Mittwoch, 27. November 2013

Nochmals: Große Herausforderungen der Informatik

Das Thema ‚Große Herausforderungen‘ (engl. grand challenges) hatte mich schon im Januar 2012 in diesem Blog beschäftigt, also vor rund zwei Jahren. Ich hatte damals nicht nur drei damals bekannte Aktivitäten (Technische Informatik, Kerninformatik, Wirtschaftsinformatik) verglichen, sondern auch selbst einen Vorschlag generiert.

Inzwischen hat die Gesellschaft für Informatik (GI) unter Leitung von Frau Simone Rehm, der Vizepräsidentin, das Thema aufgegriffen. Ein entsprechender Aufruf befindet sich auf der Homepage der GI. Diese Aufforderung führte inzwischen zu einer Liste von über 20 Vorschlägen. Die GI beabsichtigt, auf der Basis der Einreichungen zu einer konsolidierten Liste von Vorschlägen zu gelangen. Es ist anzunehmen, dass dies im ersten Halbjahr 2014 geschieht. Ich will nicht die einzelnen Vorschläge diskutieren, sondern einige generelle Bemerkungen zum Thema und zum Auswahlverfahren machen. Dabei nehme ich Bezug auf Diskussionen, die ich im letzten Monat mit dem Kollegen Peter Mertens aus Nürnberg hatte.

Die Aufgabe, gute Vorschläge zu generieren und anschließend eine Auswahl zu treffen, ist alles andere als einfach. Ich möchte die damit befassten Kolleginnen und Kollegen sehr dazu ermutigen, diese Aufgabe nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Hier meine Gedanken.
 
(1) Man muss sich klar werden, was man überhaupt erreichen will und kann. Es besteht die Chance, die Fachdiskussion innerhalb der Informatik von vielen persönlichen Einzelzielen oder partikularen Gruppenzielen weg zu einer breiten Diskussion über das Potential des ganzen Fachgebiets zu lenken. Es werden damit keine direkten Fördermittel eingeworben oder versprochen. Es hilft jedoch Leuten die Förderprojekte ausschreiben, sich zu orientieren. Es zeigt, was die Fachleute (in ihrer Gesamtheit) für wichtig und lösbar halten. Es kann Erfindergeist beflügelt werden, sofern die zu lösenden technischen Probleme klar beschrieben sind und damit stärker ins Bewusstsein der technischen Community gebracht werden. 

(2) Man muss sich überlegen, wen man wie anspricht. Es wäre schön, wenn jede Informatikerin und jeder Informatiker sich angesprochen fühlte und hinter den Vorschlägen stehen würde. Das sollten nicht nur die paar Hundert Kolleginnen und Kollegen an deutschen Hochschulen sein, sondern mehrere Tausend in der ganzen Branche weltweit. Man muss die Ziele so beschreiben, dass auch Außenstehende sich etwas darunter vorstellen können. Mit Außenstehenden sind außer Nicht-Fachleuten vor allem Politiker und junge Menschen gemeint. Jungen Leuten kann es zeigen, was wir (Alten) als lösbar ansehen, wofür uns lediglich die Zeit fehlte. Zur Lösung dieser Probleme sind keine Heerscharen von Genies erforderlich noch wundersame Erleuchtungen. Es ist jedoch den Schweiß vieler Kollegen wert. 

(3) Man muss auf das Problem fokussieren. Man muss sich hüten, sowohl zu allgemein als auch zu spezifisch zu sein. Greift man ein zu breites Ziel auf, heißt es, man will die Welt verbessern (‚Boiling the ocean‘ sagen die Angelsachsen). Ist man zu speziell, sagt jemand, dass er jemanden kennt, der bereits an einer Lösung arbeitet. Insgesamt sollte man sich auf weniger als zehn prägnant formulierte Probleme einigen, an deren Lösung sich unser Fachgebiet in Zukunft messen lassen will. Bei jeder Zeitangabe müssten sich, zumindest intern, auch Zwischenschritte angeben lassen. Sonst taugt die Zeitangabe nichts, es sei denn man hofft auf Erleuchtungen. 
 
(4) Vor allem darf sich eine Beschreibung nicht mit Überschriften allein zufrieden geben. Einerseits geht dadurch sehr viel wichtige Information verloren. Andererseits schreckt man mit Überschriften (mit ein oder zwei Fachbegriffen, ohne Erklärung) jeden Nicht-Fachmann ab. Selbst Fachleute werden oft in die Irre geführt. Aus der Stoffsammlung muss anschließend eine leicht verständliche Publikation entstehen, die sowohl Fachleute wie Nicht-Fachleute anspricht und zum Nachdenken anregt. Das kostet einige Arbeit.

Sollte ich einen Leser erreicht haben, der relevante Ideen zu diesem Thema hat, würde ich mich freuen, davon zu erfahren.

Nachtrag am 2.12.2013:

Im Gegensatz zu vielen andern Buch- und Einzelhändlern hält Jeff Bezos bekanntlich Jammern nicht für eine gute Lösung. Noch hofft er, dass die nächste Regierung hilft. Hier sein neuestes Beispiel auf Youtube. Die Zulassung durch die Behörden fehlt noch.

Die Auslieferung per Drohnen verbessert den Service, reduziert den Einfluss der Gewerkschaften, entlastet die Straßen, verstopft stattdessen die Lüfte. Drohnen sind nach ihrer Bewährung beim Militär eine Lösung auf der Suche nach Problemen, d.h. zivilen Anwendungen. Das ist der Normalfall bei vielen technischen Errungenschaften, etwa Internet und GPS. Bei Grand Challenges ist es umgekehrt. Es geht meist um Probleme, die übersehen zu werden drohen oder zur Seite geschoben werden, weil kein Einzelner sie lösen kann. Selbst das Militär ist überfordert oder desinteressiert.

1 Kommentar:

  1. Nachtragen möchte ich, was ich Anfang November 2013 einigen Kollegen geschrieben hatte, und bereits schon vergessen hatte:

    "Ich halte die Aktion [Grand Challenges] auch deshalb für unterstützenswert, weil sie zeigt, dass die GI der Informatik auch ein großes Potential für die Zukunft beimisst. Das ist wichtig im Hinblick auf technisch begabte junge Leute, die in Anbetracht heutiger Erfolge Angst haben, dass der Informatik die interessanten Aufgaben wegbrechen könnten."

    Diese Bemerkung war provoziert worden durch einen GI Fellow und Ex-Präsidenten der GI, der laut verkündet hatte, dass die Informatik am Ende sei und die Anwendungen alles selbst machen werden.

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