich suche gerade einen Therapeuten, der noch
Hausbesuche macht. Noch bin ich nicht fündig geworden,
Schüler
und Studenten
Von meinen
vier Enkeln sind zwei Gymnasialschüler, einer Student an der TU München und
eine wissenschaftliche Mitarbeiterin am selben Ort. Alle vier wurden von ihren
Schulen nach Hause geschickt. Die zwei Gymnasiasten wurden ihren Eltern zwecks Home Schooling anvertraut. Die beiden
Älteren arbeiten selbständig von ihrem Elternhaus aus.
Wie
schon als Kommentar zu einem Vorgänger-Blog-Beitrag vermerkt, betreut meine
Enkelin derzeit 500 Münchner TU-Studenten bei Klausuren und Übungsarbeiten von
ihrem Kinder- und Jugendzimmer aus, gelegen in einer Kleinstadt in der schwäbischen Provinz.
Nachdenkliches
Alle
Zeitungen und Mediendienste, die ich dieser Tage konsumiere, bemühen sich
klarzumachen, dass wir die Corona-Krise als Chance sehen sollten, um einige
unserer Gewohnheiten zu ändern. Was dabei immer wieder auftaucht ist der
Vorschlag, unsern übertriebenen Individualismus etwas zurückzudrehen zugunsten
von mehr Gemeinsinn. Meist bleibt dabei offen, welche Gemeinschaft wohl gemeint
ist. Diejenigen, die dabei das Wort Volk im Munde führen, machen sich
verdächtig und landen schnell in einer nationalistischen Ecke.
Wie
Margret Thatcher bin ich der Meinung, dass es die Gesellschaft nicht gibt. Wenn
also von Gemeinschaft oder Gesellschaft die Rede ist, schlage ich vor an die
erweiterte Familie, die Freunde, die Nachbarn, die Berufskollegen, die
Fachkollegen, die Stadt oder die Heimatregion zu denken. Wer an alle
Mitteleuropäer denkt oder gar an die Menschheit als Ganzes, dem mangelt es an
Präzision. Den homo sapiens als Ziel von Erziehungs- oder Fördermaßnahmen
anzusehen, grenzt für mich an Arroganz.
Nachtrag vom 13.4.2020
Nachtrag vom 13.4.2020
Tuan Ngo-Anh aus Noordwijk schrieb: Gestern
bin ich mit dem Radesel 2 Stunden um Noordwijk gefahren und habe danach mein
erstes Python-Programm zur Simulation von Epidemien geschrieben ;-)
Ich
habe auch über Corona nachgedacht, aber dieser Artikel hat alles gut zusammengefasst.
Ich
wünsche beste Gesundheit und alles Gute in dieser ungewöhnliche Zeit, Ihr Tuan
Ngo-Anh
P.S.
Anbei sind ein paar schöne Bilder von gestern
Mein Enkel Marcus schrieb: Für Videokonferenzen sollte es reichen Skype zu nennen. Im Produktivumfeld könnte man vielleicht noch einen Blick auf Zoom werfen, das ja neuerdings viele Schulen zu benutzen scheinen. Auf studentischer Seite evtl Lecturio.
AntwortenLöschenBzgl. Homeoffice Tools kann ich nur raten. Worauf Firmen zurückgreifen, kommt ja auch auf die Branche an. Microsoft Teams und Office Online / OneDrive bzw. die Konkurrenz von Google mit Google Docs / Google Drive. Im Bereich Softwareentwicklung gab es ja bereits vor Corona entsprechende Tools, namentlich Confluence, Trello, Github, Slack und Jira.
Peter Hiemann schrieb: (1) Ich bin der Ansicht, dass zwar die Gesellschaft nicht existiert, dass aber jede Regierung die Aufgabe hat, die Funktionen ihres Gesellschaftssystems zu gestalten.
AntwortenLöschen(2) Ich betrachte den Begriff 'Homo sapiens' als derzeit lebende menschliche Art dessen viele Vorfahren seiner Art alle ausgestorben sind.
Ich kenne niemanden, der sich vorgenommen hat, Homo sapiens zu erziehen. Vielleicht lassen sich Rituale der Weltreligionen als solche Erziehungsmethoden interpretieren. Religiöse Institutionen scheinen aus gutem Grund zu versuchen, Kinder an sich zu binden.
Wenn jemand von Gesellschaft im Sinne einer Hochzeitsgesellschaft spricht, hat er er eine Tradition aber sicher kein Gesellschaftssystem im Sinn. Margret Thatcher hatte sehr wohl das englischen Gesellschaftssystem der 1980er Jahre im Sinn. Ihre provozierende Aussage richtete sich an individuelle Denk- und Verhaltensweisen. Wie Thatcher damals politisch eingeschätzt wurde, können Sie einem SZ Artikel entnehmen:
https://www.sueddeutsche.de/politik/thatchers-bekannteste-zitate-die-dame-laesst-sich-nicht-verbiegen-1.1643765