Gerhard Schimpf war von 1968 bis 1994 in
verschiedenen Funktionen in der Software-Entwicklung des IBM Labor Böblingen tätig. Er begann seine
Karriere als Systemprogrammierer im Bereich der Compiler-Entwicklung. Von 2008-2011
war er Vorsitzender des deutschen Chapters der Association for Computing
Machinery (ACM). Schimpf hatte
in Karlsruhe Physik studiert. Seit 1995
betreibt er die Firma SMF TEAM Unternehmensberatung mit Sitz in Pforzheim.
Bertal Dresen (BD): Unsere Bekanntschaft geht zurück auf Ihre
Zeit bei IBM. Wie kamen Sie als Physiker in die Datenverarbeitung (wie man
unser Fachgebiet damals nannte)? An welche Aufgaben bei IBM erinnern Sie sich
besonders gerne?
Gerhard Schimpf (GS): Ich
bin über das wissenschaftliche Rechnen zur Datenverarbeitung gekommen. In den
Jahren 1965/66 habe ich am Institut für Theoretische Physik der TH Karlsruhe
meine Diplomarbeit geschrieben. Diese Zeit fiel zusammen mit dem Beginn einer
zentralen Rechnerversorgung in Karlsruhe durch den Lehrstuhl für Numerische
Mathematik und der anschließenden Gründung des Universitätsrechenzentrums. Dort
habe ich einen Programmierkurs für ALGOL absolviert. Danach war ich am Institut
sehr gefragt, weil ich der einzige Mitarbeiter war, der programmieren konnte.
In Rekordzeit konnte ich mit einem Privatdozenten zusammen ein Paper
publizieren, für das wir ohne Rechnerunterstützung ein Vielfaches an Zeit
gebraucht hätten. Nach der Emeritierung unseres Institutsleiters wurden alle
Assistentenstellen eingefroren, um den Nachfolger nicht festzulegen. Das nahm
ich zum Anlass, um für einige Zeit in die Industrie zu gehen. Mit der festen
Absicht nach vielleicht zwei Jahren wieder an die Hochschule zurückzukehren,
habe ich mich im Herbst 1967 bei IBM beworben, um die Datenverarbeitung von
Grund auf zu erlernen. Das war von Anfang an so facettenreich und attraktiv,
dass aus den ursprünglich geplanten zwei Jahren dann 26 Jahre geworden sind.
Besonders gerne erinnere ich mich
an das erste Projekt, bei dem ich mitgearbeitet habe und zwar deshalb, weil es
mich für mein gesamtes Berufsleben geprägt hat.
Technisch ging es darum, einen Compiler für die damals neue
Programmiersprache PL/I zu schreiben. Aus heutiger Sicht ein mutiges Projekt. Diese
Sprache war noch nicht standardisiert und Teile der Definition waren noch im
Fluss, was eine beständige Herausforderung war. Ein größeres Problem war aber
die Zielmaschine, die IBM System /360 Modell 20, ein kommerzieller Rechner ohne
Gleitkommaarithmetik und einem winzigen Hauptspeicher, der alles andere als
geeignet war, um einen PL/I Compiler (intern C-Compiler genannt) dort in
Stellung zu bringen. Der design point lag bei einer Hauptspeichergröße von 8kB,
was nur dadurch gelöst werden konnte, dass der gesamte Code in etwa 70 nachzuladende Phasen aufgeteilt
wurde.
Ich hatte das Glück, dass ich über
zwei Jahre hinweg dieses anspruchsvolle Entwicklungsprojekt mit all seinen
Schwierigkeiten und Hürden vom ersten Projekttag bis zur Auslieferung des
Compilers an die Kunden miterleben konnte. Diese Gelegenheit, einen
Entwicklungszyklus vollständig zu durchlaufen und umfassendes Projektwissen zu
erwerben, war insofern keine Selbstverständlichkeit, weil die IBM im Gegensatz
zu vielen anderen Firmen damals schon die Kunst beherrschte, ein Projekt abzubrechen,
wenn es nicht erfolgversprechend war. Geprägt hat mich aber vor allem die
Arbeit in einem großen Entwicklungsteam. Für mich war das eine neue Erfahrung,
zumal wir im Studium zu wissenschaftlichen Individuen ausgebildet wurden, die
„ohne fremde Hilfe“ arbeiten. Zu den damaligen Erfolgsfaktoren rechne ich auch die
Zusammensetzung des Teams. Junge unerfahrene Mitarbeiter, die unerschrocken
Probleme anpackten, auch weil sie deren Tragweite nicht sofort begriffen, die
unter Leitung erfahrener, teilweise genialer Kollegen, zusammen arbeiteten. „Fremde
Hilfe“ war an der Tagesordnung und aus dem internationalen Umfeld eines
Großunternehmens kam fortwährend eine Fülle von Anregungen und verwertbaren Erkenntnissen.
