Der erste Teil des heutigen Titels knüpft an das Motto des Deutschen Museums in München an – Meisterwerke der Naturwissenschaft und Technik. Seit über 100 Jahren wird dort anhand einzelner Exponate gezeigt, wie sich die Technik in unserem Lande entwickelt hat. Insbesondere werden die Leistungen einzelner deutscher Ingenieure oder Erfinder herausgestellt. Das Ganze geschieht vor allem zu Lehrzwecken.
Wie viele andere Kollegen bin ich der Ansicht, dass es der Informatik gut täte, ihren Ingenieur-Charakter stärker zu betonen. Ingenieure werden von dem Motiv geleitet, Probleme der Gesellschaft und der Wirtschaft zu lösen. Sie wollen ihren Mitmenschen konkrete Produkte und Dienste an die Hand geben, die ihnen das Leben erleichtern oder verschönern. Genauso wie Architekten können auch Ingenieure ihre guten Ideen nicht allein durch Texte und Bilder darstellen. Man muss das Produkt selbst sehen und erfahren, und zwar am besten in seiner Nutzungsumgebung. Manchmal reicht auch ein verkleinertes Modell in Pappe oder Holz. Ich spreche dabei zunächst nur von sichtbaren und mit Händen fassbaren Produkten.
Nach der vom Kollegen Friedrich L. Bauer in dankenswerter Weise initiierten und betreuten Informatik-Ausstellung im Deutschen Museum gab es immer wieder Anläufe, diese Ausstellung zu ergänzen. Die von Bauer ausgewählten Exponate stellen primär die Hardware-Entwicklung dar. Das spiegelt sich auch in der Gliederung in Analoge mathematisch-mechanische Instrumente und Maschinen, Digitale Technologie und Programmgesteuerte Automaten wider. Die Software fehlt weitgehend. Bisher stießen alle Versuche, hier etwas Entsprechendes zu definieren, auf Schwierigkeiten. Erinnern möchte ich dabei vor allem an den Vorschlag von Ernst Denert und Klaus-Peter Löhr [1], nicht Produkte sondern grundlegende Prinzipien und Anwendungsabläufe darzustellen und zu erklären. Leider ist auch daraus nichts geworden.
Das in Washington, DC, ansässige Smithsonian Museum ging allerdings den Weg, echte historische Produkte zu sammeln und für die Darstellung aufzubereiten. Als Beispiel dient der ursprüngliche BASIC-Interpreter, den Bill Gates für den Altair-Rechner schrieb – einschließlich Dokumentation und Werbematerial. Hier wird also nicht nur an den oberflächigen Bedarf von sporadischen Besuchern gedacht, sondern auch an das Interesse forschender Wissenschaftler, die sich auch die nötige Zeit nehmen können. Vor allem die mündlich durchgeführten und akustisch aufgezeichneten Interviews mit Pionieren ergänzen die gesammelten Objekte.
Die erwähnten Ansätze versuchen mehr oder weniger das Interesse von Laien oder von Historikern zu befriedigen. Letztere sind besorgt, dass wichtige kulturelle Errungenschaften der Menschheit verloren gehen könnten, und damit vergessen werden. Mir geht es um ein völlig anderes Anliegen. Leider gibt es keinen besseren Weg, um zukünftigen Informatikerinnen und Informatikern zu erklären, was gute oder weniger gute Entwurfsideen sind, als ihnen Beispiele zu zeigen. Wenn es uns schon nicht gelingt, solches Lehrmaterial in öffentlichen Einrichtungen zu sammeln, so sollte man andere Wege suchen. Viele deutsche Informatik-Institute gingen den Weg, sich eine eigene Sammlung historischer Geräte zuzulegen. Auch hier fehlt in der Regel der Software-Aspekt. Ich möchte deshalb einen Vorschlag machen. Ich will mich dabei allerdings nicht auf Software beschränken. Ich habe nämlich die Befürchtung, dass bereits zu viele Informatik-Professoren Informatik mit Software gleichsetzen. Dem möchte ich gegensteuern.
Ich schlage deshalb vor, dass entweder die Gesellschaft für Informatik (GI) oder aber der Fakultätentag Informatik der Universitäten im Verbund mit dem Fachbereichstag Informatik der Fachhochschulen einen Wettbewerb ‚Informatik-Produkt des Jahres‘ ausschreiben und durchführen. Als Teilnehmer kämen alle mit der Informatik-Ausbildung befassten Institute infrage. Ich möchte mich damit bewusst von ähnlichen Wettbewerben der kommerziellen Medien absetzen. Deren primäres Ziel scheint es zu sein, Aufmerksamkeit zu erzeugen und dadurch ihren eigenen Absatz zu steigern.
