Hans Diel aus Sindelfingen schrieb am 11.1.2012
Ich habe ganz allgemein ein Problem mit den Philosophen. Das meiste, was ich von Philosophen gelesen oder gehört habe, war zwar sehr geistreich formuliert, aber nach meinem Empfinden entweder wenig relevant oder von zweifelhaften Wahrheitsgehalt. Es gab auch einige Ausnahmen wie z.B. Popper oder auch das Philosophische Quartett im Fernsehen.
Vermutlich bin ich hier wieder mal zu subjektiv. Aber das ist im Grunde der Kern des Problems. Da philosophische Theorien im Allgemeinen nicht so exakt beweisbar (oder falsifizierbar) sind wie mathematische oder physikalische, bleibt mir am Ende zu viel Raum (oder Notwendigkeit?) für Subjektivität. Da ich aber meiner Subjektivität misstraue, kann ich das Studium solcher Theorien auch bleiben lassen.
Wenn [von Thomas Metzinger] gesagt wird, dass "das religiöse Menschenbild falsifiziert wurde" würde mich interessieren, was genau von wem wie falsifiziert wurde. Ist das eine Art negativer Gottesbeweis? Oder wird hier der Begriff "falsifizieren" deutlich lockerer verstanden als bei Popper?
Peter Hiemann aus Grasse antwortete am 14.1.2012
Anders als „klassische“ Philosophen, tun sich Philosophen des 21. Jahrhundert ziemlich schwer, Beiträge zu Erkenntnisprozessen zu liefern. Sie versuchen mit wenig Erfolg, den Eindruck zu erwecken, Experten des Geistigen zu sein. Sie reklamieren für ihren Berufsstand, geistige Brücken zwischen Wissensgebieten konstruieren zu können (auch zwischen Wissenschaft und Religion), aber ich habe den Eindruck, dass sie viel „Wolkiges“ (Wortwahl der ZEIT) hin und her schieben. Diese Ansicht ergibt sich, wenn ich zum Beispiel lese, wie der Philosoph Manfred Frank seinem Kollegen Peter Sloterdijk in einem offenen Brief in der ZEIT vorwirft, „Geschweife und Geschwefel“ zu produzieren und zu verbreiten. Das klingt so: „Heidegger hat den Humanismus wie so viele Denker seiner Generation (auch Karl Barth gehört zu ihnen) zu überwinden versucht - das sei ihm, denken Sie, gutgeschrieben. Er hatte schon in Sein und Zeit Philosophie nicht mehr vom Subjekt, dem Agenten der Menschlichkeitsideologie, sondern vom Sein aus zu begründen unternommen. Aber noch hielt das "Dasein" – der fundamental-ontologische Nachfolgebegriff für "Subjekt" oder "Mensch" – eine bedeutende Stellung, die auch in den Schriften nach der "Kehre" nicht aufgegeben wird. So bleibt das Dasein im Brief über den ,Humanismus' zwar "nicht der Herr des Seienden", wohl aber der "Hirt des Seins". Diese ontologische "Pastorale" gilt es nunmehr - meinen Sie - durch Radikalisierung der Absage an den Humanismus zu entharmlosen, aber ebenso, dass keinerlei Moral die Berufung des Hirten zur Wahrung seiner Wahrheit normativ anleitet.“ Ob Sloterdijk genauso gut „schweifen“ und „schwefeln“ kann, kann und will ich nicht kommentieren.
Thomas Metzinger hebt sich wohltuend von der Gruppe von Philosophen ab, die viel „Wolkiges“ hin und her schieben. Das gleiche trifft auf Karl Popper zu. Popper hat sogar im Vorwort des Buches „Das Ich und sein Gehirn“ geäußert, dass er „schon immer von der herrschenden philosophischen Schule unbefriedigt war und stark an den Naturwissenschaften interessiert ist“.