In der Rückschau wird mir
bewusst, dass seinerzeit Pionierarbeit geleistet wurde, die Compilerbauer zur ‚crème
de la crème‘ gehörten und dass es wenig Orte außerhalb des Böblinger Labors der
IBM gab, wo man das Handwerk des Software Engineering noch besser hätte erlernen
können.
BD: Im Jahre 1968
gegründet, feierte das German Chapter der ACM am 10. Oktober 2008 im Böblinger
IBM Labor sein 40-jähriges
Bestehen mit einer Fachkonferenz. Die ACM-Mutter hatte früher viel Geld. Es
wurden tolle Seminare auch in Deutschland angeboten, z.B. über Computergrafik
und Timesharing-Systeme. Als das Geld weniger wurde, trockneten viele der Aktivitäten
in Europa aus. Wann und wie kamen Sie dazu? Sie waren lange Schriftführer. Was
gab die Arbeit im Chapter Ihnen?
GS: Ich war 1973 zu einer Sommerschule über Betriebssysteme am MIT und in
den Jahren 1974/1975 für die IBM auf Auslandsabordnung in den USA. In diesen
Jahren waren für mich die USA richtungsweisend in der Informatik. Die ACM als
zwar US-dominierte aber international verbreitete Fachgesellschaft war damals
wie heute als Qualitätslabel bekannt für ihre Publikationen, stellvertretend
seien die „Communications of the ACM“ genannt sowie Seminare und Treffen der
Special Interest Groups.
Für mich war
die Mitgliedschaft in der ACM ein Mittel, um über die Publikationen wissensmäßig
auch nach der Rückkehr nach Deutschland am Ball zu bleiben. Was mir besonders
gefallen hat, war der amerikanische Pragmatismus und der beständige Bezug zur
Praxis. Ähnliche Motive hatte auch das 1968 gegründete ‚German Chapter of the
ACM‘, dem ich 1975 beigetreten bin. Die Fachtagungen des Chapters waren jeweils
geleitet vom Willen wissenschaftlich und technisch verwertbare Informationen in
der noch kleinen Gemeinde der Informatiker zu verbreiten.
Für mich war
die Arbeit als Schriftführer des Chapters unerwartet arbeitsintensiv, weil die
gesamte Kommunikation auf dem Postweg erfolgte und für die Mitgliederverwaltung
habe ich vom Vorgänger ein FORTRAN-Programm übernommen, das auf meinem Rechner,
einem IBM Mainframe, nicht lief und mühsam zurechtgebogen werden musste. Der
Aufwand hat sich aber gelohnt. Ich kam in Kontakt mit den führenden Leuten unserer Zunft und bis
auf den heutigen Tag sehe ich mich in einem Netzwerk von Fachkollegen, das sich
über viele Jahre gehalten hat und das ich ohne die ACM nicht hätte.
Besonders
wirkungsvoll war dabei das Konzept der Regionalgruppen. Diese Idee der
informellen fachlichen Kommunikation unter Kollegen – zugegeben ein wenig hemdsärmelig
und unakademisch ̶ haben wir aus den USA importiert. Man trifft
sich zum informellen Plausch beim Abendessen mit einem „after dinner speaker“.
Die ersten Treffen dieser Art fanden 1977 in Böblingen statt und eine der
ersten Sprecherinnen, die ich eingeladen habe, war die COBOL Pionierin Jean
Sammet, damals Präsidentin der ACM, der ersten Frau überhaupt auf diesem
Posten. Im Jahr 1979 wurde dann die Regionalgruppe München gegründet und es hat
10 weitere Jahre gedauert, bis die Gesellschaft für Informatik (GI) hinzu kam.
Heute betreiben wir im Rahmen unserer Assoziation mit der GI diese
Regionalgruppen gemeinsam.
BD: In den Jahren 2008 bis 2011 hatten Sie die Funktion des
Vorsitzenden und seither die des Past Chairman inne. Wie steht das Chapter
heute da? Die offiziellen Mitgliedszahlen täuschen doch, wenn man Karteileichen
außer Acht lässt? War mein Eindruck falsch, dass das Chapter eine Art von
Stammtisch von einigen Freelancers und Siemens-Mitarbeitern im Münchner Raum
war? Welche Aktivitäten stachen besonders hervor?