Um nicht immer zwischen Äpfeln und Birnen hin und her gerissen zu werden, müsste man mehrere Produktkategorien unterscheiden – allerdings nicht zu viele. Beispiele wären: Smartphones, Betriebssysteme für Arbeitsgruppenrechner, Betriebssysteme für mobile Geräte, Web Browser, Suchmaschinen, Textverarbeitung, elektronische Post, Datenbanken, Fotobearbeitung, Navigation oder Heimsport. Es gibt nämlich kein bestes Produkt schlechthin, sondern immer nur eines für bestimmte Teilgebiete. Ein Hammer ist nicht auch da das beste Werkzeug, wo ein Spaten oder ein Bohrer benötigt werden.
Dem Wettbewerb müssten Bewertungskriterien mitgegeben werden, etwa ausreichende Funktionalität für den Zweck, Sparsamkeit der Lösung, Sicherheit gegen Missbrauch, Akzeptanz durch die Nutzer. Man müsste eventuell unterscheiden zwischen dem besten und dem innovativsten Produkt. Das ist nicht notwendigerweise dasselbe. Manchmal ist es sogar leichter, sich auf das innovativste Produkt zu einigen als auf das Beste. Indem ein Zeitraum für das Alter des Produkts vorgegeben wird (etwa 2-3 Jahre), würden auch zeitliche Veränderungen über die Jahre sichtbar. Neue Versionen eines Produkts sollte man als neue Produkte behandeln, also Windows 7 getrennt von Windows Vista oder iPhone 4 getrennt von iPhone 3G.
Außer Produkten könnten auch Dienste in den Wettbewerb einbezogen werden. Aus pädagogischer Sicht ist es wichtig, immer an beide Formen der Ingenieurleistung zu erinnern. Ein Dienst kann manuell – also ohne Werkzeuge – erbracht werden, kann aber auch teilweise oder gar vollständig automatisiert sein. Nur Letzteres erlaubt es, ihn mit abnehmenden Kosten zu reproduzieren. Automatisierte Dienste sollten daher für den Wettbewerb bevorzugt werden.
Wenn die Kriterien, was beurteilt wird und wer teilnimmt, eindeutig sind, könnte die Auswahl so ablaufen wie bei der Wahl zum Sportler des Jahres. Jede Fakultät (oder jeder Lehrstuhl) hätte eine Stimme. Die Liste der Produkte oder Dienste könnte offen sein und dürfte von jedem zugelassenen Teilnehmer ergänzt werden. Es wäre natürlich hilfreich, wenn nur Produkte bewertet würden, die die Teilnehmer kennen. Man müsste sich daher überlegen, wie man unqualifizierte Angaben verhindern oder eliminieren kann. Den Gewinnern könnte auf Wunsch eine Urkunde ausgestellt werden. Ein Geldpreis ist nicht erforderlich.
Als Nebeneffekt des Wettbewerbs erhoffe ich mir einen Schub in Richtung eines stärkeren Praxisbezugs bei der Informatik-Ausbildung. Wenn man als Lehrender sich überlegen muss, welches heutige, im Markt verfügbare Produkt als Vorbild gelten kann, muss man sich mit ihnen beschäftigen. Produkte aus der Frühzeit der Informatik, d.h. aus der eigenen Studienzeit, spielen keine Rolle dabei. Auch könnte es bei einigen Kollegen einige Überwindung kosten zu sagen, dass alle in der Praxis relevanten Produkte nichts taugen. Schließlich ist es kein Problem, wenn Professoren ihre Studierenden in dieser Sache um Rat fragen, sollten ihnen die notwendigen Produktkenntnisse fehlen. Wen es dabei stört, dass zu wenig deutsche Produkte nominiert werden, könnte eine stärkere Produktorientierung in der Ausbildung verlangen, also einen Schwenk veranlassen weg vom Reden, hin zum Tun – ein weiterer ganz erfreulicher Nebeneffekt.
Zusätzliche Referenz
1. Denert, E., Löhr, K.-P.: Towards a Software Museum: Challenges und Opportunities. In: Hashagen,U., Keil-Slawik,R., Norberg, A. (eds) (2003): History of Computing: Software Issues. Springer, Heidelberg
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