Es ist lange her, dass ich mich mit Poppers Philosophie ein wenig beschäftigt habe. Das geschah im Rahmen meiner Studien über das menschliche Gehirn. John Eccles und Karl Popper haben das oben erwähnte Buch gemeinsam veröffentlicht. Teil 1 enthält Poppers Theorien und Weltsicht, in Teil 2 beschreibt Eccles seine neurologischen Erkenntnisse und Weltsicht, Teil 3 enthält Dialoge zwischen beiden Autoren. Für mich war auch von Interesse, dass im Vorwort des Buches ein wichtiger Unterschied zwischen den Autoren erwähnt wird: „Er betrifft den religiösen Glauben. Einer von uns beiden (Eccles) glaubt an Gott und an ein Übernatürliches, während der andere (Popper) als Agnostiker bezeichnet werden könnte.“
Karl Popper glaubt, dass die Objekte und Vorgänge in der Welt „beträchtlich klarer gemacht werden können, wenn wir eine Dreiteilung der Welt einführen. Da gibt es zunächst die physische Welt – das Universum physischer Gegenstände. Zweitens gibt es die Welt psychischer Zustände, einschließlich der Bewusstseinszustände, der psychischen Dispositionen und unbewusster Zustände. Doch es gibt noch eine dritte Welt, die Welt der Inhalte des Denkens und der Erzeugnisse des menschlichen Geistes.“
John Eccles und Karl Popper waren hervorragende Startpunkte für meine weiteren Studien. Karl Popper hat sich in dem oben genannten Buch auch zum Thema der Falsifizierbarkeit geäußert. Im Dialog mit Eccles zum Problem des Bewusstseins bei Tieren, einigen sich beide darauf, dass „jede Vermutung darüber nicht falsifizierbar ist, jedenfalls derzeit nicht. Und eben weil sie nicht falsifizierbar oder prüfbar ist, ist sie metaphysisch“. Popper hält allerdings metaphysische Hypothesen für wichtig, weil Wissenschaftler beim praktischen Forschen von dem geleitet werden, was Popper „metaphysisches Forschungsprogramm“ nennt.
Metzinger sagt auf Grund des heutigen Wissens über menschliche neuronale Prozesse des Zentralnervensystems, dass "das religiöse Menschenbild falsifiziert wurde". Das sagt nicht nur Metzinger sondern die breite Mehrheit aller an der Erforschung des Gehirns beteiligter Wissenschaftler. Auch Systemtheoretiker wie Niklas Luhmann sehen keinen Bedarf an übernatürlichen Prozessen. Dabei handelt es sich nicht um „eine Art negativer Gottesbeweis“ sondern es wird lediglich postuliert, dass man für die Erklärung der Ereignisse und Prozesse im Universum, in der Natur unseres Planeten, im menschlichen Gehirn und in den menschlichen Gesellschaften auf die Existenz eines kreativen Gottes verzichten kann. Ich denke, dass Metzinger den Begriff "falsifizieren" im Sinne von Poppers „metaphysischen Forschungsprogramms“ benutzt.
Am 17.1.2012 schrieb ich an Hans Diel und Peter Hiemann:
Mit Popper habe ich mich vor etwa 10 Jahren zuletzt beschäftigt. Er hatte 1934 durch die Forderung der Falsifizierbarkeit eine neue Wissenschaftstheorie geschaffen. Eine wissenschaftliche Aussage hat danach immer nur vorläufigen Charakter. Jedwede positive Evidenz kann eine Theorie nur wahrheitsähnlicher machen. Durch eine einzige negative Aussage oder ein Gegenbeispiel kann sie widerlegt, also falsifiziert werden.
Wissenschaftlich sind nur solche Theorien, die auch falsifizierbar sind. Damit wandte er sich z.B. gegen Freuds Psychologie (und andere Ideologien). Sie kann keine Voraussagen machen, die man durch Experimente widerlegen kann. Popper bezeichnete seine Philosophie als ‘kritischen Rationalismus‘.
Vielen Leuten erschien das Kriterium zu hart. Man solle auch Dinge für wahr halten dürfen, für die Experimente für uns Menschen zu schwierig oder unmöglich sind. Damit kämen z.B. metaphysische Aussagen wieder ins Spiel. Das träfe unter anderem auf Poppers Theorien selbst zu.
Am 18.1.2012 schrieb mir Hans Diel:
auch ich war begeistert von Poppers Forderung nach Falsifizierbarkeit von wissenschaftlichen Theorien, glaube aber auch mittlerweile, dass man die Forderung bei bestimmten Themen abschwächen muss. Ich sehe drei Aspekte die eine Abschwächung erforderlich machen können:
1. Das Thema der entsprechenden Wissenschaftsdisziplin: Bei bestimmten Wissenschaften (bestes Beispiel Psychologie) ist der Gegenstand der Forschung schon so schwer fassbar, dass eine Falsifizierung der Aussagen auch sehr schwierig ist. Es sei denn, man betrachtet die Bestätigung von Vorhersagen als Verifizierung. Derartigen Theorien (Psychologie, Theologie) das Prädikat "Wissenschaft" abzuerkennen, bin auch mich manchmal geneigt. Dies wäre aber vermutlich doch unfair. Aber, letztlich ist dies nur eine Frage der Definition von "Wissenschaft".