GS: Karteileichen haben
wir heute keine mehr und der Eindruck eines Münchner Stammtisches konnte in der
Tat entstehen, weil über mehr als 10 Jahre hinweg alle Vorstandsmitglieder aus
München und dem Umfeld der Münchner Regionalgruppe kamen. Diesen Kollegen (alle
aus dem Bereich der Industrie und der Anwendung) ist es aber zu verdanken, dass
sie mit großem Selbstbewusstsein das German Chapter am Leben gehalten haben. Im
Gegensatz zu anderen europäischen Ländern ist das deutsche Chapter nicht
rückstandsfrei in der nationalen Informatik-Organisation aufgegangen. Hier hat
man sich für ein Assoziierungsabkommen mit der GI entschieden.
Nach meiner Wahl zum Vorsitzenden
des German Chapters haben wir uns im Vorstand darauf konzentriert die
Attraktivität des Chapters und dessen Sichtbarkeit zu erhöhen. Dazu gehörte
auch die Auffrischung der Kontakte zur amerikanischen Muttergesellschaft und zu
den europäischen Initiativen der ACM. Das 40-jährige Jubiläum des Chapters mit
einer Fachkonferenz im IBM Labor Böblingen und meine Kontakte zum damaligen ACM
Präsidenten Stu Feldman (Google) waren dabei ein wichtiger Katalysator. In der
Folge wurde ich zu einer ACM Taskforce nach Paris eingeladen, aus der das ACM Europe
Council hervorging, einer von
drei Initiativen außerhalb der USA (die anderen in Indien und China), mit der
sich die ACM als ‚global player‘ der Informatik positioniert. Über das ACM
Europe Council, in dem wir nun vertreten sind, haben wir seit einigen Jahren kurze
und unbürokratische Wege zum ACM HQ. Von dort erhielten wir mehrfach
Unterstützung, zuletzt bei der Benennung von Barabara Liskov, die als Turing
Preisträgerin im Rahmen unserer Kooperation mit der GI als Keynote Sprecherin
bei der diesjährigen Jahrestagung der GI in Braunschweig aufgetreten ist.
Neben der Belebung der Kontakte
zur amerikanischen Muttergesellschaft war es mir auch ein Anliegen die Kontakte
zu unserem Assoziierungspartner, der GI, aufzufrischen. In meiner Amtszeit
haben wir ein „Document of Understanding“ verfasst, das die Basis für eine
„friendly coexistence“ bietet und Wege der Kooperation aufzeigt. Die beiden
Gesellschaften adressieren Mitglieder mit ähnlich gelagerten bzw. überlappenden
Interessen, was sich oft auch in einer Doppelmitgliedschaft ausdrückt. Richtig gespielt,
können beide Gesellschaften voneinander
profitieren. Dafür sind die Voraussetzungen günstig. Der Draht vom
Chapter Vorstand zur GI Geschäftsstelle und zum gegenwärtigen Präsidenten ist inzwischen
genau so kurz und unkompliziert, wie der zum ACM HQ in New York.
BD: Wie war in der Vergangenheit das Profil des Chapters als
Fachvereinigung, vor allem gegenüber der GI? Sprach es Praktiker stärker an als
die GI? Warum? Wo liegt aktuell ihr fachlicher Schwerpunkt? Für was engagiert
sich das Chapter besonders? Was bietet es, was die GI nicht bietet? Der Beitrag
ist mit 15 € pro Jahr
seit Jahrzehnten unverändert niedrig.
GS: Für mich persönlich
stand das German Chapter immer für drei Prinzipen: Vermittlung von aktuellem
Wissen, Praxisrelevanz und Internationalität, d.h. vor allem auch der fachliche
Austausch zu Kollegen in Europa und den USA. Der Grund warum im Chapter
schwerpunktmäßig die Praktiker vertreten sind, liegt wohl an der
Gründungsgeschichte und andererseits an seinen Veranstaltungen. Jemand, der in
der Industrie tief im Projekt vergraben ist, kann es sich zeitlich nicht
leisten zu einer einwöchigen Veranstaltung der GI zu fahren. Für einen
Freiberufler kommt jeder Tag Abwesenheit einem Umsatzverlust gleich. Trotzdem
möchte man informiert sein über die fachlichen Trends auf seinem Gebiet. Dafür
muss in der Regel das Wochenende herhalten. ACM löst diese Situation mit seinen
Publikationen und einer ganzen Reihe von Internet-Auftritten, Blogs, persönlicher
Betreuung der Mitglieder anhand ihres Interessenprofils sowie Self-Learning-Kursen.
