„Neoliberalismus“ ist heute ein
Schimpfwort. Die gegenwärtige Krise ist aber nicht den ursprünglichen
Vordenkern der „Unsichtbaren Hand“ anzulasten, sondern zahlreichen verfehlten
politischen Entscheidungen. .… Man kann sich beim besten Willen nicht
vorstellen, dass deutsche Neoliberale diesem Treiben jemals ihren Segen gegeben
hätten. Hier liegt Staatsversagen vor und nichts anderes.
So schrieb Siegfried F. Franke in dem Beitrag ‚Die verkannte
Marktwirtschaft‘ in der Stuttgarter Zeitung von Samstag, dem 10.11.2012 (Nr.
261).
Am 11.11.2012 schrieb hierzu Peter Hiemann aus Zarzis in Tunesien:
Adam Smiths ökonomische Theorie war sicher ein großer Schritt seiner
Epoche. Der freie Markt bzw. frei variierende Preise der Produkte und Dienstleistungen
(die unsichtbare Hand) konnten sicherlich sozial ausgeglichenere Verhältnisse
kreieren als vom Adel festgesetzte Abgaben. Adam Smiths Grundprinzip gilt auch
heute noch. Nur müssen sich Ökonomen heute mit der Tatsache auseinandersetzen,
dass sich eine neue "adlige" Gesellschaftsschicht herausgebildet hat,
die hinsichtlich eines "neuen freien Marktes" für Finanzprodukte und
Finanzdienstleistungen sich ähnlich dominant verhält wie der Adel zu Smiths
Zeiten.
Wo ist ein heutiger "Adam Smith", der das existierende
Wirtschaftssystem nicht nur kritisiert, sondern eine ökonomische Theorie
erarbeitet und präsentiert, die existierende gesellschaftliche Spannungen
mindern hilft und Regelkreise identifiziert, die zukünftig für sozial
ausgeglichenere Verhältnisse notwendig zu beachten sind? Die geforderte Theorie
muss übrigens weltweite globale Wirtschaftskreisläufe berücksichtigen. Ich
kenne einen Ökonomen, der sich für eine neue Wirtschaftstheorie stark macht:
Joseph E. Stiglitz, der für seine Arbeiten über das Verhältnis von Information
und Märkten 2001 zusammen mit George A. Akerlof und Michael Spence den Preis
für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred
Nobel erhielt.
Prof. Siegfried F. Franke gehört wohl eher nicht zu einer Gruppe
moderner Ökonomen, von denen ich neue Ideen zur Wirtschaftstheorie erwarten
würde.
Am 12.11.2012 schickte ich den nachfolgenden Leserbrief an die
Stuttgarter Zeitung:
Laut Franke haben nicht die Theoretiker Fehler gemacht, sondern die
Anwender. Diese Sicht ist nicht neu. Das sagten alle sozialistischen Theoretiker
über die UdSSR. Dieses Mal hatte sich der Staat zum Büttel machen lassen durch
die staatlichen Banken bei uns (vor allem die Landesbanken) und die großen
privaten Börsenmakler in den USA. Das Stichwort hieß ‚Too big to fail‘ (TBTF). Thatcher hat England sehr gut getan. Clinton
trieb den Sozialismus zu weit, in dem er Freddie Mac und Fannie Mae zwang,
armen Leuten ungedeckte Immobilienkredite zu geben.
Die Wirtschaftswissenschaft soll ruhig weiter Modelle entwickeln. Die
Politik darf jedoch nur solche übernehmen, die ein Nahezu-Gleichgewicht
ergeben. Immer müssen diejenigen Partner bevorzugt werden, die sich aktiv um
die Verbesserung ihres Zustands bemühen. Wissenschaftler sollten zu erklären
versuchen, warum es Unterangebote gibt, etwa an Arbeitsplätzen, und welche
Maßnahmen helfen könnten, diese teilweise zu beseitigen. Es kann nicht sein,
dass Wissenschaftler sagen Sozialismus ist besser als Freiheit. Die
Entscheidung, wie viel von dem einen und wie viel von dem andern jetzt am besten
zur Anwendung kommt, müssen Bürger, Unternehmer und Politiker (in dieser
Reihenfolge!) fällen.
Zu meiner Interpretation der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion
noch einige Zusatzbemerkungen:
Nach meinen (vereinfachten) Definitionen heißt liberal, dass der Einzelne in wirtschaftlichen (und anderen) Fragen
entscheiden darf und muss. Meistens wird nur das Recht gesehen und nicht auch
die Pflicht. Sozialistisch heißt, die
Regierung plant und verteilt alles. Dazwischen liegen viele Abschwächungen und
Mischformen. Ein viel zitiertes Beispiel ist der Ordo-Liberalismus der
Freiburger Schule (Eucken, Müller-Armack, Erhardt). Es ist ein Liberalismus
mit sozialem Rahmen. Milton
Friedman und der Chicago-Monetarismus liegen etwas weiter rechts. Der Staat
muss für stabiles Geld (genau genommen stabile Verhältnisse) sorgen, sich sonst möglichst heraushalten. Viele Politiker fanden es bequem, dass sie sich ̶ unter Bezug auf Friedman ̶ endlich von Experten oder Fachwissen frei machen konnten. Es besteht ohnehin das Risiko, auf die falschen Experten zu hören und damit hereinzufallen.
Am 29.11.2012 schrieb Siegfried Franke aus Budapest:
AntwortenLöschenhaben Sie herzlichen Dank für Ihre freundliche Bewertung meines Beitrags. Allerdings ging es mir nicht darum, meine Kollegen zu verteidigen. Eher schon können Sie dem Beitrag eine Verteidigung von Adam Smith sehen, wenn man ihn denn richtig liest und auf seine zahlreichen Bemerkungen, dass Märkte nicht vollkommen sind und deshalb der Staat durchaus helfend eingreifen muss., zur Kenntnis nimmt. Gerichtet war er auch gegen die Pervertierung des liberalen Gedankens wie er aus Amerika leider zu vermerken ist.
Ich persönlich wäre vorsichtig mit der Wertschätzung von Karl Marx. Unbestreitbar ist, dass er eine eindrucksvolle Schilderung der erbärmlichen sozialen Lage breiter Schichten der Bevölkerung geliefert hat. Darauf haben ja die Regierungen auch geantwortet. Von Bismarck bis zur modernen Sozialgesetzgebung. Seine theoretischen Ausführungen, insbesondere die Arbeitswertlehre, ist jedoch außerordentlich schwach und widersprüchlich. Hinzu kommt sein Anspruch, die historischen unverrückbaren Gesetze der menschlichen Entwicklungsgeschichte enthüllt zu haben. Was dann freilich zum Äon des Kommunismus folgt, ist wolkig und beliebig interpretierbar. Niemand kann für das haftbar gemacht werden, was andere aus den eigenen Gedanken machen (das ist liberales Denken), aber große Wertschätzung muss man daraus auch nicht ableiten.
Mit den besten Grüßen aus der Donaumetropole
Ihr Siegfried Franke
--
Prof. Dr. Siegfried F. Franke
Herder-Professur für Wirtschaftspolitik
Fakultät für Internationale Beziehungen Nemzetközi Kapcsolatok Fakultás
Andrássy Universität Budapest
Andrássy Gyula Budapesti
H-1088 Budapest
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