2. Die Methoden, mit denen verifiziert oder falsifiziert wird: In der Psychologie arbeitet man ( um den Anspruch der Wissenschaftlichkeit aufrecht zu erhalten) sehr viel mit statistischen Auswertungen. Die Statistiken werden entweder als Grundlage für Theorien oder als Bestätigung für Theorien benutzt. Statistische Korrelationen sind jedoch, wie mathematisch Gebildete wissen, von zweifelhafter Beweiskraft. Wann eine statistische Korrelation eine Verifizierung oder Falsifizierung darstellt ist oft ziemlich subjektiv. Für unsinnig halte ich es, eine Aussage deswegen als falsifiziert zu betrachten, weil sie in einer Theorie nicht benötigt wird (siehe "das religiöse Menschenbild wurde falsifiziert" [bei Metzinger]).
3. Praktikabilität der Verifizierung: Die Physik war für mich immer die typische Wissenschaft bei der die Forderung nach Falsifizierbarkeit einer Theorie absolut zu gelten hat. Falsifizierung oder Verifizierung bedeutet in der Physik die Durchführung von Experimenten. Beispielsweise ist für mich die "Vielweltentheorie" mangels Falsifizierbarkeit unwissenschaftlich. Neuerdings habe ich aber auch Zweifel, ob man nicht auch für die Physik das Kriterium der Falsifizierbarkeit etwas abschwächen muss. Die Stringtheorie (die ich sehr skeptisch sehe ) sollte m.E. nicht deswegen abgelehnt werden, weil es auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird, sie durch Experimente zu verifizieren oder zu falsifizieren.
Zusammengefasst, die Forderung nach Falsifizierbarkeit einer wissenschaftlichen Theorie halte ich nach wie vor für sehr wichtig. Aber es gibt Gründe, dabei gelegentlich gewisse Ausnahmen oder Abschwächungen zu erlauben. Diese Ausnahmen sollten jedoch auf keinen Fall zu einer generellen Ablehnung der Forderung führen.
Ebenfalls am 18.1.2012 schrieb Peter Hiemann:
Als Normalsterblicher finde ich mich damit ab (und bin zufrieden), dass sich viele Menschen der gleichen Aufgabenstellung widmen: zu versuchen, die Welt und die menschliche Existenz zu deuten und zu verstehen. Für Experten stellt sich allerdings die Frage, worin sich professionelle Tätigkeit von Vertretern verschiedener Fachbereiche unterscheiden. Eine offensichtliche Antwort lautet: Wissenschaftler, Philosophen und Theologen widmen sich speziellen Fachgebieten und verwenden spezielle Methoden für Theoriebildung, Experimente (auch Gedankenexperimente) und Analysen. Falls Fachgebiete mit Methoden der Mathematik behandelt werden können, dient auch die Mathematik indirekt der Suche, die Welt zu verstehen. Die Vertreter aller Fachgebiete sind wohl auch aufgefordert anzugeben, mit welchen Methoden ihre Theorien auf Richtigkeit überprüft werden können.
Entzieht sich ein Fachgebiet jeder Überprüfung, gilt es als metaphysisch und gerät unter ständigem Druck, sich akademisch durchsetzen zu müssen (Budgets zu rechtfertigen). Die Mehrheit der Physiker verlassen sich bei ihrer Arbeit auf Aussagen, die mit mathematischen Methoden Vorhersagen physikalischer Ereignisse ermöglichen. Robert B. Laughlin vertritt allerdings die Ansicht, dass die Physik wohl zusätzliche (neue?) Methoden braucht, um auch Naturphänomene zu berücksichtigen, die nicht berechenbar sind. Bei einigen Physikern scheinen Prinzipien der Evolution und Methoden der fraktalen Geometrie eine Rolle zu spielen (Gerd Binning: „Aus dem Nichts“, Serie Piper, 1992). Für die meisten Fachgebiete gelten empirische Aussagen als wissenschaftlich begründet, sofern sie durch verallgemeinerungsfähige Erfahrungen (nicht notwendig durch Messungen) untermauert werden können. Viele Experten einiger dieser Fachgebiete glauben, dass statistische Methoden ihre Aussagen glaubwürdiger machen.