Das German Chapter bietet für vielbeschäftigte Praktiker u.a. Kurztagungen im
„live“ Format an.“Live“ steht dabei synonym für Praxisrelevanz. Bei der
eintägigen „Software Engineering live“ diskutieren Software-Architekten und
Methodenverantwortliche über Techniken, die aktuell in realen Projekten
angewendet werden. Bei der „IT-Security live“ diskutieren für die IT-Sicherheit
in den Unternehmen verantwortliche Professionals über real existierende
Sicherheitsprobleme und deren Lösungen.
Um Reisezeit und –kosten für die
Teilnehmer zu sparen engagiert sich das Chapter darüber hinaus beim ACM Europe
Council dafür, dass internationalen Fachtagungen der ACM alternierend in
Übersee und in Europa stattfinden. Bereits zweimal ist es uns gelungen solche
Tagungen in den deutschsprachigen Raum zu ziehen. Insgesamt bietet das German
Chapter seinen Mitgliedern zu einem sehr geringen Mitgliedsbeitrag eine
Plattform, um engagierten Professionals einen kollegialen und von
Freiwilligenarbeit getragenen Fachaustausch zu ermöglichen. Dabei bietet das
Chapter den Veranstaltern solcher Tagungen Starthilfe und finanziellen Rückhalt. Bei seinen
Entscheidungen ist hier das Chapter wegen seiner überschaubaren Größe sicher
schneller als die GI, auch wenn es darum geht einmal unkonventionelle Wege zu
gehen.
BD: Die englische Kollegin Wendy
Hall (Universität Southampton) hat als ACM-Präsidentin eine Wiederbelebung der
europäischen Aktivitäten betrieben. Was wurde konkret getan bzw. geplant?
GS: Die Präsidentschaft
von Dame Wendy (sie wurde inzwischen durch die englische Königin geadelt) fiel
zusammen mit der Überführung der ACM Europe Taskforce in ein dauerhaftes
Gremium, dem ACM Europe Council, unter Leitung von Fabrizio Gagliardi
(Microsoft). Dieses Gremium ist inzwischen auf 22 Mitglieder angewachsen, die
sich in vier Gruppen organisiert haben, um die folgenden Zielstellungen zu verfolgen:
- Intensivierung
und Bündelung aller ACM-Aktivitäten in Europa, u.a. durch Zusammenarbeit und
Verflechtung mit bestehenden europaweit operierenden
Wissenschaftsorganisationen
- Ermutigung
der europäischen Mitglieder, um sich an der Nominierung für die „advanced member
grades“ sowie an den von der ACM ausgelobten Preisen zu beteiligen
- Erhöhung
der Anzahl der ACM-Konferenzen in Europa
- Ausweitung
der Chapter-Aktivitäten in Europa und Gründung neuer Chapter.
Sichtbares Ergebnis wird die
erste ACM ECRC (European Computing Research Conference) sein, die im Mai 2013
in Paris stattfinden wird. Vorbild ist die amerikanische ‚Federated Computing
Research Conference‘, bei der mehrere ACM SIGs parallel ihre Jahrestagung
abhalten. Nukleus der ECRC bildet die SIGCHI, weiter nehmen teil die
SIG-ACCESS, SIG-DA und die SIG-Web. Neben fachlichen Aspekten wird erwartet,
dass dadurch die ACM auch gegenüber der europäischen Kommission sichtbar wird. Die ersten Kontakte sind geknüpft.
Eine solche Großveranstaltung ist
wohl nötig, um im allgemeinen Strom der Ereignisse wahrgenommen zu werden. Es
fehlt nämlich nicht an fachbezogenen Aktivitäten der ACM. Die Website von ACM
Europe listet über 40 Fachtagungen auf, die im nächsten Halbjahr in Europa
stattfinden werden. Dabei wird einem erst richtig bewusst, wie weit die
Informatik heute in einzelne Spezialgebiete aufgefächert ist. Auch auf Chapter-Ebene
gab es bereits sichtbare Ergebnisse. Im Januar hat in Paris der erste Workshop
für die europäischen ACM Chapter Officers stattgefunden. Dabei wurde eine
Vielzahl von Verbesserungsvorschlägen erarbeitet. Im Einzelnen ging es um die
Nutzung der von der ACM angebotenen Programme (wie das ‚Distinguished Speaker
Program‘) und die Unterstützung durch die amerikanische Zentrale. Diese Treffen
werden fortgesetzt werden. Interessant ist für mich die Beobachtung, dass die
wesentlichen Impulse zurzeit von den europäischen „Randstaaten“ ausgehen.
