Sonntag, 9. Oktober 2011

Bundestrojaner enttarnt – Auweia!

Als wir die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FASZ) heute aus unserem Briefkasten entnahmen, hatte sie eine echte Sensationsmeldung auf ihrer Titelseite. Sie lautete:

Der Staatstrojaner wurde geknackt - Hacker können die Spionagesoftware fernsteuern. Daten ... laufen über amerikanischen Server...

Außer auf der Titelseite gab es auf Seite 12 zwei Artikel darüber, sowie einen ganzen Feuilleton-Sonderteil (Seiten 41-47). Recht ungewöhnlich für eine Publikumszeitung sind die Seiten 43-47. Sie enthalten weiter nichts als unkommentierten Assembler-Code. Wo gab es das schon mal?

Was war geschehen? Dem Chaos Computer Club (CCC) war es gelungen, mehrere Kopien des staatlichen Überwachungscodes zu bekommen und zu analysieren. Herauskam, dass der Bundestrojaner über Fähigkeiten verfügt, die Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht erlauben, die laut Verfassung verboten sind. Ob solche Eingriffe tatsächlich erfolgt sind, steht hier nicht zur Diskussion.

Das, was das Programm den Staatsorganen zu erlauben scheint, ist nicht nur für die FASZ (und ihren Chefredakteur Frank Schirrmacher), sondern sicherlich für die gesamte Öffentlichkeit ein Grund zur Besorgnis. Zwei Funktionen sind besonders gefährlich:
  • Das Programm registriert nicht nur tatsächlich versandte Nachrichten, sondern auf Wunsch auch alle Browser-Bildschirme, also auch nicht-abgesandte Entwürfe.
  • Es können ganz beliebige Programme von überall aus dem Internet nachgeladen werden.
    Es besteht kein Zweifel, dass hier den Kollegen, die sich für den Datenschutz engagieren, ein großer Coup gelungen ist. Das wird hoffentlich die Diskussion erneut beflügeln. Zwei Gedanken möchte ich noch anfügen.

    Die Art, wie Herr Schirrmacher und seine Kollegen diese Sache darstellen, gefällt mir nicht ganz. Treu seinem Mantra, das er schon in seinem 2009 erschienenen Bestseller ‚Payback‘ verkündete, sollte man Informatikern lieber generell misstrauen. Dort warnt er bereits:
    • Die wahren Autoren unserer Existenz sind heute nicht Schriftsteller, sondern Programmierer (S.134)
    • Gott wird immer mehr zum Großen Programmierer und der Computer sein Werkzeug… Der menschliche Geist ist ein Computerprogramm (S. 147)
    • Unter der Benutzeroberfläche befinden sich die Maschinenräume, die Nicht-Informatiker niemals zu sehen bekommen (S.153)
    Jetzt werden fünf (sinnlose) Seiten Assembler-Code abgebildet, so als ob hinter jedem Stück Programmcode sich nur Unheil verbergen könnte. Es ist wie ein Menetekel des Dämonischen, der Zauberspruch der unkontrollierbaren Programmierer.

    Ein anderer Gedanke hatte mich schon früher beschäftigt. Bei uns bringt der Bürger traditionell einem vom Staat angebotenen Dienst mehr Vertrauen entgegen als einem privaten Anbieter. In den USA ist es umgekehrt. Vorfälle wie der beschriebene könnten bewirken, dass auch wir Europäer uns langsam in die andere Richtung bewegen.

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