Mein Hinweis auf Karl Poppers Aussagen über Falsifizierbarkeit und ein „metaphysisches Forschungsprogramm“ basiert auf dessen Zitaten aus dem Buch „Das Ich und sein Gehirn“. Meine Aussage, dass Metzinger den Begriff "falsifizieren" im Sinne von Poppers „metaphysischen Forschungsprogramms“ benutzt haben könnte, entbehrt jeder Begründung und ist vermutlich falsch, weil die Erkenntnistheoretiker seit Popper längst neue Wege gegangen sind. Wie Metzinger tatsächlich über den Verlust religiöser Vorstellungen denkt, klingt so: „Mehr und mehr Menschen allerdings könnten sich insgeheim sagen: „Ich verstehe nicht, worüber all diese Experten aus der Hirnforschung und diese seltsamen Bewusstseinsphilosophen reden, aber das Endergebnis scheint ziemlich klar zu sein. Die Katze ist längst aus dem Sack: Wir sind Genkopierer, Bioroboter, die im Verlauf der Evolution auf einem einsamen Planeten in einem kalten und leeren Universum entstanden sind. Wir haben ein Gehirn, aber keine unsterbliche Seele, und nach rund siebzig Jahren fällt der Vorhang. Es wird kein Leben nach dem Tod geben, keine Strafe und keine Belohnung, keine Preisverleihung für gute schauspielerische Leistung (wie Woody Allen einmal gesagt hat), und letztlich ist jeder von uns allein. Ich habe die Botschaft verstanden, und Sie können sich darauf verlassen, dass ich mein eigenes Verhalten daran anpassen werde.“
Die populäre Metapher vom Gehirn als Computer und vom Mensch als Genkopierer bzw. Bioroboter ist nicht nur missverständlich, sondern schlichtweg falsch. Stattdessen bietet es sich an, das Zentralnervensystem und biologische Organismen mit Systemen zu vergleichen, die durch kommunikative Eigenschaften zu evolutionären Veränderungen fähig sind (ähnlich wie Humberto Maturana und Niklas Luhmann). Diese Vorstellung lässt genügend Raum für fortdauernden individuellen Erkenntniserwerb während eines Lebenslaufs. Erkenntniserwerb und Erkenntnistheorie ist nach meinem Verständnis eine unendliche Geschichte. Wissen, Hoffnung und Glaube, aber auch Unwissen, Not und Verzweiflung, haben in dieser Geschichte eine wesentliche Rolle gespielt und werden sie immer auf vielfältige Weise spielen. Unberechenbare Individuen spielen ihre Instrumente der verschiedenen Epochen nach Weisen vielfältiger Kulturen und Institutionen im Rhythmus vielfältiger Umstände.
In einem Telefonat am 23.2.2012 bemerkte Hartmut Wedekind, dass nach seiner Ansicht Karl Popper sowohl von meinen Blogpartnern, als auch von vielen andern Leuten maßlos überschätzt würde. Popper sei Psychologe und kein Logiker. Demgegenüber sei Thomas Kuhn viel wichtiger. Der von Kuhn eingeführte Begriff des Paradigmenwechseln sei viel bedeutender als der Poppersche Falsifikationismus. Mein Versuch, Popper zu verteidigen, führte schließlich (mit einigen Tagen Verzögerung) zu einer sehr lesenswerten Replik, die ich ungekürzt wiedergebe.
Am 27.2.2012 schrieb Hartmut Wedekind aus Darmstadt:
Der Streit zwischen Empirismus und Apriorismus, den wir führen, ist uralt. Deshalb eigentlich nutzlos. Die geschichtlich älteren, meist unbiegsamen Empiristen sind nicht aus einem „dogmatischen Schlummer“ (Kant) zu erwecken. Das artet ja manchmal jenseits der Aufklärung zu einem Religionskrieg aus. Popper, das muss ich zugeben, war ein erster Lichtblick in dieser dunklen, rein empirischen Welt. Popper hatte bei Carnap und dem Wiener Kreis viel gelernt, Und Carnap war ein Schüler des großen Gottlob Frege aus Jena (1848 -1925). Wenn man sich nicht einigen kann, sollte man versuchen, sich über seine „Ahnherrn“ zu unterhalten. Das ist ein bekanntes Rezept zur Überwindung eines Hiatus. Also unterhalten wir uns (später) über Frege, neben Russel, der Ahnherrn der modernen Sprachphilosophie.