BD: Welches Potenzial sehen Sie für die Zukunft des ACM
Chapters? Was wünschen Sie sich, z.B. von der GI? Was wünschen Sie sich von den
Mitgliedern?
GS: In Zeiten einer stark
deformierten Alterspyramide dürfte die Gewinnung jüngerer Neumitglieder sehr
begrenzt ausfallen. Dennoch sehe ich Wachstumspotentiale für das German
Chapter. Einerseits gibt es zahlreiche ACM-Mitglieder in Deutschland, die noch
nie etwas vom ‚German Chapter of the ACM‘ gehört haben. Dieses Potential können
wir mit Hilfe der amerikanischen Mutter und über die Europainitiative erschließen.
Eine zweite Zielgruppe sind die „Young Professionals“, d.h. Informatiker in der
Industrie mit 5 bis 10 Jahren Berufserfahrung. Ich gebe zu, dass wir hier noch
keine „silver bullet“ gefunden haben und dass wir uns verstärkt in deren
Lebenssituation hineindenken müssen, um sie anzusprechen. Ich denke aber, dass
hier latent ein Bedarf zum fachlichen Austausch besteht, der nicht durch
elektronische Kommunikation gedeckt werden kann. Eine dritte Zielgruppe, die
mit Sicherheit nicht den Weg zu GI finden wird, sind die nicht-akademischen
Informatiker. Hier gibt es gerade bei den Freiberuflern ein Potential mit einem
interessanten praktischen Erfahrungswissen, das es lohnt zu erschließen.
Meine Wünsche an die GI sind
bescheiden. Hauptsächlich geht es darum, die im ‚Document of Understanding‘
angerissenen Kooperationsmöglichkeiten mit Leben zu erfüllen. Von manchen in
der GI werden wir vielleicht nicht wahrgenommen. Ich bin aber froh darüber,
dass man in den Leitungsgremien erkannt hat, dass das ‚German Chapter of the
ACM‘ zwar klein, aber nicht unbedeutend ist. Meine Wünsche an die Chapter-Mitglieder
lassen sich mit denen eines Fußballtrainers vergleichen. Wir spielen recht gut
in der Regionalliga. Wir brauchen aber dringend motivierte Vereinsmitglieder und
neue Spieler, um auch in der Bundesliga mitzuspielen.
BD: Ihre Firma führt den Namen SMF TEAM Unternehmensberatung für
IT-Sicherheit. Wo genau liegt ihr Tätigkeitsfeld? Was sind Ihre Erfahrungen als
selbständiger Unternehmer?
GS: Mein Tätigkeitsfeld
betrifft die Beratung von Unternehmen und den Aufbau von Managementsystemen zur
IT-Sicherheit. Die Grundstrukturen sind zwar durch ISO Normen gegeben, in der
Praxis haben wir es in der Regel mit einem schwer zu entwirrenden Themenbündel
aus technischen und organisatorischen Gegebenheiten zu tun, bei dem die
Firmenkultur, aber auch wirtschaftliche Zielkonflikte des verantwortlichen
Managements eine große Rolle spielen. IT-Sicherheit ist ein komplexes Querschnittsthema.
Die Arbeit der Sicherheitsberater spielt sich zu großen Teilen im Verborgenen
ab. Die Erfolge, identifizierte Schwachstellen, erkannte Risiken im Unternehmen,
stattgefundene Angriffe auf die Infrastruktur eignen sich leider nicht, um
damit Reklame zu machen.
Die größten Chancen, um an
Aufträge zu kommen, haben daher nach meiner Erfahrung Persönlichkeiten, die
einerseits ein sehr großes organisatorisch-technisches Querschnittswissen auf
der Höhe der Zeit haben, andererseits aber auch so verschwiegen sind, dass sich
ein ungestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer
herausbildet.
Und ganz persönlich freue ich
mich darüber, dass mein Wissen gefragt ist und ich mich in einem Alter, bei dem
sich meine Alterskohorte längst zur Ruhe gesetzt hat, mit derart interessanten
Aufgaben befassen kann. Ich habe meiner Frau aber versprochen, dass ich mit
Ablauf dieses Jahres nur noch ehrenamtlich tätig sein werde.
BD: Herr Schimpf, vielen Dank für dieses
sehr ausführliche Interview.