Gibt es „vernünftige Festsetzungen“, ist der Kern des Streits. Ich schiele gerade in die „Logische Propädeutik“ von Kamlah/Lorenzen und hole da einiges heraus, weil‘s gelungen formuliert wurde.
Da der Empirismus “vernünftig“ und „empirisch-wissenschaftlich“ gleichsetzt, kann es für ihn keine „vernünftigen“ Festsetzungen geben, sondern nur „bloße Festsetzungen“, sog. „ willkürliche Konventionen“.
Festsetzungen über die sprachlichen Mittel, um die es uns geht, sind Normen für unser wissenschaftliches Sprechen. Es sind Redenormen - ein Spezialfall von Handlungsnormen. Während der Apriorismus behauptet, dass es (mehr oder weniger) vernünftige Normen gibt, will sich der Empirismus jeder Normsetzung enthalten: Alle Verantwortung für Normen wird dem „Subjekt“, dem Einzelnen, der nach dieser Norm handelt, zugeschoben. „Alle Normen sind subjektiv“ , das ist eine geeignete Formulierung des empiristischen Hauptdogmas. Sie sagen statt „subjektiv“ eben „relativ, was aber gleichsinnig aufzufassen ist. Man könnte auch sagen „relativ zum Subjekt“. Der logische Empirismus (à la Popper, ein Lichtblick in der rein empirischen Dunkelheit) erkennt immerhin schon logische Regeln an – also eine Spezialfall von Redenormen.
Dogmen sind halt Glaubenssätze, Lehrsätze, Lehrsprüche oder Meinungen, die nicht begründet werden müssen. Das meint die katholische Kirche auch. Axiome der Mathematiker sind ebenfalls von diesem Format. Konstruktiv Arbeitende wollen aus Gründen einer wissenschaftlichen Begründungspflicht mit dieser Erkenntnisenge nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Dogmatiker sollen Dogmatiker bleiben, unbiegsam wie Kant sagte. Schlimm ist bloß, wenn ein Dogmatismus (wie im Falle der Informatik) in der Schule gelehrt wird. Er, der Dogmatismus, wird gelernt, aber nicht verstanden. Geht auch gar nicht, wegen des Konventionalismus, der gepredigt wird. Streng genommen ist da gar nichts zu verstehen. Da muss man nur alles hinnehmen, nur tüchtig „lernen“, um zu „wissen“. Im Kern ist das alles nur Makulatur, völlig wertlos. Statt Bildung wird Vielwisserei gelehrt, um alles wieder möglichst schnell zu vergessen.
Schauen Sie auf die Objektorientierung in der Schul-Informatik. Nach dem Unterricht unten bei uns in der Edith-Stein-Schule stupst der eine Kumpel in Klasse 11 den anderen an und sagt „ Du bist ein Objekt“. Das hatte er gerade so im Informatik-Unterricht als sinnfälliges Beispiel einer Informatik- Konvention „ontologisch“ gelernt. Man müsste Lehrer, die so etwas lehren, verjagen. Der arme Kerl, mein Nachbarssohn, versteht überhaupt nichts mehr. Hatte er doch zuvor im Deutschunterricht von einem grammatischen und logischen Objekt gehört. Und jetzt dieses Informatik-Objekt, das man auch ontologisches Objekt nennt. Informatik stört. so gesehen, nur den Deutsch-Unterricht . Der Junge ist gut. An ein Informatik –Studium denkt der nicht. Der ist abgeschreckt. Vergeblich sind die Schalmeien-Klänge z.B. der Herrn Jänichen und Günther. Der Pfusch beginnt ganz am Anfang. Gut, dass die Informatik gemieden wird und mit hoher Wahrscheinlichkeit nur noch als Nebenfach Bedeutung haben wird.
In der Schule sieht man das empirische Drama !! Da gilt nun wirklich der Spruch “Das ist das Papier nicht wert, auf dem dieser Dreck steht“. Angefangen mit der Ontologie (ein der Philosophie entlehntes, aber unverstandenes Wort) und endet mit einem stumpfsinnigen Auswendiglernen von unverstandenen und unverstehbaren Konventionen. Alles Empirie. Der Informatik-Pädagoge Michael Fothe versteht aber meinen Ansatz aus „Informatik als Grundbildung“. Der Ansatz, so sagt er, ist aber nicht durchsetzbar. Da steckt eben der Dogmatismus in den Köpfen, den Sie auch predigen, der schon vor 40 Jahren mit FL Bauer in den Schulen begonnen hat, und voraussichtlich nicht aufhören wird. Das weiß ich auch.
Mit Axiomatikern und Dogmatikern kann man halt nicht reden. Die wissen ja alles schon kraft ihrer Dogmen im Voraus. Aber was in den Schulen passiert, ist schlimm, unverantwortlich. Das steht aber auch so in „Informatik als Grundbildung“, geschrieben für unverbesserliche Dogmatiker. Aber immerhin geschrieben. Es steht so ein Aliud in der Welt. Man kann also nicht sagen, das nicht gekannt zu haben. Ich zumindest und andere können sich darauf beziehen. Das nennt man ökonomisch.
PS: Ich schreibe so spät (voraussichtlich am 27.2.) auf unser Telefongespräch vom 23.2., weil mein Mail-System außer Funktion gesetzt war. Ich habe aber jetzt ein iPhone und quäle mich ab, mit lauter, bloß empirischen Konventionen, deren Vernunft ich nur schwerlich erkennen kann. Mit Vernunft dahinter wäre ich lernfähiger und schneller. Vernunft ist ökonomisch.
PPS: Zum Thema Konvention, ein Beispiel, das mir gerade einfiel.
Temperaturmessungen in F sind bloße Konvention, weil ein Engländer namens Fahrenheit einmal den 0 F Punkt bei -32 ° C festgelegt hat. Er ist im Winter heraus marschiert und hat gemessen und den 0 F Punkt willkürlich festgelegt.
Ganz anders der Schwede Celsius. Der ist vom Wasser ausgegangen, weil er wusste, dass die Welt, die wir kennen, zu 80% aus Wasser besteht. 0 C und 100 C wurden durch Aggregatzustände des Wassers bestimmt. Man merkt aber, da steckt schon ein wenig Vernunft dahinter. Weil Wasser als Maßstab genommen wurde , ist aber auch noch Willkür drin. Die „volle“ Vernunft und volle Begründung bei der Temperaturmessung kam aber erst mit Kelvin und seinen °K und seiner Orientierung am absoluten Nullpunkt. Da ist keine Konvention und keine Willkür mehr drin, da obsiegte die Erkenntnis. Nach Popper müsste man jetzt das Phänomen des absoluten Nullpunkts falsifizieren. Das kann man nur durch Angabe eines Beispiels, z.B. den Nachweis, dass es hoch tiefere Temperatuten gibt.
Anders im konstruktiven Aufbau mit der Anerkennung eines Apriori. Da beginnt man ganz unten in der Protophysik, also einer Physik, die der eigentlich messenden Physik am Anfang (proto) vorausgeht. Bevor man den absoluten Nullpunkt erklärt, muss man Molekularbewegungen erklären. Davor ist der Bewegungsbegriff einzuführen. Denn man kann konstruktiv nur das verwenden, was schon vorher begründet bereitgestellt wurde. Den Begriff „Bewegung“ kann man nur einführen, wenn man vorher die Geometrie (Raummessung) und Chronometrie (Zeitmessung) behandelt hat. Geometrie und Chronometrie werden als messtheoretisches Apriori der Physik aufgefasst. Dass sind dann Zustände, in denen Moleküle zur Ruhe kommen, also bewegungsfrei sind, durch eine Norm besonders ausgezeichnet, die ist begründet und vernünftig. Ich brauche kein Falsifikationstheater.
Beweisen kann man empirisch- logische All-Sätze nicht. Neuerdings haben Forscher beim CERN mit der Lichtgeschwindigkeit versucht, den Einstein zu kippen. Auch dieser Falsifikationsversuch eines berühmten naturwissenschaftlichen All-Satzes ging in die Hose. Ich habe den Eindruck, Falsifikationsversuche werde häufig auch deshalb gemacht, um die Presse auf sich aufmerksam zu machen. Früher war es das Perpetuum Moblile. Man kann dann von einer „Falsifikations-Attraktion“ sprechen, die man produziert, um in die Presse zu kommen. Das ist alles eine „geschwätzige Seichtigkeit unter dem angemaßten Namen der Popularität“.